Die Scheckheftpolitik ist am Ende

Ich möchte nicht den Eindruck machen, dass ich für die nachfolgend geschilderten Krisen eine Lösung habe, nur ist die Scheckheftpolitik meiner Meinung nach am Ende.

Krisen haben für Deutschland immer etwas mit Geld zu tun. Es ist entweder zu wenig Geld da, wie in der Bankenkrise, oder es wird versucht Probleme mit Geld zu lösen wie die so genannte Flüchtlingskrise. Die von mir, in Anlehnung an meine Jugend, als Scheckheftpolitik bezeichnete Krisenbewältigung klappt momentan weder bei den unsäglichen Zuständen unter denen, nicht nur in Griechenland, die geflüchteten Menschen leiden, noch bei der Bekämpfung einer Pandemie.

Geflüchtete Menschen

Meiner Meinung nach ist das Framing von „offenen Grenzen“ in Europa oder „Asylrecht“ einfach falsch. Nach der „Flüchtlingskrise“ 2015/16 und dem „Wir schaffen das!“ zückte die EU das Scheckheft und bezahlte die Türkei dafür, dass sie die EU-Außengrenze für geflüchtete Menschen dicht macht. Das hatte den Charme, dass man immer behaupten konnte die Binnengrenzen und auch die Außengrenzen wären ja offen. Durch das Dublin-Abkommen hatte nicht nur Deutschland den Vorteil der Abschiebemöglichkeit von geflüchteten Menschen in die Mittelmeer-Anrainerstaaten, weil diese ja die meisten Erstaufnahmen machten. Allerdings ging es von dort nicht auf legalem Weg weiter, obwohl sich die EU-Staaten zu einer Aufnahme von geflüchteten Menschen prinzipiell verpflichtet hatten.

Schlimmer noch, die anderen EU-Staaten ließen die Staaten am Mittelmeer mit diesen Problemen allein. In Griechenland, einem EU-Staat der bereits riesige wirtschaftliche Probleme hat, füllten und überfüllten sich die Lager und alle sahen zu. Wenn wir also in Deutschland von einem Rechtsruck seit 2015 reden, dann haben wir nicht das Recht verzweifelte griechische Menschen, die sich jetzt gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen wehren, als „Faschisten“ zu bezeichnen. Hier meine ich selbstverständlich nicht rechte Parteien, die diese Menschen instrumentalisieren. Wenn wir uns den Spiegel vorhalten sehen wir darin, dass wir Griechenland, die griechischen Menschen und die geflüchteten Menschen allein gelassen haben.

Die EU muss jetzt handeln – Geld allein wird diesmal nicht genügen.

Das Virus

Wie ich bereits im letzten Artikel schrieb, habe ich keine medizinischen Kenntnisse aber ich habe mich in den 80ern unter anderem mit Zivilschutz (Bevölkerungsschutz) beschäftigt. Was konstatiere ich heute? Die SARS-Pandemie 2002/03 und andere drohende Epidemien hatten auf den Zivilschutz in Deutschland keinerlei Einfluss. Es wurden damals enorme Bestände an „Tamiflu“ hergestellt, eingekauft, gelagert und anschließend vernichtet – aber wo ist der Bestand an Schutzkleidung für medizinisches Personal, der seitdem für den Pandemiefall angelegt wurde? Wahrscheinlich gab es diesen nie.

In der „schlechten alten Zeit“ der 80er war auch Konsens, das in Falle eines Bio-Krieges oder einer Pandemie (die Auswirkungen auf die Bevölkerung sind ähnlich) kasernierte Einheiten der Armee und Polizei unter Urlaubs- und Ausgangssperre gestellt werden, da diese im Notfalle für die Aufrechterhaltung der Versorgung eine wichtige Rolle spielen. Wir reden hier nicht von einem Militär- oder Polizeistaat – es geht um banale aber lebenswichtige Dienste für das Land. Soldaten können z.B. LKW fahren um Versorgungsgüter zu transportieren oder ähnliches, wenn die Infrastruktur kollabiert. Urlaubs- und Ausgangssperre bedeutet für geschlossene Einheiten nicht mehr und nicht weniger als Quarantäne. Was lese ich heute früh?

„Die Bundeswehr ist nicht direkt in die nationale Planung zur Eindämmung einer länderübergreifenden Ausbreitung einer Infektionskrankheit, einer sogenannten Pandemie, eingebunden“

Warum nicht und wozu leisten wir uns eine Armee?

Über die Frage Geld und Gesundheitswesen will ich nicht wirklich reden. Außer der fehlenden Schutzkleidung fehlt es an Personal und auch hier an Notfallplänen. Wir sind auf eine Pandemie, die sich seit fast 20 Jahren immer wieder ankündigt nicht vorbereitet – wahrscheinlich weil die Vorbereitung Geld kostet. Man denke nur an die Bertelsmann-Studie, die fast 50% unserer Krankenhäuser für überflüssig erklärte.

Aber jetzt steht auch hier bei der Krisenbewältigung das Geld im Vordergrund. Es ist natürlich sinnvoll Unternehmen und Bürger zu unterstützen um diese Krise durchzustehen. Allerdings kann der Staat damit weder die Pandemie verhindern, noch hilft es denen die eventuell keine adäquate Hilfe erhalten weil kein Intensivbett zur Verfügung steht.

Fazit

Wir sind am Ende der Scheckheftpolitik angekommen. Sollte es uns doch gelingen den geflüchteten Menschen humanitäre Hilfe zu leisten und die Pandemie, ohne einen Zusammenbruch der Gesellschaft, zu überstehen – dann dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und auf die alten Mittel und Methoden vertrauen. Es wird unbequem werden sich damit auseinanderzusetzen.

Bild von angelo luca iannaccone auf Pixabay

Eine Antwort auf „Die Scheckheftpolitik ist am Ende“

  1. Das ist sehr gut erklärt, alle Zusammenhänge sind schlüssig.
    Ich war anfangs etwas irritiert, weil ich mit dem Scheckbuch etwas anderes in Verbindung gebracht hatte. Jetzt weiss ich, es ist das Scheckbuch, dass immer dann gezückt wird, wenn Geld im Spiel ist.
    Und bei beiden Dingen geht es um Geld, um Politik, Empathie.
    Eine solidarische Unterstützung, in diesem Falle für Griechenland, die gibt und gab es nicht.
    Alle damals noch 27 weiteren EU-Regierungen waren froh, das Problem „abgeschoben“ zu haben.
    Die ehemaligen Ostblockstaaten, weil sie nun doch mehr oder weniger rechts angekommen sind (siehe Polen und Ungarn) und die anderen, weil sie nicht in der Lage sind, ihrer Bevölkerung das zu erklären.
    Unsere Großeltern, die wie Millionen andere nach dem 2. Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, wurden auch nicht mit offenen Armen empfangen. Ihnen schlug teilweise glühender Hass entgegen. Nahmen sie doch wirklich etwas weg: Nahrung, die an allen Ecken fehlte, Wohnraum, der nicht da war und sie brachten andere kulturelle Einstellungen mit.
    Die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel hat meiner Meinung nach Recht, wenn sie sagte: „Wir schaffen das“ Nur hat sie den Satz leider nicht voll ausgesprochen.
    Ich weiss nicht, wie sie es hätte erklären sollen, aber da fehlte eben irgendetwas, woher die Bevölkerung Zuversicht schöpfen könnte. Und da sind dann die rechten Parteien und Gruppierungen wie AfD und Pegida eingestiegen. Die Strasse, der Mob, übernahm die politische Deutung.
    Für mich zeigt das, dass wir in Deutschland auf keinen Fall soweit sind, Gesetze mit Bürgerbeteiligung (also Volksbegehren) durchzusetzen. Ich lasse das jetzt mal so stehen.
    Was die Vorbereitung auf eine Krise wie die SARS-19-Covid-Krise betrifft, da haben wir in Deutschland wirklich wieder mal alles verpennt. Spätestens nach H1N1-Schweinegrippe hätten wir uns darauf einstellen, wirkliche Notfallpläne mit Handlungsanweisungen erarbeiten und ständig aktualisieren, das Gesundheitswesen darauf einrichten und vor allem auch die Bevölkerung informieren müssen. Sicher, es gibt immer wieder welche, die gegen alles was haben, was „von Oben“ kommt.
    Bei den Meisten aber hätte der gesunde Menschenverstand gereicht. Nämlich bei denen, die jetzt am meisten betroffen sind: die Mitarbeiter in allen Gesundheitseinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen, den Sicherheitsbehörden (hier schliesse ich ausdrücklich auch die Bundeswehr mit ein), der produzierenden Industrie, besonders aber den „kleinen“ mittelständigen Betrieben und Selbstständigen, den Bildungseinrichtungen, Kulturbetrieben und nicht zuletzt den Müttern und Vätern, die jetzt vor der Frage stehen, was mache ich mit meinem Kind, wenn Schule und Kita geschlossen sind.
    Der H1N1-Schweinegrippe-Influenza-Virus verursachte 2009/2010 eine Pandemie, die in Nordamerika ihren Ursprung hatte. Dieser Subtyp ähnelt dem der Spanischen Grippe, die 1919/20 weltweit auftrat und bisher mehrere 10 Millionen Opfer forderte.
    Auch wenn man das nicht so publizieren will, um keine Unruhen zu provozieren, wären die Erkenntnisse aus dieser Pandemie für uns heute wichtig, die erforderlichen Vorbereitungen treffen zu können.
    Und hier haben alle – von den einzelnen Regierung bis zur UNO -, nachdem eine militärische sprich atomare Vernichtung der Weltbevölkerung nach dem Ende des kalten Krieges unwahrscheinlich schien, geschlafen.
    Dass die hochentwickelte, computergesteuerte Welt an einem Virus scheitern könnte, ist das schlimmste Szenario.
    Komischerweise sprach die Kanzlerin in ihrem gestrigen Statement über die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zur Stabilisierung und Verhinderung der finanziellen Schieflage als erstes von den Banken und erst dann von den Unternehmen, die wahrscheinlich Hilfe brauchen. Sicher ungeschickt ausgedrückt. Sie hat frei gesprochen und nicht abgelesen, da kann so etwas schon passieren.
    Bloss, dass wir es hier mit keiner Bankenkrise zu tun haben, sondern mit einer weltweiten Krise für die Gesundheitswesen, besonders deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
    Da können wir noch froh sein, dass wir hier in Deutschland recht gut versorgt sind. Was aber tun, wenn gerade in diesem Bereich die Mitarbeiter/innen erkranken und ausfallen? Darauf hat keiner eine Antwort, daran will keiner denken.
    Zum Schluss noch eins. Immer wieder erlebe ich, dass wir in Deutschland zwischen Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit, zwischen Empathie und absolutem Desinteresse gegenüber hilflosen Menschen feststecken.
    Wir haben ungefähr die Hälfte der Bevölkerung, die arbeiten geht und die Steuern zahlt, die unser Gemeinwesen am laufen hält.
    Die andere Hälfte sind Kinder, die in der Regel von ihren Eltern besorgt und betreut werden. Die andere Hälfte sind alte Menschen, von denen eine nicht geringe Zahl in Pflege- und/oder Altenheimen lebt. Während wir alle uns Gedanken machen, wie wir über „die Runden“ kommen, weil wir nicht zum Fussballspiel, in die Kneipe, ins Kino, Theater oder sonst wohin gehen können, die alten Menschen sitzen in ihren Heimen, zwar mit Essen, Trinken und medizinischer Betreuung sitzen, aber keine Besuche mehr empfangen können, die gesellschaftlichen Aktivitäten wie Spiele, Sport usw. sind eingestellt. Sie, die schon weniger soziale Kontakte haben, die werden immer einsamer.
    Ich denke, hier kann jeder etwas tun. Ruft Eure Eltern, Eure Großeltern oder andere Verwandte jetzt jeden Tag an, sprecht mit ihnen und hört auch richtig zu.
    Sprecht mit Euren Nachbarn, fragt ob sie vielleicht Hilfe brauchen, z.B. beim Einkaufen.
    Helfen wir uns gegenseitig, dann ist allen geholfen und ein Stück Menschlichkeit in dieser für viele kalt gewordenen Gesellschaft kehr zurück.

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