„Merkel“ – Gefahr für die Demokratie

Was für eine Schlagzeile – sagt alles und nichts, deshalb nehme ich sie. Ich stelle fest:

„Merkel“ ist eine Gefahr für die Demokratie!

 

Was ist ein „Merkel“?

Natürlich meine ich hier weder Frau Merkel noch Angela Merkel oder die Bundeskanzlerin Merkel – ich meine einfach den Hashtag #Merkel, den Begriff aus Schlagzeilen oder dem Slogan „Merkel muss weg“ – eben „Merkel“.
Dieser Begriff „Merkel“ ist ein Anschlag auf die Demokratie, er suggeriert eine Quasi-Monarchie oder Quasi-Diktatur durch das verbale Konstrukt „Merkel“. Wenn nämlich dieses „Merkel“ an allem schuld hat, dann sind wir ja fein raus – wir können nichts tun, außer wir beseitigen die Person dieses Namens und lassen alles andere so wie es ist.

Merke: Wir können fast alles – außer Demokratie.

Demokratie und „Merkel“

Die Demokratie ist ja die „Herrschaft des Volkes“ in den verschiedensten Spielarten. Eine repräsentative Demokratie, wie in Deutschland, ist für das „Wahl-Volk“ die Möglichkeit in bestimmten zeitlichen Abständen ihre Vertreter zu wählen und den Rest der Zeit über deren Entscheidungen zu meckern. Sie war allerdings so gedacht, dass die „mündigen BürgerInnen“ sich in den Zeiten zwischen Wahlen politisch engagieren – in Parteien, Verbänden oder auch außerhalb dieser – und somit die nächste Wahlperiode vorbereiten. Da der Mensch an sich aber dazu scheinbar keine Lust hat, erfand er das „Merkel“ (oder ein anderes Synonym) als Grund für seine permanente Unzufriedenheit. Das „Merkel“ ist etwas was man lieben oder hassen, überhöhen oder herunterziehen und letztendlich auf einen Sockel stellen oder köpfen kann. Es ist eine Anlehnung an die Monarchie und den Absolutismus.

Merke: Wir können verbal Demokratie in Absolutismus verwandeln.

„Merkel“ muss weg!

Die Piratenpartei hatte den richtigen Slogan: „Themen statt Köpfe“ – gemeint war, dass man sich auf Themen- statt Personendiskussionen beschränken sollte. Allerdings beachteten die Piraten nicht, dass die WählerInnen im Allgemeinen Personen wählen wollen. Sei es wegen ihrer Attraktivität, ihrer Eloquenz, ihrer Attitüde – letztlich aber meist, weil man Themen nicht anspucken und köpfen kann. Dazu eignet sich ein „Merkel“ weitaus besser – es ist nur gefährlich, weil es mit einer realen Person verbunden werden kann.

Merke: Das „Merkel“ ist keine Person – es wird nur mit ihr assoziiert.

Fazit: Das „Merkel“ ist:

  • eine Ausrede, damit man nicht an der Demokratie teilnehmen muss,
  • ein virtuelles Feindbild, welches man undemokratisch bekämpfen kann,
  • die Simulation eines Diktators in einer Demokratie.

Letzteres ist gefährlich für die Demokratie. Es suggeriert, dass man den Diktator „Merkel“ durch einen anderen Diktator ersetzen kann und muss.

Das ist der Anschlag auf die Demokratie!

Die Idee zum Artikel kam mir bei der Lektüre des „Spiegel“ 40/18, dort wurden mehrere Seiten der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel gewidmet. Der Tenor: Sie muss ihre Nachfolge ordnen. Es stellte sich mir die Frage: „Leben wir in einer Demokratie?“ Das „Merkel“ ist natürlich nur ein Synonym. Auch das „Spahn“ für verfehlte Gesundheitspolitik oder das „Seehofer“ für die Innenpolitik verwendet verhindern oft die nötige Kritik am System und beschränken die Kritik auf Personen.

Ein kleines Gespräch über TTIP

„Was hast Du eigentlich gegen Freihandel?“ Das fragte mich gestern ein Kollege, als ich über den Protest gegen TTIP sprach.

Das folgende Gespräch brachte mich zu der Erkenntnis, dass wir Erklärungsbedarf haben wenn wir mit „Otto Normalverbraucher“ sprechen. Der Kollege dachte nämlich wirklich, dass es bei der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) um Freihandel, im herkömmlichen Sinne des Wegfalls von Einfuhrbestimmungen, Exportbeschränkungen und Strafzöllen zur Förderung der Produktion und des Handels geht. Mit Handel ist in seinem Denken der Austausch von Waren zwischen „Partnern auf Augenhöhe“ gemeint.

Ich habe versucht ihm zu erklären, dass es geht um etwas anderes, um die Durchsetzung von Interessen der multinationalen Konzerne gegenüber Staaten.

Am besten lässt sich TTIP historisch mit den Opiumkriegen des britischen Empires im 19. Jahrhundert vergleichen. Das Kaiserreich China hatte einen enormen Exportüberschuss gegenüber den Briten, den die Ostindische Kompanie mit dem Export von bengalischem Opium nach China ausgleichen wollte. Ob nun die Gründe der kaiserlichen Regierung edel, also die Bekämpfung der Opiumsucht, oder rein ökonomisch waren sei dahin gestellt. Die chinesische Regierung verbot den Import von Opium, das war für die Briten der casus belli für den ersten und den zweiten Opiumkrieg. Diese Darstellung ist nur eine Kurzfassung.

TTIP ist die Fortsetzung einer solchen Politik mit nicht militärischen, sondern juristischen Mitteln.

Was bedeutet TTIP für uns?

Die Freihandelsvereinbarungen bedeuten eine Nivellierung von verschiedenen Standards, wie Qualitäts-Standards, auf das Niveau des Mitgliedsstaates mit den niedrigsten Standards, für den Im- und Export in alle anderen Staaten des Vertrages. Das niedrigst mögliche Qualitäts-Niveau verspricht den maximalen Profit.

Ganz populistisch nahm ich des Deutschen liebstes Getränk – das Bier – als Beispiel. Für den Import nach Deutschland und den Handel in Deutschland würden bei Inkrafttreten von TTIP nicht mehr die deutschen Bestimmungen gelten, sondern die Bestimmungen z.B. der USA. Adieu Reinheitsgebot, Massenimport von Billigbier – selbst die Produktion desselben in Deutschland wäre die Folge. Der Deutsche würde diesen Bierersatz, gemäß dem Aldi-Prinzip, auch kaufen – bis es das „richtige“ Bier nicht mehr gibt.

Wende ich das oben ausgeführte Beispiel auf andere Produkte an, dann wird das Problem noch sichtbarer. Auch wenn wir uns manchmal über den langen Weg eines Medikamentes bis zur Zulassung für den deutschen Markt aufregen – wollen wir eine Beschleunigung auf das Niveau des Staates mit der schnellsten Zulassung? Weniger Tests und somit höhere Risiken bei der Anwendung wären die logische Folge. Allerdings wären diese Medikamente wahrscheinlich billiger.

Für technische Geräte gelten Sicherheitsvorschriften, manchmal betrachten wir diese als kleinlich, aber wollen wir wirklich den geringsten Sicherheitsstandard der in einem Vertragsstaat gilt?

Wenn dann die billigsten Produkte, gefertigt nach dem niedrigst möglichem Qualitäts-Standard die Märkte beherrschen, dann werden die Produktionsbedingungen und auch die Löhne und Gehälter – zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit – angeglichen, selbstverständlich nach unten.

Mein Kollege sage gestern „So schlimm wird das schon nicht.“ – da irrt er aber. Es wird vielleicht noch schlimmer. Die Vertragsstaaten wollen schließlich vereinbaren, dass der Freihandel im o.g. Sinne einklagbar wird.

Die Teilnehmerstaaten müssen dann den geringeren Standard akzeptieren – ob sie wollen oder nicht.

Die einzigen, die von dem Abkommen profitieren sind die multinationalen Konzerne. Sie allein können die Massenartikel zu geringen Preisen in allen Unterzeichner-Staaten des Abkommens auf den Markt bringen. Somit können sie die ihnen genehmen Standard als allgemeinverbindlich durchsetzen. Im Sinne der Profitmaximierung wird es der niedrigst mögliche Standard sein. Diese Konzerne sind auch die einzigen die einen juristischen Kampf gegen die Staaten, die sich verweigern wollen, führen können.

Was es für die Industrie der Unterzeichner-Staaten bedeutet, wenn diese wenigen Konzerne, die Weltproduktion und den Welthandel bestimmen, das wird sich zeigen. Es wird aber für den einzelnen Arbeitnehmer oder für die Bevölkerung des einzelnen Staates wenig Gutes bringen.

Mein Fazit:

TIP bringt uns vielleicht preiswertere Waren in die Geschäfte – wir werden aber einen hohen Preis zahlen.

TTIP führt letztendlich zu einer faktischen Herrschaft der multinationalen Konzerne – wie im 19.Jahrhundert, als die Ostindische Kompanie, mit der britischen Regierung als Erfüllungsgehilfen, die britischen Kolonien beherrschte.

Bildquelle: thx Piraten NDS https://mkr.piraten-nds.de/2014/04/25/rede-zu-beginn-des-ttip-info-tages-in-goettingen/

Politische Arbeit, Piraten und Überwachung

Bei meiner politischen Arbeit geht es mir nicht darum, eine Ideologie zu transferieren. Vielmehr will ich Menschen für bestimmte Themen sensibilisieren. Ich kommuniziere meine Sicht auf diese Themen, um Gedankenanstöße für Diskussionen einzubringen. Mein Ziel ist es, Menschen dazu anzuregen sich mit den Themen auseinanderzusetzen, über diese nachzudenken und ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.

Politische Arbeit mache ich nicht für eine festgelegte Zielgruppe. Deshalb bemühe ich mich, die von mir vorgestellten Themen nicht ideologisch zu überfrachten, sondern ich versuche Geschichten zu erzählen, die allgemeinverständlich sind. Themen ideologisch zu überfrachten und Expertenwissen zum besprochenen Thema vorauszusetzen hieße, meine Zielgruppe auf einen Personenkreis mit fester Ideologie, eine Randgruppe, einzuschränken.

Ein Thema, welches meist ideologisch überfrachtet behandelt wird, ist die Überwachung – ein Kernthema der Piraten.

Meiner Meinung nach sollte der Aspekt der Langzeitwirkung von Überwachung umfassender kommuniziert werden.

Zur Illustration eine Geschichte aus der Sowjetunion der 1920er Jahre, die in Form eines Witzes in der DDR kursierte:

Die Brüder Iwan und Boris hatten unterschiedliche Lebensläufe. Iwan kämpfte nach der Revolution an der Seite der weißen Konterrevolutionäre und Boris war Kommissar bei den Bolschewiken. Mitte der 20er trafen sie sich in Moskau, Iwan als Genosse der KPdSU und angesehener Kolchos-Vorsitzender und Boris als Hilfsarbeiter in einer Fabrik, der in der Partei gerade noch geduldet wurde. Boris fragte: „Du hast bei den Weißen gekämpft, warst bei denen Offizier und jetzt bist Du Genosse und Chef. Wie kommt das?“ Iwan antwortete: „Ich habe einen Bruder der Kommissar bei den Roten war, das macht sich gut in meinem Lebenslauf.“ Boris seufzte: „Und ich komme nicht weiter, weil mein Bruder ein Konterrevolutionär war.“

Was hat das mit Überwachung zu tun?

In der Geschichte geht es um „Sippenhaftung“, ein Begriff aus dem dritten Reich, der aber viel mit Überwachung und Datensammlung zu tun hat.

Egal wie wir die Überwachung beschreiben, es geht in erster Linie um das anlasslose Sammeln von personenbezogenen Daten zur späteren Verwendung. Ob jemand heute Nachteile von diesen Überwachungsmaßnahmen hat, ist völlig egal. Die Daten werden gespeichert und liegen für ewige Zeiten abrufbereit vor. Datensätze über meinen Gesundheitszustand, über meine politischen Äußerungen, über meine sozialen Kontakte, über meinen finanziellen Status in den verschiedenen Lebensabschnitten, über meine Gewohnheiten aller Art und viele andere mehr werden gesammelt und katalogisiert.

Was damit gemacht werden kann, habe ich satirisch im „Brief an die Oma“ beschrieben.

Es bestehen aber auch andere Möglichkeiten der Verwertung. Diese Möglichkeiten sind eng mit einer neuen Qualität der „Sippenhaftung“ verbunden, die nicht auf die Familie beschränkt ist.

Wenn eines Tages mein heute 18-jähriger Sohn in meinem Alter ist, dann wird sein ganzes Leben erfasst sein. Das kann abhängig von der dann bestehenden Herrschaftsform fatale Folgen für ihn haben. Bis dahin wird er wohl tausende persönliche und virtuelle Kontakte gehabt haben, einige aus Kinder- und Jugendzeiten wird er vielleicht immer noch pflegen, und sei es nur mit gegenseitigen Geburtstagswünschen und sporadischen Kommentaren in sozialen Netzwerken. Hat er Pech, dann sind darunter Regierungskritiker, Kriminelle, Sexualstraftäter und andere, die von der dann aktuellen Gesellschaftsordnung als Problemfälle betrachtet werden. Bei der anlasslosen Überwachung und der damit verbundenen Datensammlung ist es unerheblich, ob er von den Lebensumständen seiner Kontakte Kenntnis hat. Dazu kommen noch jene Daten die andere über ihn ins Netz gestellt haben und die mit seinen Daten in Verbindung gebracht werden.

Automatisiert verarbeitet nach Stichwortabfragen liefern diese Daten dann ein „wahres“ Bild über ihn als Menschen, welches aber mit dem Menschen, der er dann ist, nichts zu tun haben muss. Durch die Auswertung der Massendaten mit statistischen Modellen werden sogar Informationen erschlossen, die in den gespeicherten Daten nicht explizit vorhanden sind. Ein Beispiel für die statistische Auswertung, ist wohl allen durch amazon geläufig, die Analyse „Wer diesen Artikel bestellte, bestellte auch…“ führt mitunter zu absurden Ergebnissen.

Werden diese Daten herangezogen, z. B. um zu prüfen ob er sich für ein öffentliches Amt eignet, um zu ermitteln,ob er als Bewerber für einen Job infrage kommt, oder um seine Kreditwürdigkeit sicherzustellen, dann zeigt sich die Gefahr der Datensammlung.

Bei einer heutigen Überprüfung mit Abfrage beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), bedarf es einer IM-Akte und einer unterschriebenen Verpflichtungserklärung, damit sich der Verdacht auf Stasi-Mitarbeit erhärtet. Für die automatisierte Auswertung der Daten aus der anlasslosen Überwachung werden keine solchen Dokumente benötigt. Ein Beispiel für eine solche Analyse ist das Geoscoring, bei dem die Bonität eines Menschen ohne Beachtung der persönlichen Kreditwürdigkeit ausschließlich nach dem Wohnort bewertet wird.

Die anlasslose Überwachung der Menschen und deren Auswertung nach statistischen Modellen, die bereits alle Menschen unter Generalverdacht stellt, birgt eine selbsterfüllende Prophezeiung in sich:

Alle (überprüften) Menschen sind Terroristen, Kriminelle oder andere Täter.

Aus der Geschichte kennen wir auch schon die Antwort auf diese zu erwartende Feststellung. Die katholische Kirche hat sie während der Albigenser-Kreuzzüge gegeben:

„Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon erkennen!“

Mir drängt sich die Frage auf:

Wer die anlasslose Überwachung unter diesem Aspekt betrachtet, kann der noch sagen „Ich habe nichts zu verbergen.“?