Wenn die Diktatur wiederkommt, dann wird sie sagen: "Danke Demokratie, dass Du für mich die optimalen Voraussetzungen geschaffen hast." [Thomas Köhler]
Die Stiftung „Orte der Deutschen Demokratiegeschichte“ in Frankfurt/Main wurde im November 2023 gegründet und ist eine bundesunmittelbare Stiftung, das heißt vom Bund finanziert. Dr. Kai-Michael Sprenger ist Gründungsdirektor der Stiftung und hat eine beeindruckende Vita: Studium der Geschichte, Latein, Germanistik und Pädagogik in Mainz, Glasgow und Pavia. Wissenschaftliches Volontariat am Gutenberg-Museum Mainz. Promotion in mittelalterlicher Landesgeschichte.
Den kompletten Artikel könnt ihr, wie immer kostenlos, in der Leipziger Zeitung lesen.
Wer soll diese ganzen Wahlprogramme, die zudem noch teils unübersichtlich gestaltet sind, eigentlich lesen, um eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen? Wir haben uns die Programme vorgenommen und geschaut, was die Parteien in Bezug auf ihre Vorstellungen zum Thema schulische Bildung, konkret vorhaben. Alles kann man hier nicht analysieren, deshalb haben wir uns auf einige Punkte, über die schon länger diskutiert wird, konzentriert. Die Reihenfolge der Parteiprogramme bei den einzelnen Punkten richtet sich bei den Nennungen zuerst nach der Regierungsbeteiligung, dann ist diese zufällig.
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Das Thema „digitale Bildung“ scheint gerade in das Klein-klein des deutschen Bildungssystems abzugleiten. Es ist Zeit für einen piratigen Blick und Ausblick, meine ich.
Bildung und Ziele
Das Ziel der
schulischen Bildung ist:
Der sozial
kompatible und glückliche Mensch, der nebenbei etwas
Allgemeinwissen erworben hat?
Der
zukünftige Facharbeiter oder Akademiker mit hoher spezialisierter
Fachkompetenz?
Der mit
breiten Allgemeinwissen und hoher sozialer Kompetenz ausgestattete
Mensch, der lebenslang lernfähig und wissbegierig nach Neuem
bleibt?
Persönlich tendiere
ich zur Nr. 3 – ich weiß natürlich nicht, wie LeserInnen
entscheiden. Ich wollte die Auswahl, bei aller Komplexität der
Frage, einfach halten. Dass nicht jede/r in dieser Auswahl die
persönliche Antwort findet ist mir bewusst.
Bildung separiert
Wir haben uns glücklicherweise von der autoritären Schule verabschiedet, ihr wisst schon der mit Rohrstock, in der Ecke stehen und ähnlichem. Haben wir bereits die neue Schule erfunden? Ich meine: „Nein, wir haben ein Sammelsurium von pädagogischen Methoden zugelassen“ – mit dem großen Manko, dass nach wie vor Eltern nach ihren Vorlieben das „passende“ Modell für ihre Kinder aussuchen. Natürlich nur in Großstädten wo es das Angebot gibt, wenn es sie wirklich interessiert und sie sich damit beschäftigen. Kinder werden also von vornherein separiert – durch ihre Eltern. Ob nun nach religiösen, ideologischen oder sonstigen Gesichtspunkten, die Kinder bleiben im Dunstkreis ihrer Eltern verhaftet.
Bildung ist Ländersache
Hier liegt für mich
das größte Problem. Die Menschen, in dem Falle Eltern und
SchülerInnen sollen oder wollen, lebenslang mobil bleiben. Das
bringt mit sich, dass ein Wohnortwechsel über die Grenzen eines
Bundeslandes hinaus für SchülerInnen den Wechsel in ein anderes
Bildungssystem mit sich bringt. Bereits gelerntes ist wahlweise den
neuen Anforderungen voraus oder nicht ausreichend, Themen werden
anders behandelt und so weiter. Am Besten schult man sein Kind an
einem Jesuiten-Gymnasium oder ähnlichen Lehreinrichtungen ein –
die arbeiten Deutschland weit mit den gleichen Lehrplänen. Manko bei
dieser Variante ist eine religiöse oder sonstige Orientierung und es
gibt diese Einrichtungen nicht überall.
Bildung ist Sache der Schulen
Das Klein-klein geht aber noch weiter, Die Länder geben einen Rahmen-Lehrplan vor und es bleibt den Schulen überlassen, diesen umzusetzen. Wer also denkt, ein Umzug innerhalb eines Bundeslandes wäre problemlos – der irrt gewaltig. Der Wechsel innerhalb eines Schuljahres bedeutet unter Umständen, dass die aktuellen Schulbücher ausgetauscht werden müssen, da die neue Schule Bücher eines anderen Schulbuchverlags benutzt. Ja, es kann sogar der Weltatlas betroffen sein – scheinbar stimmen die Karten nicht überein. Auch innerhalb der einzelnen Schule kann es Differenzen zwischen Lehrern und Schule geben. Es kann passieren, dass der Lehrer Kopiergeld von den Eltern fordert, weil er das durch die Schule vorgegebene Schulbuch nicht verwenden will. Er kopiert lieber die entsprechenden Seiten aus einem anderen Buch. Dieses eigene Erlebnis soll nur zur Illustration dienen, ich will nicht generalisieren.
Bildung digital
Der so genannte Digitalpakt wäre nun eine Gelegenheit gewesen, wenigstens die neuen Bildungsinhalte und Lehrmittel bundesweit zu synchronisieren (das soll keine absolute Gleichschaltung bedeuten). Das Klein-klein geht aber weiter. Das Geld, wir reden hier von 5 Milliarden Euro, wird auf 40.000 Schulen verteilt.
Der CDU-Politikerin zufolge stehen für die rund 40.000 Schulen in Deutschland rechnerisch je rund 120.000 Euro zur Verfügung. Das seien 500 Euro pro Schüler. Karliczek sprach von einer stolzen Summe, mit der sich einiges bewegen ließe.
Rechnerisch 120.000 Euro pro Schule sind das allerdings nur, wenn man die Elementarmathematik der Grundschule anwendet. Es bleibt die Frage, wie man das Geld wirklich aufteilt. 500 € pro SchülerIn ergibt auf die Schulen bezogen einen anderen Wert. Am Beispiel der Schulen in Leipzig (Zahlen von 2018) bekäme das große Reclam-Gymnasium mit 948 SchülerInnen 474.000€ und das kleine Goethe-Gymnasium mit 336 SchülerInnen 168.000€. Die kleinste Grundschule in Gundorf bekäme mit 83 SchülerInnen 41.500€.
Nach dem Ansatz: „Wir stellen pro Schüler eine Summe zur Verfügung“ mag das sinnvoll erscheinen, jedoch folgt die digitale Welt nicht strikt dieser Regel. Internetzugang, Vernetzung, Hard- und Software richten sich nicht allein nach der Schülerzahl, d.h. sie sie steigen oder fallen nicht proportional mit dieser. Im Falle von Softwarelizenzen ist eine höhere Nutzerzahl günstig für Preis pro Lizenz – was hier die kleinere Schule benachteiligt. Im Falle Vernetzung, egal ob LAN oder WLAN spielen bauliche Voraussetzungen eine große Rolle usw. Die Finanzierung der Lehrerfortbildung folgt auch nicht strikt der Schülerzahl. Beim Einkauf von Hardware spielen nach wie vor Mengenrabatte eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Die Ministerin betonte, bei der Förderung gebe es eine klare Reihenfolge. Die Schulen müssten ein pädagogisches Konzept entwickeln und die Lehrer müssten entsprechend fortgebildet werden.
Der Digitalpakt gibt aber eindeutige Vorgaben für die Freigabe der Gelder vor. Dazu heißt es:
Die Länder entwickeln pädagogische Konzepte, kümmern sich um die Qualifizierung von Lehrkräften…
Davon ist in der
Meldung keine Rede, hier wird das auf die Schulen übertragen. Was
stimmt nun?
Was tun?
Wenn ich davon ausgehe, dass die Aussage der Bildungsministerin stimmt, dann entstehen grundlegende Probleme. Ich weiß, es ist schlechter Stil aber ich zitiere mich selbst. In „Es ist schön Pirat zu sein“ schrieb ich:
Die piratige oder auch Ingenieur-mäßige Herangehensweise wäre nun gewesen erst einmal zu klären was „digitale Bildung“ ist. Auf jeden Fall ist es nicht das Scannen einer Fibel von 1980 und deren Bereitstellung als PDF, wie es unter dem Primat des Ökonomen möglich ist. Zuerst eine Befragung von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern – nicht von Bildungspolitikern. Dann die Hinzuziehung von Wissenschaftlern der entsprechenden Fachgebiete. Die technische Umsetzung, bevorzugt mit Open Source Software, als nächster Schritt. Erst dann steht die Frage der Finanzierung. Das wäre, meiner Meinung nach, die richtige Herangehensweise gewesen…
Es ist, meines
Erachtens nach, nicht zu spät das Thema erneut aufzunehmen. Das
fängt mit der Hardware an. Eine Entscheidung PC, Laptop oder Tablet
und über die Verwendung von Betriebssystemen und Programmen sollte
gemeinsam von den Schulen und Schulträgern getroffen werden. Am
wichtigsten ist aber die Frage des Aufbaus der digitalen Bildung von
der Grundschule bis zum Gymnasium. Es darf nicht sein, dass erneut
mit Wechsel auf eine weiterführende Schule oder an eine andere
Schule das Gelernte obsolet wird.
Die Entscheidung
muss aber schnell fallen, sonst ist es zu spät und das Klein-klein
geht in die nächste Runde.
Dazu können wir Piraten unseren Beitrag leisten.
Dafür stehen wir zur Wahl.
P.S. Mir ist bewusst, dass Bildung zur Landespolitik gehört. Wenn aber Frau Karliczek die Verantwortung für die Digitalisierung wirklich auf die Schulträger und Schulen verlagert, dann sind die Stadt -und Gemeindeparlamente gefragt.