Wahlkampfsplitter

Da war ich doch gestern in der Leipziger City unterwegs um mal endlich meinen Kandidaten zu sehen. Auffällig war eine andere Partei mit drei Buchstaben, deren Wahlhelfer sich vor dem Stand der Piraten herumdrückten und den interessierten, auch den uninteressierten, Menschen erzählten „Stimmen für die Piraten sind verloren. Wählen Sie lieber uns, wir kommen in den Bundestag.“

Mahl ehrlich, Ihr jungen und alten Naiven, habt Ihr es nicht gemerkt?

Eure Chefs schon.

Umfragewerte sind ein zweischneidiges Schwert.

Sie mobilisieren die Wähler, die Ihr haben wollt. Aber für die Anderen.

Ihr fischt am rechten Rand der CDU und FDP, sozusagen als gesamtdeutsche CSU.

Dann diese Umfragewerte. Da wird doch der CDU-Wähler, der sich bis vor 14 Tagen in der Hängematte einer komfortablen Mehrheit ausruhte, so richtig wach.

Und er wählt – aber nicht Euch!

Deshalb versucht Ihr also Stimmen aus anderen, völlig anderen Lagern abzuziehen. Mit dem Dreh „Wir brauchen wieder mal neuen Wind im Bundestag!“

Das ist mehr als naiv.

Ich habe es einem von Euch erklärt.

Er hat geschluckt. Sein Chef hatte es ihm so nicht gesagt.

Also bis heute Abend.

 

a) durchfeiern – wählen – pennen

oder

d) durchfeiern – wählen – feiern

durchfeiern

oder vielleicht doch mal

c) Oma und Opa besuchen – durchfeiern – wählen – a oder b?

Mal ehrlich, Ihr würdet Euch wundern wie Oma und Opa eventuell zu Eurem Entschluss Piraten zu wählen stehen.

Verstehen die nicht!

Wirklich? Das sind doch teilweise, im Westen, die Leute von der APO, die 68er oder ersten aus der Umwelt- und Friedensbewegung. Die wollten doch mal was ändern und sind jetzt desillusioniert weil es nicht geklappt hat.

Meint Ihr, die verstehen Euch nicht?

Im Osten sind das die, die 1989 mitgemacht haben. Vielleicht auch die, die in Parteiversammlungen diskutiert haben – immer hart an der Grenze – und sich geärgert haben, dass das keine Auswirkungen in der großen Politik hatte.

Meint Ihr, die haben kein Verständnis für Euch?

Vielleicht sehen die in Euch auch ihre eigene Jugend wieder.

Kann sein, sie sind sogar ein Wenig stolz auf Euch.

Es kann sogar passieren, dass sie noch einen Versuch wagen etwas zu ändern.

Dann habt Ihr sie erwischt.

Gebt ihnen einen Grund so zu wählen wie Ihr. Ihr habt doch Gründe, oder?

Oma und Opa sind nicht doof, vielleicht haben sie kein Internet. Sie lesen Zeitungen, hören Radio und sehen TV. Da gibt es keine Piraten. Erinnert sie daran, dass es dort lange auch keine APO, keine Grünen und schon gar keine Opposition in der DDR gab.

Ob es Sinn hat weiß ich nicht.

Aber versuchen könnt Ihr es doch, oder?

Heute Abend ist die letzte Möglichkeit – für dieses Mal.

Das Problem mit der Demokratie

und seine Folgen könnte ich diesen Artikel nennen. Also nenne ich ihn auch so.

Um dieses Problem zu illustrieren nehme ich den bemerkenswerten Artikel von Anja Wurm über eben dieselbe. Vorsichtshalber, nur um Missverständnisse auszuschließen, betone ich, dass es hier nicht um eine persönliche Abneigung handelt. Der Artikel illustriert das Problem eben aus meiner Sicht.

Anja schreibt also in ihrem Artikel Folgendes:

Der Bürger, der jedoch nur scheinbar die Möglichkeit hat, mit der Wahl einen Regierungswechsel zu ermöglichen durch das chaotische Gebaren der Alternativparteien und dem Angleichen der wenigen, wechselnden Regierungsparteien untereinander (siehe oben), hat bei der Wahl keine Wahl. Die Wahl des einzelnen Bürgers besteht im Moment nur aus drei Alternativen, a) dem Wahlboykott, b) der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird) oder c) auf die alten Parteien zu setzen. Will der Bürger also die Regierung mitbestimmen, bleiben ihm nur die am Skandal direkt oder indirekt beteiligten, traditionellen Parteien. [1]

Genau dort ist m.E. nach der Fehler in der Betrachtung. Warum? Weil diese Behauptung den status quo, wahrscheinlich ohne es zu wollen, zementiert.

Wenn es so ist, dann haben wir keine Chance. Wir sind alternativlos den Altparteien ausgeliefert.

Ist das so?

Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir in 5 Tagen nicht in erster Linie die Regierung wählen oder abwählen.

Wir bestimmen über die Zusammensetzung unseres Parlaments.

Hier kommt der verschämt dahergehende Punkt b) „der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird)“  ins Spiel.

Natürlich führt die Wahl der (hoffentlich) knapp über 5% Parteien nicht zu einer anderen Regierung. Sie führt aber zu einer veränderten Opposition.

Diese kann nun durchaus die Regierungsarbeit beeinflussen, auf parlamentarischem Wege.

Diese kann aufstehen und im Sinne ihrer Wähler sprechen.

Ohne diese wird es so weiter gehen wie bisher.

Warum halte ich mich an diesem Punkt auf?

Weil er nicht nur in diesem Artikel zu finden ist. Er ist geradezu das Normal des unpolitischen Bürgers geworden. Er ist eine Abwertung des Parlaments. Er unterstützt das Nichtwählen als angeblich politische Meinungsäußerung.

Ehrlich, ich denke, dass Anja diesen Passus nicht so gemeint wie geschrieben hat. Er dient mir zur Illustration einer verbreiteten Meinung.

Wählen gehen ist die einzige Möglichkeit etwas zu ändern. In der parlamentarischen Demokratie geht es (leider) nicht schneller. Die Wahl einer starken pluralistischen Opposition ist meiner Meinung nach die einzige, wenn auch langfristige, Alternative etwas zu ändern.

Also ich wähle Piraten!

Wen wählst Du?

P.S. Ein kleiner Ausflug noch zu den Ausführungen über PRISM & Co. Anja schreibt:

Ähnliches passierte bei Prism, statt den Lauschangriff als solchen anzuerkennen, wird er als Sicherheitsmaßnahme zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung dargeboten, in der Hoffnung der Bürger denke nicht nach … [1]

Längst bevor PRISM & Co. bekannt waren, hatte der Bürger bereits Kenntnis über Mittel und Möglichkeiten. Ich habe das hier beschrieben. Der Bürger hatte diese Mittel und Möglichkeiten längst als wichtig für die Verbrechensbekämpfung akzeptiert. Nicht die Regierung musste ihn überzeugen. Wir müssen ihn vom Gegenteil überzeugen. Das ist schwer.

[1] Größenwahn und Kontrollsucht by Anja Wurm http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=18111