Ein Abgesang auf die Piraten

wird jetzt in den Medien angestimmt. Aus voller Brust und geradezu begeistert, wenn auch mit einem scheinbar bedauerndem Unterton wie in der SZ. Das war zu erwarten ist aber dennoch nicht ganz ungefährlich für uns. Ja, für uns – vgl. das post scriptum im Beitrag „Nach der Wahl“.*

Witzig ist allerdings, dass im Artikel der SZ den Piraten eben das vorgeworfen wird, was man ihnen immer ans Herz gelegt hatte. Natürlich in „bester Absicht“. Ich erspare mir hier Verlinkungen zu einzelnen Artikel, Ihr erinnert Euch alle.

Was für ein Aufschrei in den Altmedien als festgestellt wurde, dass Frauen in den Gremien der Piraten unterrepräsentiert waren. Jede Äußerung einer (Ex)Piratin zum Thema wurde genüsslich aufgearbeitet und teils sogar auf Seite 1 ausgewalzt. Die originären Inhalte der Piraten schafften es nicht dort hin.

Heut konstatiert man

„Auch habe ihr die Unterwanderung durch „Extremisten aus der Gender- und der Autonomenszene“ das Genick gebrochen.“ [1]

„Unterwanderung“ und „das Genick gebrochen“ welch schöne Kampfrhetorik.

Auch der scheinbar nebensächliche Satzteil

„… die großen Auftritte hatten Andere.“ [1]

beinhaltet zwar eine wahre Aussage, lässt aber eine Frage offen. Wie oft hat denn eben jene Zeitung den Piraten die Möglichkeit gegeben einen „großen Auftritt“ zu haben? Sieht man von oben geschilderter Berichterstattung ab.

Es wundert mich nicht wirklich, das war bereits 2012 eine meiner Thesen.

„Sie haben vor, sie haben sogar schon damit begonnen, die Medienlandschaft umzukrempeln. Die PIRATEN haben ihr eigenes Medium für die Publikation, nicht eine Zeitung, nicht einen Rundfunk- oder Fernsehsender – sie haben das Internet. Dort kann sich jeder von ihnen äußern, jeder seine eigene Meinung haben. Das ist neu! Und es ist anders und gefährlich – für eine Partei. Sie brauchen die alten Medien nicht, sie haben diese allerdings unterschätzt. Sie wollen nicht im Rundfunkrat kuscheln oder mit Verlagen schmusen. DAS kann nicht geduldet werden!“

In diesem Zusammenhang auch der letzte Auszug aus dem Artikel in der SZ. Da wird als einer der Gründe für das „Scheitern“ genannt

„In ihr tummeln sich höchst unterschiedliche Persönlichkeiten. Es gibt zahllose Flügel und Seilschaften, deren Vertreter sich teilweise in tiefster Abneigung verbunden sind.“ [1]

Also das genaue und exakte Abbild des Volkes, welches ja angeblich die „Volksparteien“ vertreten.

Das soll nun natürlich nicht bedeuten, dass die Piraten alles richtig gemacht haben. Aber man kann durchaus die Kampfrhetorik der Altmedien etwas gelassener interpretieren.

Aber natürlich steht nach wie vor die Frage nach den originären Inhalten, wie Kampf gegen die Überwachung, Netzneutralität und so weiter.

Warum hat das nicht gezogen?

Vielleicht müssen wir uns klar machen, dass wir nicht in erster Linie gegen die Geheimdienste und Regierungen kämpfen. Wir kämpfen um die Darstellung der Überwachung in den Köpfen unserer Mitbürger.

Da kämpfen wir nämlich gegen coole Typen wie Abby Sciuto, Timothy McGee, Prof. Charlie Eppes und andere. Diese haben nämlich bereits lange vor Snowden das Bild des „internetaffinen Agenten“ geprägt. Durch sie wurde die Überwachung des Internets im Dienste der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung banalisiert und als notwendig für den Schutz des Bürgers in die Köpfe gebracht. Dazu gibt es in den Medien auch keinen Gegenentwurf. Es gibt keinen coolen Überwachungsgegner in irgendeiner Serie. Im RL sieht das nicht viel anders aus. Ehrlich, Abby ist cooler als Chelsey.

Vielleicht wäre es wichtig den Kampf gegen die „anlasslose Totalüberwachung“** des Bürgers nicht auf die Geheimdienste zu beschränken.

Ich denke der Bürger versteht es wenn man ihm klar macht welche Bedeutung die permanente Erfassung und Verarbeitung seiner Daten, allein schon seiner Bewegungsdaten, für ihn haben kann. Ich habe es schon zwei Mal versucht, andere natürlich auch.

Als Letztes noch kurz zu dem öffentlichen Austragen von innerparteilichen Streitigkeiten. Man sollte evt besser kommunizieren, dass dies eben auch originär für die Piraten ist. Man kann eben nicht Öffentlichkeit fordern und Streitigkeiten verbergen. Das machen die Anderen schon zur Genüge. „Gestritten“ wird dann nur noch über vorher festgelegte „Streitpunkte“ wie die Maut für Ausländer. Glaubt wirklich jemand, dass Seehofer die Merkel damit überrascht hat? Die „Lösung“ ist wahrscheinlich bereits vorbereitet und muss nur noch veröffentlicht werden.

Am besten an dem Artikel gefällt mir aber der (Trug)Schluss am Ende

„Nun, die Positionen der Grünen zu Netzpolitik, Überwachung und digitalem Wandel sind denen der Piraten recht ähnlich. Wozu also noch die Piraten? Die Antwort auf diese Frage könnte ihnen ziemlich wehtun.“ [1]

Ähnliche Positionen zu einem Thema bei den Grünen wären das Problem. Werden nicht gerade die Grünen ebenfalls „heruntergeschrieben“ von den Medien.

Da setze ich eben noch einen drauf

Wer wählt eine Verbotspolitik für alles Mögliche um Datenschutz zu bekommen?

Sorry Grüne, aber das musste raus, die SZ hat mich herausgefordert.

[1] Zukunft der Piraten by Hannah Beitzer http://www.sueddeutsche.de/politik/zukunft-der-piratenpartei-sie-sind-viele-sie-sind-marginal-1.1782333

*Ich habs getan.

** Ich mag diesen Terminus eigentlich nicht, er erschien mir aber „griffig“.

5 Tage nach der Wahl

geht es nun schon wieder hoch her, nach dem Motto Nach der Wahl ist vor der Wahl. Dabei weiß der Wahlsieger noch nicht einmal wie er regieren will oder kann.

Die Wahlanalyse ist ein Witz, wenn auch ein schlechter.

Die Verlierer, ich schließe hier niemanden aus, beschimpfen den Wähler, den Wahlsieger, reden teilweise sogar von Wahlbetrug und treten reihenweise zurück. Der Boulevardjournalismus hat Hochkonjunktur, erklärt die AfD zur „neuen Kraft“, die Piraten zum „Auslaufmodell“ und die FDP wird, wenn überhaupt erwähnt, geradezu beerdigt.

Was ist aber eigentlich bei dieser Wahl geschehen?

Meine eigene Meinung ist – nichts.

Zumindest nicht viel. Die CDU hat gewonnen weil ein großer Teil der Bürger keine Lust auf Experimente hat. Ja ich sage Experimente, weil keine andere Partei eine glaubhafte und fundierte Alternative vorgelegt hat. Die CDU hat auch nichts vorgelegt, aber sie regiert halt.

Fangen wir doch mal mit der Forderung nach Mindestlohn (SPD, Linke, Grüne und Piraten) an.

Keiner hat gesagt wie er sich das genau vorstellt. 8,50 € bis 10,00 €, warum hat das nicht gezogen? Weil es eine plakative Forderung war. Weil niemand glaubt, dass es nicht zu Preissteigerungen führt, die das „zusätzliche Einkommen“ wieder auffressen.

Natürlich gibt es hochwissenschaftliche Analysen, aber niemand hat sie in verständliche Worte gefasst. Ehrlich gesagt glaube ich, dass nicht einmal die Propagandisten des Mindestlohnes diese Analysen verstehen.

Machen wir doch einen kleinen (gedanklichen) Versuch. In einem Hotel mittlerer Preisklasse legen wir eine Umfrage aus. Dort soll der Gast sich äußern ob Zimmerfrauen einen Mindestlohn von 10,00 € für ihre schwere Arbeit erhalten sollen. Viele werden zustimmen, ich denke sogar der überwiegende Teil. Teilen wir diesen aber danach mit, dass sie wegen des Mindestlohnes nun für das Zimmer pro Nacht 1,00 € mehr bezahlen sollen, dann hat sich das meist erledigt.

Merke: Jeder Euro hat zwei Seiten.

Das ist aber nur die Auswirkung bei Erfüllung der plakativen Forderung ohne Änderung des Systems. Vor dieser scheuen aber alle Parteien zurück.

Ich bin nicht gegen Mindestlohn, befürworte ich diesen aus durchaus persönlichen Gründen sogar sehr. Aber ich sehe, dass genau diese Situation eintritt. Du bekommst mehr Geld und alles wird teurer. Also hier herrscht Erklärungsbedarf.

Stoppt die Rüstungsexporte (Linke, Grüne, Piraten) ist ein ebensolches Thema. Nicht der Fakt, nein die Ausführung muss erklärt werden. Rheinmetall, KMW (Krauss-Maffei Wegmann) und andere sind nicht nur Hersteller von Waffentechnik, dort arbeiten auch viele Bürger. Die wählen niemanden der den Rüstungsexport verbieten will ohne ihnen zu sagen was mit ihren Arbeitsplätzen passiert. Und das muss auch plausibel sein. Eine Meinung die ich gelesen habe „Die Waffenindustrie wird so hoch subventioniert, den Leuten können wir ihr Gehalt aus den Subventionen zahlen“ ist destruktiv. Der dies äußerte dachte nicht daran, dass es tatsächlich Bürger gibt die arbeiten wollen. Nicht nur Geld bekommen wollen.

Umweltschutz (Grüne) ist allgemeines Thema aller Parteien. Somit mussten die Grünen bei der Rückbesinnung auf ihre Wurzeln härtere Töne anschlagen. Statt darauf aufmerksam zu machen was alles bereits erreicht wurde (das ist seit Auftauchen der Grünen wirklich nicht wenig), wurde die drohende Umweltkatastrophe angedroht und weitere Verbote und Restriktionen gefordert. Der sozialpolitische Wahlkampf war ein Witz. Bei Plakaten wie „Mensch vor Bank“ und „Meine Mudda wird Chef“ drängte sich mir immer der Gedanke auf, ich müsse darunter schreiben „was ist mit Mensch in Bank“ und  „Meine Mudda wird ihre Angestellte“ weil nicht alle „in Bank“ Banker sind und die „Chef-Mudda“ ja mindestens eine „Angestellten-Mudda“ haben muss. Ich habe mir den „Sinn“ der Plakate mal erklären lassen, aber er erschloss sich mir nicht wirklich.

Schutz der Privatsphäre, das originäre Thema der Piraten, reichte nicht. Nicht weil es nicht wichtig ist sondern weil es größtenteils auf die Überwachung durch die Geheimdienste beschränkt wurde. Leider gelang es nicht dieses Thema so zu kommunizieren, dass der Bürger sich wirklich betroffen fühlte. Was er ja auch ist. Ich habe bewusst „Schutz der Privatsphäre“ statt „Überwachungsskandal“ gewählt. Letzterer Ausdruck war eben nicht ausreichend. Der Bürger fühlt sich vom Geheimdienst nicht bedroht. Aber die eigentliche Bedrohung liegt ja im Sammeln und Verwerten der Daten nicht nur durch die Geheimdienste. In einem Artikel habe ich die Auswirkungen mal, etwas satirisch, beschrieben. Selbst die Verarbeitung von bloßen Bewegungsdaten kann und wird Auswirkungen für jeden haben. Im Job, familiär, beim Abschluss von Versicherungen, bei gesellschaftlicher und politischer Arbeit und anderswo. Aber auch das muss erst mal kommuniziert werden. Auch die Tatsache, dass wir vielleicht nicht das Sammeln dieser Daten verhindern, wohl aber ihre Verwendung kontrollieren können.

Die AfD brachte nun keine originären Inhalte in den Wahlkampf ein. „Raus aus dem Euro“ reichte aber für 4,7 %. Warum wohl? Weil die FDP versagte – sie brachte als Regierungspartei nichts mit. Der konservative FDP Wähler suchte nun eine neue Heimat. Hätte er CDU wählen wollen, dann hätte er dies wohl schon vorher getan. Also nahm er das ihm am nächsten Stehende. Das wirtschaftsfreundliche, wenn auch nicht im Wortsinne liberale. Für den Bürger reichte es aber nicht, dass ein Professor ein vermeintlich wissenschaftlich gestütztes Ausstiegsszenario aus dem Euro als Allheilmittel propagierte. Ich sehe die AfD nicht als Problem für die Demokratie. Problematisch ist jedoch die mediale Anstrengung diese in die rechte Ecke zu stellen. Das ist eine Unterstützung für die nächsten Wahlkämpfe.

Der Bürger hielt sich lieber an Merkel. Die schönste Begründung eines CDU-Wählers für mich war „Weil sie eine gute Mutti ist.“ Das hat scheinbar gereicht.

Was ist also zu tun?

Als Ingenieur sage ich „Zurück ans Reißbrett“.

Den Entwurf neu gestalten. Verständlich für den Bürger. Die Herausforderung wird sein „komplizierte Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären“.

Das fängt an mit banalen Dingen.

„Privatsphäre“ statt „Privacy“, „Stoppt Überwachung“ statt „Stop watching us“ – das wäre schon mal ein Anfang. Das versteht auch die Oma die kein Internet hat.

Aber das eigentliche Zauberwort heißt Kommunikation.

Reden statt Überreden, Fragen beantworten statt Parolen – einfach den Bürger ernst nehmen, mit all seinen Befindlichkeiten und Ängsten.

Das wünsche ich mir.

Wahlkampfsplitter

Da war ich doch gestern in der Leipziger City unterwegs um mal endlich meinen Kandidaten zu sehen. Auffällig war eine andere Partei mit drei Buchstaben, deren Wahlhelfer sich vor dem Stand der Piraten herumdrückten und den interessierten, auch den uninteressierten, Menschen erzählten „Stimmen für die Piraten sind verloren. Wählen Sie lieber uns, wir kommen in den Bundestag.“

Mahl ehrlich, Ihr jungen und alten Naiven, habt Ihr es nicht gemerkt?

Eure Chefs schon.

Umfragewerte sind ein zweischneidiges Schwert.

Sie mobilisieren die Wähler, die Ihr haben wollt. Aber für die Anderen.

Ihr fischt am rechten Rand der CDU und FDP, sozusagen als gesamtdeutsche CSU.

Dann diese Umfragewerte. Da wird doch der CDU-Wähler, der sich bis vor 14 Tagen in der Hängematte einer komfortablen Mehrheit ausruhte, so richtig wach.

Und er wählt – aber nicht Euch!

Deshalb versucht Ihr also Stimmen aus anderen, völlig anderen Lagern abzuziehen. Mit dem Dreh „Wir brauchen wieder mal neuen Wind im Bundestag!“

Das ist mehr als naiv.

Ich habe es einem von Euch erklärt.

Er hat geschluckt. Sein Chef hatte es ihm so nicht gesagt.

Also bis heute Abend.