Radverkehr vs. Wirtschaftsverkehr oder: Was soll der Stadtrat noch entscheiden?

Zum „Aktionsprogramm Radverkehr 2023/24“ der Stadt Leipzig hat die Fraktion Freibeuter einen Änderungsantrag eingebracht. Dieser ist seltsam, er lässt Fragen offen. Die Intention des Antrages kann man verstehen, das macht ihn aber nicht besser, es geht hier um ein generelles Problem.
Der Text im Antrag der Freibeuter lautet: „Sofern sich auf Grund von Maßnahmen im Handlungsfeld 1 Infrastruktur die Fahrbahnbreite zwischen Radweg und Straßenbahnschienen soweit reduziert, dass für den Wirtschaftsverkehr ein Anhalten ohne Behinderung der Straßenbahn nicht mehr möglich ist und eine Genehmigung zum Anhalten auf dem Radweg nicht erteilt werden kann, bedürfen die Maßnahmen im Einzelfall der Zustimmung durch den Stadtrat.“

Der ganze Artikel steht in der Leipziger Zeitung.

Verkehr – Eine Vision

Die Seite Verkehrspolitik in meinem Blog stammte von 2014. Zeit sie zu überarbeiten, fand ich. In neuem Gewande, mit dem Namen Verkehr – Eine Vison, stelle ich meine Ideen zu einer Stadt für Menschen statt einer für Autos vor.

Kommentare, Anmerkungen usw. nehme ich gern hier oder auf den üblichen Social-Media-Kanälen entgegen.

Bildnachweis: under CCO by nile

Verkehrspolitik – Abschluss und Fragen

Hier beende ich meine Betrachtungen zum Verkehrskonzept. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich ausdrücklich nicht.

Ich habe den Fahrradverkehr aus mehreren Gründen ausgelassen. Er stellt eine durchaus attraktive Alternative zu den hier betrachteten Verkehrsarten dar, aber ich überbewerte ihn nicht. Natürlich sind Radwege auszubauen, die Verkehrssicherheit für Radfahrer zu verbessern und Stellplätze zu schaffen. Aber der Fahrradverkehr ist zu einem großen Teil wetterabhängig. Er ist nicht für jeden eine Alternative, sei es aus gesundheitlichen Gründen, wegen mangelnder Umkleidemöglichkeiten an der Arbeitsstelle, bzw. mangelnder Möglichkeit der Aufbewahrung von Wechselkleidung. Von den Wegestrecken nicht zu sprechen. Gleiches gilt für den von der CDU ins Spiel gebrachten Mopedverkehr. Beide Verkehrsarten helfen also kaum bei der Lösung des Verkehrsproblems. Unter extremen Wetterbedingungen werden eben auch Rad- und Mopedfahrer zu Fußgängern, Nutzern des ÖPNV oder Autofahrern. Einzurechnen ist auch die Gruppe der „hippen“ Radfahrer, die noch ein Erst- und Zweitauto besitzen. Fahrrad fahren als politisches Statement sollte man nicht überbewerten.

Die Elektromobilität und andere alternative Antriebsarten für den Individualverkehr habe ich ebenso vernachlässigt, da sie nur unter Umweltschutzaspekten hilfreich sind. Bezahlbare Elektromobilität behebt aber nicht das „rollende und stehende Blech“.

Den Punkt Umwelt habe ich auch bewusst ausgelassen. Wenn ich dazu noch einige Worte zu sagen habe, dann diese. Die Umweltbelastung, die sichtbare und fühlbare, ist seit der Wende dramatisch besser geworden. Trotz steigender Anzahl von Kraftfahrzeugen. Das ist kein Grund den Umweltaspekt zu vernachlässigen, aber der Normalbürger hat die Weltuntergangsszenarien einfach satt. Ich bin der Meinung, dass in diesem Bereich viel erreicht wurde und trotzdem noch viel zu tun ist. Aber der propagandistischen Verwendung der Umwelt gegen den Autofahrer schließe ich mich nicht an.

Einen weiteren wichtigen Punkt habe ich ebenfalls ausgelassen, da er zwar die Verkehrspolitik betrifft aber in anderen Bereichen anzusiedeln ist. Das Thema Vermeidung von erforderlichen Wegen. Ausdrücklich ist hier nicht eine Einschränkung des Bürgers bei der Verkehrsteilnahme gemeint. Es geht um den Zwang bestimmte Wege zurückzulegen, nämlich Behördenwege. Eine Stärkung der Bürgerbüros wäre z.B. dafür ein Ansatz. Ob nun Aufgaben der Agentur für Arbeit, der Kfz-Zulassung, der Rentenversicherung, des Finanzamtes und ähnliche, diese können wohnortnah erledigt werden. Im Zeitalter der Informationstechnologie ist es nicht einsehbar, dass die heutige Zentralisierung erforderlich ist.

Schlussbemerkung

Bevor mir jetzt jemand „Blauäugigkeit“ vorwirft sage ich es lieber selbst.

Abgesehen von organisatorischen und technischen Fragen hat ein neues Verkehrskonzept enorme politische und wirtschaftliche Aspekte.

Im Eingangsartikel habe ich die Frage gestellt:

Wie ernst ist die Forderung nach einer neuen Verkehrspolitik von Seiten der Politik gemeint?“

Die Antwort ist m.E. nach, dass es leere Worthülsen sind die dort abgegeben werden. Erinnern wir uns, die „Grünen“ waren ja schon Regierungspartei. Warum ist da nichts passiert. Wenn ich sage „Nichts“ meine ich ernsthafte Ansätze.

Es geht um Geld und Arbeitsplätze. Ich bin mir dessen bewusst, dass eine radikale Änderung der Verkehrspolitik, auch wenn ich sie wirklich im Sinne der Bürger gestaltet haben möchte, extreme wirtschaftliche Veränderungen hervorruft.

Hier versagt die Statistik, zumindest meine Kenntnisse. Betroffen wäre die Automobilindustrie und sämtliche mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche. Diese sind im produzierenden, Handels-, Dienstleistungs- und Finanzierungs-Bereich der Volkswirtschaft angesiedelt. Auch in den Bereichen des öffentlichen Dienstes werden sich Veränderungen ergeben. Wie viele Arbeitsplätze es betreffen würde kann ich nicht berechnen.

Weshalb sonst würden, trotz besseren Wissens um Rohstoffknappheit, Umweltprobleme und Ähnlichem, von Seiten der Politik keine – oder nur halbherzige Schritte unternommen werden.

Ich weigere mich eine Gegenrechnung aufzustellen, da sie allenfalls eine „Milchmädchen-Rechnung“ wäre. Trotz Steigerung des Arbeitskräftebedarfs in einigen Bereichen der Volkswirtschaft würde eine große Anzahl von Arbeitsplätzen ersatzlos verlorengehen.

Hier steht nun die politische Frage. Die Frage nach der Vollbeschäftigung, dem 8-Stunden-Arbeitstag und letztendlich dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Das ist nicht mehr eine Frage der Verkehrspolitik – das ist eine echte gesellschaftspolitische Frage. Die Frage nach der Gesellschaft in der wir leben wollen.

Und das ist die eigentliche Frage.