Wenn die Diktatur wiederkommt, dann wird sie sagen: "Danke Demokratie, dass Du für mich die optimalen Voraussetzungen geschaffen hast." [Thomas Köhler]
Die Zeit zwischen der letzten Ratsversammlung des alten Stadtrates und der konstituierenden Sitzung des neu gewählten ist eine gute Gelegenheit, um auf die letzten fünf Jahre zurückzublicken und einen Vorausblick zu wagen. Wir haben dazu den neugewählten Fraktionsvorsitzenden der „Die Freie Fraktion“ Sven Morlok und den stellvertretenden Vorsitzenden Thomas Kumbernuß, zu einem Gespräch gebeten. „Die Freie Fraktion“ ist eine Neugründung, von Stadträtinnen und Stadträten aus Die PARTEI, FDP und Piratenpartei. Die Fragen zum Rückblick beziehen sich auf die Erfahrungen der beiden, die bereits in der letzten Wahlperiode Stadträte waren, auf die allgemeine Stadtratsarbeit. Am 21. August trafen wir uns mit den beiden in der Fraktionsgeschäftsstelle der Freibeuter-Fraktion, die künftig die der neuen Fraktion ist, im Neuen Rathaus.
Den kompletten Artikel könnt ihr, wie immer kostenlos, in der Leipziger Zeitung lesen.
„Ich möchte in die Zeit nach Corona schauen, soweit es mir möglich ist. Es werden mehrere Artikel, zum Anfang sei gesagt „It‘s the End of the world, as we know it!“ – frei nach REM – und ich weiß nicht ob der Teil „And I feel fine“ zutreffen wird. Schauen wir mal, was bei meinen Überlegungen so rauskommt.“ Auszug aus Intro
Arbeitsleben, warum?
Ich habe bewusst den Begriff Arbeitsleben gewählt, weil die Arbeit – egal in welcher Form – unser Leben zu großen Teilen bestimmt. Ob nun als Arbeiter (im Sinne Industriearbeiter), Dienstleister, in medizinischen; pflegerischen; pädagogischen Berufen, ob angestellt oder selbständig ist dabei völlig egal. Selbst Schule, Studium und Ehrenamt nehme ich hier großzügig dazu. Wenn ich etwas vergessen habe, dann war das keine Absicht – jede Tätigkeit, die im erweiterten Sinne Arbeit ist kann hier gern hinzugefügt werden. Ein großer Teil unserer Lebenszeit ist Arbeitszeit, somit auch ein großer Teil unseres sozialen Lebens. Viele Menschen die bisher nicht verstehen konnten, dass z.B. für Langzeitarbeitslose das soziale Leben zusammenbricht, werden durch Corona jetzt darauf gestoßen. Die Frage stellt sich:
„Gibt es nach der Corona-Krise eine Rückkehr zur alten Normalität?“
Digitalisierung
Mit der Corona-Krise und der Schließung von Betrieben und Einrichtungen wurden die Mängel bei der Digitalisierung in Deutschland sichtbar. Es wurden zwar viele Angestellte ins Homeoffice geschickt, aber das betraf in der Hauptsache Menschen in Gebieten mit einer guten Breitbandabdeckung und natürlich Menschen in Jobs die sich im Homeoffice erledigen lassen. Auf diese möchte ich mich hier konzentrieren, die Industriearbeiter und andere Berufe werde ich später behandeln.
Aus meiner Tätigkeit für einen führenden Telekommunikationsanbieter weiß ich, dass es noch zu viele „blinde Flecke“ gibt – nicht nur in ländlichen Gebieten. Homeoffice hat aber auch seine Schattenseiten, ich beschrieb das September 2019, als die SPD eine „Recht auf mobiles Arbeiten Homeoffice“ forderte.
Homeoffice
Abgesehen von der Breitbandversorgung – die Unternehmen werden sich nach Corona für deren Ausbau stark machen – gibt es beim Homeoffice für mich die soziale Komponente. Es wird für einige(oder viele) Menschen kein Zurück aus dem Homeoffice geben. Ich spekulierte 2019:
„Auf der Kostenseite wird das Homeoffice ein Gewinn für die Unternehmen. Natürlich werden sich viele Unternehmen an den Kosten für Hardware und eventuell auch für die Internetverbindung und Büroausstattung beteiligen. […] – das Unternehmen kann seine Büroflächen verkleinern und Kosten sparen. Abgesehen davon entfallen auch die Kosten für freiwillige Sozialleistungen wie Jobtickets, Pausenversorgung und ähnliches. Der Krankenstand wird sich auch verringern, da sich die Ansteckungsgefahr verringert und die ArbeitnehmerInnen können ja ein krankes Kind im Homeoffice nebenbei betreuen“
Das war damals Spekulation, aber nach Corona werden viele Unternehmen darüber nachdenken. Und die Ansteckungsgefahr im Zitat war nicht auf eine Pandemie bezogen, ich habe keinerlei prophetische Gaben.
Leben im Homeoffice
Viele der Menschen, die jetzt plötzlich im Homeoffice arbeiten, haben schnell bemerkt, dass die „schöne neue Arbeitswelt des Homeoffice“ auch Schattenseiten hat. So sehr manche/r sich freut, dass der Arbeitsweg entfällt oder man den Chef und unangenehme KollegInnen nicht mehr ertragen muss – ein großer Teil des sozialen Lebens hat sich bisher am Arbeitsplatz abgespielt und entfällt ersatzlos. Der innere Schweinehund, der bisher durch die Uhr, mit: „Du schaffst die Bahn nicht!“ im Zaum gehalten wurde, sagt jetzt: „Hauptsache, Du bist 8.00 Uhr am PC – egal wie Du aussiehst“. Auch der Lebensrhythmus ändert sich, nicht immer zum Guten.
Aber es gibt beim Homeoffice auch Tücken die viel weiter reichen.
Homeoffice – Konsequenzen
Der Verzicht eines Arbeitgebers auf die Präsenzpflicht im Büro bedeutet nicht in jedem Falle freie Arbeitszeiteinteilung. Diese wird weiter überwacht werden und im Homeoffice wird ein Abweichen von der Pflichtzeit schnell als Ausrede abgetan – weil man ja zu Hause ist.
Eine logische Folge für manchen Arbeitgeber wird es sein darüber nachzudenken, ob man einige der Homeoffice-ArbeiterInnen überhaupt noch fest anstellen soll. Vielleicht kann man die „Heim(Büro)Arbeiter ja auch als pseudo-Selbständige beschäftigen? Kostenersparnis as usual.
Eine der jetzt gefallenen Schranken für das Homeoffice ist die Aussage „Wir können den Datenschutz nicht gewährleisten“. Diese Ansage wird nach Corona wieder auftauchen, sie wird aber eventuell mit umfassender elektronischer Überwachung gelöst. Totale Überwachung des Arbeits-PC – bis zum einzelnen Tastenanschlag, evt. eine Kamera am Heimarbeitsplatz um zu kontrollieren ob man sich wirklich allein im Raum aufhält bis hin zu angekündigten und unangekündigten Kontrollen durch den Arbeitgeber.
Für die „Heimarbeiter“ – etwas anderes ist Homeoffice nicht, es klingt nur besser – bringt dieses aber nicht nur das soziale Leben durcheinander. Wie sollen sich Betriebsräte oder auch Gewerkschaften um diese Menschen kümmern? Werden diese dann nur noch digitale Spuren auswerten um z.B. festzustellen ob gegen ArbeitnehmerInnen-Rechte verstoßen wurde?
Fazit:
Nach Corona werden sich Unternehmen und Verwaltungen endlich ernsthaft mit der Digitalisierung beschäftigen. Der Slogan wird vielleicht „Damit so etwas nie wieder passiert“ sein, gemeint ist damit natürlich nur der Zusammenbruch in den Bereichen der Wirtschaft die man ins Homeoffice schicken kann.
Die „schöne Welt des Homeoffice“ wird perspektivisch zur Lebens- und Arbeitswelt vieler Menschen werden.
Ist das gut oder schlecht?
Was können wir daraus machen, damit es nicht ganz schlecht wird?
Post scriptum
Für uns, die Piraten, hat das nebenbei einen positiven Effekt. Wenn die Unternehmen die Digitalisierung ernst nehmen, dann werden sie von der Politik nicht nur den Breitbandausbau fordern. Sie werden auch genau wie wir fordern:
Gewährleistung einer sicheren digitalen Kommunikation – dazu gehört sichere Verschlüsselung, die Abschaffung von Backdoors in den Systemen und der Staatstrojaner.
Die Landtagswahl in
Thüringen ist gelaufen, hier sind Glückwünsche an Bodo Ramelow
angebracht der das Projekt rot-rot-grün (R2G) unter Führung der
Linken zu einem Erfolgsmodell gemacht hat. Erwartbar war das
Wahlergebnis im Vorfeld so nicht.
Ergebnis und Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung ist erheblich angestiegen, wie zu erwarten hat die AfD profitiert. Die Linke ebenfalls, wobei es bei beiden erhebliche Unterschiede aus meiner Sicht gibt. Die AfD betrachte ich hier nicht sondern ich konzentriere mich auf die Linke und Bodo Ramelow.
Meiner Meinung nach hat die Linke, besser Boodo Ramelow, auch Stimmen von SPD- und Grünen-WählerInnen erhalten. Diese wollen, dass er R2G weiter führt und befürchteten dass im Falle eines starken Abschneidens der CDU ihre Parteien vielleicht auf „Kenia“ spekulieren.
Minderheitsregierung?
R2G hat nicht genügend Stimmen um mit einer Mehrheit im Landtag zu regieren – das ist eine Tatsache. Was wäre schlimm an einer Minderheitsregierung – auch ohne eine „Duldung“?
Aus meiner Sicht
nichts, immerhin haben ¾ der Thüringer WählerInnen nicht AfD,
sondern ihre Gegner gewählt. Alle im Landtag vertretenen Parteien
behaupten von sich, dass sie das Beste für Thüringen – über
Parteigrenzen hinweg – wollen. Es sollte also eine Sternstunde
der Demokratie sein, wenn eine Minderheitsregierung mit einem
demokratisch gewählten Parlament zusammen, im Interesse der
BürgerInnen, das Bundesland regiert. Dazu müssen natürlich alle
bereit sein, was schwierig ist.
Haribo?
Es sind rechnerisch zwei weitere Konstellationen möglich. Die eine Linke+CDU hätte eine komfortable Mehrheit. Der Gedanke daran verbietet sich, wenn man Mike Mohring im Vorfeld der Wahl gehört hat und die allgemeine Stimmung in der CDU sieht.
Die zweite ist, mir
gehen die Flaggenkenntnisse aus, eine Haribo-Koalition –
also R2G+FDP. Rechnerisch möglich aber nur knapp, kompliziert in der
Zusammensetzung und die FDP wird auf der gleichen Anzahl
Minister-Posten bestehen wie die Grünen – was wiederum schon
Koalitionsverhandlungen „interessant“ machen würde.
Fazit
Ich sehe hier eine Minderheitsregierung als den besseren Weg und hoffe, dass sie zu einer Sternstunde der Demokratie wird.
Viel Erfolg Bodo Ramelow – aus ganzem Herzen.
P.S. Als Pirat bin ich natürlich mit dem Ergebnis der Piratenpartei nicht glücklich, freue mich aber über die ersten Stimmen aus der FDP die eine Abschaffung der Sperrklausel fordern. Vielleicht schließen sich Grüne und SPD nach diesem Wahlergebnis ja auch an.