Bücherverbrennung muss nicht (mehr) sein.

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Der Gedanke an die Bücherverbrennung kam mir beim Lesen eines Artikels, in dem der Autor über seinen neuen ebook-reader schrieb. Er fragte sich, was er mit seinen alten Büchern machen solle. Alternative war das Altpapier.

Zugegeben, die elektronische Version des gedruckten Buches ist schon eine tolle Sache. Leicht, transportabel und geradezu komfortabel kommt sie daher. Warum habe ich nun ein schlechtes Gefühl?

Man sehe es mir nach, ich bin in einer Diktatur groß geworden und habe auch 1984 gelesen. Das prägt.

Die nachfolgenden Beispiele sollen meine Bedenken illustrieren.

Da wäre doch in meiner Kinderzeit der „Graf von Monte Christo“ gewesen, einmal in der bearbeiteten Jugendausgabe eines DDR-Verlages. Glatte Handlung, saubere Dialoge – heute würde man sagen „politisch korrekt“. Aber zu Hause stand auch eine Ausgabe aus den 20er Jahren. Die war fast doppelt so dick (nicht wegen der Papierqualität), es standen auch Beschreibungen und Dialoge darin die in der anderen Ausgabe fehlten. Kurz und gut, es war ein Unterschied wie zwischen „Notre Dame von Paris“ von Hugo und dem „Glöckner von Notre Dame“ in der Disney Fassung.

Nehmen wir also die heutige Diskussion über „Pippi Langstrumpf“ oder „Huckleberry Finn“, dann ist es durchaus wahrscheinlich, dass wir diese Bücher in einigen Jahren nicht wieder erkennen.

Wenn dann die alten Bücher nicht mehr existieren, wer sagt uns dann was die Autorin oder der Autor wirklich geschrieben haben?

Der/die Eine oder Andere mag nun sagen „Egal, die Hauptsache es unterhält und ist politisch korrekt.“ Das ist aber m.E. nach ein Irrtum. Zur politisch korrekten Unterhaltung mag doch der/die geeignete AutorIn eigene Bücher schreiben und nicht bestehende Literatur umschreiben. Literatur ist ein zeitgeschichtlich bedeutender Bestandteil der Kultur. Man kann sich mit ihr auseinandersetzen, sie kritisieren, aber man sollte sie nicht ändern.

Mit der Veränderung der Literatur versucht man die Geschichte umzuschreiben.

Stellt Euch doch einen Western vor, in dem das Cowgirl die Kühe treibt, im Saloon säuft und Gangsterinnen jagt. Inzwischen sitzt ihr Gemahl auf der Ranch, erzieht die Kinder und baut ökologisch korrekt Gemüse an.

Als Persiflage geeignet, aber historisch nicht haltbar – aller Genderpolitik zum Trotz. Es war eben nicht so. In der damaligen Zeit bekamen Frauen meist ein Kind nach dem anderen und waren meist eben nicht in oben beschriebener Weise tätig. Entwertet das nun die Rolle der Frau? Eigentlich nicht. Man stelle sich vor, eine Horde von Männern hätte den wilden Westen erobert, schießwütige Cowboys und Rancher ganz ohne Frauen. Einen Vorteil hätte es gehabt, die Indianer wären heute noch die Herren Amerikas. Die hatten nämlich Frauen, nicht nur zum Kinderzeugen.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Ich meine, dass auch das Internet und die anderen elektronischen Medien immer kommerzieller werden. Es wird also immer mehr bearbeitete und umgeschriebene Fassungen der Literatur geben. Damit kann man Geld verdienen, nicht mit den Originalen.

Die „Negerprinzessin“ bei Pippi, der „Nigger“ bei Huck, der „Jude“ oder „Zigeuner“ bei Hugo, die „Hexe“ bei den Grimms – sie werden verschwinden. Das wäre nicht das größte Problem.

Vielleicht verschwinden aber, aus anderen Gründen, auch „Pfarrer Bonhoeffer“, die „Leipziger Montagsdemonstranten“, „Mutter Theresa“ und andere. Da werden dann Dietrich B., politisch bewusste Widerstandskämpfer und eine Feministin in den Slums daraus.

Was dann, wenn ich nicht mehr in den alten Büchern nachlesen kann was diese wirklich waren?

Warum war die Bücherverbrennung oder Indizierung immer ein wichtiger Bestandteil von Diktaturen jeder Coleur?

Also ich behalte meine Bücher.

Seht mir mein wild-west-Beispiel nach Mädels. Aber ich musste beim Schreiben des Artikels an „Cat Ballou“ denken. Also nicht zu ernst nehmen, es ist nur als Illustration gemeint.

3 Antworten auf „Bücherverbrennung muss nicht (mehr) sein.“

  1. 🙂
    Ich behalte sie auch. Und ich finde es – trotz eBookreader und Co – schade, dass ich die old-styled-Books immer schlechter lesen kann: Es sind die Augen unter anderem und die „Preise unseres gepriesenen Gesundheitswesens“. die mir persönlich das Lesen dort erschweren.
    Deine hier angeführten Bedenken, gilt es imho immer mehr zu be-denken, wenn man in der Literatur vergangener Epochen Antworten auf Fragen von Heute sucht. Wirkliche Antworten findet man dann nur in den Originalen der Damals-Zeit und nicht in den „Plagiaten“ der Heute-Zeit.

  2. Das mit den Augen kann ich nicht bestätigen, bei mir werden nur langsam die Arme zu kurz 😉 .
    Meine Bedenken sind, so wie Du es auch erfasst hast, eben, dass die leicht verfügbaren Bearbeitungen (um nicht zu sagen Plagiate) die Originale verdrängen. Somit wird ein falsches Bild der Geschichte vermittelt.
    Wer sich berufen fühlt, der mag eigene Bücher schreiben. Obwohl, ein buch ist eben noch keine Literatur.

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