Bayernwahl – und nun?

Was hat sich nach der Bayernwahl geändert? Entgegen allen Berichten möchte ich sagen: Es hat sich nichts geändert in der Bundesrepublik. Der Bundesregierung möchte ich zurufen: „Fangt endlich an zu regieren!“

Bayernwahl und Zahlenspiele

Nicht erst mit dem bayerischen Wahlergebnis begannen die Zahlenspiele, sie begannen lange vorher. Die Politik in Deutschland ist verkommen zum Starren auf Zahlen – kaum dass eine Wahl beendet ist. Nach der Bundestagswahl 2017, die die „Volksparteien“ grandios vergeigten, begann das Starren auf Umfragewerte für die nächsten Wahlen in den Bundesländern und sogar auf die fiktive Frage „Wenn heute Bundestagswahl wäre“. Die Reaktion auf Umfragewerte ist längst wichtiger geworden als langfristige politische Projekte. Nur so lässt sich erklären, dass eine bayerische Regionalpartei die gesamte Bundesregierung am Nasenring durch die politische Arena ziehen konnte.

Bayernwahl und Bundespolitik

Ich habe eingangs geschrieben, dass sich nichts ändert. Bayern bleibt konservativ regiert – jetzt eben voraussichtlich durch die CSU und die FW. Im Bundesrat ändert sich also nicht viel, in die Länderkammer werden also höchstens ein oder zwei Vertreter der FW einziehen – bei Entscheidungen wird durch Bayern nicht anders abstimmen als vorher. Wenn nicht Bundes- und Landespolitik ständig vermischt würden, wobei die Sonderrolle der CSU natürlich beachtet werden muss, würde sich an Personalien der Bundesregierung nichts ändern müssen. Wenn doch, dann höchstens bei der SPD, die ja in Bayern zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft ist. Die CSU regiert weiter – was geht das den Bund an?

Bayernwahl – Sieger

Die unbestrittenen Sieger der Bayernwahl, geht man von Simmenzuwächsen aus, sind die Grünen. Für den Bund ist das aber unerheblich, sieht man von der moralischen Komponente ab. Die Grünen sind in Zukunft die stärkste Oppositionspartei und sie stehen mit der SPD auf verlorenem Posten. In der Frage der Zuwanderung und der geflüchteten Menschen hat sich die CSU so weit an die fremdenfeindliche Partei angenähert, dass sich eine Oppositionsarbeit in dieser Frage mit den Stimmen dieser Parteien kaum beeinflussen lässt. Gleiches gilt für die Fragen der Netzpolitik – insbesondere der Überwachung. Trotz des grandiosen Ergebnisses wird der Einfluss der Grünen überschaubar bleiben.

Bayernwahl – Verlierer

Nicht die SPD ist Verlierer der Bayernwahl, sie hat diese vergeigt – das interessiert letztlich soviel wie das Spiel Holland gegen Deutschland. Wir alle haben verloren.

Wir haben verloren:

  • Weil diese Wahl als irgendwie wichtig für die Bundespolitik, somit für alle Bundesländer und alle Menschen, die hier leben betrachtet wird.
  • Weil der nächsten – also der Hessenwahl – die gleiche Bedeutung zugesprochen wird. Obwohl, durch diese könnte sich das Stimmenverhältnis im Bundesrat ändern.
  • Weil danach die nächste Wahl in einem Bundesland kommt – die ebenso wichtig sein wird.
  • Weil unserer Regierung nicht regiert – Sie starrt auf Umfragewerte und reagiert kurzfristig.

Wir alle haben verloren, weil nicht nur Regierung, Parteien und Politiker sondern auch WählerInnen schwarmdumm (wie Gunter Dueck das bezeichnet) auf Zahlen – hier Umfragewerte – starren.

Wir und mit uns die Demokratie, sind verloren, wenn sich das nicht ändert.

P.S. Wenn ich Änderungen sage, dann habe ich auch zwei Vorschläge:

  1. Wenn im 4-Jahres-Turnus der Bundestag gewählt wird, dann muss der Bundesrat zur Hälfte der Legislaturperiode gewählt werden. Das bedeutet: Einheitlicher Termin für alle Wahlen der Landesregierungen wäre also, nach der Bundestagswahl 2021, im Herbst 2023. Das würde den Druck zum kurzfristigen Reagieren vermindern.
  2. Abschaffung der elenden 5%-Hürde (Sperrklausel). Wer als Person oder Partei die Stimmen für einen Sitz im Parlament (egal welche Ebene) erhält, bekommt diesen Sitz. Das würde die Demokratie stärken. Ich verweise hier darauf dass bei der Bundestagswahl 2017 5% (die Übereinstimmung der Prozentzahl ist zufällig) der abgegebenen gültigen Stimmen, auf Grund der Sperrklausel, nicht berücksichtigt wurden. In Wählerstimmen sind das 2.325.343.

Bildnachweis: Unter CCO Creativ Commons by 089photoshootings

Sieger der Geschichte

Im letzten Artikel habe ich zwei Aussagen gemacht:

1. Der Westen* konnte nicht aufhören zu siegen. (G.Gysi)

2. Der Westen übernahm das Narrativ vom „Sieger der Geschichte“.

Jetzt stellen wir fest: Der Westen hat sich zu Tode gesiegt und die Gesellschaft destabilisiert.
Eine Betrachtung aus Sicht eines geborenen Ossis, der jetzt ein „Nicht wissend zu welcher Gesellschaft Gehörender“ ist.

Sieger und Verlierer

War es denn ein Sieg des Westens über den Osten – also des Kapitalismus über den „real existierenden Sozialismus“**?
Im klassischen, also kriegerischen, Sinn war es kein Sieg – es wurden keine militärischen Siege errungen und Niederlagen erlitten. Es war ein moralischer und ökonomischer Sieg der Demokratie über die „Diktatur des Proletariats“ und ein Sieg der sozialen Marktwirtschaft über die „zentrale Planwirtschaft“. Errungen wurde der Sieg – sprich der Zerfall der DDR – nicht von der Bundesrepublik, er wurde von fortschrittlichen Kräften in der DDR errungen, die sich dem stagnierenden und rückläufigen System entgegenstellten.
Sieger war aber der Westen – er erklärte sich dazu, aus gutem Grund.
Die Initiatoren des Sieges wollten nämlich nicht den Westen – sie wollten eine bessere DDR. Erst nach dem Zerfall der Staatsmacht kamen die Parolen von der Wiedervereinigung.

Propaganda der Sieger

Der Westen erklärte sich also zum Sieger und begann sofort damit, die Propaganda des kalten Krieges fortzusetzen und den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Um das zu verstehen, gehen wir auf den Umgang der Sieger im 2. Weltkrieg mit den Besiegten zurück. Die Sowjetunion propagierte ihren Sieg meist als Sieg über einen übermächtigen Feind, der nur mit äußerster Anstrengung und unter großen Opfern zurückgeschlagen werden konnte – Ein stolzer Sieger über einen starken Feind. Die westlichen Mächte machten sich gern über die Nazis lustig, der Sieg war eigentlich logisch – in vielen Filmen und Büchern fragte man sich, warum es so lange dauerte.
Genau diese Art der Erzählung übernahm nun der Sieger gegenüber der DDR. Es war alles schlecht, alles grau, Ineffektivität der Wirtschaft bedeutete Faulheit des Ossis, Kinderbetreuung war schlecht, weil schon die Kleinsten indoktriniert wurden und so weiter und so fort.
Ergo: Im Osten gab es nichts Bewahrenswertes – Alles musste umgestaltet werden. Die Treuhandgesellschaft und der Zerfall der Wirtschaft im Osten sind Geschichte.
Die gute Nachricht war: Wer arbeiten und gut leben will, der muss in den Westen kommen.
Fazit: Den Besiegten demütigen und klein halten, auch im Umgang mit der GUS (also Russland), verfolgte man von Anfang an diese Strategie.

Der „Sieger der Geschichte“ konzentrierte sich auf alles, was nach Kommunismus roch – also auf links – als Gegner.

Sieger im eigenen Land

Der Sieg erstreckte sich aber nicht auf den Osten – auch im Westen verstummten die Stimmen, die eine Veränderung der Gesellschaft forderten. Der Kapitalismus wurde „alternativlos“ und ließ alle Hemmungen fallen. Die „freigesetzten“ Arbeitskräfte im Osten wurden im Westen zum Druckmittel gegenüber Arbeitnehmern und Gewerkschaften bei Gehaltsrunden. Die Kosten für den Osten, die oft bewusst verursacht waren, wurden als Grund für Einsparungen propagiert – „Wir würden ja gern, aber erst mal müssen wir den Osten wieder aufbauen!“ – wurde zum Totschlag-Argument, für ausgefallene Investitionen und für Einsparungen besonders im Sozialbereich, bis in die Kommunalpolitik hinein. Dem Bürger im Westen (Wessi) wurde Opferbereitschaft, dem Im Osten (Ossi) Dankbarkeit abverlangt. Und alle mussten die „Zähne zusammenbeißen“ – obwohl die Wirtschaft und die Unternehmensgewinne ständig wuchsen. Es wurde als alternativlos propagiert, dass eben jene Unternehmen ständig Vergünstigungen benötigten, um im Osten zu investieren – dort Gewinne zu erzielen – und dann mit der Drohung „Wir müssen weiter nach Osten gehen, um rentabel zu arbeiten“ weitere Vergünstigungen einzufordern und zu erhalten.
Daraus resultiert die noch heute anhaltende Spaltung in Ost und West in unserem Land, die sich auch so schnell nicht auflösen lässt. Aber es fand sich ein neuer Feind.

Der „Sieger der Geschichte“ unterwarf alle Teile der Gesellschaft dem puren Effektivitätswahn und dem Profitstreben.

Sieger in Europa

Die Bundesrepublik, also der Westen, hatte ja nicht nur über die DDR gesiegt – die DDR-Bürger hatten ja das „Gesellschaftssystem: Bundesrepublik“ als überlegen anerkannt, was die neue größere Bundesrepublik auch in Europa an die Spitze katapultierte.
Dieser Sieg bedeutete auch das Ende des Euro-Kommunismus, also der bis dahin starken Kommunistischen Parteien besonders in Frankreich und Italien, und somit wurde der entfesselte Kapitalismus im Gewande des „Wirtschaftsliberalismus“ zur europäischen Doktrin. Selbst die alte Arbeiterpartei SPD nahm das Wort Sozialismus weitgehend aus ihrem Sprachgebrauch. Unter dem „Genossen der Bosse“ schloss sie sich dem Wirtschaftsliberalismus an, was zu Hartz IV, massenhafter Leiharbeit und prekären Arbeitsverhältnissen führte.
Die Währungsunion mit dem EURO wurde, wider besseren Wissens, der Wirtschafts- und Steuerunion vorgezogen – mit allen daraus resultierenden Problemen. Das EU-Parlament wurde weitestgehend entmachtet, besser gesagt fast machtlos gegründet und die EU unter die Herrschaft der Bürokratie und der Konzerne gestellt. Am schlimmsten daran war und ist der Kommunikations-GAU zwischen EU und EU-Bürgern, der dazu führte, dass die Menschen sich mit der EU und selbst mit der Idee der europäischen Einheit nicht identifizieren – zumindest nicht mit dieser Art EU.
Es fanden sich Parteien und Politiker, die dieses Unverständnis ausnutzten und sich „euroskeptizistisch“ nannten. Sie stellten die EU, besonders den EURO, als Feind dar und begannen den Nationalismus als Allheilmittel zu predigen – Sie fanden Anhänger.
Dass sie diese besonders im Osten fanden, verwundert mich nicht. Der „gemeine Ossi“ – kurze Zeit gefühlter Sieger über die DDR-Führung – dann gefühlter Verlierer der Deutschen Einheit wollte mal wieder siegen und hier war eine Chance.
Dieser „Euroskeptizismus“ musste natürlich bekämpft werden. Fazit war, dass sich Deutschland , besonders in der Griechenland-Krise, als „Zuchtmeister Europas“ darstellte – was die „Skeptiker“ im eigenen Land nicht beruhigte aber die EU-Müdigkeit in anderen Ländern beförderte.

Der „Sieger der Geschichte“ verteidigte seine Idee von Europa – als profitables Konglomerat – statt ein Europa für die Menschen zu befördern. Wichtig ist: An dieser Stelle begann der Weg des Siegers in die Defensive.

Der Sieger und die „Flüchtlingskrise“

Es kam das Jahr 2015 – die geflüchteten Menschen und der Terror. Hier sind zwei zeitlich verbundene, aber sachlich getrennte Ereignisse zu sehen. Auf der einen Seite sahen wir geflüchtete Menschen aus Kriegsgebieten im Nahen Osten durch Europa irren – auf der anderen Seite begingen Menschen aus den selben Gebieten Terroranschläge in Europa. Ich erinnere hier nur an den Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris. Ich stelle hier fest: Die geflüchteten Menschen flohen eben vor den Menschen, die diese Anschläge begingen!
Eben das ist die sachliche Trennung: Die geflüchteten Menschen – zumindest der überwiegende Teil – waren und sind keine Terroristen. Die Bundeskanzlerin beschloss, dass die Grenzen der Bundesrepublik nicht geschlossen wurden – sie wurden nicht geöffnet, sie blieben offen – und dass Deutschland den geflüchteten Menschen humanitär gegenüber steht. Gleichzeitig ergab sich die Chance, die anlasslose Überwachung der Bevölkerung – auf Grund der Terrorgefahr – endlich umzusetzen. Bestrebungen gab es ja bereits lange. Der Bevölkerung mussten nur zwei Thesen vermittelt werden:

1. Unter den geflüchteten Menschen könnten sich Terroristen einschleichen.

2. Durch die Unterstützung der geflüchteten Menschen wird Deutschland zum Terrorziel für deren Gegner.

Dass damit alle geflüchteten Menschen unter Generalverdacht gestellt wurden, war ein akzeptabler Kollateralschaden.
Hier sei eingefügt, dass der „Sieger der Geschichte“ – sprich der „marktliberale (entfesselte) Kapitalismus“ – in den geflüchteten Menschen von vornherein eine Chance auf zusätzlichen Profit sah. Entgegen der landläufige Meinung, dass diese nur Kosten verursachen, sah der Sieger: „Der Staat gibt Geld für Unterbringung, Kleidung und Verpflegung aus – das füllt unsere Kassen. Also machen wir Profit.“ Dem Bürger wurde erneut, wider besseres Wissen, Opferbereitschaft abverlangt, die neue Ausrede waren „Die Kosten der Flüchtlingskrise sind enorm“ und die bisherigen „Euroskeptiker“ wandelten sich in Gegner der Flüchtlingspolitik und begannen mit allen Mitteln (bis hin zur Verbrüderung mit Neonazis) diese vermeintlich schlechte Politik – in Wahrheit die geflüchteten Menschen – zu bekämpfen.

Der „Sieger der Geschichte“ wurde endgültig zum „Getriebenen der Ereignisse“, die er nicht mehr beherrschte. Jahrelang auf „dem rechten Auge blind“ musste er sich jetzt gegen diese Seite wenden. Er tat das, indem er auf dem Drahtseil tanzte: Einerseits versprach er so viele geflüchtete Menschen abzuschieben, andererseits wollte er die Integration befördern. Das ist aber weder für rechts noch für links akzeptabel.

Der Sieger in der Klemme

Mein Mitleid mit dem „Sieger der Geschichte“, den ich für mich als den marktliberalen (entfesselten) Kapitalismus identifiziert habe, hielte sich in Grenzen – wenn nicht unsere Gesellschaft darunter zu zerbrechen drohte. Der „Sieger der Geschichte“ und seine Bestrebungen sind längst die Doktrin unseres Staates und unserer Regierung geworden.
Parteipolitik ist zum „Starren auf Umfragewerte vor Wahlen“ verkommen – kurzfristige, meist nicht durchdachte, Reaktionen auf steigende oder fallende Umfragewerte sind die Folge. Besonders die, in den letzten Jahren steigenden, Werte der fremdenfeindlichen Partei werden zu untauglichen Versuchen, wie der Abschiebung von 69 geflüchteten Menschen zum 69, Geburtstag des Innenministers, die Lage zu entschärfen benutzt. Die Thesen dieser Partei erhalten eine Wertigkeit in Medien und Politik die der Zahl ihrer Mitglieder und „festen Anhängerschaft“ in keiner Weise angemessen ist.

Die Politik hat vor dem „Sieger der Geschichte“ kapituliert – Es ist eine Frage der Zeit, wann die Bevölkerung vor der Demokratie kapituliert und sich eine Diktatur wählt.

Die „Sieger der Geschichte“ – die Vertreter des entfesselten Kapitalismus – werden auch dort überleben – andere nicht.

*Mit Westen ist hier der „Sieger der Geschichte“ gemeint, wer das für mich ist erkläre ich im Atikel.
**Wenn ich „real existierender Sozialismus“ statt Sozialismus in meinen Texten verwende, dann ist das Absicht. Ich meine: Es gab noch keinen Sozialismus.
Bildnachweis: Unter CCO Creativ Commons by succo

Mitte der Gesellschaft, oder „Wie erschafft man Randgruppen?“

Im Gegensatz zu der gefühlten Mehrheit im Twitter-, Facebook- oder sonstigem (a)Sozialen-Medien-Diskurs, betrachte ich die „Mitte der Gesellschaft“ weder als dumm, noch träge oder gar politisch uninteressiert. Die „Mitte der Gesellschaft“ ist nur nicht laut.

Um das mal klar zu stellen, an jedem Arbeitstag begebe ich mich in diese Mitte, das beginnt mit dem Fahrer, oder der Fahrerin meiner Straßenbahn und geht mit meinen Arbeitskollegen und Kolleginnen weiter.

Soll heißen: Die „Mitte der Gesellschaft“ besteht für mich aus den Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten und denen zum großen Teil am Feierabend die Lust, die Zeit oder die Kraft fehlt, lauthals herum zu schreien. Meist fehlt nicht nur eines.

Ergo: Die „Mitte der Gesellschaft“ ist die Mehrheit der Gesellschaft.

Diese Mitte besteht aus den marxschen „produktiven Arbeitern“, gemäß der Definition:

Ein Schauspieler z.B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet (des entrepreneur), dem er mehr Arbeit zurueckgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhaelt.*

Ergo: Die Zahl der Proletarier ist größer als die Zahl der „Industriearbeiter“, die z.B. Martin Schulz als „Kernklientel der SPD“ bezeichnet.

Das ist natürlich nicht die gesamte „Mitte der Gesellschaft“, dieser Teil ist aber der, der dafür sorgt, dass eine Gesellschaft existieren kann. Dieser Teil schafft die materiellen Grundlagen der Gesellschaft und sichert ihr Fortbestehen. Nicht zu vergessen der Teil der unsere Kinder betreut, für unsere Gesundheit sorgt, Hilfsbedürftige pflegt und viele andere wichtige gesellschaftliche Aufgaben erledigt.

Ergänzen wir die „Mitte der Gesellschaft“ noch um die Menschen, die diese Arbeit geleistet haben, also Rentner und Pensionäre, um Menschen die sich in der Ausbildung befinden, um Abhängige dieser Mitte, also Kinder, Kranke und in irgendeiner Art Unselbstständige – also Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht für sich selbst sorgen können – und um Menschen, die unverschuldet oder auch verschuldet in Not gekommen sind, dann umfasst die „Mitte der Gesellschaft“ die gesamte Bevölkerung, mit Ausnahme der „Enterpreneure“.

Nach dieser Auflistung gäbe es keine Randgruppen außer diesen.

So weit so gut und leider falsch – hier ist eben der Fehler der Klassentheorie.

Gäbe es eine Arbeiterklasse und die bösen Kapitalisten, dann wäre eine Revolution angebracht. Die Arbeiterklasse würde die Kapitalisten enteignen –> würde das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln gemeinschaftlich verwalten –> die Früchte der gemeinsamen Arbeit würden allen zu Gute kommen –> Friede, Freude und Champagner für alle. Räte würden diesen Prozess lenken und überwachen, alle würden aus Überzeugung ihr Bestes geben und wer nicht überzeugt ist würde überzeugt werden. Wer sich nicht überzeugen lässt…

Hier höre ich mit der schönen(?) Utopie auf, das geht weiter mit selbsternannten Volks-Beglückern, mit Zwang und Ausstoßung von Andersdenkenden – von der Stammesgesellschaft bis zum „Real Existierenden Sozialismus“.

Ich konstatiere also für mich: Es gibt keine Klassenkämpfe, es gibt nur Verteilungskämpfe.

Aus diesen entstehen die heutigen Randgruppen. Es geht aber nicht um den Anteil, den diese erhalten – es geht um das Gefühl „Mir wird etwas vorenthalten!“ oder „Der/Die bekommt etwas was ihm/ihr nicht zusteht!“

Mit diesem Gefühl lässt sich gut Politik machen. Da unterscheiden sich rechts, links, konservativ oder liberal in keiner Weise, außer in dem Gefühl, welches sie bedienen.

Mit diesen Gefühlen wird dann (in bewährter Manier) der Schuldige, oder auch Feind, gesucht und bekämpft. Das kann der Ausländer (in verschiedenen Erscheinungsformen) sein, der Rentner – der ja vom „schwer Erarbeiteten der Jungen lebt“, die Frau – die sich koste es, was es wolle, emanzipieren will, die kinderreichen oder kinderarmen Paare oder wer auch immer. Obwohl, Ausländer geht immer gut. Besser ist nur noch ein Feind von außen, gegen den wir alle zusammenstehen müssen.

Noch besser ist nur ein richtig großes und schönes Polit-Theater – so mit der Bildung einer GroKo, den Rücktritten, Posten-Mauscheleien, Bekundungen und Widerrufen von Bekundungen. Leider ist das nur besser für die politischen Gegner – gut, dass diese sich auch gerade zerfleischen.

  • Die „Mitte der Gesellschaft“ reagiert dann mit Unverständnis – daraus folgt Zorn auf die Akteure und die Suche nach Protestformen.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ geht meist nicht auf die Straße – sie protestiert an den Wahlurnen, besonders beliebt mit Verweigerung.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ lässt damit zu, dass die Randgruppen bei Wahlen immer mehr Stimmen bekommen und somit über die Gesellschaft bestimmen.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ muss endlich aufwachen und für ihre Interessen kämpfen!

Wenn sie nur wüsste, welche das sind.

Sapere aude!

* Karl Marx, Theorien über den Mehrwert (MEW 26.1), zitiert nach: Marx über produktive und unproduktive Arbeit in der kapitalistischen Produktionsweise
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