Angst vor dem Lachen – Terror gegen das Lachen

„Doch wenn eines Tages die Kunst des Lächerlichmachens annehmbar würde und nobel erschiene und hochherzig und nicht mehr gemein wenn eines Tages jemand sagen könnte (und dafür Gehör fände): Ich lache über die Inkarnation … dann, William, dann hätten wir keine Waffen mehr, um diese Lästerung einzudämmen…“

So wortgewaltig lässt Umberto Eco den Mönch Jorge gegen das Lachen wettern*, gegen das Lachen welches die Angst besiegt.

Je_suis_Charlie_2-770d0e1d418f307dDas Lachen, durch Beschreibung der Lächerlichkeit und durch Verächtlichmachung, ist der Feind der Diktatoren und der Dogmen. Heute sind wir zumeist schon längst dabei genau das zu tun wovor sich der fiktive Jorge fürchtete.

Die Satire lässt uns Ängste weglachen, gute Satire vermag aber mehr – sie lässt uns über die Gründe für die Lächerlichkeit nachdenken.

Mohammed, der Prophet des Islam, war nach einigen Beschreibungen sehr empfindlich gegen Spott. Einige Quellen behaupten, dass er die jüdischen Bewohner von Jathrib (Medina) bekämpfte weil sie ihn verspotteten. Nur, damit stand er nicht allein.

Bereits im alten Testament, welches die Quelle für Judentum, Christentum und Islam ist, steht:

„Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott,“ (2. Mose, 20:5)

Dies wird aber präziser in anderen Bibelausgaben als „eifersüchtiger Gott“ übersetzt.

Eifersüchtig zu sein verträgt sich nicht mit Spott, wenn ein eifersüchtiger Mensch für seine Eifersucht verspottet wird kommt es oft zu Gewalttaten. Ein Menschen-Gott vernichtet dann ganze Völker, laut den Überlieferungen.

So wurde und wird in Diktaturen, Auto- und Theokratien die Satire streng reglementiert, damit sie nicht über das erlaubte Maß hinausgeht. Satire darf in diesen Gesellschaften viel, sie darf die Menschen zum Lachen bringen über Mißstände im System – aber nie über das System oder den Diktator.

Wenn Menschen über das System und den Diktator lachen, dann verlieren sie die Angst und das ist das Ende des Systems.

Auch wenn ich, mit den Bemerkungen über Mohammed, über den Islam sprach, diese Angst der Herrschenden oder Religionsführer vor der Satire ist nicht nur dem Islam eigen. Satire gegen Religion ist auch für Westeuropa ein heikles Thema.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde der juristische Tatbestand der „Verspottung von anerkannten christlichen Kirchen“, § 166 StGB, erst 1969 neu gefasst. Heute ist dieser Spott nur noch strafbar „wenn er geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören“ und auf Beschimpfung des „religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer“ erweitert, was immer man darunter versteht. Von diesem Paragraphen kann Satire immer noch betroffen sein. Es ist keine Satire, dass die CDU 2002 die Einschränkung „Störung des öffentlichen Friedens“ streichen lassen wollte.

In anderen westlichen Ländern steht die Verspottung der Religion auch heute noch unter Strafe, so in Österreich: Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 Strafgesetzbuch) oder in der Schweiz: Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit (Artikel 261 Strafgesetzbuch). In beiden Ländern ist der Begriff nach wie vor auf die reine Verspottung, also auch auf die Satire anwendbar.

Das Leben des Brian“, 1979 erschienen, ist ein hervorragendes Beispiel wie auch in der westlichen Welt gegen Satire vorgegangen wurde und jederzeit wieder vorgegangen werden kann.

Satire ist wesentlich gefährlicher als Wissenschaft für die Religionen, das ist deutlich zu sehen wenn man sich nachfolgende Beispiele betrachtet.

Am 12. September 2006 hielt Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger) eine Vorlesung, die mit dem Papstzitat von Regensburg in die Geschichte einging. Diese Vorlesung war eine wissenschaftliche, im Sinne der Geschichtswissenschaft, Betrachtung die vermeintlich den Islam herabwürdigte. Es liegt mir hier fern über das Zitat zu urteilen, aber die Reaktionen hielten sich in Grenzen. Zwar bezeichneten einige muslimische Religionsführer die Rede als Hasspredigt, aber letztendlich endete die ganze Sache in einem Disput.

Anders bei den Mohammed-Karikaturen, die am 30. September 2005 von der Jyllands-Posten veröffentlicht wurden. Wenn auch zeitverzögert, führten diese zu Anschlägen und Drohungen.

Was folgt für mich daraus?

Satire ist eine Waffe, weil:

Wer über etwas lacht hat davor keine Angst!

Wenn Menschen über Thesen lachen, die zu einem heiligen Krieg – egal im Namen welcher Religion – führen, dann melden sie sich nicht freiwillig.

Deshalb brauchen wir die Satire, die Cartoonisten und die Pressefreiheit.

Deshalb gibt es Terror gegen das Lachen – die Protagonisten des Extremismus und Fundamentalismus haben Angst vor dem Lachen.

Antiislamismus ist keine Antwort auf den Anschlag gegen Charlie Hebdo, die Instrumentalisierung der Opfer, egal zu welchem Zweck, ist unwürdig.

Der Kampf gegen Satire ist nicht spezifisch muslimisch, auch andere Religionen oder Ideologien können Terroristen hervorbringen.

Nicht zu vergessen ist:

Viele Muslime distanzieren sich von dem Anschlag , besonders jene Muslime die vor dem Islamismus zu uns geflohen sind.

Edit:
Nachdem ich mehrfach darauf angesprochen wurde: Ja ich bin mir dessen bewusst, dass die islamischen Fundamentalisten ihre Anhänger effektiver radikalisieren können – zur Zeit. Dafür gibt es viele Gründe, diese zu betrachten ist nicht Bestandteil dieses Artikels.

Leipzig, 09.01.2015

 

* Eco, Umberto, Der Name der Rose, ISBN 3-353-00108-5, S. 482
Bildquelle: http://www.chip.de/news/Je-suis-Charlie-Netz-Solidaritaet-nach-Anschlag-auf-Satiremagazin_75431679.html

„Dummheit kann tödlich sein“

So überschreibt Reinhard Mohr, ein Altlinker, seinen Artikel* in der WELT, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Artikel von Wilhelm Ahrendt in „der Freitag“ vom 31.08.2014. Sosehr ich die Aussage der Überschrift befürworte, Herr Mohr und ich haben verschiedene Auffassungen davon, wie sich „Dummheit“ manifestiert. Der Mohrsche Artikel strotzt vor haltlosen Verallgemeinerungen, populistischen Tiraden und nationalistischen Sentenzen im bester sarrazinscher Manier. Das wäre nicht so schlimm, wenn nicht ein Print- und Online-Medium mit großer Verbreitung diesen Ausbund an Verstößen gegen journalistische Standards verbreiten würde. Ein Indiz für seine These sind die vielen zustimmenden Kommentare, unter anderem in den sozialen Netzwerken.

Herr Mohr hat erkannt, dass wir auf eine Massenverblödung zusteuern. Ich frage mich allerdings, warum er seine Leser noch auf dem Weg dorthin unterstützt.

Den Artikel beginnt Herr Mohr mit einer Betrachtung zum Geschichtswissen der jungen Deutschen und führte sofort zu seinem Hauptthema – den Migranten, besonders denen aus islamischen Ländern. Hier holt er sich den ‚Forschungsverbund SED-Staat‘, Heinz Buschkowsky und Rüdiger Dammann als Autoritäten ins Boot. Gemeinsam mit diesen beklagt Herr Mohr die mangelnde Sprachkenntnis und das geringe historische Wissen bei Kindern und Jugendlichen.

Wenn man so pauschal den Bildungsstand der deutschen Jugend analysiert, dann können sich natürlich Fehler einschleichen oder sie werden bewusst eingefügt. Zwei Beispiele :

Beispiel 1: Unter der Überschrift „40 Prozent der Migranten bewerten NS-Staat positiv oder neutral“* zitiert Herr Mohr später: „Keinen Zweifel am totalitären Charakter des Nationalsozialismus hat nur gut jeder zweite,…“*, bezogen auf alle Jugendlichen. Hier stellt sich mir die Frage: Sind die 40% der Migranten der Skandal oder sind es die 50% der gesamten Jugendlichen, die Zweifel am totalitären Charakter des NS-Staates haben? Die Überschrift polarisiert und dramatisiert – gegen die Migranten. Er spielt bewusst mit den Zahlen.

Beispiel 2: Auch wenn Herr Mohr biblische Geschichten als Eigentum des „christlichen Abendlandes“ deklariert, spielt er mit Fakten. Unter der Überschrift „Jakob und Esau? Kommt aus dem Koran“* täuscht Mohr den Leser bewusst. Dieser Ausruf eines muslimischen Kindes ist kein Zeichen von Dummheit wie Herr Mohr behauptet, sondern er zeigt, dass es seine Religion kennt. Judentum, Christentum und der Islam kennen die Geschichte von Jakob (im Islam Yaʿqūb), von dessen Bruder und von dem Linsengericht. Auch die Geschichten um David, Goliath und Saul – der gesamte alttestamentarische Kanon – sind Inhalt aller drei Religionen. Es verwundert mich nicht, dass ein muslimisches Kind aufsteht und ruft: „Das steht im Koran!“

Dammanns zitierte Aussage Alles, was wir Allgemeinbildung nennen, ist eine einzige Katastrophe„* teile ich. Ich denke aber, dass wir Allgemeinbildung anders definieren sollten als Herr Mohr, denn ich habe eine andere Auffassung von Allgemeinbildung und von Geschichte.

Wenn Herr Mohr von Geschichte spricht, welche Schüler lernen und verinnerlichen sollen, dann meint er den traditionellen deutschen Geschichtsunterricht. Sicher ist auch das Schuld- und Verantwortungsbewusstsein der deutschen Nation wegen der Verbrechen des Nationalsozialismus gemeint. Kinder von Migranten fragen „Was haben wir mit eurer Geschichte zu tun?„*, weil sie das Schuld- und Verantwortungsbewusstsein nicht teilen können. Es ist nicht Bestandteil ihrer Geschichte.

Herr Mohr zitiert in diesem Abschnitt Heinz Buschkowsky:

„Da steht doch ein Lehrer auf verlorenem Posten, wenn er von den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis erzählt, in denen Millionen Juden umgebracht wurden. Die harmloseste Reaktion von zumeist muslimischen Migrantenkindern ist demonstratives Desinteresse. Manchmal wird’s auch heftig und nicht zitierfähig.“*

Entsteht die geschilderte Situation vielleicht aus der Art der Erzählung oder daraus, dass sich die Schilderung auf die Massenmorde an den Juden beschränkt? Oder entsteht sie weil diese Schilderung darauf zugeschnitten ist bei deutschen Kindern ein Schuld- und Verantwortungsbewusstsein zu wecken? Diese Art der Geschichtsaufbereitung ist für Kinder mit Migrationshintergrund schwer zu begreifen.

Es ist durchaus möglich, dass ein muslimisches palästinensisches Kind Mitgefühl mit jüdischen Kindern in deutschen Konzentrationslagern empfindet. Gerade weil es Geschichten von Kindern in Flüchtlingslagern aus seiner Familien-Geschichte kennt, kann es das Leid nachvollziehen. Wenn die altersgerechte Schilderung der Massenmorde in den Konzentrationslagern** nicht dazu führt, dass diese Verbrechen von allen Schülern als solche erkannt werden, dann läuft in der Schule vieles verkehrt. Das ist allerdings nicht die Schuld der Kinder oder ihrer Eltern.

Neben der Geschichte betrachtet Herr Mohr die Sprachkenntnisse der Schüler. Wenn Kinder und Jugendliche schlecht sprechen, ist für ihn die Ursache klar: Die Migranten sind schuld. Es gibt aber Kiezdeutsch, Dialekte und Jugendsprache auch ohne Migranten. Diese Sprachformen existieren auch in Gebieten mit geringem Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung. Wichtig ist doch, dass außer der Kiezsprache auch die Hochsprache gesprochen wird. Viele Jugendliche, ob Migranten oder nicht, die mit ihren Freunden Kiezdeutsch sprechen, beherrschen auch mindestens die deutsche Umgangssprache.

Herr Mohr verwendet in diesem Zusammenhang die Zwischenüberschrift „Hartz-IV-Karrieren durch mangelhaftes Deutsch“*. Diese Formulierung lässt den Schluss zu, dass gutes Deutsch eine Hartz-IV-Karriere vermeidet. Es gibt aber hochgebildete und sprachgewandte Menschen mit Hartz-IV-Karrieren. Ebenso gibt es Menschen, die trotz mangelhaftem Deutsch eine Anstellung haben und teils gut verdienen. Wo ist also der Sinn in diesem Abschnitt? Wahrscheinlich ist „Geh isch Aldi, du Ramadan„* die Kernaussage, also ein weiteres Vorurteil gegen Migranten.

Was läuft falsch in den Schulen, wenn Schüler die Deutsche Sprache und Geschichte nicht lernen?

Ich denke, es wird Zeit, im Unterricht neue Wege zu gehen. Die steigende Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund und von Kindern, die das Sprechen durch Medienkonsum lernen, stellt uns vor neue Herausforderungen. Schließlich beklagen LehrerInnen nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergund die „Sprachlosigkeit“*** im Unterricht. Sie meinen mit Sprachlosigkeit nicht nur die mangelnde Sprachkenntnis, sondern dass die Kinder einfach nichts sagen. Warum sagen sie nichts?

Vielleicht fehlt ihnen Vertrauen zu den LehrerInnen, zu den MitschülerInnen und zur Schule. Um eigene Gedanken in mündlicher und schriftlicher Form gegenüber anderen Menschen zu artikulieren, braucht ein Kind Vertrauen zu diesen Menschen. Gerade dann, wenn es seine Geschichten erzählen soll, muss es sich sicher sein, dass die anderen Kinder es nicht auslachen und die Lehrer diese Geschichten nicht als Unsinn abtun. Letzteres ist oft der Fall, wenn Geschichten die das Kind kennt nicht mit dem Lehrstoff des Geschichtsunterrichts übereinstimmen.

Unsere Kinder, ob nun deutsche oder mit Migrationshintergrund, wachsen meist mit Geschichten auf, die in ihrem Umfeld erzählt werden. Diese Geschichten werden abhängig vom kulturellen Hintergrund und Bildungsstand der Erzähler unterschiedlich vorgetragen. Wichtig für das Kind ist, sie werden von Menschen erzählt denen es vertraut. Die hochgebildeten deutschen Eltern, die ungebildeten Eltern und die Eltern aus anderen Kulturkreisen unabhängig vom Bildungsstand erzählen Geschichten teilweise grundlegend unterschiedlich. Die Eltern der ersten Gruppe erzählen bereits dem Kleinkind gesellschaftlich konforme Geschichten, unter anderem sprachlich entschärfte Märchen, um ihm das spätere schulische Leben zu erleichtern. Kinder, die aus anderen Kulturkreisen stammen, besonders die in traditionellen muslimischen Familien aufgewachsenen, hören dagegen viele Geschichten aus der Geschichte. Ganz gleich, ob es um Familien-Geschichte, die Geschichte des Islam oder um Geschichten von Flucht, Vertreibung und Bürgerkrieg geht, diese Geschichten prägen ihr Geschichtsbild. Den Kindern fehlt nicht das Geschichtsbewusstsein. Es unterscheidet sich von unserem.

Wir müssen also weg von einer deutschen Interpretation der Geschichte im Unterricht.

In der Schule wird das Kind zum Schüler und lernt Geschichte, die anders ist als die Geschichten der Vertrauenspersonen. Was passiert dort wirklich? Wird ihnen eine Begründung gegeben warum das so ist?

Das Dilemma beginnt in der Grundschule. Dort lernen Schüler die grundlegenden Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie lernen auch das „Lernen“. Das schulische Lernen ist als Wissenserwerb ausgelegt, ich nenne es „Auswendig-Lernen“. Sie lernen, dass Buchstaben, Zahlen, Sprache und auch Geschichte Fakten sind, die nicht diskutiert werden. Auf dieser Grundlage wird der weitere Unterricht aufgebaut. Lernen sie aber auch das Denken in den Formen des Durchdenkens, des Nachdenkens und des kritischen Denkens?

Ein Ansatz zum kritischen Denkens wäre, wenn mit den Schülern spielerisch Antworten auf die Frage „Warum soll ich das lernen?“ erarbeitet werden. Wenn Lehrer und Schüler gemeinsam spielerisch die Themen Sprache, Schrift und Geschichte durchdenken. Was wäre passiert, wenn die Menschen keine gemeinsame Sprache für ihre Gruppe entwickelt hätten und wenn sie keine Schrift erfunden hätten um ihre Geschichten und ihr Wissen festzuhalten? Dieses Spiel wird dem Lernwillen förderlicher sein als eine schlechte Zensur.

Schüler sollten im Unterricht ihre gehörten und erlebten Geschichten austauschen, gemeinsam durchdenken und diskutieren. Es geht dabei nicht um ein festgelegtes Ziel, sondern darum, denken und kommunizieren zu lernen. Lehrer und Lehrerinnen sollen das Erzählen und Diskutieren nicht in erster Linie auf ein Ergebnis zu führen, sie sollen den Prozess begleiten. Wir könnten damit eines der wichtigsten Probleme, die Sprachlosigkeit der Schüler im Unterricht, zumindest teilweise lösen. Schüler die erzählen und diskutieren lernen besser sprechen. Wer erzählt – der versucht sich verständlich auszudrücken. Wer erzählt – der will verstanden werden. Wer auf Deutsch erzählt – der bemüht sich um ein verständliches Deutsch.

Schüler die ihre Geschichten im Unterricht erzählen und diskutieren, das wird wahrscheinlich Gegner finden. Diese Erzählungen zerstören den „Schutzraum Grundschule“**** in dem die Schüler, behütet vor allem Bösen, grundlegende Fertigkeiten lernen sollen. Böse Geschichten werden vor allem Schüler mit Migrationshintergrund erzählen. Deren Geschichten handeln von Krieg, Vertreibung, Flucht, Hunger, Tod und sie haben einen anderen kulturellen Hintergrund. Sie beschreiben die Realität eines großen Teils der Welt. In unserem behüteten Teil wollen viele Eltern, Lehrer und Lehrerinnen diese Geschichten ihren Kindern nicht zumuten.

Wer führt uns in die in dem Artikel postulierte „Massenverblödung“ wenn nicht das Bildungssystem?

Im heutigen Geschichtsunterricht sollen Schüler Daten und Fakten, die niemanden interessieren und die von teils unmotivierten Lehrkräften vorgetragen werden, auswendig lernen. Das erworbene Wissen wird für Prüfungen und Klausuren benötigt, danach interessiert dieses Wissen niemanden mehr. Gerade in Deutschland hat Geschichte, wie alle Geisteswissenschaften, kaum Bedeutung für die Schule.

Gelebte, diskutierte und kommunizierte Geschichte in der Schule kann mehr als das heutige Bildungssystem erreicht. Geschichte lebt durch das Erzählen von Erlebtem und Gehörtem im historischen Kontext. Erzählen und diskutieren fördern die Sprachentwicklung, das systematische, logische und kritische Denken, die Kommunikationsfähigkeit und besonders das Verständnis für die Anderen.

Die Fähigkeit systematisch, logisch und kritisch zu denken, die Fähigkeit zu kommunizieren und die Fähigkeit Verständnis für Andere aufzubringen und zu äußern, das sind wichtige Fähigkeiten für das spätere Berufsleben.

Wenn in der Schule Unterrichtsinhalte erarbeitet, durchdacht und diskutiert werden, dann lernen die Schüler dort auch Demokratie. Sie lernen Demokratie nicht als abstrakten Begriff, sie lernen Demokratie leben.

Warum wird Schul-Geschichts-Unterricht nicht in einer quasi-demokratischen Form durchgeführt?

Wahrscheinlich befürchten viele, dass in einem solchen Unterricht auch Fragen und Thesen auftauchen, die auf eine Relativierung des Nationalsozialismus hinzielen. In einer offenen Diskussion können die Lehrer und Schüler Argumente gegen diese Thesen erarbeiten. Besonders dann, wenn wie schon beschrieben die Verbrechen des NS-Regimes als solche durch alle Schüler erkannt werden.

Was passiert wenn die Diskussion weiter unterbleibt oder unterbunden wird?

Es bilden sich Randgruppen, zum Beispiel im rechten Spektrum. Diese Gruppen werden von gebildeten kommunikationsfähigen Menschen geführt, die aus verschiedenen Gründen rechte, teils nationalsozialistische, Thesen verbreiten. Ihre Anhängerschaft besteht zu Teilen aus geschichtsinteressierten Menschen deren Fragen in der Schule nicht beantwortet wurden, die sich in der Schule nicht wagten Fragen zu stellen oder die zu einfache Antworten suchten. Gleiches gilt für andere Strömungen und Randgruppen, ob diese nun politisch oder religiös radikalisiert sind. Das passiert heute und führt zu einer Spaltung der Gesellschaft.

Diese Spaltung der Gesellschaft ist gefährlicher als die offene Diskussion und Kommunikation von Geschichte. Die Gesellschaft und das Bildungssystem lassen nicht nur zu, dass diese Menschen an die Ränder abdriften, sie fördern es durch Verweigerung der offenen und kritischen Diskussion.

Verweigerung und die Akzeptanz der Diskussion führen zur „Massenverblödung“, Herr Mohr, nicht angebliches Desinteresse an Sprache, Geschichte und Bildung.

* Die Zitate stammen aus dem verlinkten Artikel

** Hier meine ich Unterricht der auf emotionale Faktoren setzt. Ich denke an Gedichte wie „Kinderschuhe aus Lublin“ von Johannes R. Becher

*** Die Sprachlosigkeit wird z.B. hier beschrieben

**** Das Argument „Die Grundschule ist ein Schutzraum“ stammt aus eigenem Erleben. Nach dem 11.9.2001, als ich in der Grundschule meines Kindes fragte warum die Kinder nicht mit dem Thema der Terroranschläge, entsprechend der Altersklasse, konfrontiert werden bekam ich diese Antwort.

Wiederholung zu einem Thema

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Eine wiederholte Äußerung zu einem Thema ist nicht mein Ding. Zum Ersten bedeutet sie, dass ich mich beim ersten Mal nicht eindeutig geäußert habe. Außerdem bin ich eben schnell gelangweilt.

Also schreibe ich hier nicht zur Knabenbeschneidung und den unsäglichen pro und contra Kampagnen. Ich schreibe über Begründungen und Argumentationen, eigentlich über die (verpönte) Propaganda.

Ich schließe mich keiner der Fraktionen an. Warum? Weil ich die Begründungen und Argumentationen für Propaganda halte. Hieb- und stichfest ist keine.

So hat also die Giordano-Bruno-Stiftung eine Kinderrechtskampagne gestartet und in der Begründung ist zu lesen:

„Wüssten die Eltern über die dra­ma­ti­schen Konsequenzen der Zirkumzision Bescheid, müsste man über ein Beschneidungsverbot gar nicht mehr dis­ku­tie­ren, da die meis­ten Mütter und Väter von sich aus den Gedanken ver­wer­fen wür­den, ihre Kinder beschnei­den zu las­sen.“

Ich will ja nicht päpstlicher als derselbe sein, aber wer, wenn nicht die Eltern der aus religiösen Motiven beschnittenen Kinder, kennt diese Konsequenzen? Eben, die Väter wurden ja als Kinder beschnitten.

Das führt gleich zum Punkt den Gar Nix in seinem Artikel vom 21.8.2012 erwähnt. Nämlich die von einigen Psychologen, Psychiatern und anderen erwähnten Defizite. So äußert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Köln, in Person seines Verbandspräsidenten Wolfgang Hartmann:

„lebenslange körperliche und seelische Verletzungen“

seien die Folge. Das ist eine gemäßigte Aussage, anderswo ist von massiven psychischen Problemen und sexuellen Störungen die Rede.

Ich bin nun mal böse und unterstelle, dass folgende Aussage möglich ist.

„Seit Jahrtausenden (resp. Jahrhunderten) sind beschnittene Männer seelisch und körperlich traumatisiert. Dies betrifft nun ganze Völker und Religionsgemeinschaften.“

Weiter führe ich das nicht aus, den Rest kann jeder nach seinem Ermessen hinzufügen.

Aber nun zum letzten Punkt. Der religiöse Aspekt und die traditionelle Komponente.

Für die, die es nicht wissen zum mitschreiben:

Religion hat nichts mit Wissen, sie hat nur mit Glauben zu tun!

Also erspare man sich Argumente mit Hilfe Bibelzitaten, vor allem mit fraglichen.

Bringt man also Jesus in die Diskussion um die Beschneidung ein, dann ist ein Bezug auf das Thomas Evangelium (Logion 53) unnötig. Zumal dieses kaum jemand kennt. Jesus (bzw. das was wir von ihm zu wissen glauben) war ein beschnittener Jude und gesetzestreu. Wer es nicht glaubt:

„Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. (Matthäus 3.15) (Römer 3.31) (1. Johannes 2.7)  Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe. (Lukas 16.17) 

Wenn also das Gesetz besagt, dass alles Männliche am achten Tag nach der Geburt zu beschneiden sei (Genesis 17, 10-14), so beugte sich also Jesus dem Gesetz.

Ebenso falsch ist die Behauptung, im Islam sei die Beschneidung nicht vorgeschrieben. „Im Koran steht die Beschneidung nicht drin, sie wird aber von vielen Muslimen für ein Gebot gehalten“. Der Islam gehört zu den abrahamitischen Religionen, d.h. der Pakt zwischen Gott und Abraham (Ibrahim) hat auch für die Muslime „Gesetzeskraft“.

Ich löse mal den Knoten auf meine Art (nur für mich) auf.

Die Beschneidung im Kindesalter ist für mich falsch. Weil:

– Jeder unnötige operative Eingriff falsch ist.

– Die (irreversible/unumkehrbare) körperliche Kenntlichmachung der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder einem Volk falsch ist.

Wenn also Gar Nix einfach äußert „An Kindern schnippelt man nicht rum!“ – Dann ist das Richtig. Vor Allem ist es ausreichend.