Pirat im Stadtrat Leipzig

Das ist der Name meines neuen Blogs. In diesem werde ich über die Arbeit im Stadtrat Leipzig und in der Freibeuter Fraktion berichten. Hier geht es mit den allgemeinen Themen weiter, allerdings wird es größere Abstände zwischen den Artikeln geben. Zwei Blogs bespielen ist nicht einfach. Viel Spaß und Danke für die Treue meiner Leser. Den Bericht über sie erste (halbe) Woche findet ihr hier.

Nach der Wahl

Am 26.05.2019 wurde ich bei der Wahl zum Stadtrat in Leipzig mit 1808 Stimmen, dem höchsten Einzelergebnis eines Kandidaten der Piratenpartei in Leipzig bei dieser Wahl, in den Leipziger Stadtrat gewählt.

Die ersten Tage nach der Wahl

Freude über das Ergebnis? Persönlich ja – ich kann in meinem Wahlkreis nicht alles falsch gemacht haben, das Ergebnis ist natürlich in erster Linie ein Ergebnis aller Piraten in Leipzig. Als Pirat ist die Freude nicht so groß, weil das Gesamtergebnis nur für ein Mandat gereicht hat.

In den Tagen vom 27.5. bis 15.6. kam ich mir ein wenig vor wie das schönste Mädchen der Schule beim Schulball – ich wurde geradezu umworben von den Parteien im Stadtrat. Fast jede wollte, dass ich ihrer Fraktion beitrete. Ich habe mich dafür entschieden, gemeinsam mit den StadträtInnen der FDP, die Fraktion Freibeuter auch in der 7. Wahlperiode fortzusetzen.

Freibeuter-Fraktion

Erst gestern wurde ich gefragt wie ich, der die FDP oft kritisiert, mit den StadträtInnen dieser Partei in einer Fraktion arbeiten will. Ich habe das, etwas spaßig, so ausgedrückt:

Eine Fraktionsgründung ist keine Liebesheirat, sie ist eine Arbeitsbeziehung.“

Dazu stehe ich auch, Es gibt viele Anknüpfungspunkte in der Kommunalpolitik, es gibt aber auch Differenzen.

Die amtierende Stadträtin der Piraten, Ute Elisabeth Gabelmann – aka PiratenLily, hat in den letzten zwei Jahren gezeigt, dass die Zusammenarbeit in der Freibeuter-Fraktion ein Erfolgskonzept ist und das will ich fortsetzen. Ich trete also in die großen Fußspuren, die sie hinterlassen hat.

In der Pressemitteilung der Freibeuter-Fraktion, die leider nur gekürzt in der LVZ veröffentlicht wurde, lautete mein Statement:

„Die Freibeuter waren im alten Stadtrat ein Erfolgskonzept, ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Das gemeinsame Ziel ist Leipzig als eine lebendige. moderne und soziale Stadt für alle Menschen.“

Die drei Punkte betrachte ich als wichtig für meine Arbeit und ich denke auch die Fraktions-KollegInnen haben daran nichts auszusetzen.

Wie geht es weiter?

Ich werde mit allen Kräften die Piratenpartei im Stadtrat sichtbar machen – vertrete aber hier keine Partikular-Interessen, sondern die Interessen der BürgerInnen von Leipzig. In der Beziehung werde ich „geschlechtsneutral und farbenblind“ vorgehen und hoffe auf Unterstützung meiner Partei und natürlich aller BürgerInnen Leipzigs.

Über das neue Blog Pirat im Stadtrat Leipzig, welches sich noch im Aufbau befindet, werde ich, mit Beginn der 7. Wahlperiode im August, über die Stadtratsarbeit berichten und die von Lily vorgelebte Transparenz der Stadtratsarbeit fortsetzen.

Jetzt beginnt erst einmal die Lernphase, die ersten Anfragen und Bitten um Unterstützung sind bereits eingegangen. Ich muss um etwas Geduld bitten – erstens,weil ich noch nicht „im Amt“ bin und zweitens, weil ich erst einmal die Möglichkeit der Unterstützung, also die Zuständigkeit des Stadtrates für das Anliegen prüfen muss.

Zum Schluss danke ich noch einmal allen WählerInnen der Piratenpartei in Leipzig für ihr Vertrauen.

Piraten und Bildung

Das Thema „digitale Bildung“ scheint gerade in das Klein-klein des deutschen Bildungssystems abzugleiten. Es ist Zeit für einen piratigen Blick und Ausblick, meine ich.

Bildung und Ziele

Das Ziel der schulischen Bildung ist:

  • Der sozial kompatible und glückliche Mensch, der nebenbei etwas Allgemeinwissen erworben hat?
  • Der zukünftige Facharbeiter oder Akademiker mit hoher spezialisierter Fachkompetenz?
  • Der mit breiten Allgemeinwissen und hoher sozialer Kompetenz ausgestattete Mensch, der lebenslang lernfähig und wissbegierig nach Neuem bleibt?

Persönlich tendiere ich zur Nr. 3 – ich weiß natürlich nicht, wie LeserInnen entscheiden. Ich wollte die Auswahl, bei aller Komplexität der Frage, einfach halten. Dass nicht jede/r in dieser Auswahl die persönliche Antwort findet ist mir bewusst.

Bildung separiert

Wir haben uns glücklicherweise von der autoritären Schule verabschiedet, ihr wisst schon der mit Rohrstock, in der Ecke stehen und ähnlichem. Haben wir bereits die neue Schule erfunden? Ich meine: „Nein, wir haben ein Sammelsurium von pädagogischen Methoden zugelassen“ – mit dem großen Manko, dass nach wie vor Eltern nach ihren Vorlieben das „passende“ Modell für ihre Kinder aussuchen. Natürlich nur in Großstädten wo es das Angebot gibt, wenn es sie wirklich interessiert und sie sich damit beschäftigen. Kinder werden also von vornherein separiert – durch ihre Eltern. Ob nun nach religiösen, ideologischen oder sonstigen Gesichtspunkten, die Kinder bleiben im Dunstkreis ihrer Eltern verhaftet.

Bildung ist Ländersache

Hier liegt für mich das größte Problem. Die Menschen, in dem Falle Eltern und SchülerInnen sollen oder wollen, lebenslang mobil bleiben. Das bringt mit sich, dass ein Wohnortwechsel über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus für SchülerInnen den Wechsel in ein anderes Bildungssystem mit sich bringt. Bereits gelerntes ist wahlweise den neuen Anforderungen voraus oder nicht ausreichend, Themen werden anders behandelt und so weiter. Am Besten schult man sein Kind an einem Jesuiten-Gymnasium oder ähnlichen Lehreinrichtungen ein – die arbeiten Deutschland weit mit den gleichen Lehrplänen. Manko bei dieser Variante ist eine religiöse oder sonstige Orientierung und es gibt diese Einrichtungen nicht überall.

Bildung ist Sache der Schulen

Das Klein-klein geht aber noch weiter, Die Länder geben einen Rahmen-Lehrplan vor und es bleibt den Schulen überlassen, diesen umzusetzen. Wer also denkt, ein Umzug innerhalb eines Bundeslandes wäre problemlos – der irrt gewaltig. Der Wechsel innerhalb eines Schuljahres bedeutet unter Umständen, dass die aktuellen Schulbücher ausgetauscht werden müssen, da die neue Schule Bücher eines anderen Schulbuchverlags benutzt. Ja, es kann sogar der Weltatlas betroffen sein – scheinbar stimmen die Karten nicht überein. Auch innerhalb der einzelnen Schule kann es Differenzen zwischen Lehrern und Schule geben. Es kann passieren, dass der Lehrer Kopiergeld von den Eltern fordert, weil er das durch die Schule vorgegebene Schulbuch nicht verwenden will. Er kopiert lieber die entsprechenden Seiten aus einem anderen Buch. Dieses eigene Erlebnis soll nur zur Illustration dienen, ich will nicht generalisieren.

Bildung digital

Der so genannte Digitalpakt wäre nun eine Gelegenheit gewesen, wenigstens die neuen Bildungsinhalte und Lehrmittel bundesweit zu synchronisieren (das soll keine absolute Gleichschaltung bedeuten). Das Klein-klein geht aber weiter. Das Geld, wir reden hier von 5 Milliarden Euro, wird auf 40.000 Schulen verteilt.

Die Bildungsministerin äußert sich lt. MDR:

Der CDU-Politikerin zufolge stehen für die rund 40.000 Schulen in Deutschland rechnerisch je rund 120.000 Euro zur Verfügung. Das seien 500 Euro pro Schüler. Karliczek sprach von einer stolzen Summe, mit der sich einiges bewegen ließe.

Rechnerisch 120.000 Euro pro Schule sind das allerdings nur, wenn man die Elementarmathematik der Grundschule anwendet. Es bleibt die Frage, wie man das Geld wirklich aufteilt. 500 € pro SchülerIn ergibt auf die Schulen bezogen einen anderen Wert. Am Beispiel der Schulen in Leipzig (Zahlen von 2018) bekäme das große Reclam-Gymnasium mit 948 SchülerInnen 474.000€ und das kleine Goethe-Gymnasium mit 336 SchülerInnen 168.000€. Die kleinste Grundschule in Gundorf bekäme mit 83 SchülerInnen 41.500€.

Nach dem Ansatz: „Wir stellen pro Schüler eine Summe zur Verfügung“ mag das sinnvoll erscheinen, jedoch folgt die digitale Welt nicht strikt dieser Regel. Internetzugang, Vernetzung, Hard- und Software richten sich nicht allein nach der Schülerzahl, d.h. sie sie steigen oder fallen nicht proportional mit dieser. Im Falle von Softwarelizenzen ist eine höhere Nutzerzahl günstig für Preis pro Lizenz – was hier die kleinere Schule benachteiligt. Im Falle Vernetzung, egal ob LAN oder WLAN spielen bauliche Voraussetzungen eine große Rolle usw. Die Finanzierung der Lehrerfortbildung folgt auch nicht strikt der Schülerzahl. Beim Einkauf von Hardware spielen nach wie vor Mengenrabatte eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Es mag natürlich sein, dass die nachfolgend zitierte Aussage von Frau Karliczek einfach falsch ist.

Die Ministerin betonte, bei der Förderung gebe es eine klare Reihenfolge. Die Schulen müssten ein pädagogisches Konzept entwickeln und die Lehrer müssten entsprechend fortgebildet werden.

Der Digitalpakt gibt aber eindeutige Vorgaben für die Freigabe der Gelder vor. Dazu heißt es:

Die Länder entwickeln pädagogische Konzepte, kümmern sich um die Qualifizierung von Lehrkräften…

Davon ist in der Meldung keine Rede, hier wird das auf die Schulen übertragen. Was stimmt nun?

Was tun?

Wenn ich davon ausgehe, dass die Aussage der Bildungsministerin stimmt, dann entstehen grundlegende Probleme. Ich weiß, es ist schlechter Stil aber ich zitiere mich selbst. In „Es ist schön Pirat zu sein“ schrieb ich:

Die piratige oder auch Ingenieur-mäßige Herangehensweise wäre nun gewesen erst einmal zu klären was „digitale Bildung“ ist. Auf jeden Fall ist es nicht das Scannen einer Fibel von 1980 und deren Bereitstellung als PDF, wie es unter dem Primat des Ökonomen möglich ist. Zuerst eine Befragung von LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern – nicht von Bildungspolitikern. Dann die Hinzuziehung von Wissenschaftlern der entsprechenden Fachgebiete. Die technische Umsetzung, bevorzugt mit Open Source Software, als nächster Schritt. Erst dann steht die Frage der Finanzierung. Das wäre, meiner Meinung nach, die richtige Herangehensweise gewesen

Es ist, meines Erachtens nach, nicht zu spät das Thema erneut aufzunehmen. Das fängt mit der Hardware an. Eine Entscheidung PC, Laptop oder Tablet und über die Verwendung von Betriebssystemen und Programmen sollte gemeinsam von den Schulen und Schulträgern getroffen werden. Am wichtigsten ist aber die Frage des Aufbaus der digitalen Bildung von der Grundschule bis zum Gymnasium. Es darf nicht sein, dass erneut mit Wechsel auf eine weiterführende Schule oder an eine andere Schule das Gelernte obsolet wird.

Die Entscheidung muss aber schnell fallen, sonst ist es zu spät und das Klein-klein geht in die nächste Runde.

Dazu können wir Piraten unseren Beitrag leisten.

Dafür stehen wir zur Wahl.

P.S. Mir ist bewusst, dass Bildung zur Landespolitik gehört. Wenn aber Frau Karliczek die Verantwortung für die Digitalisierung wirklich auf die Schulträger und Schulen verlagert, dann sind die Stadt -und Gemeindeparlamente gefragt.