Symbole sind wichtiger als Inhalte?

Ich habe den Eindruck, dass meine Partei, ja es ist meine, gerade einen schweren Gang durchmacht. Sozusagen einen politischen Vereinnahmungsversuch.

Der Auslöser für diese Meinung sind mehrere Artikel in den letzten zwei Tagen und ein Tweet.

Die Artikel von @d1etpunk und @art1pirat möchte ich hier nennen und meinen Lesern ans Herz legen. Beide Artikel sprechen von Frust und Wut gegen diesen Versuch, jeder auf seine Art.

Den Tweet möchte ich nur beschreiben, ich denke er war nicht so gemeint obwohl ich ihn so verstanden habe. Es ging um den Umgang mit den Rechten. Nicht mit den Bürger- oder Menschenrechten, sondern die politisch auf der rechten Seite Stehenden. Meine Meinung ist: Man muss mit allen reden – ohne sich mit ihnen gemein zu machen! Der von mir verlinkte eigene Artikel beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Antwort war ein „Basta!“ und „#keinfussbreit ist nicht verhandelbar!“.

Ich komme mal kurz auf den Auslöser der Aufregung zurück. Es ging, wie Florian beschreibt um eine Fahne. Die Fahne der Antifa. Einige Teilnehmer des Bundesparteitages wollten mehrere Flaggen aufhängen, andere keine. Und schon ging wohl auf Twitter ein Shitstorm los.

Aber Florian schreibt auch, dass es keinen offiziellen Antrag an die Versammlung zu diesem Thema gab. Man könnte also darüber hinweg gehen. Wäre da nicht der Artikel von Andreas.

An dieser Stelle möchte ich mich absolut von den Rechten (Definition oben) und allen Spielarten des Extremismus distanzieren.

Der Grund ist meine Anhängerschaft zu Demokratie, Meinungs- und Redefreiheit. Ganz im Sinne des oft misshandelten, weil auf den ersten Satz verkürzten, Zitats von Rosa Luxemburg:

„Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der »Gerechtigkeit«, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird. [1]

Ich will ja nicht behaupten oder hoffen, dass ich einen Nazi oder einen Maoisten mit diesen Worten erreichen kann. Aber vielleicht kann ich einen erreichen der noch seinen Platz sucht. Denjenigen der sich durch die Extremisten beider Seiten abgestoßen fühlt. Der sich jedoch wahrscheinlich eher denen auf der rechten Seite anschließen wird. Warum wird er dies wohl tun? Weil ihre einfachen Antworten auf seine Fragen ihm schlüssiger erscheinen.

Und was tun wir nun mit unserem „firstworld problem“ um Symbole und Flaggen?

Am Besten gehen wir mal zur echten politischen Diskussion um wirkliche Probleme über. Zum Beispiel über die Demokratie, nicht die Demokratie der Schreihälse.

Ich bin vor Kurzem nach langer Zeit des Zögerns in die Piratenpartei eingetreten. Weil diese Partei eben Demokratie, Meinungs- und Redefreiheit vertritt. Ich möchte, dass das auch so bleibt.

Bevor sich nun einige auf mich stürzen (was ich befürchte) oder mich schlichtweg alle ignorieren (was ich erwarte aber nicht begrüße) noch eine Frage an euch alle.

Wenn ihr alle Piraten seid, seid ihr euch dann wenigstens beim Thema Überwachung einig?

Absurde Frage? Nein!

Wer heute Andersdenkende aus der politischen Diskussion ausschließt, der fordert morgen deren Überwachung!

[1] Rosa Luxemburg, Die russische Revolution. Eine kritische Würdigung, Berlin 1920 S. 109; Rosa Luxemburg – Gesammelte Werke Band 4, S. 359, Anmerkung 3 Dietz Verlag Berlin (Ost), 1983( zitiert nach wikiquote)

.

P.S. Ich begrüsse ausdrücklich das öffentliche Austragen von innerparteilichen Streitigkeiten. Es wäre mir lieber, wir würden uns nicht um Symbole, Flaggen und Meinungsführerschaft streiten.

P.P.S. Wer sich von dem Artikel angesprochen fühlt, der ist selbst schuld. Ich rede hoffentlich von einzelnen.

Obi-Wan Kenobi und Peter Tauber

haben wohl einiges gemeinsam. Zumindest wenn man Letzterem glauben mag. Macht nichts, ich glaube ihm einfach mal, dass er diesen Artikel wirklich so meint wie er ihn geschrieben hat. Deshalb schreibe ich diesen Artikel als Antwort an ihn.

Auf die Grundlagen des Dialogs oder besser Diskurses brauche ich nicht einzugehen. Ich stimme Ihnen zu, dass im Internet einiges im Argen liegt. Aber Sie sollten das ja besser kennen als ich. Der Troll ist einfach vergleichbar dem anonymen Zwischenrufer aus der Masse einer Versammlung heraus. Und da kommt der Widerspruch. Der Troll ist keine Gefahr – man kann ihn aber dazu stilisieren. Klar, manchmal trifft der Troll den richtigen Ton und die Masse nimmt ihn auf. Im Internet nennt man das Shitstorm, im realen Leben „shit happens“.

Der Widerspruch zu Meinungsführern und Mainstream ist meiner Meinung nach, sowohl im realen als auch im digitalen Leben, leider nicht ausgeprägt genug. Das sollte aber nicht davon abhalten ihn zu artikulieren. Ehrlich Herr Tauber, wie oft widersprechen Sie öffentlich den Meinungsführern Ihrer Partei? Haben Sie im realen Leben ebensolche Angst wie im digitalen vor einem Shitstorm?

Respekt vor der Meinung eines Anderen und seiner Person zeigt sich durchaus darin wie man mit ihm umgeht aber eben auch, dass man sich mit ihm und seiner Meinung überhaupt auseinandersetzt. Da kommt aber eine Herausforderung auf uns zu. Wenn man wie Sie behaupten (ich bestreite den Fakt nicht), dass Diskussionen im Internet meist destruktiv sind, dann sollte man doch mit der konstruktiven Diskussion beginnen. Nicht nur mit Widerspruch zum Destruktionismus.

Hier kommt nun der eigentliche Grund meines Artikels zum Vorschein. Der Tweet von @buschsalat mag ja zum Nachdenken anregen. Über Diskussionskultur und Nettiquette durchaus. Das ist aber kein Grund auf diesen Zug inhaltlich in Ihrer Form aufzuspringen.

Sie schreiben:

In unserem Alltag wird unsere Freiheit durch Trolle und böse Menschen im Netz weit mehr eingeschränkt, als durch die vermeintlichen Aktivitäten der Geheimdienste.

Das steht ja nun schon entgegen der Aussage in dem von Ihnen zitierten Tweet, dort ist von „gefühlt“ die Rede. Mag sein, dass es in einem öffentlichen Amt so scheint, aber ist es auch so.

Hier mal eine Frage an Sie. Die „vermeintlichen Aktivitäten der Geheimdienste“ stören Sie weniger? Wirklich?

Gehen wir mal davon aus, dass die Geheimdienste Daten über uns alle sammeln. Persönliche Daten aller Art auch die intimsten und privatesten. Diese Geheimdienste mögen Sie vielleicht nicht als Gefahr sehen aber was ist mit den Daten? Die NSA die diese Daten sammelt, nicht allein die NSA aber als Beispiel genügt sie, hat einen Edward Snowden hervorgebracht. Er hat uns nicht nur das Ausmaß der Überwachung aufgezeigt sondern auch wie unsicher die Datensammelei der Geheimdienste ist. Mit entsprechender krimineller Energie ausgestattet wäre er vielleicht zu einem der größten Erpresser der Geschichte geworden. Haben Sie Angst davor?

Oder stellen Sie sich den „Troll und bösen Menschen im Netz“ oder im realen Leben ausgestattet mit einem Zugang auf die gesammelten Daten der Geheimdienste vor. Ein Widerspruch gegen die Meinungsführer in Ihrer Partei, der dieser Troll vielleicht angehört, und es geht Ihnen wie meinem fiktiven Protagonisten.

Es ist ja nicht die Frage ob der Geheimdienst Ihnen oder mir etwas Böses will. Die Datensammelei an und für sich die dieser betreibt ist die Gefahr. So sehe ich das. Und die Datensammelei ist nicht „vermeintlich“, das werden Sie wohl selbst zugeben.

Sollten Sie jetzt allerdings sagen „Ich habe nichts zu verbergen!“, dann sind Sie entweder unehrlich gegen sich selbst, oder Sie sind unendlich langweilig. Das Letztere bezweifle ich aber.

Da Sie gern zitieren, schließe ich also auch mit einem Zitat. Wenn auch von Ovid in anderem Zusammenhang gebraucht erscheint mir „Principiis obsta“ passend zur Datensammelwut der Geheimdienste.

Wehret den Anfängen“

Auch wenn die Anfänge schon Geschichte sind.

P.S. Wenn ich oben schreibe „Im Netz oder im realen Leben“, so ist dies ein Eingehen auf weitverbreitete Meinungen. Für mich ist das Netz ein Teil meines realen Lebens.

Aktivismus und Journalismus, geht das?

Die in der ZEIT aufgeworfene Frage lässt sich wohl an einem Beispiel von gestern leicht beantworten. Allerdings nicht aus der ZEIT sondern aus der WELT. Der „Chef-Journalist“ Günther Lachmann, wobei ich Chef nicht bestreite, schreibt über den Parteitag der Piratenpartei.

Bereits der Einstieg ist aktivistisch.

…Partei, die bei der Bundestagswahl scheiterte.*

Also eine allgemeine Beschreibung aller Parteien die nicht im Parlament vertreten sind. Sollte man meinen, wenn da nicht gleich in einem der ersten Sätze die Kampfrhetorik ganz aktivistisch zuschlagen würde.

Es könnte das letzte Aufbäumen einer Partei sein, die schon bei der Bundestagswahl im vergangenen September vernichtend geschlagen schien.*

„Letztes Aufbäumen“ und „vernichtend geschlagen“ welch schöne Ausdrücke. Besonders wenn man sie im Zusammenhang mit dem Schlussabsatz sieht.

Dort zitiert er Peter Schaar:

Es reiche nicht aus, wenn die Piraten nur die richtigen Fragen stellten, … Sie müssten auch überzeugende Antworten geben. „Davon aber sind sie derzeit weit entfernt“*

Das stimmt schon, aber auch Peter Schaar meint mit überzeugenden Antworten wohl nicht unbedingt einfache Antworten.

Das folgende Zitat von Wolfgang Merkel, Direktor des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, hat ihm wohl noch besser gepasst:

…die Frage, ob die Piraten noch gebraucht würden, „wurde bei der vergangenen Bundestagswahl von 97,8 Prozent der Wähler mit Nein beantwortet“. Merkel wörtlich: „Ich schließe mich diesem überwältigenden Votum an.“*

Ehrlich, eine private Meinung eines Direktors eines Instituts interessiert mich wenig. Zumal wenn ich bedenke, dass die Große Koalition bestehend aus CDU/CSU die von 58,5 % der Wähler und SPD die von 74,3 % der Wähler nicht gewollt sind, uns regiert.**

Politischer Aktivismus eines Glenn Greenwald ist mir da weitaus lieber.

piraten-antworten

Ich hab meinen „Wahlkampfslogan“ nicht bearbeitet, der gilt auch für die Europawahl.

* Quelle:  der oben verlinkte Artikel WELT 04.01.2013

** Quelle der Zahlen: Endgültiges amtliches Ergebnis der Bundestagswahl 2013