Diener oder Dienstleister?

Die Frage stellt sich nicht nur mir als Mitarbeiter im Callcenter, sie stellt sich auch vielen anderen Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche. Gemeint ist natürlich nicht, wie wir uns selbst sehen, sondern unsere Stellung aus Kundensicht und aus Sicht der Auftraggeber.

Wahrscheinlich habe ich etwas falsch verstanden, als die Politiker begannen von der Dienstleistungsgesellschaft zu reden. Nach meinem Verständnis sollte, im Zusammenhang mit dem Rückgang der Arbeitskräftezahlen in der Produktion und der Steigerung derselben im Dienstleistungssektor, der soziale Status der Dienstleister angehoben werden. Der Dienstleister sollte einen vollwertigen Beruf haben und ausüben, meinte ich. Was war ich doch für ein Dummerchen.

Es gibt verschiedene Dienstleister

Ich unterscheide hier natürlich zwischen Menschen die den gleichen Job in einem Dienstleistungsunternehmen oder bei dem Auftraggeber eines solchen Unternehmens machen. Es geht mir um die ersteren, diese sind Diener zweier Herren. Aus Kundensicht sind sie der inkompetente Teil der Beschäftigten im Service eines Unternehmens und aus der Sicht der Auftraggeber sind sie austauschbar, samt des Dienstleistungsunternehmens, in dem sie arbeiten. Selbst die Dienstleistungsgewerkschaften nehmen sie nicht immer ernst.

Was ist mit den Gewerkschaften?

Für die Gewerkschaften besteht da natürlich eine Herausforderung: Für viele outgesourcte Dienstleister besteht ja eine Tarifbindung nach einem Rahmentarifvertrag einer Branche. Für diese kämpfen die Gewerkschaften automatisch mit, auch wenn die Mitarbeiter von kleinen Dienstleistungsbetrieben meist keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Beispiel dafür ist der „Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe“, der durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Warum kein Tarifvertrag?

ceterum-callcenterEs gibt aber Branchen, hier komme ich zum Callcenter zurück, für die das nicht gilt. Callcenter-MitarbeiterInnen bei der Telekom unterliegen der Tarifbindung für die Telekom; die bei der Bahn, Post, Versicherungen und anderen denen ihres Arbeitgebers und so weiter. Ist aber erst einmal outgesourct zu einem externen Dienstleister, dann gibt es keine Tarifbindung – es gibt nur die Bindung an den Mindestlohn. Das ist natürlich von den Auftraggebern, die diese Dienstleistungen outsourcen, so gewollt. Die Kosten sollen sinken – ein durchaus verständliches Begehren. Andererseits sollen diese Dienstleister aber Spezialisten sein, im Falle der Callcenter mindestens Kommunikationsspezialisten, in Wirklichkeit aber Allrounder. Das ist ein Widerspruch in sich, zumindest gilt das für die übliche Form des Outsourcing.

Outsourcing und die Folgen

Diese Form beruht auf dem Prinzip des niedrigsten Preises bei höchster Qualität des externen Dienstleisters und ist nur möglich, wenn es keine tarifvertraglichen Bindungen für die Branche gibt – so einfach. Es herrscht dadurch ein, als ruinös zu bezeichnender Wettbewerb in der Branche, der natürlich auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Die einzigen Regelungen, die für alle Teilnehmer dieses Wettbewerbs gelten, sind der Mindestlohn, die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und andere gesetzliche Bestimmungen. Urlaub, Sonn- und Feiertagszuschläge, leistungsabhängige Lohn- oder Gehaltsbestandteile, Vergütung von Überstundenarbeit und ähnliches müssen die Betriebsräte, so sie vorhanden sind, mit den Unternehmen aushandeln. Die Betriebsräte stehen, hier spreche ich aus Erfahrung, immer zwischen den Interessen der Beschäftigten und denen des Unternehmens, denen sie beiden verpflichtet sind.

Stellung der Betriebsräte

Dieser Zustand hebt die Bedeutung der Betriebsräte, wenn es welche gibt, aber er begrenzt auch ihre Wirksamkeit. Als Betriebsrat muss ich immer das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes sehen. Da aber die Rahmenbedingungen in der Branche nicht durch einen Tarifvertrag festgelegt sind, muss ich Kompromisse im Rahmen eines geringen Spielraumes machen. Wenn ein Auftraggeber die Spielregeln ändert, was er nur kann, weil die Spielregeln offen sind, dann muss das Unternehmen mitziehen – sonst verliert es den Kunden an einen Wettbewerber. An einen der eventuell noch mehr Druck auf seine Beschäftigten ausübt. Dem Betriebsrat bleibt nichts übrig, als das Beste aus dieser Situation zu machen und die geringst möglichen Einschnitte für die Beschäftigten herauszuholen. Das ist unbefriedigend für alle Seiten.

Wir müssen die Spielregeln festlegen

Meiner Meinung nach muss ein Tarifvertrag für die Callcenter-Branche geschlossen werden. Hinderlich dabei ist, dass es keinen Arbeitgeberverband als Tarifpartner der Gewerkschaften gibt. Der Call-Center-Verband (CCV) ist kein solcher, er ist ein Interessenverband der Branche und somit nicht zum Abschluss eines Tarifvertrages berechtigt.

Ein Tarifvertrag wäre nicht nur für die Beschäftigten von Vorteil, er würde außerdem den ruinösen Wettbewerb, wenn auch nicht beenden, so aber wenigstens einige Verwerfungen glätten, was den Unternehmern zugute käme. Der Spielraum für Forderungen der Auftraggeber wäre mangels Konkurrenten, die z.B. weniger Zuschläge zahlen oder weniger Urlaub gewähren, geringer. Ich sehe ganz pragmatisch, dass es immer noch Differenzen zwischen den Modalitäten der Beschäftigten beim Auftraggeber und beim externen Dienstleister geben wird, aber diese wären nicht mehr so extrem. Ein wünschenswerter Effekt wäre, meines Erachtens nach, dass der soziale Status der Beschäftigten und der Ruf der Branche verbessert würde. Dies wiederum kann dazu führen, dass die Mitarbeitergewinnung – ich meine hier motivierte und gut ausgebildete MitarbeiterInnen – erleichtert wird.

Das Callcenter könnte endlich aus der unverdienten Schmuddelecke herauskommen.

Was ist mit den Kunden?

Die in Deutschland verbreitete Auffassung, dass Dienstleister nicht etwa „Dienste leisten“ sondern „Diener“ sind, kann so schnell wohl nicht beseitigt werden. Die oben beschriebene Verbesserung für die Beschäftigten wird aber zu Qualitätssteigerungen führen und somit zu höherer Kundenzufriedenheit.

Wenn dann noch die Beschäftigten selbstbewusst sagen können „Ich arbeite im Callcenter“, wird auch das Ansehen des Berufes steigen.

P.S. Wie immer drückt dieser Artikel meine Meinung aus, Fehler in der Betrachtung gehen also auf mich zurück. Ich habe mich hier, nach der Einleitung, auf das Callcenter konzentriert – andere Dienstleistungsbranchen haben ähnliche Probleme die ich aber mangels genauer Kenntnis der Branchen nicht behandeln kann.

Ich nenne es Fremdenfeindlichkeit

weil Rassismus mir für die Propaganda der AfD zu kurz greift.

Der Fremde und das Fremde

Im Deutschen hat „fremd“ mehrere Bedeutungen. Da ist zum einen „der Fremde“, also der nicht zugehörige Mensch der von außerhalb kommt. Es gibt aber auch noch dieses „das ist mir fremd“ im Sinne von „es entspricht nicht meiner Lebensart“. Das gilt auch für Einheimische die anders sind.

Für beide gilt aber:

„Das Wesen eines Fremden besteht darin, und das ist tautologisch genug, dass er unbekannt ist. Potentiell mag er alles mögliche bleiben: mutig und wertlos, von guter Abstammung, mit guten Beziehungen, reich oder das Gegenteil davon, da aber seine Selbstvorstellung nicht überprüft werden kann, ist ihm vor allem nicht zu trauen“*

Es ist dem Fremden nicht zu trauen, das kennen wir doch noch, zumindest meine Generation. Die Tautologie, also Allgemeingültigkeit, die Rivers hier herstellt ist „fremd = unbekannt“. Fremd und unbekannt waren der Langhaarige, die Punker, die Gruftis, die Homosexuellen und weitere Menschen die nicht der Norm entsprachen. Bis heute sind es die Migranten die fremd sind und denen somit, nach dieser Aussage, nicht zu trauen ist.

Durch die Akzeptanz der erstgenannten „Fremden“ durch den größten Teil der Gesellschaft ist diese aber erst bunt geworden, gerade die ehemaligen Bürger der DDR müssten das bemerkt haben. Die 68er aus der alten Bundesrepublik kennen das auch gut. Aus Einheitsgrau wurde bunt, auch wenn einigen das nicht gefällt.

Es wurde natürlich auch komplizierter, weil ein einheitliches Bild der Gesellschaft zerstört wurde. Aber wer will schon zum Einheitsbrei zurück?

Zurück zum Einheitsgrau?

Es scheint mir, dass 12% der wahlberechtigten Deutschen, wenn man die INSA-Umfrage zugrunde legt, wieder dorthin wollen. Was mich am meisten verwundert ist, dass sich darunter auch einige der o.g. (bunten) Fremden befinden. Zumindest ist das in meinem Bekanntenkreis so.

Ich will an dieser Stelle die Wahlprogramme der AfD nicht ausführlich untersuchen, das haben Kattascha und Denise schon gemacht.

Ein Zitat aus dem Wahlprogramm der AfD für Sachsen-Anhalt möchte ich aber anbringen. Beim Programmpunkt Bildung kann man lesen:

„Neben grundlegenden Kulturtechniken müssen deshalb ebenso die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden.“ (Pkt. 2.3.2.)

Es waren aber Sparsamkeit, Ordnung, Fleiß und Bescheidenheit die traditionellen preußischen Tugenden, später kamen Drill, Gehorsam und Disziplin dazu. Nicht zu vergessen sei die dem Preußentum eigene Gottesfürchtigkeit und die Obrigkeitshörigkeit. Letztere versteckt sich unter der Disziplin, dem Gehorsam und dem Pflichtbewusstsein.

Da wird kein Platz mehr sein für eine „bunte Republik“, es wird wieder grau.

Warum versteht sich die AfD so gut mit Putin & Co.? Weil auch dort schon das einheitliche Grau(en) wieder hergestellt wird. Repressionen gegen Homosexuelle, gegen Künstler und andere „bunte Vögel“ sind an der Tagesordnung – im Sinne der (preußischen) Staatsräson. Der so geschaffene und kommunizierte Feind im Inneren ist geschichtlich gesehen ein bewährtes Instrument jeder Diktatur. Besonders perfide ist die quasi Rückkehr zur Begründung „Schädigung des Volkskörpers“, indem das Fremde Einzug in Familien- und Bildungspolitik hält.

Bürgerarbeit oder Arbeitsdienst?

Zum Abschluss noch eine Forderung der AfD Hamburg, hier gestellt von Jens Eckleben. Dieser war früher in der Partei „Die Freiheit“ die vom bayrischen Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wurde.

„Die AfD Hamburg setzt sich für ein Pilotprojekt „Bürgerarbeit statt Hartz IV“ ein. Unter Bürgerarbeit ist die Ausübung gemeinnütziger Arbeit durch Langzeitarbeitslose zu verstehen, die nicht in Konkurrenz zum Arbeitsmarkt steht. [..] Den Langzeitarbeitslosen wird die Ausübung sinnvoller Tätigkeiten eröffnet und die Gesellschaft enthält einen Gegenwert für die Unterstützungsleistungen. […] Bürgerarbeit kann für viele der Betroffenen einen Ausweg bieten.“

In Sachsen-Anhalt fordert die AfD das für Arbeitslose ohne Deutschen Pass.

Eine Erklärung sei mir gestattet: „Nicht in Konkurrenz zum Arbeitsmarkt“ bedeutet, dass durch diese Maßnahme auch keine Perspektive an diesem geschaffen wird. Die so genannte Bürgerarbeit ist kein Ausweg.

Fazit:

Wenn ihr AfD wählt, dann wählt ihr die preußischen Tugenden – da müsst ihr dann die Bürgerarbeit in Kauf nehmen. So im Sinne von Disziplin, Pflichtbewusstsein und Staatsräson.

Oder ihr überlegtes euch nochmal.

P.S. Die klassischen preußischen Tugenden, besonders Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn und Ehrlichkeit, sollen natürlich nicht für die führenden Kader der AfD gelten, zumindest nicht unbedingt. Sonst würde sich der Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt wohl nicht vor der Justiz verstecken.

*Pitt-Rivers, Julian (1977/1992): Das Gastrecht, in: Almut Loycke (Hrsg.): Der Gast der bleibt: Dimensionen von Georg Simmels Analyse des Fremdseins. Frankfurt a. M./New York: Campus, S. 17–41.

rivers2

(m)ausgerutscht

Nach der Begründung sie sei mit der Maus beim twittern ausgerutscht ist Beatrix von Storch sozusagen die Namensgeberin diese Artikels. Das hat nichts mit Sympathie für die Dame oder die AfD zu tun – es bietet sich nur an wenn ich über vermeintliche verbale Ausrutscher von Politikern schreibe.

Peter Tauber,

drecksnaziseines Zeichens Generalsekretär der CDU, ist nicht (m)ausgerutscht als er diesen Tweet absetzte:

Da beschweren sich doch ständig Menschen in sozialen Netzwerken über diesen Politikersprech den man nicht verstehen kann. Aber wenn sich ein Politiker verständlich äußert, dann ziehen sie über ihn her.

drecksnazi1Zur Erklärung sei gesagt, Dieser Dialog gehört unter einen Ausgangstweet von Peter Tauber zum Zugunglück in Bad Aibling. Allerdings wird Taubers Reaktion erst richtig verständlich wenn man das Profil des Gesprächspartners anschaut.

Also, man muss das Kind auch mal beim Namen nennen dürfen. Oder wie besorgte Bürger sagen „Das muss man doch mal sagen dürfen.

Horst Seehofer

konnte nicht mit der Maus ausrutschen, schließlich war es ein Interview der „Passauer Neuen Presse“ in dem er von einer „Herrschaft des Unrechts“ sprach und die Regierungspolitik der Großen Koalition, der die von ihm geführte Partei angehört, meinte. Problem ist „er meinte“ etwas und sagte etwas anderes, zumindest wurde er so verstanden. Verstanden wurde, dass er die Regierung mit „Herrschaft“ meinte, was ja auch verständlich ist da sich die angedrohte Klage gegen die Bundesregierung richten soll.

Meiner Meinung nach kein (m)Ausrutscher sondern eine kalkulierte Provokation. Es stellt sich mir allerdings eine Frage:

Wenn der Vorsitzende einer Regierungspartei so argumentiert, was erwartet er dann vom politischen Gegner?

Beatrix von Storch,

vonstorchwie oben schon gesagt der unfreiwilligen Namensgeberin des Artikels, war bei diesem Tweet angeblich die Maus ausgerutscht:

Ja, sie hat den Fehler beim politischen Aschermittwoch der AfD in Baden-Württemberg eingestanden und betonte sie träte für „eine Kultur des Lebens“ ein. Nur was war der Fehler? War es die Äußerung selbst oder war es das öffentlich machen ihrer Meinung. Egal was es war – sie hat ein Ziel erreicht:

Die verbale Aufrüstung in der öffentlichen Diskussion hat eine neue Dimension erreicht.

Das führt dann zu Äußerungen auf die Peter Tauber mit „Drecksnazi“ antwortet.