Der Mob tobt im Neuland

lynchmobNein, es geht mir nicht um den Prozess gegen Sebastian Edathy, auch wenn es den Anschein hat.

Es geht um euch, liebe Teilnehmer in den (a)sozialen Netzwerken.

Zuerst der schlimmste Wunsch für euch der mir einfällt:

Mögen eure Forderungen nach Verschärfungen im Rechtssystem in Erfüllung gehen!

Ich bin dann allerdings weg.

Es ist erschreckend was ihr hier veranstaltet, von „Schwanz ab“ bis „Todesstrafe für Kinderschänder“ tauchen alle Forderungen des wütenden Mob wieder auf.

Besonders erschreckend ist es, dass ihr wahllos und ohne nachzudenken Tweets und facebook Artikel teilt, liked, favt und retweetet. Hauptsache ist es wird eine Höchststrafe – diese so brutal wie möglich – gefordert.

Wer da geschrieben hat ist völlig egal.

Vielleicht war es der besoffene Vater der sein Kind bei 0° C in Sommerkleidung ohne Frühstück in die Schule schickt und nun die Sau rauslässt – weil er jemanden noch beschissener als sich selbst findet?

Oder der Typ der seine Frau geprügelt hat?

Egal – so ist Volkes Stimme.

Und einige von den Leuten die da teilen und liken kenne ich, das erschreckt mich immer wieder.

Aber zurück zu meinem Wunsch an euch.

Wenn es Volksabstimmungen über Gesetze gäbe, dann hätten wir wohl bald das Mittelalter zurück. Ihr stellt Forderungen nach Todesstrafe und Verstümmelung, das Recht auf Lynchjustiz, Prügelstrafe – wären euch vielleicht auch Verbrennungen von Hexen genehm?

Ein Gutes hätte das, der oben beschriebene Vater käme an den Pranger – sein Kind allerdings ins Waisenhaus.

Der Typ der seine Frau prügelt würde auf dem Markt ausgepeitscht.

Allerdings gäbe es kleine Schönheitsfehler, die wären aber nicht so schlimm.

  • Du hast Schulden und kannst nicht zahlen – ab in den Schuldturm und 100 Peitschenhiebe.
  • Jemand behauptet, dass Du geklaut hast – Hand ab.
  • Die Nachbarn sagen, dass Du ein Kind unsittlich angesehen hast – dann prügeln sie Dich halt tot.

Das müsst ihr in Kauf nehmen, sind ja nur Kleinigkeiten.

Mir ist es egal, ich bin dann weg, aber tut euch selbst den Gefallen und denkt mal nach bevor ihr euch an diesem Schwachsinn beteiligt.

Unser Rechtssystem ist mangelhaft – aber weitaus besser als das was ihr fordert.

P.S. Und wenn ihr Petitionen online stellt, dann formuliert sie ordentlich. Danke

P.P.S. Wenn ihr solche Forderungen habt, dann unterschreibt bitte keine Petitionen gegen Unrecht durch die Scharia. Genau das was dort geschieht wollt ihr doch! Ihr wollt es sogar schärfer.

Bildquelle: http://blackathlete.net/2012/09/journalistic-lynch-mob-rides-mike-vick-cam-newton/

Der Schwarze Peter und die Wahlbeteiligung

Peter Tauber, lt. seinem Blog der „Schwarze Peter“ und im richtigen Leben Generalsekretär der CDU, ist schon einer der Guten unter den Politikern – was die Nutzung des Internets betrifft. Er bloggt und ist in den verschiedenen Netzwerken wie Facebook und Twitter unterwegs. Wichtiger noch – er reagiert sogar auf Fragen und Kommentare, wie ich hoffe auch wirklich persönlich.

In seinem Blog hat er mit einem Kollegen Vorschläge zur Erhöhung der Wahlbeteiligung erarbeitet:

  • 1. Einführung eines Verfassungstages an den Schulen
  • 2. Erleichterung der Wahl für Auslandsdeutsche und
  • 3. Öffnungszeiten für Wahllokale sollen verlängert und die Briefwahl erleichtert werden.

Diese Vorschläge sind mir nun einfach nicht ausreichend, vielleicht auch nicht genügend durchdacht.

Tauber VerfassungstagDer 23. Mai soll Verfassungstag werden und an diesem soll in Schulen und anderen Institutionen ein Aktionstag durchgeführt werden. Dazu Peter Tauber im Blog:

„Jungen Menschen wird im Dialog aufgezeigt, wie man als Bürger aktiv an den politischen Prozessen mitwirken kann. Dazu sollen Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete, aber auch Bürgermeister, Landräte, kommunale Mandatsträger, Zeitzeugen, Journalisten usw. in den Schulen und anderen Institutionen das Gespräch suchen.“

Hierauf bezieht sich meine auf Twitter gestellte Frage, ob das nicht eine Bankrotterklärung der politischen Bildung an den Schulen wäre und die von Peter Tauber gegebene Antwort.

Was wird eigentlich an den Schulen als politische Bildung bezeichnet, wenn Demokratie und die Teilnahme an dieser nicht die Hauptinhalte sind? Wenn die Aussage von Peter Tauber „Gender und Fairtrade“ stimmt, dann haben wir ein Problem. Ich habe selbst einen Gymnasiasten in der Familie und kann mit Fug und Recht sagen: Das stimmt nicht – es ist sogar noch schlimmer. Politik in der praktischen Anwendung – die aktive Beteiligung an politischen Prozessen – spielt gar keine Rolle.

Wer kann das ändern? Hier stellt uns das föderale Bildungssystem mit der unsäglichen Kultusminister-Konferenz (KMK) immer wieder nicht nur ein Bein. Kurz gesagt, es fehlt der politische Wille der gewählten Volksvertreter. Da ändert auch ein Verfassungstag nichts.

Die Auslandsdeutschen, über die Definition und die Wahlberechtigung lässt sich trefflich streiten, spielen für die CDU/CSU wahrscheinlich eine größere Rolle als für die anderen, besonders die linken, Parteien. Aber ehrlich gesagt bin ich der Meinung, dass die Hürden an Wahlen in Deutschland teilzunehmen für diese nicht unüberwindbar sind. Denkt man an die letzten Wahlen in Griechenland, als für die im Ausland lebenden Griechen keine Beteiligung möglich war und eine erhebliche Anzahl nach Griechenland reiste um teilzunehmen, dann sind die Auslandsdeutschen geradezu privilegiert.

Mein Vorschlag wäre hier: Erleichtern, besser gewähren, wir doch lieber den Menschen die hier leben, hier ihren Lebensmittelpunkt haben und direkt von den Entscheidungen der Gewählten betroffen sind die Teilnahme an den Wahlen – auch wenn sie keinen Deutschen Pass haben. Das wird aber wohl nicht die Zustimmung der CDU finden.

Längere Öffnungszeiten der Wahllokale und Erleichterung der Briefwahl werden wenn überhaupt nur Veränderungen im Promillebereich bringen. Ich möchte die Leser nicht langweilen, aber aus der Erfahrung an meiner Arbeitsstelle kann ich sagen, dass wenn ich für den Wahltag die Schicht tauschen will ich immer einen Tauschpartner finde weil dieser nicht die Absicht hat zur Wahl zu gehen.

Mein Fazit:

Die politische Bildung, nicht nur an Schulen, muss sich mehr mit der Beteiligung an demokratischen Prozessen befassen.

Eine Reform des Wahlrechts ist dringend erforderlich, Grundlage sollte der Lebensmittelpunkt – nicht die Abstammung sein.

Kurz gesagt:

Es muss alles dafür getan werden, dass es für Wahlberechtigte ein Bedürfnis wird an den Wahlen teilzunehmen. Vorallem dafür, dass sie einen Sinn in der Teilnahme erkennen.

P.S. Wahlprogramme die für Wähler verständliche Aussagen enthalten und in reale Politik umgesetzt werden, sowie Kandidaten die auch nach gewonnenen Wahlen für ihre Wähler da sind, wären natürlich auch hilfreich. Aber man kann ja nicht zuviel erwarten.

30. Januar – demokratisch zur Diktatur?

Ich will mich hier bewusst nicht in die Reihen der ‚Alles Nazi‘-Rufer einreihen, aber trotz alledem möchte ich daran erinnern, dass der 30. Januar der Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP ist.

Warum erscheint mir das im Zusammenhang mit der heutigen Legida-Demonstration wichtig zu sein?

Auf dem Podest der Legida stehen wieder „charismatische (An)Führer“, die des Volkes Meinung beschwören und eine Massenbewegung organisieren wollen. Diese Massenbewegung richtet sich wahlweise gegen „politically correctness“, Gender Mainstreaming, Gutmenschen, Altersarmut, System- oder Lügenpresse, gegen die Parteien und Politiker, die das Recht einseitig auslegen usw, erst ganz am Ende gegen die Islamisierung Deutschlands. Jeder kann etwas Zutreffendes für sich finden.

Viele der Sympathisanten mögen sich aus dem einen oder anderen nachvollziehbaren Grund der Demonstration anschließen, aber wollen die alle wirklich das Gesamtpaket und wie stehen sie zu den Menschen auf der Tribüne?

Wenn ich oben von „charismatischen (An)Führern“ sprach, so meine ich diejenigen, die die für fast alle Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums annehmbaren Punkte aus dem Programm der Legida rhetorisch gut vortragen.

Aber was würde geschehen, wenn diese Charismatiker an die Macht kämen?

Redner die sich gern als „Einer aus dem Volk“ darstellen, sollte man nach den vorher gemachten Aussagen und nach ihren Taten bewerten. Bei einigen der Legida-Redner kann man dabei auf Sympathie für diktatorische Systeme, erzkonservative Aussagen zur Familienpolitik, ein überholtes Bild der Geschlechterrollen, Homophobie, Nationalismus, Rassismus und ähnliches stoßen. Bei anderen bestand die Deutsche Leitkultur bis zum Legida-Start aus ihrem fanatisch vertretenen Fußballverein. Was ist also von ihnen zu erwarten, wenn sie an die Macht kommen?

Hier ziehe ich den Vergleich zum 30. Januar 1933.

Im Vorfeld der Machtergreifung wurde die NSDAP demokratisch gewählt. Die vorherigen Aussagen und Schriften ihrer Anführer hätten darauf hinweisen können, dass sie keine demokratische Gesellschaft wollten.

Damals war der Zugriff auf die älteren Meinungsäußerungen der (An)Führer technisch schwer möglich. Diese Ausrede gibt es heute nicht, wer sich informieren will kann es auch tun. Wer es nicht tut, der demonstriert sehenden Auges gegen die Demokratie.

Wenn solch charismatische (An)Führer an die Macht kommen, dann endet die freie Meinungsäußerung des Volkes – obwohl sie diese vorher propagieren.

Die Parallele bietet sich geradezu an.

Erst eine Massenbewegung gegen wirkliche und/oder konstruierte Missstände und ihre wahren und/oder konstruierten Ursachen in Gang bringen, dann mittels demokratischer Wahlen die Regierung übernehmen.Bevor sich die Enttäuschung des Volkes über die gebrochenen Versprechen demokratisch äußern kann, wird dieses Volk per „Ermächtigung“ zum Schweigen gebracht.

Unsere jetzige parlamentarische Demokratie mag nicht perfekt sein – sie ist aber besser als eine demokratisch errungene Diktatur.

Deshalb:

Wichtiger als das wogegen Du zu einer Demo gehst ist es, wem Du hinterherläufst.

P.S. Es könnten viele Beispiele genannt werden. Ich betone an dieser Stelle, dass der Text auf charismatische (An)Führer aller Ideologien anwendbar sind. Bezüge zu den Montagsdemonstrationen von 1989 verbieten sich geradezu, es gab keine vergleichbaren Anführer – nur eine allgemeine Ablehnung des Systems.