Josef A. Köhler 8

Ich mache, nach längerer Zeit mit der Geschichte von Josef A. Köhler weiter. Der letzte Eintrag beschäftigte sich mit der Untersuchungshaft nach der Festnahme am 07. Juni 1951.

In einem Fragment seiner Lebenserinnerungen schreibt er:

Einundvierzig Tagen Einzelhaft, bei sich täglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.

Auch das FSB (Nachfolger des KGB) bestätigt diese Aussage

Köhler wurde über das Gefängnis Nr. 1 in Brest von Deutschland aus in das Lager Ustwymlag [USTWYMITL] in der Autonomen Sowjetrepublik Komi überstellt, wo er bis zum Dezember 1953 interniert war.

und Josef A. Köhler schreibt dies auch 1988 in seinem Brief an Andrej Gromyko. Allerdings ist in den mir vorliegenden Unterlagen keine Lagernummer angegeben. Der Lagerkomplex umfasste über 40 Lager.

Es gibt aber durchaus Unklarheiten, was den Lageraufenthalt betrifft.

Frau

In einem alten Fotoalbum fanden sich zwei Bilder von jungen russischen Frauen mit Widmungen auf der Rückseite. Die eine ist nicht mehr lesbar, die andere (teilweise lesbare) lautet:

… meine traurigen Augen sind zu dir gerichtet […] zur Erinnerung. Seni […]  Stadt Taganrog  […] S. Masterow [evt. Straßenname] Taja  [wahrscheinlich für Taisia]

Taja

Datiert ist diese am 08.03.1952, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich bei der Ortsbezeichnung um den Ort der Widmung, oder um den Heimatort der Frau handelt. „Seni“ (Сени) ist nicht eindeutig lesbar, es kann ebenso „Sepi“ (Сепи) heißen, das wäre eventuell die Koseform von „Sepp“ (Josef).

Damit hören aber die Unklarheiten nicht auf.

Widmung

In Dokumenten des MfS der DDR taucht die Behauptung einiger IM auf, dass Josef A. Köhler in dieser Zeit beim Justizministerium der UdSSR arbeitete. Er wäre dort in einer Arbeitsgruppe gewesen, die sich mit der Repatriierung von Nazi- und Kriegsverbrechern beschäftigte. Die Quellen für diese Behauptungen sind allerdings nicht eindeutig.

Sicher ist aber, dass Josef A. Köhler im Mai oder Juni 1953 im Lager Kwardeisk (Tapiau) auftauchte. In diesem Lager wurden die Heimkehrer aus den Kriegs- und Strafgefangenenlagern, vor ihrer Heimkehr, gesammelt.

Nach Aussage von Zeitzeugen war er dort Lagerleiter bzw. Kulturbeauftragter. Er selbst sprach immer von der Kulturarbeit, die er dort gemacht hatte.

Josef A. Köhler wurde am 27.12.1953 den Behörden der DDR übergeben und am 28.12.1953 aus dem Lager Fürstenwalde/Spree nach Leipzig entlassen.

Ausführlicher im Blog Versuch einer Biographie nachzulesen.

Leipzig – Franz Dominic Grassi

Ein Beispiel für den Bürgersinn und den Einfluss Leipziger Bürger für die Entwicklung der Stadt Leipzig.

Am 14. November 1880 verstarb in Leipzig der Kaufmann Franz Dominic Grassi. Wenige Stunden, nachdem er mit

seltener Feierlichkeit auf dem alten Johannisfriedhof im Familienbegräbnis beigesetzt

worden war, ließ Leipzigs Oberbürgermeister Otto Georgi die Stadträte auf das Rathaus bestellen. Er teilte ihnen mit,

dass Herr Grassi die Stadt zur Universalerbin eingesetzt habe. Es seien zwar Legate im Betrag von 1.150.000 Mark im Testament ausgesetzt, den übrigen Nachlass solle aber die Stadt erhalten. Der Umfang des Vermögens lasse sich noch nicht genau übersehen, es werde wahrscheinlich ein Betrag von gegen 1.150.000 Mark sein.

Zehn Tage später hatte man sich Klarheit verschafft: Das Grassische Vermögen umfasste gegen 3,3 Millionen Mark, davon fielen 2,3 Millionen Mark an die Stadt. Bereits eine Woche nach Grassis Tod notierte der Protokollant der Ratssitzung:

Man beschließt die Erbauung eines Museum Grassi zur Aufnahme des Völkermuseums und des Kunstgewerbemuseums mit Majorität.

Franz Dominic Grassi wurde am 7. Mai 1801 in Leipzig geboren. Seine Familie stammte aus Lucca, in der Toskana und wanderte Mitte des 18. Jahrhunderts nach Deutschland ein.

Dem finanziellen Nachlass des Franz Dominic Grassi, und dem Entscheid des Leipziger Rates verdankt Leipzig das Gebäude der Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz (Königsplatz), welches als erstes Grassimuseum gebaut wurde. Der Bau entstand ab 1891, Architekt was Hugo Licht und das Museum wurde am 5. Februar 1896 in Anwesenheit des sächsischen Königspaares König Albert und Königin Carola eröffnet. Nach dem Bau des Neuen Grassimuseumsam Johannisplatz (1925), diente das alte Museum bis 1945 als Textil-Messehaus. Nach dem Wiederaufbau wurde es ab 1951 als Verwaltungsgebäude genutzt und seit 1991 als Leipziger Stadtbibliothek.

Grassi-Museum, Entwurf v. Hugo Licht

Besucher von Leipzig müssen sich aber bis 2012 gedulden, das Gebäude wird saniert.

Ein kleiner Auszug aus den Legaten des Testamentes von Franz Dominic Grassi zeigt, dass er nicht nur die Stadt Leipzig, seine Verwandten und Freunde bedachte.

So bekamen je 5.000 Taler:

– die Leipziger Armenanstalt

– die Heilanstalt für arme Augenkranke zu Leipzig

– die Taubstummenanstalt zu Leipzig

– die Stiftung zur Beköstigung Studierender außerhalb des Convictes

– der Unterstützungsverein der Handlungsgehilfen zu Leipzig

– der Pensionsfonds des Leipziger Stadttheaters

– der Leipziger Kunstverein für Gemäldeankauf für das städtische Museum

– die Gesellschaft Erholung zu Leipzig und

– Max Meyer, Bankhaus Meyer & Co., zur Weiterreichung an das Personal.

Quelle: Die Leipziger Stadtbibliothek, SAX-Verlag, ISBN 3-934544-14-2, Herausgeber: Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister, Amt Leipziger Bibliotheken und der Verein zur Förderung der Leipziger Stadtbibliothek e.V.

alea iacta est (der Würfel ist gefallen)

In der Nacht hat nun der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen.

Es wird also keine Volksabstimmung um das Rettungspaket geben, die Opposition fordert sofortige Neuwahlen, die Medien überschlagen sich und wir sind ratlos.

Was ist nun eigentlich passiert? Ist Papandreou nun umgefallen, erpresst von der EU? Hat er nichts erreicht?

Meiner Meinung nach hat er einiges erreicht. Stellen wir hier mal unsere Befindlichkeiten hintenan und denken daran, dass Papandreou griechischer Ministerpräsident ist. Er ist dem griechischen Volk und dem griechischen Staat verpflichtet. Was wir darüber denken ist egal.

Sehen wir uns also die Lage vor der Drohung mit dem Volksentscheid an. Papandreou und seine Pasok-Partei regieren mit einer hauchdünnen Mehrheit, das “Rettungspaket” ist geschnürt (wie immer man dieses bewertet) und Teile seiner Partei, in der Hauptsache aber die Opposition verweigern die Zustimmung, wegen unzumutbarer Härten die auf das griechische Volk zukommen.

Das ist natürlich ihr Recht und auch ihre Pflicht als Volksvertreter. Aber ist es auch ehrlich?

Papandreou holt nun einen Trumpf (vielleicht auch einen gezinkten Würfel, das werden wir wohl nie erfahren) aus dem Ärmel und ruft den Souverän an. Er fordert ein Plebiszit.

Er hat recht, die Regierung kann nicht regieren, das Parlament ist nicht handlungsfähig. Was soll er sonst tun?

Neuwahlen wären eine Alternative, aber was wären die anderes als ein Plebiszit?

Rücktritt und einem anderen den ganzen Mist überlassen? Das wäre ja wohl wenig hilfreich. Ehrenhaft, man verzeihe mir den Ausdruck, wäre es auch nicht.

Nun kommt der Knüppel aus Deutschland und Frankreich. Was passiert?

Die Opposition knickt ein!

Nach außen hin zwar Papandreou, weil er die Volksabstimmung (man denke an den gezinkten Würfel) zurückruft, aber in Wirklichkeit seine Gegner. Die die ihn blockierten, seine Regierung handlungsunfähig machten um selbst an die Macht zu kommen – die haben Angst!

Also bietet Papandreou seinen Rücktritt an und stellt sich der Vertrauensfrage. Das kann er, er ist reich, hat Macht gehabt und kann auch in den Ruhestand gehen.

Er gewinnt.

Warum?

Weil er “alternativlos” ist. Die Opposition will seinen Namen mit den Einschnitten, die kommen werden, für das griechische Volk verbinden. Die Abgeordneten der Pasok wollen natürlich an der Macht bleiben. Einigen hat vielleicht auch seine Haltung imponiert.

Nun wird von der Opposition der Rücktritt Papandreous gefordert, damit sie sich an der Übergangsregierung beteiligt. Was für eine Heuchelei.

Sehen wir also was weiter passiert.

Es war ein Lehrstück der parlamentarischen Demokratie, nicht der Demokratie.

P.S. Ich gehe davon aus, dass hier keiner der Beteiligten ein wirklich höheres Motiv für sein Handeln hatte. Das ist vielleicht nicht schön, aber vielleicht verständlich.