Die Liebe und der Kassettenrekorder

Um  Missverständnissen vorzubeugen, ich bin nicht frisch verliebt. Du kannst also beruhigt sein mein Sohn (falls Du das liest).

Auch wenn der Text auf einem nächtlichen Gespräch mit einer attraktiven, durchaus liebenswerten, jungen Frau beruht, es waren einfach Erinnerungen die geweckt wurden.

Aber mal von vorn. Eigentlich ging es im Gespräch um Momente im Leben – um unwiederholbare Momente – die sozusagen „zum Sterben schön“ sind. Da kam von mir der Einwurf, es gäbe da ein Lied von Lindenberg „Einmal küssen und dann sterben“, aber das wäre wohl doch nicht ihre Musikrichtung. Erstaunlicherweise kannte sie es. Nun ging es also mit Gesprächen über Musik weiter.

Am Wochenende kamen dann die Erinnerungen. An Liebe, Musik und den Kassettenrekorder.

Ich war 16, schwer verliebt und sprachlos. Also nahm ich mein „Sonnett“ (DDR-Kassettenrekorder) und spielte ein, meiner Meinung nach, passendes Lied auf eine Kassette auf. Ich hatte mit Serge Gainsbourg und Jane Birkin wohl etwas übertrieben. Das Einzige was ich bekam war eine Ohrfeige. Man erinnere sich, das war vor Computern, Internet und MP3. Ich musste also entweder vor dem Radio warten bis das Lied gespielt wurde, oder jemanden kennen, der eine Aufnahme hatte.

Ich hielt es für besser meine Sprache wiederzufinden, sagte dem betreffenden Mädchen die drei berühmten Worte (was ich darunter verstand war durch das Lied wohl besser ausgedrückt) und das war hilfreich.

In späteren Zeiten, die vorstehende Geschichte war schon längst vergessen, gab es immer wieder Momente mit den entsprechenden Frauen. In romantischen Filmen wird das so ausgedrückt „Hör, sie spielen unser Lied“. Natürlich war die Schallplatte oder der Kassettenrekorder immer dabei. Man sammelte Musik nach diesen Momenten. Das Erstaunliche war aber die Entdeckung, dass man zwar „hart“ und „böse“ war, aber die „harten und bösen Rocker“ machten die besten Liebeserklärungen. Und der harte Junge kam mit Blumenstrauß und Hardrock immer gut an.

Die letzte musikalische Liebeserklärung die ich machte war also „Hell is living without You“ von Alice Cooper, mit Musikkassette im Autoradio und Schallplatte („Trash“) in der Wohnung. Dabei ist es geblieben. Zumindest solange bis der Handyklingelton „Love of my life“ von Queen in „Tu t’laisses aller“ von Aznavour geändert wird.

Sollte es doch noch mal passieren wäre es bei entsprechendem Altersunterschied wahrscheinlich „I would do Anything for love“ von Meat Loaf. Weniger wegen dem Text als des Videos wegen.

Heute würde ich den Titel wohl als MP3 per Mail verschicken. Der Song würde im besten Fall, ganz unromantisch, unter tausenden Liedern auf einem iPod landen. Aber vielleicht würde es doch wie früher sein.

Aber um auf das Eingangs geschilderte Gespräch zurück zu kommen. Es gab doch einige Momente die „Zum Sterben schön“ waren. Ich lebe noch, weil ich auf noch mehr von diesen warte.

P.S. Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen alten Kassettenrekorder mal romantisch finde.

P.P.S. Keine Links, die Lieder sind aber zu finden.

(Fremd)Sprachen

Es ist schon lustig und interessant, das Ding mit den Fremdsprachen. Seit einiger Zeit arbeite ich nun in einem Bereich, der die Beherrschung eines größeres Vokabulars an englischen Begriffen fordert. Der Personalbesatz hat nun aber, diese Sprache betreffend, die verschiedensten Ausbildungsgrade. Man hört also die Begriffe in den unterschiedlichsten Versionen. Ich glaube aber, dass dies ein Phänomen unserer Zeit ist. Englisch wird zur Weltsprache oder Zweitsprache oder auch nur zur Sprachergänzung.

Was mit der Sprache dann passiert, das hat uns 1939 ein Schriftsteller in einer „closed room Story“ (egal wie man es ausspricht) erzählt.

Das geht dann so:

Jeder Seemann kennt zwei Dutzend englischer Wörter. Und jeder weiß drei bis sechs Wörter, die der andere nicht kennt, aber durch ihn lernt durch das Zusammenleben an Bord, wenn nur englisch gesprochen wird. Dadurch eignet sich jeder in kurzer Zeit etwa zweihundert Wörter an. Zweihundert Wörter der englischen Sprache, auf diese Weise, aber nur auf diese Weise gelernt, und dann die Zahlen, die Namen der Tage und Monate in Englisch, ermöglichen jedem Menschen, alles klar und zweifelsfrei auszudrücken, was er innerhalb dieses Kreises sagen will.

Da ist das Wort First-Mate, erster Offizier, das die meisten wissen, und da ist das Wort Money, das jeder kennt. Nun aber kommt die lebendige Entwicklung, eine Sprachentwicklung, wie sie sich nicht nur auf der Yorikke zeigte, sondern wie sie sich in ganzen Völkern zeigt und von jeher gezeigt hat.

Mate wird in London-West ganz anders ausgesprochen als in London-Ost, und der Amerikaner spricht achtzig Prozent der Wörter anders aus als der Engländer, und sehr viele schreibt er auch ganz anders und verwendet sie in ganz anderen Ideenverbindungen.

Der Zimmermann hat das Wort First-Mate nie in England gehört, sondern von einem Schweden, der das Wort von einem Seemann aus London-Ost gehört hatte. Der Schwede konnte es schon nicht richtig aussprechen, außerdem hatte er es noch in einem üblen Pettycoat-Lane oder Cockney-Dialekt gehört, den er für die richtige und alleingültige Aussprache halten musste, weil er ja das Wort von einem Engländer vernommen hatte. Wie das Wort nun von dem Zimmermann ausgesprochen wurde, kann man sich vielleicht vorstellen. Ein Spanier bringt das Wort Money, ein Däne bringt Coal, ein Holländer Bread, ein Pole Meal, ein Franzose Thunder und ein Deutscher Water.

Das Wort First-Mate läuft durch alle Stadien der Laute, die ein Mensch geben kann: Feist-Moat, Fürst-Meit, Forst-Miet, Fisst-Määt und noch so viele mehr, als Leute auf der Yorikke sind. Nach einer kurzen Zeit aber schleifen sich die verschiedensten Aussprachefärbungen gegeneinander ab, und es kommt zu einer einheitlichen Aussprache, in der sich alle die Tonfarben wiederfinden in abgeschwächter Form. Wer neu hinzukommt, selbst wenn er genau weiß, wie das Wort richtig ausgesprochen wird, ja selbst wenn er Professor der Phonetik in Oxford wäre, muß das Wort yorikkisch aussprechen, wenn er jemandem den Befehl überbringen soll, daß der First-Mate ihn zu sehen wünsche, weil der Mann sonst gar nicht wüßte, was man von ihm will.

Wer der Schriftsteller war und wie das Buch heißt, das sollte für Jeden leicht herauszufinden sein.

Die Sprache, die ich heute, nicht nur auf der Arbeit, höre ist zwar kein yorikkisch aber weit davon entfernt ist sie nicht.

Ostergedanken

Einer der wichtigsten Sätze des Neuen Testaments ist das Jesus-Zitat

„Liebe Deinen Nächsten so wie Dich selbst.“

Ich habe hier die eventuellen Kommata herausgenommen, denn der Satz ist ja wohl mehrdeutig zu verstehen. Nur mal zur Anmerkung sei gesagt, es ist unerheblich ob der Satz wirklich gesagt wurde, oder wie er ausgesprochen wurde. Die christlichen Kirchen bauen auf ihm einen großen Teil der These von der Nächstenliebe auf.

Aber ist der Satz so zu verstehen?

„Liebe Deinen Nächsten so – wie Du Dich selbst liebst.“

Das wäre die erste Auslegung. Die passt vollkommen. Die (mittelalterliche) Kirche erzog die Menschen im Selbsthass. Der Körper war schlecht, die Seele war alles. Mit diesem Selbsthass kannst Du also Deinen Nächsten verstümmeln, morden, vergewaltigen usw., seiner Seele kannst Du ja nichts tun. Die ist gut oder schlecht – da änderst Du nichts. Das Ganze gipfelt dann in dem Ausspruch „Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen!“. In der heutigen Zeit ist diese Auslegung ebenfalls passend. Provokant gefragt „Wie soll ein im Selbsthass erzogener Mensch (oder auch ein ganzes Volk) andere  Menschen (oder auch Völker) lieben?“  Man kann hier natürlich “Selbsthass” durch “Selbst-Verachtung” und “lieben” durch “achten” ersetzen.

Möglich wäre natürlich die Auslegung:

„Liebe Deinen Nächsten und Dich selbst auch.“

Der Satz (die Forderung) ist unmenschlich, denn er setzt die Liebe zum Nächsten an die erste Stelle. Man kann ja mal einen Selbstversuch machen und versuchen die Liebe zu sich selbst über die Liebe zu anderen zu entdecken.

Die mir liebste Auslegung ist die folgende:

„Nur wenn Du Dich selbst liebst bist Du fähig zur Liebe.“

Theologisch gesehen (Theologie ist natürlich als Wissenschaft von Unerforschlichen absurd) wäre dieser Satz völlig in Ordnung. Er würde nämlich bedeuten

„Ich bin ein Geschenk Gottes an die Welt – ich liebe mich. Der Andere ist es ebenso – also liebe ich ihn auch.“

Lassen wir Gott mal weg, dann haut das immer noch hin. Oder etwa nicht?

Frohe Ostern!