Warum nur Worte? – Noch mal zur Literatur

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Irgendwo (ich werde wohl langsam alt) habe ich schon mal geschrieben, dass wiederholte Äußerungen zu einem Thema nicht mein Ding sind. Aber nach den, teils unsäglichen, Diskussionen der letzten Tage gehe ich nochmal in mich und schreibe nochmal etwas zum Thema.

Ich bin immer noch gegen die nachträgliche Veränderung der Literatur.

Lustig am Thema ist allerdings das Eine. Es geht um einzelne Worte. Ich wiederhole diese hier nicht (ab und zu schon), Ihr wisst ja alle welche gemeint sind. Wer die Literatur nicht ändern will, der wird teilweise als ignorant (schlimmeres ist möglich/üblich), wer diese ändern will, der ist Angehöriger der Sprachpolizei.

Aber was ändert sich durch das Ersetzen des Negerkönigs in Südseekönig?

Betrachten wir doch mal das Standardwerk der Diskussion (Pippi Langstrumpf), dann müsste man ja noch vieles ändern. Die Begründung, dass man den Negerkönig-Kontext einem Kind nur schwer vermitteln kann ist etwas zu kurz gegriffen.

Wie vermitteln wir denn dann einem Kind folgende Inhalte des Buches?

1. Pippi liebt und bewundert ihren Vater, obwohl er ein schlechter Vater ist. Er lässt sie allein, treibt sich in der Welt herum und schreibt immer mal, dass er sie holen würde. Würde sie nicht eine Therapie brauchen?

2. Pippi lebt allein mit ihren, evt. nicht artgerecht gehaltenen Tieren, in einem Haus. Die marode Bausubstanz und die mangelnden hygienischen Bedingungen sind geradezu unerträglich.

3. Pippi geht nicht zur Schule und lebt von Geld dessen Herkunft dubios ist.

4. Es wird als heldenhaft dargestellt, dass sie die Vertreter der Staatsmacht vertreibt. Obwohl diese nur ihr Bestes wollen.

5. Sie hält ihre Freunde von einem normalen gesellschaftlichen, altersgerechten, Leben ab.

Erklärt nun mal Euren Kindern, warum sie die Heldin des Buches ist.

Ach ja, das ist ja eine Art Märchen, historisch bedingt ist der Handlungsstrang in dem sich ein Mädchen in einer von Männern dominierten Welt durchsetzt. Warum fällt nun die Erklärung des Begriffes Negerkönig so schwer?

Andere Frage. Warum fällt es leichter ganze Bücher, oder Artikel, über korrekten Sprachgebrauch zu schreiben als ein neues Kinderbuch? Dieses könnte dann in Wortwahl und Handlung korrekt, der heutigen Zeit angepasst, sein.

Nochmals, ich habe es schon öfter betont, ich bestehe nicht darauf die Worte im allgemeinen Sprachgebrauch zu verwenden. Aber muss deshalb die Literatur (Und ja, auch Kinderbücher können dazu gehören) umgeschrieben werden?

Einige Fragen, die sich aus Märchen ergeben könnten:

-Warum haben die Eltern von Hänsel und Gretel nicht Bezüge lt SGB II beantragt?

-Warum hat sich Schneewittchen keinen Anwalt genommen?

-Warum mussten die kleinwüchsigen Männer die Bergwerksarbeit klaglos erdulden? Muss man nun Zwerge auch ersetzen?

-Warum musste Aschenputtel Kinderarbeit leisten, gab es kein Jugendamt?

Aus Huckleberry Finn könnte sich die Frage nach der Gewerkschaft der Landarbeiter erheben.

Sind wir nun wirklich fähig komplexe historische Zusammenhänge zu erklären, Worte aber nicht?

Ergo, es bleibt wohl nur der Vorschlag übrig, diese Bücher den Kindern nicht mehr zuzumuten. Ob mit oder ohne Änderungen.

P.S. Wenn ein Autor, in diesem Falle Otto Preußler, einer nachträglichen Änderung zustimmt, dann ist das seine Sache. Es ist sein Werk.

Deutsche Sprache – oder wie redet man am besten aneinander vorbei

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Gestern Abend, bei ZDF log in, standen die Thesen „Die deutsche Sprache muss geschützt werden“ gegen „Es soll jeder so reden wie er will“. Das Thema wurde durch mich an dieser Stelle vereinfacht beschrieben, aber das hier ist ja mein Blog.

Besonders bemerkenswert an der Diskussion war, dass beide Diskutanten und die Moderatoren sich, m.E. nach, an Äußerlichkeiten aufhielten. Dazu komme ich aber später.

Wie schon auf G+ geschrieben, war Anatol Stefanowitsch verdienter Sieger – allein schon wegen seines Umganges mit der deutschen Sprache. Allerdings wurde das Voting (vulgo Abstimmung), durch die Vorstellung der rechten Anhänger der Sprachpflege, durchaus zu seinen Gunsten beeinflusst.

Aber kommen wir mal zu dem Problem der deutschen Sprache.

Deutsche Sprache muss nicht geschützt, sie muss einfach nur gesprochen und geschrieben werden.

Das ist meine Meinung zum Thema.

Warum wurde und wird die deutsche Hochsprache (Hochdeutsch) eigentlich benötigt?

Ich sage ganz einfach, damit sich die Deutschen untereinander verständigen können. Persönlich habe ich durchaus Schwierigkeiten einen Pfälzer oder Bayern zu verstehen. Die verstehen mich eher auch nicht wenn wir alle unseren Dialekt sprechen. Dafür haben wir das (Hoch)Deutsch.

Ob wir nun „Kiezdeutsch“ als Dialekt anerkennen oder nicht, das ist eigentlich egal. Der aus dem einen, evt. russisch beeinflussten, Kiez wird den aus dem anderen, vielleicht türkisch beeinflussten, Kiez ohne die Vermittlung durch eine gemeinsame Sprache kaum verstehen.

Das ist aber nur das eine Problem, es interessiert mich eigentlich nur wenig.

Ich stelle mir mehr die Fragen „Warum muss/soll es in einer Demokratie eine gemeinsame Sprache geben?“ und „Warum sollen alle diese so gut wie möglich beherrschen?“

Auch hier ist die Geschichte hilfreich. Die, ich sage mal, „Unterstellungsverhältnisse“ in der Gesellschaft wurden (und werden) immer auch durch die Sprache zementiert.

Ob wir nun das klerikale Latein, das adelige Französisch oder das bürgerliche Hochdeutsch nehmen. Die Herrschenden sprachen eine Sprache die von den Beherrschten nur rudimentär, wenn überhaupt, verstanden wurde.

Da kam nun die Alphabetisierung ins Spiel. Historisch gesehen gerade (vor)gestern. Es ging dabei nicht nur um das Lernen der Schriftsprache, es ging um das Erlernen der Sprache.

Durch die Alphabetisierung der Masse des Volkes wurde auch erst die Teilhabe an der Gesellschaft, außerhalb der Region (oder des Kiez) möglich. Ohne die gemeinsame Sprache wird dies aufs Spiel gesetzt.

Sprache verbindet und Sprache schließt aus.

Also, meiner Meinung nach, brauchen wir die gemeinsame Sprache. Da wir in Deutschland sind, bleibt es wohl Deutsch.

Wenn wir mal (wirklich) in Europa sind, dann mag es vielleicht Esperanto, vielleicht aber auch Englisch sein (da müsste man aber z.B. die Franzosen fragen). Das ist aber noch ein langer Weg.

Also sprechen wir Deutsch. Sächsisch, bayerisch, turkteutonisch oder andere Dialekte und Kiezsprachen mögen ihre Berechtigung haben, aber nur unter Gleichsprachigen. Und vor Allem sprechen wir ein Deutsch, welches alle Bevölkerungsschichten verstehen.

P.S. Zu den Lehnworten sei nur so viel gesagt, mir sind sie egal. Nur sollte der der sie verwendet auch dem der sie nicht kennt, erklären können was sie bedeuten.

Bücherverbrennung muss nicht (mehr) sein.

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Der Gedanke an die Bücherverbrennung kam mir beim Lesen eines Artikels, in dem der Autor über seinen neuen ebook-reader schrieb. Er fragte sich, was er mit seinen alten Büchern machen solle. Alternative war das Altpapier.

Zugegeben, die elektronische Version des gedruckten Buches ist schon eine tolle Sache. Leicht, transportabel und geradezu komfortabel kommt sie daher. Warum habe ich nun ein schlechtes Gefühl?

Man sehe es mir nach, ich bin in einer Diktatur groß geworden und habe auch 1984 gelesen. Das prägt.

Die nachfolgenden Beispiele sollen meine Bedenken illustrieren.

Da wäre doch in meiner Kinderzeit der „Graf von Monte Christo“ gewesen, einmal in der bearbeiteten Jugendausgabe eines DDR-Verlages. Glatte Handlung, saubere Dialoge – heute würde man sagen „politisch korrekt“. Aber zu Hause stand auch eine Ausgabe aus den 20er Jahren. Die war fast doppelt so dick (nicht wegen der Papierqualität), es standen auch Beschreibungen und Dialoge darin die in der anderen Ausgabe fehlten. Kurz und gut, es war ein Unterschied wie zwischen „Notre Dame von Paris“ von Hugo und dem „Glöckner von Notre Dame“ in der Disney Fassung.

Nehmen wir also die heutige Diskussion über „Pippi Langstrumpf“ oder „Huckleberry Finn“, dann ist es durchaus wahrscheinlich, dass wir diese Bücher in einigen Jahren nicht wieder erkennen.

Wenn dann die alten Bücher nicht mehr existieren, wer sagt uns dann was die Autorin oder der Autor wirklich geschrieben haben?

Der/die Eine oder Andere mag nun sagen „Egal, die Hauptsache es unterhält und ist politisch korrekt.“ Das ist aber m.E. nach ein Irrtum. Zur politisch korrekten Unterhaltung mag doch der/die geeignete AutorIn eigene Bücher schreiben und nicht bestehende Literatur umschreiben. Literatur ist ein zeitgeschichtlich bedeutender Bestandteil der Kultur. Man kann sich mit ihr auseinandersetzen, sie kritisieren, aber man sollte sie nicht ändern.

Mit der Veränderung der Literatur versucht man die Geschichte umzuschreiben.

Stellt Euch doch einen Western vor, in dem das Cowgirl die Kühe treibt, im Saloon säuft und Gangsterinnen jagt. Inzwischen sitzt ihr Gemahl auf der Ranch, erzieht die Kinder und baut ökologisch korrekt Gemüse an.

Als Persiflage geeignet, aber historisch nicht haltbar – aller Genderpolitik zum Trotz. Es war eben nicht so. In der damaligen Zeit bekamen Frauen meist ein Kind nach dem anderen und waren meist eben nicht in oben beschriebener Weise tätig. Entwertet das nun die Rolle der Frau? Eigentlich nicht. Man stelle sich vor, eine Horde von Männern hätte den wilden Westen erobert, schießwütige Cowboys und Rancher ganz ohne Frauen. Einen Vorteil hätte es gehabt, die Indianer wären heute noch die Herren Amerikas. Die hatten nämlich Frauen, nicht nur zum Kinderzeugen.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. Ich meine, dass auch das Internet und die anderen elektronischen Medien immer kommerzieller werden. Es wird also immer mehr bearbeitete und umgeschriebene Fassungen der Literatur geben. Damit kann man Geld verdienen, nicht mit den Originalen.

Die „Negerprinzessin“ bei Pippi, der „Nigger“ bei Huck, der „Jude“ oder „Zigeuner“ bei Hugo, die „Hexe“ bei den Grimms – sie werden verschwinden. Das wäre nicht das größte Problem.

Vielleicht verschwinden aber, aus anderen Gründen, auch „Pfarrer Bonhoeffer“, die „Leipziger Montagsdemonstranten“, „Mutter Theresa“ und andere. Da werden dann Dietrich B., politisch bewusste Widerstandskämpfer und eine Feministin in den Slums daraus.

Was dann, wenn ich nicht mehr in den alten Büchern nachlesen kann was diese wirklich waren?

Warum war die Bücherverbrennung oder Indizierung immer ein wichtiger Bestandteil von Diktaturen jeder Coleur?

Also ich behalte meine Bücher.

Seht mir mein wild-west-Beispiel nach Mädels. Aber ich musste beim Schreiben des Artikels an “Cat Ballou” denken. Also nicht zu ernst nehmen, es ist nur als Illustration gemeint.