Die ich rief, die Geister …

Viele von uns haben in der Schule den Zauberlehrling gehasst, heute könnte man ihn als Pflichtlektüre für Politiker und so genannte Journalisten der BILD-Zeitung(?) empfehlen. Kennt ihr die Stelle noch?

Herr und Meister! hör mich rufen! –

Ach, da kommt der Meister!

Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister

werd ich nun nicht los.

Und wie sie alle heute nach dem Meister rufen, fast könnte man meinen sie hätten nicht bemerkt was sie anrichten.

was-interessiert-mich-mein-geschwatz-von-gestern-konrad-adenauer-100697So bringt heute die BILD einen Artikel über „Perfide PEGIDA-Parolen“ und fragt sich warum so viele auf diese hereinfallen.

Die Antwort ist recht einfach, es sind die Geister, die unter anderem die BILD gerufen hat. So wurde zum Beispiel am 13.10.2012 der damalige Bundes-Innenminister Hans-Peter Friedrich gefragt „Was tun Sie gegen Asylmissbrauch?“ Wie nicht anders zu erwarten, wurde bereits in der Einleitung über einen rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen gesprochen. Auch bei der Vorstellung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ wurden genüsslich Termini wie soziale Belastungen einer ungesteuerten Migration und gesunder Selbstbehauptungswillen als Nation unters Volk gebracht.

Das sind Einzelbeispiele die Tendenzen aufzeigen. Das alles führt zu PEGIDA & Co. diese Propaganda führt zu den Mitläufern.

Ich sprach einleitend von den BILD-Journalisten und von Politikern, genannt habe ich schon der ehemalige BIM Friedrich. Dieser folgt aber auch nur strikt der Parteilinie der CDU.

Und heute kennen die Politiker und Jounalisten die alten Thesen nicht mehr, getreu dem Adenauer Spruch „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ betrachtet man PEGIDA & Co als ein von der eigenen jahrelangen Propaganda losgelöstes Phänomen.

Unter diesem Gesichtspunkt, könnte man geradezu Verständnis für den jetzigen BIM haben, der seinerseits Verständnis für die PEGIDA-Demonstranten und ihre Sorgen hat. Leider ist mit:

„Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

nicht die Selbsterkenntnis verbunden, dass man diese Sorgen und Ängste erst selbst geschürt hat.

Geradezu exemplarisch für die Politik der CDU ist auch die Rede von Angela Merkel auf dem Bundesparteitag der CDU. Wenn sie von Zuwanderung spricht, geht es um sichere Herkunftsländer, also Ablehnung von Asylanträgen, und Hunderte neue Stellen im Bundesamt für Migration, nicht um die betroffenen Menschen.

Über die CSU lohnt es sich nicht zu reden, auch wenn die Problematik auch in Bayern erkannt wurde haben die bayerischen Christsozialen nichts besseres zu tun als die Forderung zu erheben, die Migranten mögen doch auch im Wohnzimmer Deutsch sprechen. Es ist wohl nur der katholischen Prüderie zu verdanken, dass sie nicht fürs Schlafzimmer auch Sprachkurse für Liebesgeflüster oder dirty-talk anbieten wollen.

Ich möchte die Entstehung der jetzigen Situation nicht nur der BILD und den C-Pateien anlasten, auch viele andere haben einen Anteil am Zuwanderer Bild in der Gesellschaft. Alle können für sich prüfen, ob sie auch zu Thesen neigen oder geneigt haben die PEGIDA & Co befördert haben.

Die Geister sind gerufen und es wird kein Meister kommen, der sie wieder an die Kette legt oder in die Ecke stellt. Das ist auch gut so, denn der Meister sagt ja:

Denn als Geister

ruft euch nur zu diesem Zwecke,

erst hervor der alte Meister.

Diese Macht wollen wir ja niemandem geben.

Es bleibt nur die Kleinarbeit im eigenen Umfeld die Sympathisanten, die auf die BILD und CDU Thesen hereingefallen sind, zu überzeugen, dass PEGIDA & Co der falsche Weg sind. Da gibt es viel zu tun, die Ablehnung gegenüber den Flüchtlingen und anderen Migranten kann nur durch persönliches Kennenlernen beseitigt werden.

Ich habe da auch kein Patentrezept, außer nie zu schweigen wenn in meinem Umfeld diese Thesen auftauchen. Andere mögen Gegendemonstrationen oder Blockaden favorisieren. Ich weiß nicht was der richtige Weg ist, aber wir müssen alle etwas tun.

Sonntagsarbeit im Callcenter – ich bin enttäuscht!

Einleitend sei gesagt, dass ich nicht unbedingt Sonntags arbeiten will – ich bin schließlich am unteren Ende der Nahrungskette im Callcenter – aber ich sehe die Probleme, die mit einem Verbot der Sonntagsarbeit auf uns zukommen.

Umso mehr enttäuschen mich sowohl die Branchenvertreter als auch die Gewerkschaft ver.di.

Auch wenn der zuständigen ver.di Bundesfachgruppenleiter Ulrich Beiderwieden im Interview mit callcenterprofi.de den arbeitsfreien Sonntag als „soziale Errungenschaft, … Tag der Ruhe und Erholung“ deklarierte und als unverzichtbar bezeichnete, so ist für mich die Klage von ver.di Hessen gemeinsam mit der evangelischen Kirche Hessen-Nassau unverständlich.

Die soziale Errungenschaft der letzten Jahrzehnte war der arbeitsfreie Samstag – also die 40-Stunden-Woche. Die Gewerkschaften forderten ja „Samstags gehört Vati mir“. Der Sonntag ist ein arbeitsfreier Tag mit christlichem Hintergrund, fixiert im Grundgesetz und übernommen aus der Weimarer Reichs Verfassung von 1919. Es geht mir hier um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Kommt nun als nächstes die Forderung die Callcenter Samstags auch zu schließen?

Noch einmal kurz zum Ausgangspunkt: Am 26. November urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Sonntagsruhe in Hessen, ich schrieb darüber. Unter anderem für die Callcenter wurde mit diesem Urteil die Sonntagsarbeit verboten.

Im verlinkten Artikel äußerte ich mich noch verhalten optimistisch und schloss aus, dass die Arbeit ins Ausland verlagert wird. Ich gab allerdings zu bedenken:

Einige Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren, weil für eine 6-Tage-Woche ein anderer Personalschlüssel gilt als für eine 7-Tage-Woche.

Zu dem Zeitpunkt rechnete ich noch fest mit juristischen Reaktionen der Branchenvertreter, stellvertretend dem Call-Center-Verband (CCV). Eine kurze Erklärung zum CCV, dieser ist kein tariffähiger Arbeitgeberverband sondern ein Interessenverband und vertritt Unternehmen die ca. 35% der Callcenter-Arbeitsplätze repräsentieren.

Leider beschränkte sich die Reaktion der Verbandsmitglieder auf reine Schadensbegrenzung, die auf Kosten der Beschäftigten geht.

So bietet Gerald Schreiber, Geschäftsführer der davero gruppe, betroffenen Unternehmen „Hilfe vom Bosporus“ an. Er steht da nicht allein mit den Nearshore-Lösungen. Die wenigsten wissen ja, dass in der Türkei viele deutschsprachige Menschen leben. Einige Callcenter haben dort schon Niederlassungen, die außer dem Serviceangebot in türkischer Sprache für Deutschland  auch ganz normale Callcenter-Tätigkeiten für Deutschland anbieten.

Auch der Ausbau von Voice-Self-Services soll in Zukunft verstärkt werden. Es wird also verstärkt auf automatisierte Systeme gesetzt werden.

Die erste Lösung ist kurz- und mittelfristig durchsetzbar, bei Erfolg wird sie sich aber nicht auf die Sonntagsarbeit beschränken sondern komplett Arbeitsplätze aus Deutschland ins Ausland verlagern.

Die zweite Lösung ersetzt einfach Beschäftigte durch Maschinen, Ansätze werden bereits geprüft, das Urteil wird die Einführung der Systeme beschleunigen.

Einige Anmerkungen zur Branche erscheinen mir hier erforderlich.

Die Branche umfasst ca. 500.000 bis 600.000 Beschäftigte* und ist somit wohl die größte Branche in Deutschland ohne Tarifvertrag. Die Branche gliedert sich in inbound- und outbound-Bereiche, das Urteil gilt ausschließlich für den inbound-Bereich da die outbound-Telefonie zeitlich eingeschränkt und Sonntags komplett verboten ist. Als lesbare Zusammenfassung für Einsteiger empfehle ich einen älteren Artikel oder den Artikel Callcenter-Die Branche von Matze.

Wenn wir von dem Verbot der Sonntagsarbeit sprechen, geht es allein um Callcenter die der Kunde aus verschiedenen Gründen anrufen will oder muss. Wir reden von Kundenbedürfnissen und von den Bedürfnissen der Mitarbeiter.

Versteht also bitte meine Enttäuschung.

Die Gewerkschaft ver.di hat Teil an der Initialzündung für den Arbeitsplatzabbau in der Call-Center-Branche, wenn auch aus ehrenhaften Motiven, und die Unternehmervertretung reagiert indem sie genau dies forciert.

Der Kunde wird letztendlich nicht viel oder gar nichts davon bemerken, beide vorgenannten Lösungsansätze der Arbeitgeberseite zielen darauf hin.

Wir, die Beschäftigten der Branche, die ab 01.01.2015 erstmals durch die Einführung des Mindestlohnes aus dem Billiglohnsektor herauskommen, werden die Rechnung bezahlen.

Ein Lösungsansatz im Interesse aller wäre es, wenn die Unternehmer endlich einen tariffähigen Arbeitgeberverband gründen und in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, ob nun ver.di oder DPVKOM, einen Flächentarifvertrag, der auch die Sonntagsarbeit regelt, abschließen.

Damit ist aber eher nicht zu rechnen – ich werde nicht der Einzige sein der enttäuscht ist.

* Die Zahlen sind nicht eindeutig, da die verlinkte Statistik nur für 2013 gilt.

120 Jahre Deutsche Zentralbücherei für Blinde (DZB)

Was habe ich mit der DZB zu tun? Das werden sich jetzt wohl einige meiner Leser fragen. Wenn ich nicht am 07.11.2014 einen Unfall gehabt hätte und bis zum 12.11. im Leipziger St. Georg Klinikum gelegen hätte, dann wäre dieser Artikel nie geschrieben worden.Braille-Alphabet, Quelle www.fakoo.de

Am 11.11. wurde, ebenfalls nach einem Unfall, Volker auf mein Zimmer gelegt. Nach einiger Zeit erst bemerkte ich, dass er blind ist. Am Abend kamen wir dann ins Gespräch und ich erfuhr, dass er ist bei der DZB beschäftigt ist. Er ärgerte sich, dass er nicht am Festakt zum 120 jährigen Jubiläum teilnehmen konnte. Dieser würde am 12.11. stattfinden und da wäre er ja noch im Krankenhaus.

Wie viele andere habe ich mich mangels Gelegenheit noch nie intensiv mit dem Thema blinde und sehbehinderte Menschen auseinandergesetzt, also nutzte ich die Chance.

Am meisten interessierte mich natürlich Volker als Person und seine Arbeit in der DZB.

Volker ist Leipziger, Jahrgang 1963, er besuchte die Spezialschule für Blinde und Sehbehinderte in Königs-Wusterhausen bis zum Abitur und studierte dann Rechtswissenschaften. Nach der Wende, der Betrieb in dem er arbeitete wurde abgewickelt, bekam Volker die Möglichkeit in der DZB zu arbeiten.

Seine Tätigkeit lässt sich am besten mit Korrektor beschreiben. Wie das abläuft ist interessant. Bei der Produktion von Büchern oder anderen Publikationen in Braille-Schrift wird ein Exemplar ausgedruckt, ein blinder und ein sehender Korrektor lesen wechselseitig laut den Text mit allen Satzzeichen und Absätzen vor. Der blinde Korrektor vergleicht und korrigiert den Braille-Text. Vor dem Druck und der nachfolgenden Bindung erfolgt bei Büchern noch eine Endkontrolle durch einen Mitarbeiter der Abteilung Blindenschriftherstellung, der das Buch voher noch nicht in den Händen hatte. Erst dann wird die Endfassung in den Druck gegeben.

Das ist also die Haupttätigkeit die Volker ausübt. Bedenkt man, dass die Braille-Bücher, Publikationen und Periodika nur von wenigen Anbietern, unter anderem der DZB, herausgegeben werden, so ist diese Aufgabe in ihrer Bedeutung für die Blinden und Sehbehinderten in Deutschland sehr hoch einzuschätzen.

Hoch interessant war für mich, dass es spezielle Hörbücher für Blinde gibt. Im Gegensatz zu den allgemein bekannten Hörbüchern, die meist dramaturgisch bearbeitet und somit gekürzt sind, sind die Daisy-Hörbücher wortgenau eingelesen. Diese entsprechen also zu 100% der literarischen Originalvorlage und ersetzen wirklich das Lesen des Buches. Bei verschiedenen Büchern, wie z.B. Nachschlagewerken und Kochbüchern können in den Daisy-Hörbüchern auch einzelne Seiten nach der Seitennummer aufgerufen werden. Die Bücher werden von professionellen SprecherInnen und SchauspielerInnen eingelesen. Für die Daisy-Hörbücher sind spezielle Abspielgeräte oder PC-Programme erforderlich. Daisy-Hörbücher sind nur für blinde und sehbehinderte Menschen erhältlich. Die Lizensierung erfolgt ausschließlich für diesen Personenkreis gemäß § 45 UrhG in Vereinbarung mit der VG Wort.

Der Abend verging schnell bei unserem Gespräch. Ich kündigte Volker an, dass ich einen Artikel über ihn und die DZB schreiben würde. Leider ist der nächste Tag der offenen Tür erst im September 2015, ich gehe aber auf jeden Fall hin. Und mit Volker bleibe ich in Kontakt.

Bildquelle: www.fakoo.de