Landtagswahl 2024: Was sagen die Wahlprogramme der Parteien zum Thema Digitalisierung?

Wer soll diese ganzen Wahlprogramme, die zudem noch teils unübersichtlich gestaltet sind, eigentlich lesen, um eine Wahlentscheidung zu treffen? Wir haben uns die Programme vorgenommen und geschaut, was die Parteien in Bezug auf ihre Vorstellungen zum Thema Digitalisierung vorhaben. Alles kann man hier nicht analysieren, deshalb haben wir uns auf einige Punkte, über die schon länger diskutiert wird, konzentriert. Die Reihenfolge der Parteiprogramme bei den einzelnen Punkten richtet sich bei den Nennungen zuerst nach der Regierungsbeteiligung, dann ist diese zufällig.

Den kompletten Artikel könnt ihr, wie immer kostenlos, in der Leipziger Zeitung lesen.

Ich nenne es Fremdenfeindlichkeit

weil Rassismus mir für die Propaganda der AfD zu kurz greift.

Der Fremde und das Fremde

Im Deutschen hat „fremd“ mehrere Bedeutungen. Da ist zum einen „der Fremde“, also der nicht zugehörige Mensch der von außerhalb kommt. Es gibt aber auch noch dieses „das ist mir fremd“ im Sinne von „es entspricht nicht meiner Lebensart“. Das gilt auch für Einheimische die anders sind.

Für beide gilt aber:

„Das Wesen eines Fremden besteht darin, und das ist tautologisch genug, dass er unbekannt ist. Potentiell mag er alles mögliche bleiben: mutig und wertlos, von guter Abstammung, mit guten Beziehungen, reich oder das Gegenteil davon, da aber seine Selbstvorstellung nicht überprüft werden kann, ist ihm vor allem nicht zu trauen“*

Es ist dem Fremden nicht zu trauen, das kennen wir doch noch, zumindest meine Generation. Die Tautologie, also Allgemeingültigkeit, die Rivers hier herstellt ist „fremd = unbekannt“. Fremd und unbekannt waren der Langhaarige, die Punker, die Gruftis, die Homosexuellen und weitere Menschen die nicht der Norm entsprachen. Bis heute sind es die Migranten die fremd sind und denen somit, nach dieser Aussage, nicht zu trauen ist.

Durch die Akzeptanz der erstgenannten „Fremden“ durch den größten Teil der Gesellschaft ist diese aber erst bunt geworden, gerade die ehemaligen Bürger der DDR müssten das bemerkt haben. Die 68er aus der alten Bundesrepublik kennen das auch gut. Aus Einheitsgrau wurde bunt, auch wenn einigen das nicht gefällt.

Es wurde natürlich auch komplizierter, weil ein einheitliches Bild der Gesellschaft zerstört wurde. Aber wer will schon zum Einheitsbrei zurück?

Zurück zum Einheitsgrau?

Es scheint mir, dass 12% der wahlberechtigten Deutschen, wenn man die INSA-Umfrage zugrunde legt, wieder dorthin wollen. Was mich am meisten verwundert ist, dass sich darunter auch einige der o.g. (bunten) Fremden befinden. Zumindest ist das in meinem Bekanntenkreis so.

Ich will an dieser Stelle die Wahlprogramme der AfD nicht ausführlich untersuchen, das haben Kattascha und Denise schon gemacht.

Ein Zitat aus dem Wahlprogramm der AfD für Sachsen-Anhalt möchte ich aber anbringen. Beim Programmpunkt Bildung kann man lesen:

„Neben grundlegenden Kulturtechniken müssen deshalb ebenso die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden.“ (Pkt. 2.3.2.)

Es waren aber Sparsamkeit, Ordnung, Fleiß und Bescheidenheit die traditionellen preußischen Tugenden, später kamen Drill, Gehorsam und Disziplin dazu. Nicht zu vergessen sei die dem Preußentum eigene Gottesfürchtigkeit und die Obrigkeitshörigkeit. Letztere versteckt sich unter der Disziplin, dem Gehorsam und dem Pflichtbewusstsein.

Da wird kein Platz mehr sein für eine „bunte Republik“, es wird wieder grau.

Warum versteht sich die AfD so gut mit Putin & Co.? Weil auch dort schon das einheitliche Grau(en) wieder hergestellt wird. Repressionen gegen Homosexuelle, gegen Künstler und andere „bunte Vögel“ sind an der Tagesordnung – im Sinne der (preußischen) Staatsräson. Der so geschaffene und kommunizierte Feind im Inneren ist geschichtlich gesehen ein bewährtes Instrument jeder Diktatur. Besonders perfide ist die quasi Rückkehr zur Begründung „Schädigung des Volkskörpers“, indem das Fremde Einzug in Familien- und Bildungspolitik hält.

Bürgerarbeit oder Arbeitsdienst?

Zum Abschluss noch eine Forderung der AfD Hamburg, hier gestellt von Jens Eckleben. Dieser war früher in der Partei „Die Freiheit“ die vom bayrischen Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft wurde.

„Die AfD Hamburg setzt sich für ein Pilotprojekt „Bürgerarbeit statt Hartz IV“ ein. Unter Bürgerarbeit ist die Ausübung gemeinnütziger Arbeit durch Langzeitarbeitslose zu verstehen, die nicht in Konkurrenz zum Arbeitsmarkt steht. [..] Den Langzeitarbeitslosen wird die Ausübung sinnvoller Tätigkeiten eröffnet und die Gesellschaft enthält einen Gegenwert für die Unterstützungsleistungen. […] Bürgerarbeit kann für viele der Betroffenen einen Ausweg bieten.“

In Sachsen-Anhalt fordert die AfD das für Arbeitslose ohne Deutschen Pass.

Eine Erklärung sei mir gestattet: „Nicht in Konkurrenz zum Arbeitsmarkt“ bedeutet, dass durch diese Maßnahme auch keine Perspektive an diesem geschaffen wird. Die so genannte Bürgerarbeit ist kein Ausweg.

Fazit:

Wenn ihr AfD wählt, dann wählt ihr die preußischen Tugenden – da müsst ihr dann die Bürgerarbeit in Kauf nehmen. So im Sinne von Disziplin, Pflichtbewusstsein und Staatsräson.

Oder ihr überlegtes euch nochmal.

P.S. Die klassischen preußischen Tugenden, besonders Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn und Ehrlichkeit, sollen natürlich nicht für die führenden Kader der AfD gelten, zumindest nicht unbedingt. Sonst würde sich der Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt wohl nicht vor der Justiz verstecken.

*Pitt-Rivers, Julian (1977/1992): Das Gastrecht, in: Almut Loycke (Hrsg.): Der Gast der bleibt: Dimensionen von Georg Simmels Analyse des Fremdseins. Frankfurt a. M./New York: Campus, S. 17–41.

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Wer mit wem und warum?

Die Frage stellt sich bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl eigentlich nicht. Die CDU/CSU führt mit der SPD Koalitionsverhandlungen. Mein Tipp, es gibt eine große Koalition.

Verhandelt wird ja nur über die Ministerposten für die SPD und die so genannte Steuererhöhung, zumindest wenn man der Berichterstattung* glauben darf.

Ersteres ist relativ uninteressant, das Zweite ein glatter Wahlbetrug.

Ein Wahlbetrug nicht von Seiten der CDU/CSU sondern von Seiten der SPD. Diese hatte in ihrem Regierungsprogramm (S66 ff) viele Vorschläge für eine weitreichende Steuerreform gemacht. Übrig geblieben ist die Reichensteuer. Wo bleibt der Partnerschaftstarif? Zu dem heißt es dort:

„Mit dieser Umgestaltung passen wir das Steuerrecht in einem ganz zentralen Bereich der Einkommensbesteuerung den Realitäten unserer heutigen Gesellschaft an und erreichen mehr Steuergerechtigkeit. Darüber hinaus wollen wir Alleinerziehende steuerlich gerechter behandeln.“ [1]

Wo bleibt die Transaktionssteuer, wo der Abbau von Subventionen?

Eine Steilvorlage für CDU/CSU die ihren Wählern ja nur erklären müssen, dass die sog. Steuererhöhung sie kaum betrifft. Die wirklich Reichen haben nach wie vor Instrumentarien zur Steuervermeidung. Sie zahlen ja jetzt schon kaum wirklich den Spitzensteuersatz. Dieser ist nur eine Berechnungsgrundlage.

Man bedenke, dass von 118 Seiten eines Wahl Regierungsprogramms gerade mal ein Absatz als wichtig für die Koalitionsverhandlungen erachtet wird – von Seiten der SPD.

Wenn also die SPD die Reichensteuer durchsetzt und sonst nichts, dann hat sie sich für ein paar Ministerposten verkauft. Und sie wird das noch als Sieg feiern.

Warum also nicht eine Minderheitsregierung durch CDU/CSU?

Würde diese zur Regierungsunfähigkeit führen?

Ja, das würde sie wohl, aber nicht weil die Anderen alles anders machen würden. Sondern weil sie selbst vernünftige und gute Vorschläge blockieren würden. Weil sie es könnten!

Wen interessiert schon das Volk?

Ich habe CDU nicht gewählt und ich bin mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Neuwahlen sind für mich aber auch keine Alternative. Aber dieses Koalitionspoker ist würde- und nutzlos.

*Der Artikel ist nur zur Illustration gedacht

[1] SPD – Das Regierungsprogramm 2013-2017, S. 67