Angst vor dem Lachen – Terror gegen das Lachen

„Doch wenn eines Tages die Kunst des Lächerlichmachens annehmbar würde und nobel erschiene und hochherzig und nicht mehr gemein wenn eines Tages jemand sagen könnte (und dafür Gehör fände): Ich lache über die Inkarnation … dann, William, dann hätten wir keine Waffen mehr, um diese Lästerung einzudämmen…“

So wortgewaltig lässt Umberto Eco den Mönch Jorge gegen das Lachen wettern*, gegen das Lachen welches die Angst besiegt.

Je_suis_Charlie_2-770d0e1d418f307dDas Lachen, durch Beschreibung der Lächerlichkeit und durch Verächtlichmachung, ist der Feind der Diktatoren und der Dogmen. Heute sind wir zumeist schon längst dabei genau das zu tun wovor sich der fiktive Jorge fürchtete.

Die Satire lässt uns Ängste weglachen, gute Satire vermag aber mehr – sie lässt uns über die Gründe für die Lächerlichkeit nachdenken.

Mohammed, der Prophet des Islam, war nach einigen Beschreibungen sehr empfindlich gegen Spott. Einige Quellen behaupten, dass er die jüdischen Bewohner von Jathrib (Medina) bekämpfte weil sie ihn verspotteten. Nur, damit stand er nicht allein.

Bereits im alten Testament, welches die Quelle für Judentum, Christentum und Islam ist, steht:

„Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott,“ (2. Mose, 20:5)

Dies wird aber präziser in anderen Bibelausgaben als „eifersüchtiger Gott“ übersetzt.

Eifersüchtig zu sein verträgt sich nicht mit Spott, wenn ein eifersüchtiger Mensch für seine Eifersucht verspottet wird kommt es oft zu Gewalttaten. Ein Menschen-Gott vernichtet dann ganze Völker, laut den Überlieferungen.

So wurde und wird in Diktaturen, Auto- und Theokratien die Satire streng reglementiert, damit sie nicht über das erlaubte Maß hinausgeht. Satire darf in diesen Gesellschaften viel, sie darf die Menschen zum Lachen bringen über Mißstände im System – aber nie über das System oder den Diktator.

Wenn Menschen über das System und den Diktator lachen, dann verlieren sie die Angst und das ist das Ende des Systems.

Auch wenn ich, mit den Bemerkungen über Mohammed, über den Islam sprach, diese Angst der Herrschenden oder Religionsführer vor der Satire ist nicht nur dem Islam eigen. Satire gegen Religion ist auch für Westeuropa ein heikles Thema.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde der juristische Tatbestand der „Verspottung von anerkannten christlichen Kirchen“, § 166 StGB, erst 1969 neu gefasst. Heute ist dieser Spott nur noch strafbar „wenn er geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören“ und auf Beschimpfung des „religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer“ erweitert, was immer man darunter versteht. Von diesem Paragraphen kann Satire immer noch betroffen sein. Es ist keine Satire, dass die CDU 2002 die Einschränkung „Störung des öffentlichen Friedens“ streichen lassen wollte.

In anderen westlichen Ländern steht die Verspottung der Religion auch heute noch unter Strafe, so in Österreich: Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 Strafgesetzbuch) oder in der Schweiz: Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit (Artikel 261 Strafgesetzbuch). In beiden Ländern ist der Begriff nach wie vor auf die reine Verspottung, also auch auf die Satire anwendbar.

Das Leben des Brian“, 1979 erschienen, ist ein hervorragendes Beispiel wie auch in der westlichen Welt gegen Satire vorgegangen wurde und jederzeit wieder vorgegangen werden kann.

Satire ist wesentlich gefährlicher als Wissenschaft für die Religionen, das ist deutlich zu sehen wenn man sich nachfolgende Beispiele betrachtet.

Am 12. September 2006 hielt Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger) eine Vorlesung, die mit dem Papstzitat von Regensburg in die Geschichte einging. Diese Vorlesung war eine wissenschaftliche, im Sinne der Geschichtswissenschaft, Betrachtung die vermeintlich den Islam herabwürdigte. Es liegt mir hier fern über das Zitat zu urteilen, aber die Reaktionen hielten sich in Grenzen. Zwar bezeichneten einige muslimische Religionsführer die Rede als Hasspredigt, aber letztendlich endete die ganze Sache in einem Disput.

Anders bei den Mohammed-Karikaturen, die am 30. September 2005 von der Jyllands-Posten veröffentlicht wurden. Wenn auch zeitverzögert, führten diese zu Anschlägen und Drohungen.

Was folgt für mich daraus?

Satire ist eine Waffe, weil:

Wer über etwas lacht hat davor keine Angst!

Wenn Menschen über Thesen lachen, die zu einem heiligen Krieg – egal im Namen welcher Religion – führen, dann melden sie sich nicht freiwillig.

Deshalb brauchen wir die Satire, die Cartoonisten und die Pressefreiheit.

Deshalb gibt es Terror gegen das Lachen – die Protagonisten des Extremismus und Fundamentalismus haben Angst vor dem Lachen.

Antiislamismus ist keine Antwort auf den Anschlag gegen Charlie Hebdo, die Instrumentalisierung der Opfer, egal zu welchem Zweck, ist unwürdig.

Der Kampf gegen Satire ist nicht spezifisch muslimisch, auch andere Religionen oder Ideologien können Terroristen hervorbringen.

Nicht zu vergessen ist:

Viele Muslime distanzieren sich von dem Anschlag , besonders jene Muslime die vor dem Islamismus zu uns geflohen sind.

Edit:
Nachdem ich mehrfach darauf angesprochen wurde: Ja ich bin mir dessen bewusst, dass die islamischen Fundamentalisten ihre Anhänger effektiver radikalisieren können – zur Zeit. Dafür gibt es viele Gründe, diese zu betrachten ist nicht Bestandteil dieses Artikels.

Leipzig, 09.01.2015

 

* Eco, Umberto, Der Name der Rose, ISBN 3-353-00108-5, S. 482
Bildquelle: http://www.chip.de/news/Je-suis-Charlie-Netz-Solidaritaet-nach-Anschlag-auf-Satiremagazin_75431679.html

Ich distanziere mich nicht – ich bin schließlich Pirat!

Ich wollte nicht über die Vorgänge in den letzten Tagen schreiben, schon gar nicht Öl in das Feuer gießen – aber ich muss mich mal nicht distanzieren. Schon gar nicht von meiner Meinung.

Kurzfassung des Geschehenen: Zwei junge Frauen präsentierten ihre Brüste mit einem Slogan.

Das war ihre Entscheidung, mit den Folgen müssen sie also m.E. nach umgehen können. Allerdings ist zumindest eine Mitglied der gleichen Partei der ich auch angehöre. Somit wurde dieser Akt der Selbstdarstellung zum Politikum.

Egal, interessiert mich nicht wirklich.

Wichtiger für mich war die nachfolgende Diskussion und ihre Un-Kultur über den 2. Weltkrieg, den Nationalsozialismus und natürlich den Bombenangriff auf Dresden.

Dabei fiel von einem, mir wirklich sympathischen wichtigen, Piraten das Wort „Opferrolle“ in Bezug auf die deutschen Toten des 2. WK, wieder besonders die Bombentoten von Dresden. Diese sei „angemaßt“.

Mein Statement dazu:

1. Die Bombentoten in Dresden, die Nichtkombattanten, sind Opfer!

Sie sind Opfer des 2. Weltkrieges, der von den Nationalsozialisten begonnen wurde.

Sie sind Opfer des Nationalsozialismus.

2. Der Bombenangriff auf Dresden war ein Akt des Terrors!

Terror in der Wortbedeutung „Schrecken“. Er sollte kein militärisch wichtiges Ziel zerstören – er sollte bewusst Schrecken verbreiten. Die Moral der Bevölkerung und der kämpfenden Truppen sollte erschüttert werden. Dieser Angriff gehörte, so absurd das klingt, zur psychologischen Kriegsführung. Da braucht man keine nicht produzierten Gewehre für den Volkssturm zu zählen. Diese waren nicht das Ziel. Ich spekuliere hier nicht über Kriegsverbrechen. Das Ziel dieses Angriffs bestreiten nicht einmal die britischen und amerikanischen Zeitzeugen.

3. Harris, genannt Bomber-Harris, war wahrscheinlich ein (sorry) rassistisches A…loch. Das geht aus seiner kolonialen Vergangenheit und einigen dokumentierten Äußerungen für mich eindeutig hervor. Also „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – ohne mich. Zu bedenken ist hier auch, dass wenn die Alliierten den Krieg gegen Nazi-Deutschland generell auf diese Art geführt hätten, die Protagonisten der Aktion nicht da wären um Harris zu danken.

Eines der meist gebrauchten Worte in dieser Diskussion (eher ein Akt der gegenseitigen Beschimpfung) war der unsägliche Begriff Geschichts-Relativismus.

Die Toten von Dresden als Opfer zu bezeichnen ist kein Geschichts-Relativismus. Der Kontext in dem man sie als Opfer bezeichnet ist wichtig (s.o.).

Hier haben beide Seiten versagt. Die einen bezeichnen sie als Opfer der Briten, die anderen sprechen ihnen den Opferstatus ab.

Diese Diskussion ist absurd.

Viel wichtiger ist es die Schreihälse, egal auf welcher Seite sie stehen, aufzufordern mal zu artikulieren wofür sie eigentlich stehen.

Ich habe diese anti-Statements so was von satt!

Vielleicht sollte ich mal genauer beschreiben was ich meine.

Ich bin für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und immer für die freie Meinungsäußerung.

Daraus resultiert, dass ich gegen alle bin, die mir und allen anderen dies verwehren wollen.

Dazu gehören Nazis und alle anderen die dies tun. Dazu gehören besonders die, die sich jetzt mit Mordaufforderungen an den o.g. jungen Frauen im Internet breit machen. Davon distanziere ich mich nicht – das verurteile ich!

Ich identifiziere mich nicht über Gegnerschaften – ich identifiziere mich über Ziele.

Eines tröstet mich. Ich bin nicht der einzige.

Vielleicht werden ja noch einige „Antis“ morgen dazu gehören. Wenn sie dann mal sagen wofür sie sind.

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P.S. Ich werde also heute einfach weiter machen mit dem technokratischen Thema Verkehrspolitik und ÖPNV. Ist mir wichtiger als Gezeter.