PRISM – Applaus oder Protest?

Da ich hier niemandem zu nahe treten möchte, nehme ich meinen imaginären BILD lesenden Nachbarn. Dieser ist einigen Lesern meiner G+ Ergüsse aus dem letzten Jahr bekannt. Letztens hatten wir also eine Diskussion über PRISM und die USA im Allgemeinen. Natürlich verurteilte er die Ausspähung unserer privaten Daten aufs Schärfste.

Allerdings erinnerte ich ihn an einige vorherige Gespräche, da wurde er doch etwas nachdenklich.

Worum ging es nun eigentlich? Klar, es ging um das Fernsehen und beliebte US-amerikanische Serien. Um nur zwei zu nennen, es ging um Navy CIS LA und Numbers.

Der gesetzestreue Bürger freut sich ja nun immer, wenn der smarte Gesetzeshüter den Bösewicht, nicht nur mit Brachialgewalt sondern mit Grips und Technik, ermittelt und aus dem Verkehr zieht.

Da werden die Schilderungen über PRISM im Alltag billigend in Kauf genommen, ja es wird sogar applaudiert.

Beispiel gefällig?

In Navy CIS LA wird der Aufenthaltsort eines Verdächtigen ermittelt indem sein Foto mit den aktuellen Postings in Facebook abgeglichen wird. Er ist demzufolge in einer Disco und wird dort verhaftet. Applaus!

Ständig werden Verbindungsdaten aus den letzten Jahren zu Rate gezogen, Emails die von Rechnern gelöscht werden über die Provider wieder ans Licht geholt und das Internet wird zur Verbrechensbekämpfung genutzt. Besonders die sozialen Netzwerke spielen immer wieder eine große Rolle.

Warum sind wir nun alle so erstaunt, mein lieber Nachbar?

Weil es uns betrifft!

Wer hat uns denn bei der Fernsehunterhaltung versprochen, dass nur die Daten der Bösewichte überwacht werden?

Ein kleiner Ausflug noch in die Literatur.

Im Jahr 2000, in Deutschland regierte die rot-grüne Koalition, erschien ebenda das Buch eines amerikanischer Schriftsteller über Abhör- und Spionageoperationen. Er schildert dort auch deren Geschichte.

Nach einem kurzen Abriss über die Entwicklung der Telefonie bis hin zur Erfindung der Wählscheibe, lesen wir:

Diese Technik (Wählscheibe) war ein großer Gewinn, nicht zuletzt für die Mathematik, die um ein neues Teilgebiet erweitert wurde, nämlich um die Kombinatorik*) , die während der 30er Jahre von der amerikanische Gesellschaft AT&T systematisiert wurde. Zehn Jahre später nutzte der besagte holländische Ingenieur diese Rechenmethode zur Erstellung virtueller Pfade innerhalb der Relaisstationen, womit er den Widerstandskämpfern die Möglichkeit verschaffte, Mitstreiter anzurufen, ohne dass der Anrufer oder der Angerufene lokalisiert werden können. [1]

Es folgt ein kurzer Abschnitt über das Bekanntwerden dieser Technik bei den Geheimdiensten, besonders dem OSS und über die Verwertung dieser Erkenntnis in Zusammenarbeit mit AT&T. Ab 1955 wurde dann das System internationaler Standard, der historische Abriss geht bis zu den 70er Jahren mit Tastentelefonen und Frequenzwahl. Er endet mit der Zusammenfassung:

Dieses, im AT&T-eigenen Forschungslabor in Parsippany, New Jersey, entwickelte und der Welt zur Verfügung gestellte Telefonsystem wurde in den Folgejahren immer wieder verbessert und ausgebaut, so dass schließlich fast alle Welt einheitlich vernetzt war. Und eingebettet in dieses System war ein 6-zeiliger Binärcode, der auf die Idee eines holländischen Widerstandskämpfers zurückging. [1]

Applaus!

Übrigens, im selben Kapitel beschreibt er auch noch etwas heute völlig Neues.

Es wird ein Spionageprogramm auf einem Computer installiert und dabei nistet es sich in eine Nische des Betriebssystems, der neuesten Windows-Version, ein.

„Diese Nische war von einem Microsoft-Mitarbeiter eingerichtet worden, der ohne das Wissen seines Arbeitgebers, diesen patriotischen Dienst geleistet hatte…“ [1]

Applaus!

Der Mann, der dies schrieb, ist nun natürlich kein Whistleblower. Er erfreut sich bester Beziehungen zu den Diensten in den USA.

Mal ehrlich, lieber Nachbar, warum staunen Sie nun über Snowdens Enthüllungen?

Warum regen Sie sich auf?

Bisher haben Sie applaudiert.

Oder dachten Sie, dass das alles nur Fiktion war?

Armer Nachbar …

Eine kleine persönliche Anmerkung sei gestattet. Es geht hier nicht um eine Verteidigung von PRISM. Mir geht es nur darum zu erläutern, warum mein Nachbar, die Bundesregierung, Deine Mudda und wir alle eigentlich nicht über die neuen Erkenntnisse staunen müssten. Wir wussten doch alle was möglich ist. Waren wir so naiv zu glauben, dass niemand das Mögliche tut?

*) Übrigens, Prof. Charlie Eppes in Numbers beschäftigt sich immer wieder mit Kombinatorik. (unnützes Wissen)

[1] Clancy, Tom „Im Zeichen des Drachen“(The Bear and the Dragon), Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG München, 3. Auflage, 2000, ISBN 3-453-18048-8, S. 213 ff)

Cui bono …

oder, warum halten wir Geheimdienste für blöd?

Verzeiht mir die sprachliche Entgleisung im zweiten Teil des Titels, aber ich kann einfach nicht mehr.

Es geht, wie zur Zeit nicht anders zu erwarten, um Edward Snowden und seine Enthüllungen. Da frage ich mich doch erst einmal „Was ist eigentlich passiert?“

Bevor ich dazu komme verweise ich wie immer auf die Packungsbeilage. Ich äußere hier also nur meine Meinung. Es ist auch nur ein mögliches Szenario.

Also los geht’s.

E.S. ist, von seinem Lebenslauf her, ein junger konservativer US-Amerikaner. Ich gehe hier nicht weiter auf seine Biographie ein. Dafür gibt es Quellen. Auch ist nicht er mein Thema, dazu aber später.

Jetzt kommt die Verschwörungstheorie!

Die Möglichkeit Mobilfunk und Internet „abzuhören“ und die Daten zu sammeln betrachte ich als gegeben. Aber die Analyse der Daten ist eher problematisch. Hier ist nicht die Rede von Bewegungsprofilen oder Ähnlichem. Nein es geht um harte Fakten.

Da stößt die Maschine an ihre Grenzen, da muss der menschliche Analytiker ran.

Nehmen wir also mal an, der Chef der NSA musste den Offenbarungseid leisten und zugeben, dass seine Agentur diese Analysen nicht durchführen kann. Was sollten die Geheimdienste wohl tun?

Sie tricksen und täuschen. Am besten behaupten sie einfach, dass sie es können.

Natürlich ist diese Behauptung wertlos, wenn sie von ihnen selbst kommt. Da entstehen Zweifel. Also muss ein „Verräter“ ran. Nur mal zur Erinnerung, so arbeiten Geheimdienste schon immer. Da es hier aber nicht um den „Verrat“ an einen gegnerischen Staat geht, brauch man keinen Überläufer. Man braucht einen „Whistleblower“. Schließlich soll die Öffentlichkeit, inklusive aller möglichen Feinde, getäuscht werden. Der Vorteil dieser Täuschung liegt auf der Hand. Die Kommunikation vermeintlicher Gegner wird, allein durch die Möglichkeit der Enttarnung, behindert. Der „Shitstorm“ ist nebensächlich, man nimmt ihn in Kauf. Schließlich ist man ja stark und mächtig.

E.S. ist nun in zwei Szenarien vorstellbar. Das Erste, er weiß das und spielt mit. Das Zweite wäre, er wird benutzt. Eigentlich egal, genauso wie der „Shitstorm“ im Internet.

Wenn da nicht eine Kleinigkeit wäre.

Wir gehen ja immer davon aus, dass die Geheimdienste der USA konservativ und politisch eher den Republikanern zugeneigt sind.

Nun sagt E.S.:

„Ich erkannte, dass ich Teil von etwas geworden war, das viel mehr Schaden anrichtete als Nutzen brachte.“ [1]

Er hätte dies bereits 2007 erkannt und von einer Veröffentlichung abgesehen, weil Obama Präsident geworden sei. Sozusagen er hätte ihm vertraut.

Im Klartext heißt das, er ist von Obama enttäuscht worden.

Das ist eine tolle Sache, in dem Zusammenhang.

Der Held wurde von Obama enttäuscht!

Der Held wurde von den Demokraten enttäuscht!

Wen wählt der US-Amerikaner, wenn er nicht die Demokraten wählt?

Wovon ging ich doch aus? Wem sind die Geheimdienste zugeneigt?

Wem nützt das Ganze?

Wie gesagt, nur eine These. Aber sie würde die schlampigen Sicherheitsvorkehrungen bei der NSA erklären. Sie würde erklären warum ein junger Mann aus konservativen Verhältnissen und mit einem ebensolchen Lebenslauf zum Whistleblower wurde. Eigentlich erklärte sie fast alles was fraglich ist.

Oh Gott, wenn das wahr wäre und die NSA das liest.

[1] Hannah Beitzer, Oliver Klasen: Whistleblower Edward Snowden: Allein gegen die Supermacht. sueddeutsche.de, 10. Juni 2013