Im persönlichen Leben bin ich eher zurückhaltend,

aber gestern musste ich mich doch wieder mal in ein „Fremdgespräch“ einschalten. Nicht weil der Eine, der Ältere, sagte „Ist mir doch egal wenn Geheimdienste meine Mails lesen.“ Eher wegen der verqueren Argumentation des Jüngeren, der die Wichtigkeit des Schutzes der  Privatsphäre erklären wollte.

Er erklärte ausschließlich die Auswertung der Daten durch Geheimdienste als Problem. Da musste ich mich einfach einschalten.

Dass diese ein großes Problem ist habe ich schon mehrmals beschrieben, nicht nur ich. Aber ich habe auch schon darauf hingewiesen, dass eine Argumentation nur mit NSA & Co. wenig hilfreich beim Umgang mit dem unpolitischen Mitbürger ist. Sascha Lobo* hat dies auf den Punkt gebracht mit seiner Aussage

„Es ist nicht so schlimm, wenn der Staat online mitliest – solange die Nachbarn nichts erfahren.“

Den o.g. unpolitischen Mitbürger interessieren die Geheimdienste einen Dreck. Er meint „Aus der Nummer komme ich immer wieder raus!“ und meint damit den eventuellen Verdacht der Teilnahme an kriminellen oder terroristischen Aktivitäten.

Er hat Recht, da kommt er wieder raus, aber zu welchem Preis?

Eine kleine historische Parallele sei mir hier erlaubt. Die heilige Inquisition stellte ja nicht nur Ketzern nach, sie verfolgte  auch mit Vehemenz Andersgläubige, z.B. Juden, auch nach dem Übertritt zum Christentum.

Hätte nun dieser Einrichtung das Instrumentarium „Big Data“ zur Verfügung gestanden, dann wären die sozialen Netzwerke eine wahre Fundgrube gewesen.

Ein Beispiel gefällig? Mein Kollege L. ist Veganer, er isst also kein Fleisch und keine tierischen Produkte. Über religiöse Vorlieben weiß ich nichts, ist mir auch egal. Nun postet also auf facebook einer seiner Freunde, dass er gerade einen schönen leckeren Schweinebraten gegessen hat und L. äußert einfach „Finde ich eklig.“ Ein halbes Jahr später postet L. an einem Freitagabend, dass er nach getaner Hausarbeit, er schreibt vom Wäschewaschen und Wohnung putzen, einen entspannten Abend im Kreise seiner Familie bei Kerzenschein verbringt. Völlig banal das Ganze.

Die Auswertung von Big Data durch die Inquisition ergibt aber, dass L. Jude ist. Er verweigert Schweinefleisch, am Freitag wäscht er seine Wäsche, räumt seine Wohnung auf  und er zündet den Kerzenleuchter am Vorabend des Sabbat an**.

Vielleicht wäre er aus dieser Nummer wieder rausgekommen, aber ein dokumentierter Verdacht wäre geblieben. Dieser hätte ihm später durchaus das Leben schwer machen können.

Nun mag ja der /die Eine oder Andere einwenden, dass die Auswertung ja automatisch das Ergebnis „Veganer“ und „hatte an dem Tag Geburtstag“ ergeben hätte. Dem ist aber nicht so. Big Data und die Auswertung von Datenspuren suchen nach Stichworten, nicht nach Gründen. Eine gute Beschreibung findet man bei E. Morozov*.

Das Beispiel diente natürlich nur zur Illustration wie Big Data funktioniert. Nun zu den Geheimdiensten die für den unpolitischen Mitbürger kein Problem sind. Sie tun genau dies, sie sammeln Daten und suchen nach Stichworten, Orten und Verbindungen. Das mag mir egal sein, aber sind die Geheimdienste die einzigen die dies tun?

Das Instrument wird auch von meiner Bank, meinen Versicherungen, meinem Arbeitgeber, meinem Vermieter, dem Arbeitsamt und Anderen benutzt. Sei es auch „nur“ über Unternehmen wie Creditreform, Infoscore und anderen. Nicht meine wirklichen Lebensumstände, meine wirklichen Interessen und Aktivitäten und weitere Daten werden damit geprüft, es werden Stichworte gesammelt und ausgewertet.

Ich poste mehrfach über Extrembergsteigen, Paragliding – schon bin ich in einer Risikogruppe für Versicherer.

Ich schreibe über Luxusautos, Fernreisen und teure Zigarren – das Jobcenter prüft meine Unterlagen für den Bezug von Hartz IV.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, ich glaube aber das ist nicht nötig.

Gestern war es nicht nötig der Ältere, der unpolitische, verstand worum es mir ging.

Seine einzige Äußerung war „Mir wird übel!“ – er meinte nicht mich und meine Argumentation.

Er denkt darüber nach.

Das ist doch schon etwas, oder?

P.S. Der Artikel bezieht sich natürlich auf den Nutzer von sozialen Netzwerken und dem Internet im Allgemeinen. Über die Nichtnutzer dieser Dienste sei gesagt, dass sie Big Data auch nicht entgehen. Dazu später

* Das Verlinken der Artikel bedeutet nicht automatisch Zustimmung zum gesamten Artikel. 

** Die Beschreibung des Sabbatfestes und des Vortages ist an mehreren Stellen zu finden. Wer es einfach will findet diese auf Wikipedia.

Wie haben wir uns das eigentlich gedacht,

die Sache mit Internet, Verschlüsselung uws?

Das soll jetzt keine Verschwörungstheorie werden, nein es soll aus meiner Sicht einige Vorgänge um die aktuellen Ereignisse zeigen.

Fangen wir also mal mit den Märchen um die Computertechnik und das Internet an.

Es klingt irgendwie immer nach bärtigen, Rotwein trinkenden Studenten und Ähnlichem.

Weit gefehlt. Man sollte sich erinnern, dass in den USA die ersten ernsthaften Schritte der Computertechnik im Rahmen des Manhattan-Projektes und überhaupt des Militärs gegangen wurden. Die Vernetzung von Rechnern ist auch, wenn auch nicht nur, im militärischen Bereich zeitig nachweisbar.

Beschränken wir uns auf die USA, so finden wir die digitale Speicherung und Verarbeitung von Daten bei Militär und Geheimdienst bereits in den 60er Jahren. Im Rahmen des kalten Krieges wurden Mathematiker, Kybernetiker und andere Wissenschaftler aus dem Ostblock, bevorzugt Russland, abgeworben und mit gut dotierten Stellen bei Geheimdiensten, Militär, in der Wirtschaft und an Universitäten belohnt.

In diesem Zusammenhang noch folgender Hinweis. Der Militärisch-Industrielle Komplex ist keine Erfindung der bösen kommunistischen Propagandisten. Bei der Betrachtung möchte ich hinzufügen, dass 1956 die Geheimdienste meist dem Militär zugehörig betrachtet wurden.

Zurück zur Ausgangsfrage. Was haben wir denn gedacht?

Bei der geschilderten Ausgangslage haben wir gedacht, dass „Don’t be evil“ eine wirkliche Bedeutung hat. Wir haben darauf vertraut, dass die Entwicklung der Computertechnik und des Internet in den Händen von smarten Jungs (und Mädels) liegt, die nur unser Bestes wollen. Stimmt auch. Aber wir haben eben auch gedacht, dass sich Geheimdienste, Militär und Industrie nach Anfangserfolgen zurückgelehnt haben, in Tiefschlaf verfallen sind und erst heute aufgewacht sind. Heute versuchen sie wie verrückt Verschlüsselungen zu knacken, in Netzwerke einzudringen und Ähnliches.

NSA, CIA, FBI, Secret Service und andere deren (positiv gesehen) Aufgabe darin besteht den US-Staat und dessen Bürger zu schützen haben m.E. nach die ganzen Jahre intensiv und mit riesigen Ressourcen versehen auf diesem Gebiet gearbeitet. Durch die Verflechtung Geheimdienst-Militär-Wirtschaft-Universitäten gibt es gewiss auch eine Reihe von jungen patriotischen US-Amerikaner/innen, die freiwillig Zuarbeit leisten.

killed-SSL

In den USA hat die Kontrolle der Kommunikation eine lange Tradition. Missbrauch der US-Post wird bestraft, Telefonüberwachung ist spätestens seit der McCarthy-Ära Ermittlungsstandard.

Ich wundere mich da nicht wirklich über das heutige Ausmaß der Überwachung.

Das ist aber kein Grund diese zu akzeptieren und zu resignieren.

Was also tun?

1. Sensibilisierung für das Thema ist gefordert. Sachliche Aufklärung, durchaus auch auf emotionaler Ebene, über das Problem „Was bedeutet das für mich?“  ohne Angst zu schüren.

2. Strategien zum Schutz vor den Auswüchsen der Überwachung müssen gefunden werden. Ich meine nicht neue Verschlüsselungstechniken, diese sind wirkungslos wenn es um Bewegungsprofile geht. Die Frage „Wer darf Daten speichern und verarbeiten?“ verbunden mit ernsthaften Konsequenzen bei Missbrauch steht für mich im Vordergrund.

3. Die Regierungen müssen sich nun endlich dieses Themas annehmen. Im Interesse ihrer Bürger, die dies natürlich erst mal in der Masse einfordern müssen. Auch wenn es für Staaten und deren Regierung teils dem Eigeninteresse widerspricht.

Dazu brauchen wir aber erst einmal neuen Wind in der Politik.

Am 22. September gibt es dazu Gelegenheit.

Bildquelle: Internet keinen eindeutigen Urheber gefunden gesehen bei https://plus.google.com/u/0/117194873762727127698/posts/84rF3dSoFCb

Bundestagswahl 2017 – Ohne Piraten – Ich hab nichts zu verbergen

Ostern 2019, die Europawahl und Kommunalwahlen stehen bevor. Ich habe den alten Artikel etwas „aufgehübscht“. Die „Zukunft“ die im Artikel beschrieben wurde ist da, wir haben jetzt Artikel 13, TERREG und ähnliches. Nur mal für alle die meinen, dass wir Piraten übertreiben.

Leipzig, 29.08.2017

 Liebe Oma,

da hättest Du mich doch bald angesteckt mit Deiner Paranoia. Weißt Du noch als wir uns über die BTW 2013 unterhielten und du meinen Einsatz für die CDU kritisiertest. Ich kann nicht verstehen, dass eine ehemals intelligente Frau sich mit den Piraten identifizierte. Ja, ja die beginnende Demenz.  Aber was solls, die sind weg und mit ihnen der Aufschrei um Privatsphäre. Die schützen wir nämlich jetzt.

Besuchen kann ich Dich zur Zeit leider nicht. Ich habe nämlich ziemlichen Stress.

Vielleicht erinnerst Du dich, dass vor einigen Wochen diese Drogenküche neben Deinem Altenheim hochgenommen wurde. Vor drei Tagen bekam ich nun Besuch von der Polizei, ich dachte die wollten mich als Zeugen. Aber irgendwie gab es da ein Missverständnis. Die waren der Meinung, dass ich dazu gehörte und es fiel schwer sie davon zu überzeugen, dass ich nur Dich besucht hatte. Was ich überhaupt nicht verstehe ist, dass irgendwann die Frage auftauchte „Warum haben Sie dann immer Ihr Handy ausgeschaltet, wenn Sie dort waren?“. Na die Bullen sind halt nicht so helle.

Auch das Problem mit meiner „Erkrankung“ wird sich schnell klären. Meine Besuche beim Psychiater und die angeforderten Informationen über Demenz hängen natürlich mit Dir zusammen. Da muss wohl irgendjemand mich vor der Praxis gesehen haben und wahrscheinlich hatte ich eine der Broschüren mal im Wahlbüro liegen lassen. Peinlich ist es nur, dass ich mich da vor dem Ortsvorstand rechtfertigen musste. Ist gerade nochmal gut gegangen. Aber jemand will mir wohl ans Leder, denn meine Krankenkasse hat mich zu einem Gutachter geschickt.

Ist ja nur gut, dass meine Frau zu mir stand, als mein abnormes Sexualverhalten (hihi) zur Sprache kam. Der J., du weißt schon, dieser kleine W…ser hat das wohl ins Spiel gebracht. Streitet er natürlich ab. Wir hatten zusammen ein Schwulenvideo gekauft, allerdings mit meiner Karte bezahlt. Das hatten wir dann Schorsch in den Schrank gelegt um ihn zu ärgern. Ich weiß nicht mehr was damit passierte, hab nie wieder was davon gehört. Ich denke mal der J. hat das ins Spiel gebracht, weil er neidisch ist. Er ist nur Platz 3 auf der Liste und ich war Platz 1.

Ja ich war. Ich kann ja verstehen, dass ich von der Liste musste so lange die „Vorwürfe“ nicht aus der Welt sind.

Aber ich vertraue auf unser Rechtssystem, das des Staates und das meiner Partei.

Ich habe nichts zu verbergen.

Ich habe ja nichts getan.

Ich kämpfe weiter für unseren Wahlsieg.

Liebe Grüße

Dein Enkel.

P.S. Da dieser Brief aus der Zukunft zu mir kam, kann ich natürlich nicht sagen was aus dem hoffnungsvollen CDU-Kandidaten wurde.

Bildnachweis: under CCO by geralt