Abheuern bei den Piraten

scheint im Moment ein Volkssport zu sein.

Wenn ich manchmal traurig bin, schreib ich einen Rant. Also schreib ich jetzt.

Ehrlich gesagt, es wundert mich nicht wenn Christopher Lauer und Oliver Höfinghoff gehen. Schließlich und endlich war, nicht nur für sie, der aBPT in Halle ein Putsch der sozialliberalen (mir hat immer noch niemand erklärt was das ist) Parteimitglieder.

Ich war auf dem aBPT und habe auch darüber geschrieben. Selbstverständlich waren die angereisten Piraten Putschisten, die den armen @schmidtlepp aus seinem Amt, welches er nicht innehatte, heraus putschten.

Mit fragwürdigen Wahlergebnissen wurden Stefan Körner und seine Putschistenclique von den Sozialliberalen (was war das doch nochmal) ins Amt geputscht. Habe ich auch so, oder ähnlich, beschrieben.

Das letzte Aufgebot der Aufrechten (nennt sich übrigens Progressive) versammelte sich im Foyer und gründete sofort eine revolutionäre Gegenbewegung gegen die Obristenherrrschaft.

Die lauten Proteste dieser Aufrechten wurden von den paramilitärischen Saalordnern niedergeknüppelt. Die Opposition zog sich aus Gründen des Selbstschutzes ins Twitter-Exil zurück.

Leute, wenn ich auf Twitter über uns Piraten (ja ich bin noch dabei) lese, dann entsteht der Eindruck, dass es genau so in Halle und danach gelaufen ist.

Warum wundern mich die Parteiaustritte nicht?

Waren wir nicht mal die mit den Themen statt Köpfen? Gibts noch Themen oder nur noch rollende Köpfe?

P.S. Ich verweise nochmal auf den letzten Absatz dieses Artikels. Mehr als Stänkereien habe ich von dem ungenannten Piraten nach dem aBPT nicht gehört. Schade, ich hab mal viel von ihm gehalten.

P.P.S. Wer den Sinn des Rants nicht verstanden hat, kann sich Kommentare sparen.

 

Jammern nach Wahlen

und gegenseitige Schuldzuweisungen mögen ja Wege sein, um Frust abzubauen. Beide sind aber kontraproduktiv.

Es geht mir, wie nicht anders zu erwarten, um die Landtagswahl in Sachsen. Diese endete gestern mit einem desaströsen Ergebnis für uns, die Piraten.

Mancher mag sagen: „Ja, der Tom hat sich nicht am Wahlkampf beteiligt.“ Das stimmt insofern, als ich mich nicht an den Infoständen und ähnlichen Aktionen beteiligt habe. Lieber habe ich mit Menschen verschiedener Altersklassen gesprochen, ganz analog ohne Computer und Internet. Die meisten Gespräche führte ich mit Menschen, die jeden Morgen aufstehen und auf Arbeit gehen und für die am Ende des Geldes noch viel vom Monat übrig ist.

Die gute Nachricht zuerst: Die wissen nichts von unseren innerparteilichen Querelen – Die schlechte Nachricht: Die wissen meist nicht einmal, dass es uns noch gibt.

Jemand, mit dem ich über unserer linke Ausrichtung sprach, kommentierte: „Warum soll ich, wenn ich im linken Spektrum das Original Jule Nagel wählen kann, die Kopie Florian Unterburger wählen? Die Jule kenne ich wenigstens.“ Die Direktkandidatin Kathrin Weiss sei ihm kein Begriff, den Flo kenne er wenigstens von Plakaten. Für ihn sind wir „Linke mit Internetanschluss“. Für diese Sichtweise haben einige von uns viel getan.

Die Magnetschwebebahn und der Weltraumaufzug haben uns eher nicht geschadet. Beide wurden wie der Wombat zur Bundestagswahl 2013 als Würze im Wahlkampf betrachtet – und belächelt.

Mit den Themen Legalisierung von Drogen, Abschaffen des Sitzenbleibens, Kampf gegen TTIP, Kampf gegen Nazis, Asylpolitik, HARTZ-IV-Sanktionen und ähnlichen konnte ich auch niemanden überzeugen, ausgerechnet Piraten zu wählen. Das Angebot ist groß im linken Spektrum und selbst die Grünen haben sich dort nahtlos eingereiht.

Unsere vernachlässigten Kernthemen, etwa der Kampf gegen Überwachung, waren da schon interessanter. Schade, dass für viele aus meiner Altersklasse, aber auch für weitaus jüngere, das Internet entweder Neuland oder einfach ein Werkzeug ist, über welches man nicht weiter nachdenkt. Dort gibt es für uns Potential, dafür muss man diesen Menschen das Internet nahe bringen – nicht nur die Gefahren durch Überwachung und die Notwendigkeit von Verschlüsselung.

Beim Thema anlasslose Totalüberwachung haben wir die Altersklasse 50+ komplett verloren. Die kann sich noch an die Überwachung in der DDR erinnern. Die meisten fanden Überwachung scheiße, als sie jung waren. Heute wählen sie zu großen Teilen Sicherheits-Fanatiker-Parteien – ihre zukünftigen Überwacher. Das haben wir total vergeigt, wir haben nicht mit ihnen geredet.

Nicht unsere Themen sind schlecht. Wir haben es nicht geschafft, unsere Themen auf eine eigene Weise zu kommunizieren. Deshalb ist es uns nicht gelungen, uns in der Parteienlandschaft zu positionieren, in der alle Parteien des linken Spektrums mit diesen Themen Politik machen.

Wir brauchen Alleinstellungsmerkmale für die Bundestagswahl 2017, sozusagen „piratige Antworten“ auf die Fragen der Menschen. Dazu müssen wir erst einmal wieder zu den Menschen gehen und fragen, was ihre Probleme sind. Wäre nicht ein allgemeiner 6-Stunden-Arbeitstag bei vollem Lohn eine „piratige Antwort“ auf die Forderung nach Vollbeschäftigung?*

Anstatt zu sagen, es gebe keine kriminellen Ausländer, die Forderung nach absoluter Gleichbehandlung aller in Deutschland lebenden Menschen stellen – wäre das nicht „piratig“?

„PiratInnen an die Front!“ – natürlich an die Front des Internet. Wer, wenn nicht wir, kann SchülerInnen, ArbeiterInnen und auch RentnerInnen den Umgang mit Computern und dem Internet beibringen? – Den von Anfang an sicheren Umgang?

Es sind Vollis und Kernis** gefordert, um „piratige Antworten“ auf die Fragen von Fiskalpolitik, Bildungspolitik, Verteidigungspolitik, Verkehrspolitik und anderen Politikfeldern zu finden und zu formulieren. Wir brauchen konkrete Antworten. Aussagen wie „Will ich nicht, will ich anders!“ sind für eine ernsthafte politische Arbeit zu wenig.

Sprechen wir doch mal über WählerInnen außerhalb des Piratenkosmos.

Warum sollen die uns wählen – wenn sie uns nicht kennen?

Warum sollen die uns wählen – wenn wir ihre Probleme ignorieren?

Warum sollen die uns wählen – wenn wir Werktätige als konservative Mitte diffamieren?

Warum sollen die uns wählen – wenn wir selber nicht wissen, was wir wollen?

Kurz und knapp: Die Landtagswahl Sachsen 2014 haben wir vergeigt und nicht die WählerInnen. Die Bundestagswahl 2017 steht vor der Tür und der Wahlkampf beginnt jetzt. Wenn wir bis dahin kein piratiges Profil haben, dann wars das.

* Das sind Beispiele.
** „Kernis“: Piraten, die sich für eine Beschränkung auf Internet-Themen (Kernthemen) im Parteiprogramm einsetzen. „Vollis“: Piraten, die ein politisches Vollprogramm für die Piratenpartei wollen.

Paralleluniversen und Zwillingsparadox

Ich bin ein Anhänger der Theorie, dass es unendlich viele Paralleluniversen gibt. Die sehen aus wie mein Universum,  sie existieren aber auf der Basis, dass andere Möglichkeiten genutzt und dadurch andere Wahrheiten geschaffen werden. Somit gibt es leichte Abwandlungen zu meinem Universum.

Den Beweis sehe ich vor mir, wenn ich den aBPT in Halle/Saale und den aBPT in Halle/Twitter* vergleiche.

Mehrere Beispiele seien hier genannt. Als Quelle dient mir mein Live-Blog (die vorhergehenden vier Artikel), die von dem aBPT in meinem Universum berichten.

In meinem Universum gab es Wahlen mit eindeutigen Mehrheitsentscheidungen. So wurde Stefan Körner mit 62,05% der Stimmen zum Vorsitzenden der Piratenpartei gewählt und diesem Wahlergebnis wurde applaudiert. Eine komfortable Mehrheit mit nur 37,95% Gegenstimmen, sollte man meinen. In einigen Paralleluniversen sieht das anders aus. In diesen wählte ihn nur eine Minderheit – das offizielle Wahlergebnis war wohl eine intergalaktische Verschwörung über die Grenzen der Universen hinaus.

In denselben Paralleluniversen hielt Christopher Lauer   eine bahnbrechende oder wichtige oder geile Rede. In meinem Universum hielt er die von mir beschriebene Rede.

In meinen Universum herrschte eine gute und konstruktive Stimmung, in Paralleluniversen wurde bedroht und gedroht. Für mein Universum kann ich allerdings nur für den Samstag sprechen, den Sonntag musste ich leider ausfallen lassen.

Die digitalen Zwillinge, ich spreche hier ausdrücklich nicht von den bekannten Zwillingsbrüdern, haben in diesen Universen verschiedene Wahrscheinlichkeiten, Wahrheiten und Möglichkeiten – und sie nutzen diese.

Da ich oben von Mehrheiten geredet habe, fällt mir doch ein passendes Zitat von Florian Bokor (das ist einer der realen Zwillinge die ich oben nicht meinte 🙂 ) ein:

Der Teil unserer Partei, der sich konsequent weigert ein Geschichtsbuch zu lesen, eine politische Theorie zu reflektieren, die er sich nicht selbst gemalt hat oder nur den Arsch in der Hose hat, einen GO Antrag zu stellen mit dem ihm deutlich vorgeführt würde, dass er eben nicht die Mehrheit ist.

Diese bemerkenswerten Worte schrieb er nach dem Bundesparteitag im Dezember 2013 in Bremen (Flaggengate). Damit hatte er Recht; Man sollte diese Worte in Stein meißeln.

Ob nun in diesem oder jenem Universum, es bleibt eine Frage der innerparteilichen Demokratie, dass man Mehrheitsentscheidungen akzeptieren muss. Oder man stellt eben einen GO Antrag (s.o.).

Ich gestehe, ich habe Stefan Körner nicht gewählt. Ich werde aber mit ihm als Bundesvorsitzendem weiter machen. In meinem Universum gibt es Piraten und andere. Da halte ich es mit den Worten von Kristos Thingilouthis, unserem neu gewählten politischen Geschäftsführer:

Wenn wir etwas können, dann ist es bashen. Darin sind wir Weltmeister. Wenn wir das mal gegen die anderen richten…“**

kackeAbschließend noch eine Bemerkung. Ein Paralleluniversum war auch der Raucherplatz, dort fielen die Worte: „Ich bin diesmal nicht hier um zu arbeiten, sondern um zu saufen und zu pöbeln.“ Da fällt mir nur ein T-Shirt ein welches, natürlich mit menschlichem Inhalt gefüllt :-), gerade vorbeilief.

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* Halle/Twitter steht hier stellvertretend für die verschiedensten digitalen Medien.

**Anmerkung: Das „Zitat“ ist evt. nicht ganz wörtlich wiedergegeben – ich habe versucht live mitzuschreiben, da kann es Abweichungen geben.