Andreas und der Elektro-Roller

Symbolbild

Der geübte politisch interessierte Leser weiß sofort, dass es hier um den Verkehrsminister Andreas (Andi) Scheuer und die Zulassung der Elektro-Roller für den Straßenverkehr geht. Er sieht für diese ein großes Potential.

Ich habe mir dazu Gedanken gemacht.

Elektro-Roller – sinnvoll?

Lily Gabelmann (Stadträtin für die Piraten in Leipzig) hat eine Interview-Anfrage zu dem Thema erhalten und wir haben uns dazu unterhalten. Es geht natürlich nicht nur um die im oben verlinkten Artikel genannten Elektro-Tretroller, die Andi Scheuer für hilfreich hält, sondern auch um andere Elektro-Kleinstfahrzeuge (Elektrominis) die den Verkehrsstau und die damit verbundene Schadstoffbelastung in den Städten verringern sollen. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn, ist wie so oft: Ja – Nein – weiß nicht – der nachfolgende Text entstand aus dem Gespräch, drückt allerdings meine Meinung aus.

Elektro-Roller und Verkehrssicherheit

Nach Meinung von Andi Scheuer sollen diese Fahrzeuge bei einer möglichen Höchstgeschwindigkeit zwischen 12 bis 20 km/h auf Radwegen, falls nicht vorhanden innerorts auch auf Straßen, fahren. Sie sollen dem Fahrrad gleich gestellt werden. Als Ingenieur für Kraftfahrzeugtechnik sehe ich hier einen wichtigen Unterschied zum Fahrrad – die Radgröße. Das Befahren von innerstädtischen Straßen ist auf Grund von Schlaglöchern und „tiefergelegten“ Straßenbahnschienen schon mit Fahrrädern (24-28 Zoll Reifengröße) ein fast akrobatischer Akt. Mit den Elektrominis wird es zum Kampf gegen die physikalischen Gesetze, den die FahrerInnen dieser Gefährte nur verlieren können. Hier reden wir noch nicht von Bremsen, Beleuchtung, Signaleinrichtungen oder anderen verwirrenden Details.

Elektro-Roller gleich Fahrrad?

Wenn es nach Andi Scheuer geht, dann sollen die Elektrominis mit einer Höchstgeschwindigkeit unter 12 km/h auch auf den Fußwegen fahren dürfen. Das widerspricht der Gleichstellung mit dem Fahrrad, denn diese dürfen genau dort nicht fahren. Ausnahmen sind in der StVO § 2 Abs. 5 geregelt. Nun sollen also fast geräuschlose Fahrzeuge mit ca. 3-facher Fußgängergeschwindigkeit auf den Gehwegen fahren?

Elektro-Roller und ÖPNV

Die Elektro-Roller sollen, wenn man Andi Scheuer glaubt, besonders die „letzte Meile“ vom ÖPNV nach Hause, oder zum Arbeitsplatz überbrücken, technisch ist das sinnvoll – die Fahrzeuge haben ja eine begrenzte Batterie-Kapazität – aber ist das von Seiten des ÖPNV aus auch realistisch?

Dazu ein Zitat aus einem älteren Artikel

Ein Umstieg weiterer Personengruppen auf den ÖPNV bringt nicht nur ein erhöhtes Fahrgastaufkommen mit sich. Ist ein Umstieg auf den ÖPNV ernsthaft gewollt, dann muss auch beachtet werden, dass das „Gepäckaufkommen“ erheblich steigen wird. Ich bezweifle, dass es ein Zurück zum „Einkaufen im Quartier“ geben wird. Geschäfte, Supermärkte und Einkaufszentren sind nun mal nicht in allen Quartieren gleich verteilt und der Bürger wird nicht wie in der DDR jeden Tag etwas einkaufen wollen, er wird weiterhin den Großeinkauf bevorzugen. Daraus folgt, dass die Möglichkeit der verstärkten Nutzung von „Transporthilfen“ und des Transports von größeren Mengen von Gepäck gewährleistet werden muss. Dafür ist aber die derzeitige Ausstattung von Bahnen und Bussen nur bedingt, meist in keiner Weise, geeignet.

Zum Gepäck, Kinderwagen, Rollstühlen und Rollatoren kommen dann noch Elektrominis – da wird das Platzangebot in den Fahrzeugen des ÖPNV nicht reichen. Auch hier die Gleichstellung mit dem Fahrrad – in Leipzig muss in den Fahrzeugen der LVB für Fahrräder bezahlt werden. Gilt das dann auch für Elektro-Roller?

Elektro-Roller, die Zielgruppe

Die Zielgruppe für diese Fahrzeuge ist eindeutig die gleiche wie für das Fahrrad. Gesunde, vor allem junge, Menschen werden diese Fahrzeuge führen. Mobilitätseingeschränkte Menschen fallen hier nicht ins Gewicht, dabei ist ein erheblicher Anteil dieser (ob aus Gesundheits- oder Altersgründen) heute auf das Auto angewiesen, z.B. weil der Weg zum ÖPNV zu weit ist oder es keine Anbindung an diesen gibt. Auch hier wollen wir nicht über den Preis für Elektrominis reden – da käme nämlich noch „gut verdienend“ dazu.

Fazit:

Wir sind nicht gegen die Freigabe von Elektro-Rollern oder anderen Elektrominis für den Straßenverkehr. Wir meinen nur:

Elektro-Roller lösen kein einziges Verkehrsproblem.

Bildnachweis: under CCO by airwheel

Bedingungen – Ausschlusskriterien

Eigentlich wollte ich den Artikel über Bedingungen und Ausschlusskriterien „Jesus und linke Gesinnung“ nennen, aber das wäre wohl missverständlich gewesen. Damit ist wohl erkennbar, worum es gehen soll und so beginne ich, wie schon oft, mit einem historischen Exkurs. Für die Wissenschaftler aller Coleur unter den Lesern sei gesagt: „Ich vereinfache gnadenlos – Das ist kein wissenschaftlicher Artikel!

Christen und Ausschlusskriterien

Lang ist es her, an die 2000 Jahre, da traten die ersten Christen in die Gesellschaft des römischen Reiches hinein. Ihr Glauben war einfach, denn Jesus (ihr Prophet) hatte gesagt:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. [Joh. 5.2]

An Jesus als den „Gesandten Gottes“ und also an Gott zu glauben, einige klare Regeln zu befolgen – das war einfach. Sie gründeten also Gemeinden, überzeugten andersgläubige Menschen, trotzten Verfolgung und Gefahren. Am Ende wurde das Christentum eine Herrschaftsreligion mit Bedingungen, wie der Einhaltung von Ritualen, dem Herrschaftsanspruch des Papstes und ähnlichem, was folglich zu Ausschlusskriterien führte. Der Glauben an Gott und den Gesandten reichte nicht mehr, wer z.B. nicht an die Jungfräulichkeit Mariens glaubte, war ausgeschlossen.
Genug mit dem Christentum – gehen wir zu den linken Ausschlusskriterien. Wenn ich hier von „Linken“ spreche, beschränkt sich das nicht auf die Partei dieses Namens.

Linke und Ausschlusskriterien

Das gleiche (zumindest ähnliche) Bild finden wir in der linken Bewegung, historisch gesehen: In der Arbeiterbewegung.
Zu Beginn war es einfach: Soziale Politik für die Unterdrückten stand der linken Bewegung im Sinn – die revolutionäre Erhebung der Unterdrückten als Ziel der Bewegung war nicht der allgemeine Konsens, es gab durchaus auch zu Beginn Strömungen, die den rein politischen Weg verfolgten.
Die erste Bedingung, die zu Ausschlusskriterien führte, war 1917 mit der siegreichen Revolution in Russland geschaffen. Wer nicht an das Vorbild der Sowjetunion und der KPdSU(B), die Unausweichlichkeit der (blutigen) Revolution und den Internationalismus glaubte – der konnte nicht (im Sinne der Kommunisten) links sein. Bestrebungen der Transformation der kapitalistischen Gesellschaft, einer nationalen parlamentarischen Arbeit – die erst die nationale Verbesserung der Lage der Arbeiter anstrebte und nicht die internationalistische Arbeit in den Vordergrund stellte – waren kleinbürgerlich revisionistisch, ihre Vertreter wurden als „nicht links“ betrachtet.
Die Spaltung in Kommunisten und Sozialdemokraten sowie der Sieg des Nationalsozialismus sind geschichtliche Fakten, die ich hier nicht näher erklären muss aber ich sehe im Ausschluss von Menschen aus der linken Bewegung durch die gestellten Bedingungen eine gewisse Kausalität.

Linke Ausschlusskriterien heute

Ich möchte diese Kriterien am Beispiel der Piratenpartei in Deutschland erläutern, nicht weil ich dieser schaden will (ich gehörte ihr an – bin aber ausgetreten als die Bedingungen zu rigide wurden). Sie bietet sich einfach als Beispiel an – andere linke Parteien kranken an den gleichen Symptomen, nicht zuletzt dadurch, dass die „Wanderprediger der Bedingungen“ zu diesen weiter gezogen sind.
Die Piratenpartei gründete sich (nach meinem Verständnis) als Partei von Menschen, welche die Freiheit des Internets verteidigen wollten. Die Freiheit des Internets bedeutet hier: „Freiheit der Kunst, Kultur und Bildung“. Freier Zugang zu den Inhalten für alle Menschen – möglichst kostenfrei oder zumindest für alle erschwinglich. Das ist durchaus ein linker Ansatz.
Was dann kam, habe ich 2012 beschrieben. Medien und andere Parteien suchten genüsslich nach Schwachstellen und fanden diese in „rechten Tendenzen“ einiger Mitglieder und Strömungen. Durch die Auseinandersetzung mit (vermeintlich) rechten Tendenzen, welche durch eine in der DNA der Piratenpartei eingeschriebene Öffentlichkeit des Streits noch weiter befeuert wurde, gewannen die „Wanderprediger der Bedingungen“ – besser „Wanderprediger der reinen linken Ideologie“ – an innerparteilicher Macht und versuchten die Piraten auf Linie zu bringen. Bedingungen wurden Antifaschismus (im Sinne der Antifa), Feminismus, gendergerechte Sprache, Kampf gegen Hartz IV, Kampf um das BGE und vieles andere mehr. Ich will die Wichtigkeit der einzelnen Themen nicht in Frage stellen, aber aus den Piraten wurde eine Partei, die zwar ein umfassendes Programm – aber keine Identität mehr hatte. Glücklicherweise arbeiten viele gute Menschen heute wieder an dieser – Viel Erfolg!
Die „Wanderprediger der Bedingungen“ sind weiter gezogen, sie nerven heute in anderen Parteien. Sie sind an sich auch nur ein Symptom – nicht die Ursache – der Probleme der linken Bewegungen.

Der Streit um Ausschlusskriterien

Wir haben uns daran gewöhnt, die SPD, die Linke und die Grünen als linkes Spektrum im Bundestag zu betrachten. Jede dieser Parteien hat ihre Bedingungen und Ausschlusskriterien für die Zugehörigkeit – das ist normal und auch gut.
Weniger gut ist, dass selbst für die Beschreibung „links“ Bedingungen gestellt werden – zumindest in den sozialen Medien. Diese sozialen Medien haben einen Stellenwert erreicht, der unangemessen ist – weil sich viel zu viele Menschen der Diskussion dort entziehen und sich auf das Konsumieren dieser Diskussionen beschränken. Außerdem ziehen die Thesen, die dort von einer überschaubaren Anzahl von Teilnehmern diskutiert werden, auch in die klassischen Medien fast ungefiltert ein.
Wenn man es richtig betrachtet, dann wird der vermeintliche gesellschaftliche Diskurs in den sozialen Medien von wenigen Menschen geführt. Besser gesagt, auf Grund der hohen Nutzerzahlen sozialer Medien wird diese Diskussion als gesellschaftlicher Diskurs wahrgenommen und hält sogar in die parlamentarische Arbeit Einzug.
Hier sind die linke Bewegung und somit auch die linken Parteien ins politische Hintertreffen geraten.
Wer nämlich nicht alle Bedingungen für „links“ erfüllt, wird in den sozialen Medien als „rechts“ abgestempelt. In den sozialen Medien wird nicht hinterfragt – es wird verurteilt.
Ein taugliches Beispiel (ohne Wertung) ist die Aussage von Sahra Wagenknecht zu „kriminellen Schlepperbanden“ – ich schrieb dazu. Statt nachzufragen wurde gehasst – ich kann das nicht anders ausdrücken. Die zur Linken gewechselten „Wanderprediger der Bedingungen“ standen dabei in vorderster Front. Ich habe im oben verlinkten Artikel geschildert, wie ich diese Aussage lesen kann – ob sie so gemeint war, weiß ich nicht und erwarte auch keine Antwort – aber eine Diskussion ist wesentlich besser als Hass und Ausschluss. Es gibt inzwischen so viele Bedingungen um „links“ zu sein, dass der politisch weniger interessierte Wähler sich oft nicht mehr mit „links“ identifizieren kann.

Fazit

Um wirklich linke Politik zu machen, benötigen wir eine Aussage, was „links“ ist – mit einem Minimum an Bedingungen und Ausschlusskriterien – um auch viele, die heute den (fast) bedingungslosen rechten Ideologen auf den Leim gehen, von dort zurückzuholen.
Wir brauchen nicht „einfache Antworten auf komplizierte Fragen“ – wir müssen überhaupt erst einmal Fragen zulassen und beantworten.
Meine Ausschlusskriterien sind einfach:

Es darf über alles gesprochen werden, was die Menschenrechte nicht verneint.
Die Menschenrechte für alle Menschen und überall sind der Minimalkonsens.

Die Bedingungen ergeben sich (für Deutschland) aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und für Linke steht die Verbesserung der sozialen Lage aller Menschen im Vordergrund.

Das wars dann schon, oder?

Bildnachweis: unter CCO Creativ Commons by succo

Vollbeschäftigung ist eine politische Forderung,

die allen linken Parteien programmatisch gut zu Gesicht stehen würde. Das scheint auf den ersten Blick eine absurde Aussage zu sein, schließlich vertrete ich das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Warum also plötzlich meine Forderung nach Vollbeschäftigung?

In der letzten Zeit beschäftigen sich viele Menschen mit der neuen Arbeitswelt, die durch Automatisierung, Digitalisierung, Robotik und weitere technische Errungenschaften entstanden ist. Viele behaupten nun, dass der Anteil der menschlichen Arbeit immer weiter zurückgeht und somit eine Vollbeschäftigung nicht mehr erforderlich oder auch nicht mehr möglich ist.

Diese Aussage birgt politisches Dynamit in sich, besser noch: einen politischen Kernsprengkopf.

Nicht genug damit, dass sie eine Spaltung der Gesellschaft in arbeitende und nichtarbeitende Menschen für gut befindet, sie fördert diktatorische Machtverhältnisse.

Mensch der Arbeit, aufgewacht!

Und erkenne deine Macht!

Alle Räder stehen still,

Wenn dein starker Arm es will.

diese Strophe aus dem „Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ von Georg Herwegh war immer ein wichtiger Bestandteil der Arbeiterbewegung. Allerdings hieß es da noch Mann der Arbeit. Diese Bezeichnung habe ich im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit geändert. Was aber, wenn es den Mensch der Arbeit nicht mehr gibt?

Ein politisches Grausen zieht durch mein Gemüt. Automatisierte Fabriken, Supermärkte, in denen Roboter die Regale auffüllen, und Kassen-Roboter, fahrerlose Autos, Straßenbahnen, Busse und Züge, Pflegeroboter, Robocops und Robosoldiers und so weiter ersetzen den Mensch der Arbeit. Ein System mit wenigen Menschen, die die Abläufe betreuen. Und das alles in einem kapitalistischen System.

Wir hätten dann eine Spaltung der Gesellschaft in Besitzende – schließlich bleibt das System kapitalistisch – in wenige Arbeitende (Systembetreuer), die dann eine privilegierte Schicht bilden, weil sie das System anhalten könnten, und in eine Masse Konsumenten. Die Masse der Konsumenten dürfte wahrscheinlich sogar wählen, sie dürfte vielleicht Volksabstimmungen abhalten. Politisch wäre sie aber de facto machtlos.

Auch die Regierungen und Parlamente wären machtlos dem Willen der Besitzenden und Privilegierten ausgeliefert. Die Besitzenden und Privilegierten wären dann die einzigen die die Existenz der Gesellschaft sichern würden. Das gäbe ihnen absolute Macht in nie gekanntem Ausmaß.

Ich wundere mich wenn Menschen, die sich als links denkend bezeichnen, die Forderung nach Nicht-Arbeit vertreten. Die These, dass die Menschen dann Zeit für Bildung, Kreativität und Kultur hätten, ist bestechend, aber falsch.

Wer bestimmt denn dann was Bildung ist? Ich empfehle das Gespräch von Beatty und Montag in Fahrenheit 451 zur Lektüre. Bildung reduziert auf nutzloses Wissen, wie hier:

Man beschäftigt die Leute mit Wettbewerben – wer am meisten Liedtexte auswendig kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen, man stopft ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, aber doch als >Fundgrube von Wissen< fühlen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vorwärts zu kommen, ohne sich im Geringsten zu bewegen.*

Wer jetzt an „Wer wird Millionär“ denkt, der ist auf dem richtigen Weg. Der erste Schritt zur „Familie in den Wänden“ (bei Bradbury) ist mit den daily soaps schon längst getan. Bildung und Entertainment in einem kapitalistischen System ohne den Mensch der Arbeit – wollen wir das wirklich?

Was ist nun der Plan B**?

Wenn es weniger Arbeit*** gibt, dann muss sie auf mehr Menschen verteilt werden.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist der gesetzliche 8-Stunden-Arbeitstag zu lang.

Wenn es weniger Arbeit gibt, dann ist die gesetzliche 5-Tage-Arbeitswoche zu lang.

Ein Gegenargument wäre, dass es zu wenige Fachkräfte gibt. Die Antwort „Warum haben wir diese nicht ausgebildet und tun es auch heute nicht?“ drängt sich auf.

Wer soll diese zusätzlichen Arbeitskräfte bezahlen, schließlich soll die Arbeitszeitverkürzung ja keine Lohneinbuße nach sich ziehen? Die Antwort ist nicht in einen Satz zu fassen. Zum Ersten: Wir bezahlen als Gesellschaft auch ALG und ALG II. Dieses Geld bezahlen die Arbeitenden und die Unternehmen. Der Staat nimmt es nur ein und verteilt es. Zweitens: Sinn des kapitalistischen Wirtschaftssystems ist es, Waren und Leistungen zu produzieren und zu verkaufen. Mehr Arbeitende – mehr Umsatz von Waren und Leistungen. Als Drittes noch: Bei kürzerer Arbeitszeit steigt sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Waren und Leistungen. Dazu gibt es Studien, bitte selbst googeln.

Ich habe einleitend geäußert, dass ich die Forderung nach dem BGE unterstütze. Für mich ist aber das BGE nicht als Bezahlung für Nicht-Arbeit gemeint. Ich sehe es als Voraussetzung für menschenwürdiges Leben und Arbeiten. Leben und arbeiten ohne Existenzangst ist eher mein Ansatz. Mit dem BGE wäre die Erpressbarkeit der Arbeitenden abgeschafft.

Es gibt im linken politischen Spektrum viele Volks- und Betriebswirte, Wirtschafts- und Politwissenschaftler und vor allem phantasievolle Menschen. Also stellt euch die Frage, ob eine Vollbeschäftigung mit einem 6-Stunden-Arbeitstag (für den Anfang), einer 4-Tage-Arbeitswoche und einem BGE politisch sinnvoll und wirtschaftlich machbar wäre. Ich bin der Meinung, dass ein solcher Ansatz aus vielen Gründen sinnvoller ist als ein „Recht auf Faulheit“****.

Ohne näher darauf einzugehen: Denkt auch darüber nach, welche Bildung wir brauchen, um das durchzuziehen.

Und nun ihr. Sagt mir, ob ich völlig falsch denke.

P.S. Ich habe hier bewusst auf Verlinkungen und ausführliche Ausarbeitung des Themas verzichtet. Der Artikel soll zum Neu-Denken anregen, Kritik wird gern entgegengenommen.

* Bradbury, Ray; Fahrenheit 451, Diogenes Taschenbuch 20862, ISBN 978-3-257-20862-7; Das gesamte Gespräch ist auf den Seiten 81-88 zu finden. Es enthält viele wichtige und gute und erschreckende Thesen. Ich kann es nur empfehlen.

** Warum ich Plan B statt Alternative verwende, ist hier zu finden.

*** Ein Hinweis: Es gibt nicht zu wenig Arbeit. Es gibt viele dringend notwendige Arbeiten, die nicht erledigt werden. Denkt an Verkehrswege (vor allem Gehweg), Pflegeberufe, Lehrberufe und viele andere mehr. Diese Arbeiten werden nicht erledigt, weil es angeblich an Geld und Arbeitskräften fehlt. Ist das nicht absurd?

**** Das „Recht auf Faulheit“ wird oft nicht so benannt, ist aber als Forderung in den Diskussionen um den Sinn der Arbeit versteckt. Ich habe schon darüber geschrieben.