Wenn die Diktatur wiederkommt, dann wird sie sagen: "Danke Demokratie, dass Du für mich die optimalen Voraussetzungen geschaffen hast." [Thomas Köhler]
Ministerpräsident eines Freistaates zu sein ist scheinbare eine riesige Aufgabe, man steht ja in der Tradition von Gott gesalbter Fürsten und Könige, deren Salbung auch zu Allwissenheit führte. Ausnahme ist der Thüringer Ministerpräsident, der ist aber auch ein böser Linker, der nicht an die Wirksamkeit des mit der Salbung verbundenen Segens glaubt. So steht in der Stellenbeschreibung für das Amt, zumindest in Bayern und Sachsen: die Verpflichtung, mindestens wöchentlich einen Joke rauszuhauen.
Den kompletten Artikel könnt ihr, wie immer kostenfrei, in der Leipziger Zeitung lesen.
Das Polit-Chaos in Thüringen nimmt auch am Sonntag nach der Wahl des
Thüringer Ministerpräsidenten nicht ab und es erreicht die
Bundespolitik. War das schon alles in dieser Woche?
Thüringen
Also gut, ich fange mit dem Hauptthema der Woche an, ich hatte ja bereits etwas dazu geschrieben und möchte mich nicht wiederholen. Allerdings ein paar Anmerkungen:
1. Es wurde Deutschlandweit besonders gegen die FDP demonstriert. Soweit, so schlecht – für mich gehört die CDU in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wie ich schon schrieb, Mike Mohring hätte sich ja selbst zur Wahl stellen können. Hat er nicht getan, meiner Meinung nach weil er genau das befürchtete (oder ahnte) was Thomas Kemmerich passierte. Also die FDP als Bauernopfer für die CDU, oder so ähnlich. Wer mich kennt, weiß natürlich, dass ich die Angriffe auf FDP-Einrichtungen oder Personen, besser Gewalt als politisches Mittel in einer Demokratie, strikt verurteile. Solche Angriffe sind keine politischen Statements – Das ist apolitische Randale. Ich muss mich davon nicht distanzieren, andere sollten darüber nachdenken.
2. Nach dem Rücktritt von Kemmerich soll nun der Ministerpräsident neu gewählt werden und schon schießen „tolle“ Thesen in den Thüringer, besser Bundesdeutschen, Himmel. Ganz klar: Wenn die AfD für Bodo Ramelow stimmt, kann er die Wahl trotzdem annehmen! Im Gegensatz zu Kemmerich wäre er nämlich, spätestens im dritten Wahlgang, auch ohne diese Stimme gewählt worden. Die Forderung, dass die CDU-Abgeordneten Ramelow wählen müssten ist absurd, das würde den Anschein einer parlamentarischen Mehrheit erwecken. Ganz klar: r2g kann nur eine Minderheitsregierung bilden.
3. Bei allem Aktionismus der Parteien auf Bundesebene müssen wir wohl vieles den Thüringern überlassen. Wenn nämlich die Bundesspitzen jetzt über alle Personalien, auch auf Landesebene, entscheiden werden sich bald WählerInnen fragen, warum sie überhaupt noch in der Region wählen sollen. Hier gehe ich jetzt weg von Thüringen und in die Ebene der Stadtpolitik.
Leipzig – OBM-Wahl
Runde 2 der Wahl des Leipziger Oberbürgermeisters steht an und es sind noch drei KandidatInnen übrig. Die Kandidatinnen der Linken, der Grünen und der Partei „Die Partei“ haben zurückgezogen und eine Wahlempfehlung für Burkhard Jung abgegeben. Der AfD-Kandidat ist ebenso zurückgetreten, allerdings ohne Empfehlung – es versteht sich, dass dessen Anhänger eher Sebastian Gemkow wählen (was man ihm nicht anlasten kann), eine Empfehlung hätte ihn allerdings beschädigt. Die dritte Kandidatin, Ute Elisabeth Gabelmann, wird ihre Gründe haben im Rennen zu bleiben.
Auch hier schießen
schon wieder Verschwörungstheorien ins Kraut wie:
„Dürfen Jung oder
Gemkow die Wahl annehmen, wenn der Verdacht besteht dass AfD-Wähler
ihn gewählt haben?“
„Hat Jung RB, also
die Bebauung des Stadionvorplatzes, verkauft um sich die Stimmen der
Grünen zu sichern?“
Es werden noch mehr
Thesen bis zur Wahl werden.
Zum Ersten kann ich nur sagen: „Ja, sie dürfen!“ – sie wurden nämlich nicht, wie in Thüringen, von Abgeordneten gewählt. Sie wurden direkt von der Bevölkerung gewählt – da ist eine Stimmenzuordnung nicht möglich – und das ist gut so.
Das Zweite ist
geradezu lächerlich. Der Oberbürgermeister ist an Beschlüsse des
Stadtrats gebunden. Wenn der Stadtrat beschließt was mit dem
Stadionvorplatz passiert, dann hat der OBM genau eine Stimme. Das
heißt, beim derzeitigen Stadtrat ist es möglich, dass auch unter
Gemkow der Stadionvorplatz nicht an RB verkauft wird.
Eine Sache noch, die
völlig untergegangen ist im Trubel:
Die Sächsische
Landesregierung hat geäußert, dass es 2020 keine Förderung für
Straßenbau in den Kommunen gibt. Wir müssen also wohl alle Projekte
neu angehen. Das haben viele nicht bemerkt.
Die Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum neuen
Ministerpräsidenten von Thüringen ist für mich eine kalkulierte
Erpressung der Grünen und der SPD.
Einen Schritt
zurück, nachdem der „unabhängige“ Kandidat der AfD keine
Mehrheit bekam und für CDU und FDP eine erneute Wahl von Bodo
Ramelow drohte, entschloss sich Thomas Kemmerich in den Ring zu
steigen. Schande über Mike Mohring, er wusste, dass er gewonnen
hätte – die Stimmen von CDU, FDP und AfD wären ihm sicher gewesen
– aber den Shitstorm wollte er nicht in Kauf nehmen. Also kam ein
Stellvertreter, ich weiß nur nicht was ihn dazu bewog. Wie gesagt,
das Ziel von CDU und FDP war, meiner Meinung nach, nicht mit der AfD
zu koalieren – sie wollten „nur“ eine neue r2g-Regierung unter
einem Ministerpräsidenten der Linken verhindern.
Was sie dafür in
Kauf nahmen ist ein politisches Chaos.
Kommen wir nun zur Erpressung. Ich glaube nicht, dass CDU und FDP mit der AfD koalieren werden. Das können beide schon einem großen Teil ihrer Parteimitglieder nicht vermitteln – weder in Thüringen, geschweige denn in Deutschland. Es geht schon los, wenn Christian Lindner jetzt dazu aufruft, dass Linke, Grüne und SPD mit Kemmerich zusammenarbeiten sollen um letztendlich eine Regierungsbeteiligung der AfD zu verhindern. Das wäre einfacher gegangen – eine Haribo-Koalition mit rot/rot/grün/gelb wäre ja möglich gewesen. Diese wurde aber von der FDP abgelehnt.
Es bleibt also bei
der Aussage von Kemmerich, dass er mit Linken und AfD nicht regieren
will.
Somit erpresst man
jetzt Grüne und SPD dazu mit CDU und FDP (in welcher Konstellation
auch immer) zu koalieren.
Am Ende, denke ich,
wird es auch zu einer solchen Koalition kommen, die jetzt lauten
Stimmen einiger Politiker werden verstummen.