Wahlkampf – Stresstest

Eine bessere Überschrift fiel mir nicht ein. Ich habe heute nach langem Zögern den Schritt getan. Ich bin in die Leipziger City gefahren und habe meinen Kandidaten am Infostand besucht.

Der letzte Schritt, warum?

Ein wenig Bedenken hatte ich schon. Die Idee der Piraten, die ich ja vertrete, bedeutet nicht automatisch, dass die Personen dieser entsprechen.

Das Wichtigste für mich war aber die Frage „Was wird Florian Bokor machen wenn er und seine Partei nicht die 5% Hürde nehmen?“

Ich bin positiv überrascht, eigentlich bestätigt, worden.

Der persönliche Eindruck ist „Er und die anderen, die ich dort traf, werden auch beim Scheitern an den 5% weiter machen!“

Entspannte Atmosphäre, verdammt der Typ ist klüger als er es rauslässt, lockere Gespräche mit Inhalt. Ich brauchte die Frage nicht zu stellen.

Obwohl meine Entscheidung schon längst feststeht, es hat doch gut getan.

Also morgen Piraten wählen.

Der Umgang mit der Geschichte

ist manchmal hilfreich, kann aber auch destruktiv sein. Da ich zum Zweiten nicht tendiere möchte ich heute mal auf die Geschichte des Parlamentarismus eingehen.

Über die Wichtigkeit des Parlaments habe ich mich schon genug ausgelassen, also dies nur noch zur Ergänzung.

Wenn also im heutigen Deutschland die Regierung der Altparteien „alternativlos“ ist, dann haben wir eine Quasi-Monarchie wie zur Zeit der Rosenkriege in England. Statt „York vs. Lancaster“ heißt es dann heute „Merkel vs. Steinbrück“. Das erklärt dann auch die Konzentration auf Stinkefinger, Merkel-Raute, Schland-Kette und Ähnliches. Auch die zur Zeit passende Pädo-Kampagne gegen Trittin gehört dazu. Wir wählen uns einen neuen Monarchen. Da sind Gesten, Äußerlichkeiten und Demontage von Spitzenkandidaten nicht nur der BILD wichtig.

Zugegeben, zur Zeit der Rosenkriege gab es noch kein Parlament. Aber später gab es dieses in England. Was geschah wohl als es dem Monarchen die Gefolgschaft aufkündigte?

Es wurde geschlossen. Das war unter Anderem 1629. Auch in Frankreich und anderen Monarchien gab es diese Bestrebungen der Monarchen den eben eingeführten Parlamentarismus wieder abzuschaffen. Eingeführt wurden Parlamente übrigens, als die Monarchien sich der Unterstützung des niederen Adels und des aufstrebenden Bürgertums versichern mussten um zu überleben.

Der Parlamentarismus erkämpfte sich seine Stellung in den europäischen Monarchien trotz Auswüchsen, wie unter Oliver Cromwell und Napoleon, die wieder zur Monarchie führten. Aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts kam eine Warnung:

Im übrigen bin ich davon überzeugt, dass keine Nationen mehr in Gefahr sind, unter das Joch zentralisierter Verwaltungen zu geraten, als diejenigen, deren Sozialordnung demokratisch ist.
Dazu tragen mehrere Ursachen bei, darunter die folgenden:
Diese Völker sind immerzu geneigt, die gesamte Regierungsgewalt in den Händen der unmittelbaren Volksvertretung zu vereinigen, denn jenseits des Volkes erkennt man bloß noch gleiche, in einer allgemeinen Masse verschwindende Menschen. [1]

Diese Warnung kam von einem französischen Adligen, der sich mit der Demokratie in dem Land beschäftigte in dem es eine Monarchie nicht gab. Das Amerika über welches er schrieb, heute als USA bekannt, stand an eben jenem Scheideweg und steht heute genau an der Anfangs beschriebenen Stelle. Es gibt nur eine Alternative und die unterscheidet sich nicht wirklich vom alten Zustand. Man denke an die Hoffnungen, geradezu messianischer Art, die auf Obama gesetzt wurden.

Genau an dieser Stelle stehen wir heute wieder. Die Wahl, wenn man sie auf die neue Regierung beschränkt, steht etwas bunter da. Schwarz-gelb, schwarz-rot, rot-grün, schwarz-grün, rot-rot-grün, das sind die Alternativen. Außer der Letztgenannten bestehen aber alle Farbspektren aus ehemalig/zukünftigen Regierungsparteien. Sollte nun auch noch die Linke in eine Regierung einziehen, dann wird 2017 nur noch eine Wahl zwischen dem Bekannten, von einer Mehrheit als „nicht befriedigend“ empfundenen, möglich sein.

Was brauchen wir also?

Wir brauchen ein vielfältigeres Parlament. Ein Parlament in dem es mehr Farbspektren gibt, die sich aber nicht nur von den Farben sondern auch von den Ideen her unterscheiden.

Wir brauchen ein Parlament welches die „Monarchen“ gern verbieten würden.

Wir brauchen knapp über 5% Parteien die wieder neue Ideen einbringen.

Für meinen Teil ist die Farbe Orange.

Schon mal drüber nachgedacht, lieber Nichtwähler?

Es sind nur noch 4 Tage!

[1] Alexis de Tocqueville (1805-1859) in Über die Demokratie in Amerika

Das Problem mit der Demokratie

und seine Folgen könnte ich diesen Artikel nennen. Also nenne ich ihn auch so.

Um dieses Problem zu illustrieren nehme ich den bemerkenswerten Artikel von Anja Wurm über eben dieselbe. Vorsichtshalber, nur um Missverständnisse auszuschließen, betone ich, dass es hier nicht um eine persönliche Abneigung handelt. Der Artikel illustriert das Problem eben aus meiner Sicht.

Anja schreibt also in ihrem Artikel Folgendes:

Der Bürger, der jedoch nur scheinbar die Möglichkeit hat, mit der Wahl einen Regierungswechsel zu ermöglichen durch das chaotische Gebaren der Alternativparteien und dem Angleichen der wenigen, wechselnden Regierungsparteien untereinander (siehe oben), hat bei der Wahl keine Wahl. Die Wahl des einzelnen Bürgers besteht im Moment nur aus drei Alternativen, a) dem Wahlboykott, b) der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird) oder c) auf die alten Parteien zu setzen. Will der Bürger also die Regierung mitbestimmen, bleiben ihm nur die am Skandal direkt oder indirekt beteiligten, traditionellen Parteien. [1]

Genau dort ist m.E. nach der Fehler in der Betrachtung. Warum? Weil diese Behauptung den status quo, wahrscheinlich ohne es zu wollen, zementiert.

Wenn es so ist, dann haben wir keine Chance. Wir sind alternativlos den Altparteien ausgeliefert.

Ist das so?

Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir in 5 Tagen nicht in erster Linie die Regierung wählen oder abwählen.

Wir bestimmen über die Zusammensetzung unseres Parlaments.

Hier kommt der verschämt dahergehende Punkt b) „der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird)“  ins Spiel.

Natürlich führt die Wahl der (hoffentlich) knapp über 5% Parteien nicht zu einer anderen Regierung. Sie führt aber zu einer veränderten Opposition.

Diese kann nun durchaus die Regierungsarbeit beeinflussen, auf parlamentarischem Wege.

Diese kann aufstehen und im Sinne ihrer Wähler sprechen.

Ohne diese wird es so weiter gehen wie bisher.

Warum halte ich mich an diesem Punkt auf?

Weil er nicht nur in diesem Artikel zu finden ist. Er ist geradezu das Normal des unpolitischen Bürgers geworden. Er ist eine Abwertung des Parlaments. Er unterstützt das Nichtwählen als angeblich politische Meinungsäußerung.

Ehrlich, ich denke, dass Anja diesen Passus nicht so gemeint wie geschrieben hat. Er dient mir zur Illustration einer verbreiteten Meinung.

Wählen gehen ist die einzige Möglichkeit etwas zu ändern. In der parlamentarischen Demokratie geht es (leider) nicht schneller. Die Wahl einer starken pluralistischen Opposition ist meiner Meinung nach die einzige, wenn auch langfristige, Alternative etwas zu ändern.

Also ich wähle Piraten!

Wen wählst Du?

P.S. Ein kleiner Ausflug noch zu den Ausführungen über PRISM & Co. Anja schreibt:

Ähnliches passierte bei Prism, statt den Lauschangriff als solchen anzuerkennen, wird er als Sicherheitsmaßnahme zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung dargeboten, in der Hoffnung der Bürger denke nicht nach … [1]

Längst bevor PRISM & Co. bekannt waren, hatte der Bürger bereits Kenntnis über Mittel und Möglichkeiten. Ich habe das hier beschrieben. Der Bürger hatte diese Mittel und Möglichkeiten längst als wichtig für die Verbrechensbekämpfung akzeptiert. Nicht die Regierung musste ihn überzeugen. Wir müssen ihn vom Gegenteil überzeugen. Das ist schwer.

[1] Größenwahn und Kontrollsucht by Anja Wurm http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=18111