nach dem Referendum und dessen für EU-Politiker und deutsche „Qualitätsmedien“ unerwarteten Ergebnis nimmt Formen an, die mich zum Widerspruch verpflichten.
Als erstes möchte ich daran erinnern, dass nicht das griechische Volk den Schuldenberg angehäuft hat. Diese Schulden wurden von den aktiv von den Politikern aller EU-Staaten unterstützten Vorgänger-Regierungen der heutigen Regierung gemacht. Die von den Medien kritisierten Fehlentwicklungen der Renten-, Lohn- und Steuerpolitik wurden von den Regierungen der PASOK und Nea Dimokratia verursacht, um Wahlen zu gewinnen und das Volk bei der Stange zu halten. Der „deutsche Bürger“ sollte, bevor er sich erregt, sein Wahlverhalten überdenken, besonders den Zusammenhang mit Versprechungen der gewählten Partei.
Natürlich war auch die Wahl der Syriza eine Hoffnungswahl, aber wer kann das den Griechen verdenken?
Die Wahl von Alexis Tsipras zum Regierungschef wurde mit dem Wählerauftrag verbunden, das Spardiktat der Troika zu beenden und die fiskalische und politische Souveränität Griechenlands zu erhalten.
Mit dem gestrigen Referendum (#greferendum) wurde dieser Wählerauftrag erneuert.
Die Reaktion der deutschen „Leitmedien“ ist nicht verwunderlich. Sie behaupten, dass die griechischen WählerInnen nicht wussten, worüber sie entscheiden.
Ich behaupte: Sie wussten es genau.
Am 01. November 2011, es stand schon einmal eine Volksabstimmung zur Schuldenpolitik an, habe ich das so formuliert:
Das griechische Volk muss darüber abstimmen, ob es für die Garantiezahlungen an das Finanzsystem auf seine fiskalische und staatliche Souveränität verzichtet und harte Jahre vor sich hat. Oder ob sie ihre Souveränität behalten und harte Jahre vor sich haben.
Das griechische Volk hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden, bei vollem Bewusstsein der Schwierigkeiten.
Jetzt wird gehetzt!
Nicht nur von BILD, daran haben wir uns gewöhnt, es wird auch vom SPIEGEL gehetzt. Am Artikel von Christian Rickens stört mich nicht seine Betrachtung der Folgen des Referendums, das eventuelle Ende des Euros in Griechenland, mich stört die unterstellte Dummheit der Griechen und ihrer Regierung.
Es ist absurd zu schreiben, dass er im Falle einer Ablehnung der Syriza-Politik durch das Volk jubeln würde:
Da ist ein Volk weiser als seine Führer. Da ruft ein Land: Lasst uns nicht allein mit den Polit-Hasardeuren Tsipras und Varoufakis und ihren mehr oder weniger korrupten Vorgängern.
Die korrupten Polit-Hasardeure, die den Schuldenberg anhäuften, wurden ja vom griechischen Volk abgewählt – allerdings mit der Wahl von Syriza mit Tsipras und Varoufakis!
Auch die weitere geplante Jubelrede im Falle des ihm genehmen Ergebnisses fällt in die gleiche Kategorie:
Und ich hätte geschrieben, dass die übrigen Eurostaaten diesen Hilferuf erhören und Athen endlich eine faires Angebot machen sollten, das im Kern Folgendes beinhaltet: Eine Umschuldung, die Griechenland Luft zum Atmen gibt.
Warum sollten die Eurostaaten diese Hilfe nach einem anderen Ausgang des Referendums gewähren, Herr Rickens?
Es wäre ja eine echte Hilfe – eben jene um die Tsipras und Varoufakis die ganze Zeit kämpfen.
Mein Fazit ist:
In der Eurozone können Schulden geduldet werden, solange keine demokratische sozialistische Regierung an der Macht ist!
Wenn ein Volk eine solche Regierung wählt, eine die sich nicht an die Spielregeln hält, dann ist „Schluss mit lustig“ und Schluss mit Solidarität – diese muss weg!
Wir werden sehen, wer in Spanien die Wahlen im Herbst gewinnt. Wenn es PODEMOS wird, dann wird es interessant.
Eine erste Reaktion auf die Hetze gegen Griechenland gibt es schon.
Yanis Varoufakis hat sich mit seiner Verhandlungspolitik die Betonköpfe der EU zu Gegnern gemacht, bis alle ihn als Verhandlungshindernis bezeichneten. Chapeau für ihn, seine Verhandlungspartner haben scheinbar vergessen, dass er nur die Politik seiner Regierung vertritt. In der Propaganda der Medien wurde er zum „Feind Nr.1“ aufgebaut, etwa im ZDF, wo Peter Frey kommentiert:
Mit einem Finanzminister weiterzuverhandeln, der die Retter gestern noch „Terroristen“ genannt hat, ist eine Zumutung.
Nun hat er mit seinem – nicht erzwungenen – Rücktritt allen den Wind aus den Segeln genommen. Wenn Varoufakis das Hindernis war, dann gibt es ja jetzt keinen Grund mehr nicht zu verhandeln, oder?
P.S.: Wenn Peter Frey kommentiert:
Auf die griechische Syriza könnte bald in Spanien Podemos folgen und eine rechtsnationale Präsidentin in Frankreich. Weitere Erfolge der Extremen lassen sich nur verhindern, wenn Europa nicht nur fordert, sondern durch sichtbare Investitionen und schnelle Hilfsprogramme auch Solidarität zeigt
so ist die faktische Gleichsetzung von Syriza, Podemos und Front National als Extremisten eine Unverschämtheit. Dem zweiten Teil stimme ich allerdings zu. Auch wenn ich glaube wir verstehen darunter nicht das Gleiche.