Sternstunde oder Haribo

Denkbare Gummibärenbande in Thüringen

Die Landtagswahl in Thüringen ist gelaufen, hier sind Glückwünsche an Bodo Ramelow angebracht der das Projekt rot-rot-grün (R2G) unter Führung der Linken zu einem Erfolgsmodell gemacht hat. Erwartbar war das Wahlergebnis im Vorfeld so nicht.

Ergebnis und Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung ist erheblich angestiegen, wie zu erwarten hat die AfD profitiert. Die Linke ebenfalls, wobei es bei beiden erhebliche Unterschiede aus meiner Sicht gibt. Die AfD betrachte ich hier nicht sondern ich konzentriere mich auf die Linke und Bodo Ramelow.

Meiner Meinung nach hat die Linke, besser Boodo Ramelow, auch Stimmen von SPD- und Grünen-WählerInnen erhalten. Diese wollen, dass er R2G weiter führt und befürchteten dass im Falle eines starken Abschneidens der CDU ihre Parteien vielleicht auf „Kenia“ spekulieren.

Minderheitsregierung?

R2G hat nicht genügend Stimmen um mit einer Mehrheit im Landtag zu regieren – das ist eine Tatsache. Was wäre schlimm an einer Minderheitsregierung – auch ohne eine „Duldung“?

Aus meiner Sicht nichts, immerhin haben ¾ der Thüringer WählerInnen nicht AfD, sondern ihre Gegner gewählt. Alle im Landtag vertretenen Parteien behaupten von sich, dass sie das Beste für Thüringen – über Parteigrenzen hinweg – wollen. Es sollte also eine Sternstunde der Demokratie sein, wenn eine Minderheitsregierung mit einem demokratisch gewählten Parlament zusammen, im Interesse der BürgerInnen, das Bundesland regiert. Dazu müssen natürlich alle bereit sein, was schwierig ist.

Haribo?

Es sind rechnerisch zwei weitere Konstellationen möglich. Die eine Linke+CDU hätte eine komfortable Mehrheit. Der Gedanke daran verbietet sich, wenn man Mike Mohring im Vorfeld der Wahl gehört hat und die allgemeine Stimmung in der CDU sieht.

Die zweite ist, mir gehen die Flaggenkenntnisse aus, eine Haribo-Koalition – also R2G+FDP. Rechnerisch möglich aber nur knapp, kompliziert in der Zusammensetzung und die FDP wird auf der gleichen Anzahl Minister-Posten bestehen wie die Grünen – was wiederum schon Koalitionsverhandlungen „interessant“ machen würde.

Fazit

Ich sehe hier eine Minderheitsregierung als den besseren Weg und hoffe, dass sie zu einer Sternstunde der Demokratie wird.

Viel Erfolg Bodo Ramelow – aus ganzem Herzen.

P.S. Als Pirat bin ich natürlich mit dem Ergebnis der Piratenpartei nicht glücklich, freue mich aber über die ersten Stimmen aus der FDP die eine Abschaffung der Sperrklausel fordern. Vielleicht schließen sich Grüne und SPD nach diesem Wahlergebnis ja auch an.

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Auch PEGIDA & Co kann man irgendwie gebrauchen,

sei es auch nur zum Kampf gegen die Kommunisten zu dem der CDU-Vorsitzende in Thüringen, nach der rot-rot-grünen Regierungsbildung aufrief. Das christliche Abendland ist in Gefahr zum Kommunismus zu konvertieren, da muss die CDU etwas tun. Letztendlich könnte sie dazu gezwungen sein die besorgten Bürger zu integrieren um die Regierungsbeteiligung der Partei „Die Linke“ nach der Bundestagswahl 2017 zu verhindern.

Schuld an dieser Misere ist nach Meinung der CDU in erster Linie die SPD, die sich nicht genügend gegen „Die Linke“ abgrenzt. Wer sich das antun will, liest die Reden von Angela Merkel [1] und Peter Tauber [2] auf dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag der CDU. Diese Reden sind wichtig, weil sie als offizielle Verlautbarungen der CDU gewertet werden können. In Interviews äußern sich auch andere Politiker und natürlich Prominente aller Couleur in dieser Art. Verachtung und Hass werden geschürt.

Die Verachtung der Konservativen gilt der SPD, der Hass gilt der Partei „Die Linke“.

Rein äußerlich betrachtet begann der Einsatz dieses politischen Mittels mit der Regierungsbildung in Thüringen, nach der Landtagswahl 2014. Ein Ministerpräsident aus der Partei „Die Linke“ und eine Regierungskoalition von „Die Linke“, SPD und „Bündnis 90 / Die Grünen“ (rot-rot-grün / #r2g), das konnte in keiner Weise akzeptiert werden.

Bereits im Vorfeld taten die Konservativen alles um „Die Linke“ zu diskreditieren. Ich erinnere an die unsägliche Feier zum Tag der Deutschen Einheit mit dem Auftritt des Möchtegern-Drachentöters Biermann, die Anmaßungen des Pfarrers Gauck in seinem Amt als Bundespräsident und die unsinnige Diskussion um den Unrechtsstaat DDR.

Es hat nicht funktioniert, zumindest in Thüringen, die Wähler konnten nicht motiviert werden zur Wahl zu gehen um „rot-rot-grün zu verhindern“, die Wahlbeteiligung lag nur bei circa 50%. Also wurde die Propaganda in die undemokratische Form der nachträglichen Verhinderung mit dem Schüren von Verachtung und Hass verlagert. Scheinbar ist es einfacher Demonstranten zu aktivieren als Wähler*. So kam es zum „Lichtermeer“ in Erfurt, an dem auch die besorgten Bürger teilnahmen.

In den Reden von Angela Merkel und Peter Tauber fielen dann auf dem Bundesparteitag der CDU entsprechend harte Worte:

Ich halte das Verhalten der SPD in Thüringen für eine Bankrotterklärung, eine Bankrotterklärung an den eigenen Anspruch, als Volkspartei wirklich Zukunft gestalten zu wollen. [1, S.26]

Sagte Angela Merkel, die sich noch zurück nahm und die eigenliche Beschimpfung des Koalitionspartners in der Bundesregierung ihrem Generalsekretär überließ. Ausdrücklich wird hier natürlich „Die Linke“ als nicht zukunftsfähig bezeichnet.

Peter Tauber schlug weitaus härter auf die SPD ein.

Denn da macht sich die einst so stolze SPD zum Steigbügelhalter der viermal umbenannten SED. [2, S.1]

Mit Bodo Ramelow zieht ein roter Karl Marx aus Plastik in die Staatskanzlei ein; […] Im Namen der Ideen von Karl Marx** sind Millionen von Menschen ihrer Freiheit beraubt und ermordet worden. […] Dass es soweit kommt, liegt vor allem an der SPD selbst. [2, S.2]

Das ist aber nur die Einleitung zum Angriff auf die Bundes-SPD und ihren Vorsitzenden, der dann so endet:

Ein SPD-Vorsitzender darf Seiltanzen, er darf vielleicht sogar ein Traumtänzer sein – das hat ja bei den Sozis eine gewisse Tradition … [2, S.2]

Peter Tauber erzeugt mit seiner Rede durchaus Effekte, die Verwendung von Attentats-Termini wie „Seiltänzer“ für Gabriel, „Möchtegern-Generalsekretär“ für Stegner und natürlich „Plastik-Marx“ für Ramelow ist bewusst gewählt. Er redet den politischen Gegner in der SPD klein(mütig) und der Partei „Die Linke“ weist er ihre Rolle als Gefahr für die Demokratie zu.

Nebenbei bekommen natürlich die Grünen auch ihren Anteil an Hohn und Spott – er hält es für unnötig über sie zu reden.

Die Kritik an der AfD [2, S. 2/3] fällt zwar harsch aus (sie wird nicht mal beim Namen genannt), aber er macht sich mehr lustig über sie und gibt ihr ein Spinner-Image. Als gefährlich sieht er sie nicht, das lässt einige Befürchtungen für die Zukunft zu.

Aber zurück zum Hass auf „Die Linke“, hier gibt mir am meisten das von Angela Merkel verwendete Bernhard Vogel Zitat zu denken:

„Thüringen ist nur eine Etappe. Schon aus diesem Grund wäre es Ramelows größte Torheit, jetzt den Eindruck zu erwecken, er plane in Thüringen die Revolution. Wir werden mit ihm eher ruhige Jahre erleben. Damit 2017 alle glauben, die Linken taugten auch für den Bund.“ [1, S. 26]

Ramelow und der gesamten Partei „Die Linke“ wird unterstellt, dass sie ein kommunistisch-stalinistisches Regime anstreben, aus wahlkampftaktischen Gründen aber noch bis zur gewonnenen Bundestagswahl 2017 warten.

Die Konsequenz die Merkel für die Konservativen zieht ist voraussehbar und eindeutig:

…nur eine starke Union im Jahr 2017 wird Rot – Rot – Grün im Bund unmöglich machen. [1, S. 26]

Mike Mohring, der CDU-Vorsitzende in Thüringen, fordert sogar die Bundes CDU auf:

„Lasst diesen Landesverband im Kampf gegen die Kommunisten nicht allein.“

An dieser Stelle mein Fazit:

1. Die Aussagen der CDU-Politiker lassen mich befürchten, dass im Kampf gegen die Kommunisten die Thüringer CDU, unterstützt durch die Bundes-Partei, alles unternehmen wird um der Landesregierung Steine in den Weg zu legen. Um den Nachweis zu erbringen, dass rot-rot-grün nicht regieren kann, werden Schäden für das Land Thüringen und seine Bevölkerung billigend in Kauf genommen werden.

2. Die CDU wird auf Bundesebene eine Spaltung der SPD, durch Verächtlichmachung der linken Parteimitglieder als „Steigbügelhalter der Kommunisten“, befördern.

3. Durch das Ausrufen des Kampfes gegen die Kommunisten wird letztendlich ein Schulterschluss der konservativen Parteien alternativlos, wenn sich die SPD nicht von rot-rot-grün endgültig distanziert. Somit wird es eine Zusammenarbeit mit der AfD geben, es bleibt ja sonst niemand übrig wenn sich die CDU selbst mit dem Rücken an die Wand stellt.

4. Ein entschiedenes Vorgehen gegen die ausländerfeindlichen PEGIDA & Co – Bewegungen wird unmöglich werden, da die CDU zu diesem Zwecke auch mit SPD und „Die Linke“ zusammenarbeiten müsste. Das „Verständnis für die Sorgen der Bürger“ ist erst der Anfang, gemäßigte Strömungen dieser Bewegungen werden in den Kampf gegen den Kommunismus eingebunden werden.

5. Der Hass auf „Die Linke“ und die Verachtung für SPD und Grüne wird wohl das zentrale Thema für die nächsten Wahlen. Eine Regierungsbeteiligung durch „Die Linke“ zu verhindern wird wichtigstes Ziel und rechtfertigt für die CDU alle Mittel.

Zum Schluss eine Frage:

Bin ich paranoid, weil ich die CDU so verstehe?

* Rein statistisch gesehen, sind bei einer Demonstration von 10.000 Menschen, verglichen mit der Wahlbeteiligung, 5.000 Nichtwähler. Also Menschen die ihre Möglichkeit der demokratischen Einflussnahme nicht wahrgenommen haben.

** Das ist ein rhetorischer Trick. „Im Namen von“ trifft keine Aussage über die Thesen von Marx. Die folgende Aufzählung zeigt nur den Missbrauch der Thesen. Bezogen auf die CDU wäre das „Im Namen von Jesus wurden Kriege geführt, gefoltert, hingerichtet usw.“ Dieser Satz ist reine Propaganda.

Das „Wort zum Sonntag“ des Pfarrers Gauck

in der ARD war leider eine Verlautbarung, die eben jener in seinem Amt als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland abgab.

Heute schon an dieser Stelle der Disclaimer:

Ich habe, als Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, die gebührende Achtung für das Amt des Bundespräsidenten. Es liegt nicht in meiner Absicht das Amt oder den Amtsinhaber zu verunglimpfen. (Ich hoffe, dass das reicht.)

Was macht diese Verlautbarung eigentlich so gefährlich für die Demokratie?

Betrachten wir zuerst den Bundespräsidenten. Dieser ist, im Gegensatz zu der von ihm kritisierten Partei „Die Linke“, nicht durch das Volk in seine Regierungsverantwortung gewählt. Seine Person im Amt ist das Ergebnis eines politischen Kuhhandels (sorry, ich muss das mal so deutlich sagen), was sein Amt aber nicht entwertet. Gerade dieses Wahlprocedere sollte ihm aber eine scharfe Sicht auf demokratische Prozesse im Land gewähren.

Zu seinen Aussagen im „Wort zum Sonntag“ ist eigentlich nicht viel zu sagen.

„Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren“

Herr Gauck, haben Sie sich schon einmal gefragt wie viele Menschen Ihrer Altersklasse sich, abseits von Ostalgie, fragen warum sie sich heute Sorgen um Altersarmut machen – dies aber in der DDR nicht taten – und dann Die Linke wählen?

„Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“

Beschränkt man die Sicht auf Thüringen, dann erhebt sich doch eher die Frage welcher Partei, in der heute noch Mitglieder von DDR-Parteien sitzen, die BürgerInnen Thüringens vertrauen können. Wichtig ist das aber nicht wirklich. Bodo Ramelow ist kein ehemaliges SED-Mitglied. Viele der Partei-Mitglieder sehen, vielleicht naiverweise, eher die Vorstellung eines wirklich demokratischen Sozialismus (nein, das ist kein Widerspruch) als die Unterdrückungsmentalität der alten SED-Führung , als Motiv ihres politischen Handelns an.

„Es gibt Teile in dieser Partei, wo ich – wie viele andere auch – Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln.“

Herr Gauck, in welcher Partei gibt es die nicht?

Welche Teile von welchen Parteien verstecken sich eigentlich hinter den ständigen Bestrebungen uns alle, selbstverständlich zu unserem Besten, zu überwachen?

Welche Teile von welchen Parteien wollen uns, die StaatsbürgerInnen, entmündigen indem man uns, unter dem Deckmantel des Geheimnisschutzes, Informationen vorenthält die für den demokratischen Prozess wichtig sind? Ich denke da an TTIP und den NSA-Untersuchungsausschuss.

Welche Teile von welchen Parteien klüngeln in Hinterzimmern mit Lobbyisten um nach dem „Dienst am Volke“ einen einträglichen Job in der Wirtschaft zu erhalten? (Ich weiß, Sie tun das nicht.)

Welchen Parteien sollen die BürgerInnen, nicht nur die in Thüringen, vertrauen?

Das müssen die BürgerInnen selbst entscheiden – ganz demokratisch.

Das haben diese getan – und das ist gut so. Wenn die SPD-Basis nun entscheidet, dass ihre Partei an einer von Bodo Ramelow geführten Regierung teil hat – dann ist das Ergebnis eines demokratischen Prozesses.

Die Bedenken des Bürgers Joachim Gauck dürfen nicht das Amt des Bundespräsidenten beschädigen.

P.S. Aus Achtung vor dem Amt des Bundespräsidenten habe ich die Verlautbarung zur Thüringen-Wahl als „Wort zum Sonntag“ betrachtet.