Die Lokführer der GDL streiken und es stellt sich die Frage nach der Legitimität und der Sinnhaftigkeit des Streiks – wenn man (Alt/Leit)Medien und Politikern glauben mag.
Falsch, die Frage stellt sich nicht. Der Streik ist nach deutschem Gesetz legitim und der Sinn des Streiks ist eindeutig. Die in der GDL organisierten Lokführer (nicht nur die) wollen für ihre Arbeit mehr Geld, sie wollen mehr Freizeit und weniger Überstunden.
Ich lasse das so im Raum stehen, weder bin ich Lokführer noch habe ich mich mit Löhnen und Arbeitsbedingungen derselben näher beschäftigt.
Warum also das Geschrei der (Alt/Leit)Medien und der Aktionismus der Politiker, der letztendlich in einem Gesetz gegen Streiks enden wird?
Ich unterstelle hier diesen Medien nicht eine Handlangerschaft für die Politik. Nein, das Thema ist eben einfach zu verlockend. Erregte Fahrgäste die nicht an ihren Zielort kommen, Unternehmen die Umsatzeinbußen prognostizieren und Solidarität mit dem Unternehmen Deutsche Bahn, welches ja schließlich auch ein gewinnorientiertes Unternehmen mit allem Drum und Dran ist. Streiks könnten ja auch das eigene Unternehmen treffen.
Die Motivationen unserer Politiker sind andere.
Als Erstes müssen wir uns wohl von der lieb gewordenen Vorstellung lösen, dass Politiker einer Partei auch Grundwerte dieser vertreten wenn sie in einem Amt sind.
Am Beispiel des Sigmar Gabriel (SPD) wird das besonders deutlich. Ich behaupte nicht, dass er die Wurzeln der Sozialdemokratie völlig vergessen hat. Mit der Übernahme der Ämter als Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Energie der Bundesrepublik Deutschland fungiert er aber in erster Linie wie ein Unternehmenschef, besonders im Fall der Bahn.
Schließlich wurde die Bahn unter Mitwirkung der SPD privatisiert und gewinnorientiert ausgerichtet. Ein Streik bei der Bahn ist also auch ein Statement gegen die verfehlte Politik der Bundesregierung und der SPD. Dieser Streik ist auch ein politischer Streik.
Da muss der zuständige Minister doch ganz anders reagieren als z. B. Bei einem Streik gegen Amazon. Dort kann er die Streikenden verstehen und verbal unterstützen, bei der Bahn geht das nicht.
Wenn Sigmar Gabriel den Bahnstreik mit den Worten „Er wird die gesamte deutsche Wirtschaft schwer treffen“ kritisiert, dann spricht der Wirtschaftsminister und der SPD-Vorsitzende hat die Klappe zu halten. Dieser wüsste nämlich, dass genau diese Aussage den Sinn des Streiks erklärt.
Ein Streik soll weh tun!
Ein Streik soll die Wirtschaft treffen!
Ein Streik soll Aufmerksamkeit erzeugen!
Sonst ist er kein Streik.
Es erübrigt sich über Kampfbegriffe wie „Geiselhaft“ für Bahnkunden zu sprechen. Ja, die Bahnkunden leiden unter dem Streik, aber hat sich jemand Gedanken gemacht über den Amazon-Kunden der etwas bestellt hatte was er wirklich braucht und nur dort bekommt? Das Beispiel hinkt, das ist mir bewusst, aber rechtfertigt ein Streik der Millionen von Menschen trifft ein Gesetz gegen Streiks?
Wenn das Streikrecht einmal eingeschränkt wird, dann ist das erst der Anfang. Weitere Einschränkungen werden folgen. Erst wird es fast unmöglich werden in den wichtigsten Bereichen der Volkswirtschaft zu streiken – später wird jeder Streik unmöglich.
Natürlich wird dies nur zum Wohl der Bevölkerung sein. Das hatten wir (knapp ein Fünftel der Bevölkerung) schon mal: „Streiks sind in der DDR nicht notwendig, da die Produktionsmittel bereits den Werktätigen gehören.“ So lernten wir das im Staatsbürgerkunde-Unterricht. Auch das war zum „Wohle des Volkes“.
Wer die Forderungen der Lokführer für maßlos hält der bedenke bitte, dass das fahrende Personal und die anderen Beschäftigten der Bahn unsere Mobilität garantieren. Im Gegensatz zu den Vorständen die zwar die Unternehmensziele formulieren aber diese ständig „verfehlen“.
Erstere müssen streiken um angemessene Entlohnung zu erhalten.
Letztere genehmigen sich ständig steigende „Erfolgsprämien“.
Schade, früher hätte eine Arbeiterpartei den Streik unterstützt.
Wenn beim nächsten Parteitag der SPD die Internationale angestimmt wird, bekommen dann Sigmar Gabriel und andere einen roten Kopf?
P.S. Das „Gesetz zur Tarifeinheit“ stärkt die großen Gewerkschaften. Das sind eben jene, die mit der Regierung und der Wirtschaft konform gehen. Warum gehen Mitarbeiter in Spartengewerkschaften? Vielleicht weil sie sich von den „Großen“ nicht vertreten fühlen.
Bildquelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Archiv der sozialen Demokratie, Zur Reichstagswahl 1920
Die Lösung wäre, der Bahn als Quasi-Monopolisten in vielen Bereichen gesetzlich aufzugeben, die Grundversorgung an Transportleistung sicherzustellen. Bei ausgefallenen Zügen müssen Menschen, die plausibel machen können, dass sie den Zug benutzt hätten (durch Anwesenheit am Bahnsteig, eine Fahrkarte, regelmäßige Nutzung o.ä.) entschädigt werden – und zwar mit deutlich mehr als dem Fahrpreis: Nämlich den Kosten eines Ersatztransports.
Dann träfe der Unbill des Streiks die Bahn und nicht die Kunden. Entweder sie müssten teure Ersatzkräfte einkaufen oder horrende Entschädigungen zahlen. Denn praktisch ist es doch so, dass die Bahn auf Zeit spielen /kann/, weil die Streikfolgen /für sie/ überschaubar bleiben und sich der Ärger der Bevölkerung gegen die Lokführer richtet…. und weil der verfassungswidrige Nahles-Knebel bald kommen könnte.
Dass die Medien nicht auf diesen einfachen Sachverhalt aufmerksam machen und die Politiker hier weiter populistisch einheizen, anstatt ihren Job zu tun zeigt, dass diese Leute ihr Gehalt nicht wert sind, dass wir Bürger ihnen zahlen. Ich frage mich: Von wem werden diese Pappnasen eigentlich gewählt? Von Bahnkunden?
Eine viel einfachere Lösung wäre, wenn das Streckennetz einfach wieder verstaatlicht wird und:
a) gleichzeitig die gesamte Deutsche Bahn. Dann könnte nämlich das Personal wieder verbeamtet werden, was für das Personal von Vorteil wäre und auch für die Kunden.
b) Lizenzen für den Betrieb von Bahnen an mehrere Unternehmen verteilt (nicht nur diese Alibi-Wettbewerber die kleine Strecken bewirtschaften), wodurch ein Streik, der sich ja meist auf ein Unternehmen bezieht, durch die anderen abgefedert werden kann. Das bestreikte Unternehmen wird dann dennoch getroffen, da es Umsatzeinbußen hat, aber die Kunden werden dadurch entlastet.
Aber sind wir doch ehrlich. Egal ob Monopol oder Wettbewerbsmarkt. Wichtig wäre die Solidarität der Arbeiter untereinander. Wenn die GDL streikt, dann tut das weh, dann tut das sogar dreimal so toll weh, als wenn im Einzelhandel gestreikt wird, aber das darf kein Grund sein zu vergessen, dass wir uns mit genau diesen Streiks unsere Arbeitnehmerrechte erkämpft haben. Nein, falsch, nicht wir haben sie erkämpft, Generationen vor uns haben die für uns erkämpft. Wir bleiben ja lieber in unserer Komfortzone und regen uns lieber darüber auf, wenn diese mal eingeschränkt wird. Gleichzeitig jammern wir aber über die miese Bezahlung, ohne überhaupt im Ansatz darüber nachzudenken, uns selbst zu organisieren – eben in Gewerkschaften.