Kinder, Kinder …

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage. Ich kann Ihnen auch nicht helfen.

Bin ich aber froh, dass meine Kinder schon älter sind. Enkel habe ich noch nicht – auch das scheint gut zu sein.

Mal ehrlich, ein relativ unbedeutendes deutsches Gericht (Landgericht Köln) urteilt über die „rituelle Beschneidung“ der Knabenvorhaut und in der Net-Community (zu Deutsch virtuelle Laberecke) überschlagen sich die Meldungen, Meinungen, Petitionen und vor Allem die Betroffenheitsbekundungen. Besonders stark werden auch wieder die Kinderrechte aller Art in den Vordergrund gerückt.

Sehen wir das aber mal etwas gelassener.

Was ist eigentlich passiert?

Bei einer von einem Arzt durchgeführten Beschneidung der Vorhaut eines kleinen Jungen kam es zu Nachblutungen. Die Eltern mussten die Notaufnahme aufsuchen. Ärztepfusch oder Pfusch bei der Nachbehandlung oder einfach „dumm gelaufen“? Das war nicht die Frage. Die Frage wurde auch nicht durch die Eltern gestellt, nein die Staatsanwaltschaft ging gegen das erste Urteil des Amtsgerichts in Berufung. Dieses hatte sinngemäß so geurteilt, dass dem Kind eine „Stigmatisierung in seinem kulturellen und religiösen Umfeld“ droht, eben wenn es nicht beschnitten ist. Das Landgericht erklärte nun den Eingriff zur Körperverletzung.

So weit – so unbedeutend.

Warum? Es gibt kein Gesetz, keine Regel, nur ein erstes Urteil. Es kann auch wieder kassiert werden.

Was mich viel mehr beunruhigt ist die Reaktion. Es wird ein Verbot gefordert und dem o.g. Urteil geradezu euphorisch zugestimmt. Es wird auch der Casus Körperverletzung durch Vorhautbeschneidung mit der Beschneidung bei Mädchen gleichgestellt.

Aber ich wage zu behaupten, dass die sog. „Beschneidung“ (vulgo Verstümmelung) der weiblichen Genitalien, auch mit Zustimmung einer rechtsfähigen weiblichen Person (natürlich an derselben), juristisch bedenklich ist – wahrscheinlich ist sie sogar verboten. Während die Vorhautbeschneidung eben unter gleichen Umständen (natürlich an einer männlichen Person) eher als kosmetische Operation gewertet wird.

Aber mal zum ersten Urteil zurück. Die „Stigmatisierung“ ist ja keine Frage des Ermessens eines deutschen Gerichts. Ein jüdischer Junge ist ein jüdischer Junge (sozusagen vollwertig) wenn er beschnitten ist. Als jüdischer Junge kann er am Gemeindeleben teilnehmen. Will das nächste deutsche Gericht den jüdischen Gemeinden vorschreiben wie sie ihr Gemeindeleben zu gestalten haben oder wie sie ihre Schriften zu interpretieren haben?

Gleiches gilt selbstverständlich auch für Muslime.

Was also passieren wird ist Folgendes. Wenn das Urteil bestehen bleibt und evt. wie gefordert Gesetzescharakter erhält, dann werden die jüdischen und muslimischen Knaben eben im Ausland beschnitten. Was haben wir dann gekonnt? Im schlimmsten Falle werden unsere Ärzte mit den Nachbehandlungen und „Korrekturen“ beschäftigt sein. Aber das wird eine andere Sache, das ist ja nicht bei uns passiert.

Mich müsste das ja nicht interessieren, ich gehöre keiner dieser Religionsgemeinschaften an. Aber wie oben bemerkt ging es ja um den Aufschrei wegen der Kinderrechte.

Das nun wiederum betrifft auch mich.

Mal etwas weiter ausgeholt muss man feststellen, dass der Atheismus langsam pseudoreligiösen Charakter annimmt. Ebenso wie der Katholizismus formiert er sich und wird dogmatisch.

Erstes Dogma ist „Du sollst keine Götter haben neben mir!“

Nur dass der Atheismus eben keinen Gott hat, er hat nur die Ablehnung desselben. Aber glauben muss man schon. Man muss glauben, dass es keine Götter gibt, keine Weltanschauung außer dem Atheismus und keine Propheten außer dessen Propagandisten. Ich bin übrigens in einem Land aufgewachsen welches eine „wissenschaftliche Weltanschauung“, den Marxismus, zur Glaubensfrage gemacht hatte. Das prägt.

Das eben bezeichne ich als „pseudoreligiös“.

Um Kinder zu erziehen muss man sie also nach diesen Aussagen atheistisch erziehen um einer „religiösen Indoktrination“ entgegenzuwirken. Ergo: Alles was nicht religiös ist ist gut. Die Absurdität dieser Aussage (und ihrer Umkehrung) steht für mich außer Zweifel.

Was ist das also, wenn nicht ebenfalls Indoktrination? Nur eben keine religiöse.

Ich bin nicht religiös, aber ich kann mich unter den Umständen nicht als Atheist bezeichnen.

Zurück zu den Kinderrechten. Was ist damit? Sind das einige der Thesen dazu? So lese ich es aus der Diskussion heraus.

– Die Eltern dürfen sie (die Kinder) nicht religiös beeinflussen.

– Der Staat darf sie nicht indoktrinieren.

– Eine kulturelle Beeinflussung ist ebenfalls unerwünscht.

Das Kind soll einfach Kind sein.

Aber wie geht das? Gibt es da einen Masterplan?

Als nächstes kommt dann wahrscheinlich die Klage gegen Schulpflicht. Weil diese ja dem Selbstbestimmungsrecht des Kindes entgegen steht. Klagen gegen Lehrinhalte gibt es schon genug.

Vielleicht werden dann auch Eltern verklagt, weil sie ihre Kinder zum Lesen anhalten oder sie mit in die Oper nehmen. Das ist dann kulturelle Indoktrination.

Wie gesagt, ich bin froh – meine Kinder sind schon groß.

Die Liebe und der Kassettenrekorder

Um  Missverständnissen vorzubeugen, ich bin nicht frisch verliebt. Du kannst also beruhigt sein mein Sohn (falls Du das liest).

Auch wenn der Text auf einem nächtlichen Gespräch mit einer attraktiven, durchaus liebenswerten, jungen Frau beruht, es waren einfach Erinnerungen die geweckt wurden.

Aber mal von vorn. Eigentlich ging es im Gespräch um Momente im Leben – um unwiederholbare Momente – die sozusagen „zum Sterben schön“ sind. Da kam von mir der Einwurf, es gäbe da ein Lied von Lindenberg „Einmal küssen und dann sterben“, aber das wäre wohl doch nicht ihre Musikrichtung. Erstaunlicherweise kannte sie es. Nun ging es also mit Gesprächen über Musik weiter.

Am Wochenende kamen dann die Erinnerungen. An Liebe, Musik und den Kassettenrekorder.

Ich war 16, schwer verliebt und sprachlos. Also nahm ich mein „Sonnett“ (DDR-Kassettenrekorder) und spielte ein, meiner Meinung nach, passendes Lied auf eine Kassette auf. Ich hatte mit Serge Gainsbourg und Jane Birkin wohl etwas übertrieben. Das Einzige was ich bekam war eine Ohrfeige. Man erinnere sich, das war vor Computern, Internet und MP3. Ich musste also entweder vor dem Radio warten bis das Lied gespielt wurde, oder jemanden kennen, der eine Aufnahme hatte.

Ich hielt es für besser meine Sprache wiederzufinden, sagte dem betreffenden Mädchen die drei berühmten Worte (was ich darunter verstand war durch das Lied wohl besser ausgedrückt) und das war hilfreich.

In späteren Zeiten, die vorstehende Geschichte war schon längst vergessen, gab es immer wieder Momente mit den entsprechenden Frauen. In romantischen Filmen wird das so ausgedrückt „Hör, sie spielen unser Lied“. Natürlich war die Schallplatte oder der Kassettenrekorder immer dabei. Man sammelte Musik nach diesen Momenten. Das Erstaunliche war aber die Entdeckung, dass man zwar „hart“ und „böse“ war, aber die „harten und bösen Rocker“ machten die besten Liebeserklärungen. Und der harte Junge kam mit Blumenstrauß und Hardrock immer gut an.

Die letzte musikalische Liebeserklärung die ich machte war also „Hell is living without You“ von Alice Cooper, mit Musikkassette im Autoradio und Schallplatte („Trash“) in der Wohnung. Dabei ist es geblieben. Zumindest solange bis der Handyklingelton „Love of my life“ von Queen in „Tu t’laisses aller“ von Aznavour geändert wird.

Sollte es doch noch mal passieren wäre es bei entsprechendem Altersunterschied wahrscheinlich „I would do Anything for love“ von Meat Loaf. Weniger wegen dem Text als des Videos wegen.

Heute würde ich den Titel wohl als MP3 per Mail verschicken. Der Song würde im besten Fall, ganz unromantisch, unter tausenden Liedern auf einem iPod landen. Aber vielleicht würde es doch wie früher sein.

Aber um auf das Eingangs geschilderte Gespräch zurück zu kommen. Es gab doch einige Momente die „Zum Sterben schön“ waren. Ich lebe noch, weil ich auf noch mehr von diesen warte.

P.S. Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen alten Kassettenrekorder mal romantisch finde.

P.P.S. Keine Links, die Lieder sind aber zu finden.

(Fremd)Sprachen

Es ist schon lustig und interessant, das Ding mit den Fremdsprachen. Seit einiger Zeit arbeite ich nun in einem Bereich, der die Beherrschung eines größeres Vokabulars an englischen Begriffen fordert. Der Personalbesatz hat nun aber, diese Sprache betreffend, die verschiedensten Ausbildungsgrade. Man hört also die Begriffe in den unterschiedlichsten Versionen. Ich glaube aber, dass dies ein Phänomen unserer Zeit ist. Englisch wird zur Weltsprache oder Zweitsprache oder auch nur zur Sprachergänzung.

Was mit der Sprache dann passiert, das hat uns 1939 ein Schriftsteller in einer „closed room Story“ (egal wie man es ausspricht) erzählt.

Das geht dann so:

Jeder Seemann kennt zwei Dutzend englischer Wörter. Und jeder weiß drei bis sechs Wörter, die der andere nicht kennt, aber durch ihn lernt durch das Zusammenleben an Bord, wenn nur englisch gesprochen wird. Dadurch eignet sich jeder in kurzer Zeit etwa zweihundert Wörter an. Zweihundert Wörter der englischen Sprache, auf diese Weise, aber nur auf diese Weise gelernt, und dann die Zahlen, die Namen der Tage und Monate in Englisch, ermöglichen jedem Menschen, alles klar und zweifelsfrei auszudrücken, was er innerhalb dieses Kreises sagen will.

Da ist das Wort First-Mate, erster Offizier, das die meisten wissen, und da ist das Wort Money, das jeder kennt. Nun aber kommt die lebendige Entwicklung, eine Sprachentwicklung, wie sie sich nicht nur auf der Yorikke zeigte, sondern wie sie sich in ganzen Völkern zeigt und von jeher gezeigt hat.

Mate wird in London-West ganz anders ausgesprochen als in London-Ost, und der Amerikaner spricht achtzig Prozent der Wörter anders aus als der Engländer, und sehr viele schreibt er auch ganz anders und verwendet sie in ganz anderen Ideenverbindungen.

Der Zimmermann hat das Wort First-Mate nie in England gehört, sondern von einem Schweden, der das Wort von einem Seemann aus London-Ost gehört hatte. Der Schwede konnte es schon nicht richtig aussprechen, außerdem hatte er es noch in einem üblen Pettycoat-Lane oder Cockney-Dialekt gehört, den er für die richtige und alleingültige Aussprache halten musste, weil er ja das Wort von einem Engländer vernommen hatte. Wie das Wort nun von dem Zimmermann ausgesprochen wurde, kann man sich vielleicht vorstellen. Ein Spanier bringt das Wort Money, ein Däne bringt Coal, ein Holländer Bread, ein Pole Meal, ein Franzose Thunder und ein Deutscher Water.

Das Wort First-Mate läuft durch alle Stadien der Laute, die ein Mensch geben kann: Feist-Moat, Fürst-Meit, Forst-Miet, Fisst-Määt und noch so viele mehr, als Leute auf der Yorikke sind. Nach einer kurzen Zeit aber schleifen sich die verschiedensten Aussprachefärbungen gegeneinander ab, und es kommt zu einer einheitlichen Aussprache, in der sich alle die Tonfarben wiederfinden in abgeschwächter Form. Wer neu hinzukommt, selbst wenn er genau weiß, wie das Wort richtig ausgesprochen wird, ja selbst wenn er Professor der Phonetik in Oxford wäre, muß das Wort yorikkisch aussprechen, wenn er jemandem den Befehl überbringen soll, daß der First-Mate ihn zu sehen wünsche, weil der Mann sonst gar nicht wüßte, was man von ihm will.

Wer der Schriftsteller war und wie das Buch heißt, das sollte für Jeden leicht herauszufinden sein.

Die Sprache, die ich heute, nicht nur auf der Arbeit, höre ist zwar kein yorikkisch aber weit davon entfernt ist sie nicht.