Das Problem mit der Demokratie

und seine Folgen könnte ich diesen Artikel nennen. Also nenne ich ihn auch so.

Um dieses Problem zu illustrieren nehme ich den bemerkenswerten Artikel von Anja Wurm über eben dieselbe. Vorsichtshalber, nur um Missverständnisse auszuschließen, betone ich, dass es hier nicht um eine persönliche Abneigung handelt. Der Artikel illustriert das Problem eben aus meiner Sicht.

Anja schreibt also in ihrem Artikel Folgendes:

Der Bürger, der jedoch nur scheinbar die Möglichkeit hat, mit der Wahl einen Regierungswechsel zu ermöglichen durch das chaotische Gebaren der Alternativparteien und dem Angleichen der wenigen, wechselnden Regierungsparteien untereinander (siehe oben), hat bei der Wahl keine Wahl. Die Wahl des einzelnen Bürgers besteht im Moment nur aus drei Alternativen, a) dem Wahlboykott, b) der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird) oder c) auf die alten Parteien zu setzen. Will der Bürger also die Regierung mitbestimmen, bleiben ihm nur die am Skandal direkt oder indirekt beteiligten, traditionellen Parteien. [1]

Genau dort ist m.E. nach der Fehler in der Betrachtung. Warum? Weil diese Behauptung den status quo, wahrscheinlich ohne es zu wollen, zementiert.

Wenn es so ist, dann haben wir keine Chance. Wir sind alternativlos den Altparteien ausgeliefert.

Ist das so?

Ich werde nicht müde zu betonen, dass wir in 5 Tagen nicht in erster Linie die Regierung wählen oder abwählen.

Wir bestimmen über die Zusammensetzung unseres Parlaments.

Hier kommt der verschämt dahergehende Punkt b) „der Protestwahl (die aber wie der Boykott nicht zu einer anderen, unterscheidbaren Regierung führen wird)“  ins Spiel.

Natürlich führt die Wahl der (hoffentlich) knapp über 5% Parteien nicht zu einer anderen Regierung. Sie führt aber zu einer veränderten Opposition.

Diese kann nun durchaus die Regierungsarbeit beeinflussen, auf parlamentarischem Wege.

Diese kann aufstehen und im Sinne ihrer Wähler sprechen.

Ohne diese wird es so weiter gehen wie bisher.

Warum halte ich mich an diesem Punkt auf?

Weil er nicht nur in diesem Artikel zu finden ist. Er ist geradezu das Normal des unpolitischen Bürgers geworden. Er ist eine Abwertung des Parlaments. Er unterstützt das Nichtwählen als angeblich politische Meinungsäußerung.

Ehrlich, ich denke, dass Anja diesen Passus nicht so gemeint wie geschrieben hat. Er dient mir zur Illustration einer verbreiteten Meinung.

Wählen gehen ist die einzige Möglichkeit etwas zu ändern. In der parlamentarischen Demokratie geht es (leider) nicht schneller. Die Wahl einer starken pluralistischen Opposition ist meiner Meinung nach die einzige, wenn auch langfristige, Alternative etwas zu ändern.

Also ich wähle Piraten!

Wen wählst Du?

P.S. Ein kleiner Ausflug noch zu den Ausführungen über PRISM & Co. Anja schreibt:

Ähnliches passierte bei Prism, statt den Lauschangriff als solchen anzuerkennen, wird er als Sicherheitsmaßnahme zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung dargeboten, in der Hoffnung der Bürger denke nicht nach … [1]

Längst bevor PRISM & Co. bekannt waren, hatte der Bürger bereits Kenntnis über Mittel und Möglichkeiten. Ich habe das hier beschrieben. Der Bürger hatte diese Mittel und Möglichkeiten längst als wichtig für die Verbrechensbekämpfung akzeptiert. Nicht die Regierung musste ihn überzeugen. Wir müssen ihn vom Gegenteil überzeugen. Das ist schwer.

[1] Größenwahn und Kontrollsucht by Anja Wurm http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=18111

Warum bist Du Pirat?

Das wurde ich gestern gefragt, die Antwort war für meinen Gesprächspartner nicht wirklich befriedigend. So zumindest mein Eindruck.

Ich bin kein Pirat!

Ich werde sie aber wählen.

Ich halte es für wichtig, dass sie Sitz und Stimme im Parlament bekommen.

Eine Frage mal an Einige.

„Warum wollt Ihr eigentlich keine Monarchie?“

Wenn ich so das Wahl- und Nichtwahlverhalten vieler meiner Mitmenschen betrachte, dann drängt sich diese Frage geradezu auf. Geradezu BILDhaft wird von diesen eine „starke Regierung“, ob nun eine Einparteienregierung oder eine Koalition. Die Opposition soll ebenso homogen sein und störende Einflüsse im Parlament sind eher unerwünscht. Diese behindern eine „effektive Regierungsarbeit“.

Somit stört zur Zeit einzig und allein die LINKE im Parlament. Sollte diese eventuell in einer rot-rot-grünen Regierung integriert werden, dann hätten wir ja den Idealzustand.

Dieses System wird uns dann als Pluralismus verkauft, ist aber eher der Unterart Dualismus zuzuordnen.

Gut gegen Böse, oder dem US-Ideal gemäß Demokraten gegen Republikaner, sieht so das Ideal aus?

Wer soll nun im Parlament aufstehen und neue Fragen stellen? Wer soll neue Ideen einbringen?

Wer soll die Vielen vertreten, die sich von den zwei Blöcken nicht vertreten fühlen?

Selbst in Großbritannien wurde das alte Zweiparteien System, mit dem Einzug der Liberalen ins Parlament, beendet.

In der Bundesrepublik ist der letzte Einzug eines „Störers“ schon etwas her. Die Grünen brachten wieder Schwung in die Parlamentsarbeit, sie brachten Themen wie Umweltschutz dorthin. Wo wären wir heute, wenn es sie damals nicht gegeben hätte?

Nachdem sie nun in den Alltag integriert wurden und ihre Kernthemen auch in den anderen Parteien angekommen sind, wird es wieder mal höchste Zeit für etwas Neues.

Es stehen ja auch neue Themen an.

Wir sind im Informationszeitalter angekommen, wenn man den „Experten“ glauben darf.

Datenschutz, Freiheit im Internet, Schutz der Privatsphäre und andere Themen gehören in den parlamentarischen Alltag.

Wer soll diese ansprechen?

Etwa die Parteien, die diese Themen bisher ignoriert haben? Sie haben sie nicht nur ignoriert, sie haben es komplett vergeigt.

Ich erwarte keine Wunder von einem Einzug der Piraten in den Bundestag. Aber ich erwarte neuen Schwung und neue Ideen.

Also wähle ich sie.

An die anderen, besonders die Nichtwähler, nochmal die Frage:

Wollt Ihr eine Monarchie, oder wollt Ihr Demokratie?

Am Sonntag wählen wir unser Parlament, nicht einen Monarchen.

Überlegt Euch, wer für Euch im Parlament seine Stimme erheben soll.

Angst essen Seele auf*

oder Feuer mit Feuer bekämpfen könnte man diesen Wahlkampf als Symptom unserer Zeit definieren. Das ist ein Vorwurf den ich allen Beteiligten machen muss.

Die Einen füttern unsere Medien mit der Angst vor Terrorismus und Kriminalität. Somit befürworten sie die, natürlich gesetzlich geregelte, Überwachung des Bürgers. Sie verschweigen uns natürlich, dass wir somit unter Generalverdacht gestellt werden. Das Internet ist für sie der Tummelplatz für Terroristen, Pädophile, Perverse, Betrüger und viele andere schlechte Menschen.

Die Anderen schüren unsere Angst vor dieser Überwachung. Big Data, NSA-Affäre, PRISM und wie das alles heißt werden zu Synonymen für den Überwachungsstaat und 1984 als Vorlage für die Zukunft missdeutet.

Wo liegt nun die Wahrheit?

Wohl wie immer dazwischen.

Natürlich gibt es im Internet Betrüger, die gibt es aber auch im analogen Leben. Die Postkarten mit Einladungen zu Kaffeefahrten motivierten keinen deutschen Innenminister eine allgemeine anlasslose Postüberwachung zu fordern.

Kinderpornographie war allerdings, zumindest in den USA, schon ein Grund. Arbeitsgruppen des FBI verfolgten diese schon lange durch Überwachung der Post. Ebenso wie Geldwäsche und Drogenhandel.

Warum nun ein Vorwurf an beide Seiten?

Weil es immer um Angst geht!

Es geht nicht um Mut, nicht um „verantwortungsvoll damit umgehen“.

Angst ist destruktiv. Nehmen wir den Begriff „Big Data“ als Beispiel. Müssen wir davor Angst haben, oder vor dem Missbrauch?

Das für sich zu entscheiden erfordert Beschäftigung mit dem Thema**. Das Schüren von Angst fördert aber eher Resignation.

Von Beschäftigung mit dem Thema ist nun aber scheinbar gerade bei der Jugend*** nicht viel zu merken. Laut der Umfrage von Infratest Dimap (ohne diese überbewerten zu wollen) würden 36% CDU/CSU wählen. Das wirklich Erschütternde ist für mich aber, dass sich nur 23% als „stark politisch interessiert“ bezeichneten. Das gibt zu denken, genau dort liegt der Fehler.

„Demokratie erfordert Teilnahme!“ das habe ich bereits mehrfach geschrieben.

Das Schüren von Angst fördert aber Lethargie. Die Entscheidung zwischen Angst vor Terrorismus und Kriminalität und der Angst vor Überwachung ist zu einfach. Sie ist emotional, nicht rational. Sie fordert von beiden Seiten nur Eines „Wie kann ich die Gefahr besser darstellen?“.

Angst hat aber noch eine andere, vielleicht wahlentscheidende, Dimension. Die Angst vor der Veränderung, der Veränderung zum Schlechteren. Im Falle es gewinnen die Anderen, die Unbekannten.

Diese Angst ist aber unbegründet. Die Unbekannten werden nicht gewinnen, sie werden hoffentlich ins Parlament einziehen. Sie werden, wenn es nach mir geht, auf den Oppositionsbänken Platz nehmen und die Bekannten zwingen Farbe zu bekennen.

Es ist nur zu hoffen, dass sie die Chance bekommen ihre Ideen in die Parlaments- und somit in die Regierungsarbeit einzubringen.

Den Mut dazu haben sie. Vielleicht gibt es dann 2017 einen angstfreien Wahlkampf. Einen Wahlkampf mit informierten und motivierten Bürgern.

Also habt keine Angst vor den Unbekannten und dem Neuen. Habt lieber Mut etwas zu ändern.

* „Angst essen Seele auf“ den Titel habe ich geklaut. Der „Bildungsbürger“ kennt natürlich den gleichnamigen Film von Fassbinder.

** Ich meine bei Beschäftigung mit dem Thema die Beschäftigung gemäß dem Ideal der Aufklärung „sapere aude“, habe ich hier und in der Packungsbeilage schon beschrieben.

*** Das gilt natürlich nicht nur für die Jugend. Zur Allensbach Studie habe ich hier geschrieben.