Tag der Arbeit, wirklich?

Seit 1886, nunmehr also 129 Jahren, gilt der 1. Mai als der Tag der Arbeiterbewegung, als der Internationale Kampf- und Feiertag der Werktätigen, als Tag der Arbeit oder auch als Maifeiertag. Wahrscheinlich gibt es noch einige Bezeichnungen die ich hier vergessen habe.

faust1Er ist weltweit der wichtigste Kampf- und Feiertag der Linken*, die ja historisch aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen ist.

Stopp, ist das so?

Ich ordne mich ungern in eine politische Kategorie ein, wenn aber doch dann aber in das linke Spektrum. Was muss ich dort erleben?

Den ArbeiterInnen schlägt aus Teilen der linken Bewegung geradezu Verachtung entgegen. Natürlich wird diese nicht offen kommuniziert, aber für viele jüngere Linke sind wir, die ArbeiterInnen, eine aussterbende Art – eine Art Fossilien.

Die Gründe sind, meiner Meinung nach, der übliche Generationenkonflikt: „Die Alten stehen jeden Morgen auf, gehen zur Arbeit und kommen müde nach Hause. Das ist doch kein Leben.“ Zum anderen ist es der von „Experten“ verbreitete Irrtum, dass uns in Zukunft die Arbeit ausgeht, ergo die ArbeiterInnen aussterben.

Ich für meinen Teil bezeichne mich gern, wenn auch nur scherzhaft, als linken Traditionalisten.

Wenn ich Arbeit sage, meine ich nicht die kapitalistische Lohnarbeit oder die reine Erwerbstätigkeit. Arbeit ist für mich gesellschaftlich relevante Tätigkeit.

Diese wird immer da sein und es wird immer Menschen geben müssen die diese ausführen. Der überwiegende Teil der von Menschen geleisteten Arbeit der abnimmt ist klassische Industriearbeit, das ist aber nicht weiter schlimm. Gerade dieser Teil entspricht der oben angeführten Beschreibung.

Es bleibt aber genug gesellschaftlich wichtige Arbeit, es wird sogar mehr. Gesundheits- und Pflegetätigkeiten werden wichtiger, wenn die Menschen älter werden und der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft steigt. Personen- und Gütertransporte verzeichnen immer weiter Zuwächse, durch den Wunsch nach Mobilität und den Wunsch jederzeit alle Waren verfügbar haben zu wollen. Unsere Städte und die Infrastruktur brauchen dringend eine Generalsanierung, da fällt Arbeit an die so schnell kein Roboter erledigen wird. Von Kinderbetreuung und Bildung will ich gar nicht erst anfangen, da werde ich nie fertig.

Die Arbeit geht uns also noch lange nicht aus, der Anteil der verschiedenen Branchen verändert sich nur.

Der Anteil der menschlichen Arbeitskraft an der wertschöpfenden Arbeit (Industriearbeit) sinkt, der Anteil an der werterhaltenden Arbeit und der „Arbeit mit und an den Menschen“ (meine erfundene Kategorie) steigt.

Hier kommt das Problem des aktuellen kapitalistischen Systems zum Tragen. Nach wie vor wird die wertschöpfende Arbeit, die profitbringende Arbeit, als wichtiger bewertet und somit besser bezahlt.

Somit kommt es zur absurden Situation, dass der Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, als aussterbende Spezies, höher bezahlt wird als die Kindergärtnerin die die gesellschaftlich wichtigere Arbeit leistet. Zumal Ersterer wirklich in Kürze durch den „Kollegen Roboter“ ersetzt wird.

Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel in der Bewertung von menschlicher Arbeit. Diese Bewertung muss nach gesellschaftlicher Relevanz, nicht allein nach Profit vorgenommen werden.

Was wir aber in erster Linie brauchen, das ist eine Veränderung in der Einstellung zur Arbeit und zu den arbeitenden Menschen.

Die arbeitenden Menschen schaffen und erhalten die Lebensgrundlagen der Gesellschaft.

Es muss das Ziel sein, dass alle Menschen an diesem Prozess beteiligt sind.

Wenn alle Menschen an diesem Prozess teilnehmen, dann wird die Arbeitszeit für die einzelnen geringer und die Lebensqualität steigt für alle.

Hier stoßen wir an die Grenzen des profitorientierten Systems.

Ergo, wir brauchen ein neues, ein menschliches System. Das geht aber nur mit den arbeitenden Menschen – nicht mit Robotern.

Es lohnt jedenfalls zu kämpfen – auch wenn wir weiter arbeiten müssen.

* hier ist nicht die Partei gleichen Namens gemeint

Warteschleife

Jede/r kennt diese elenden Warteschleifen beim Anruf des Kundendienstes oder technischen Supports. Nervige Musik, das ständige Versprechen der nächste Mitarbeiter sei für eine/n da und das gewürzt mit Werbung für (fast) neue Produkte und Hinweisen wo die Kundennummer zu finden sei.

Am anderen Ende der Warteschleife sitzen wir, die Callcenter AgentInnen und hoffen, dass der nächste Kunde oder die nächste Kundin nicht allzu lange genervt wurde.

warteschleifeDa der Mensch von Natur aus egoistisch ist, müssen wir uns sonst bei jedem Gespräch erst einmal anhören wie lange die Wartezeit war und wie schlecht die Musik, auch wenn das die Wartezeit für die nächsten KundInnen verlängert.

Wir können das nicht beeinflussen, die Auftraggeber schon. Wie wäre es mit einem freundlichen Hinweis an die KundInnen?

Etwa in der Form:

Liebe Kundin, lieber Kunde,

wir bitten um Ihr Verständnis, dass Sie warten müssen. Bitte denken Sie daran, am anderen Ende der Leitung erwartet Sie ein Mensch der bemüht ist Ihre Probleme zu lösen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Wartezeit nicht beeinflussen, behandeln sie diese also bitte als Menschen.

Danke für Ihr Verständnis.

Vielleicht würde der eine Kunde oder die andere Kundin sich diesen Hinweis zu Herzen nehmen. Das allein könnte die Krankenquote und den Einsatz von „bunten Pillen“ in Callcentern nachhaltig senken.

Besser wäre natürlich die Verbesserung der Produktqualität, die Einhaltung von Terminen oder Rückrufversprechen oder die Aufstockung des Personalbestandes. Aber man kann ja nicht alles haben.

Hinweis: Der Artikel kann Spuren von Ironie und Frustration enthalten.

Bildquelle: http://www.flensburger-stadtanzeiger.de/news-bilder/warteschleife.jpg

Sonntagsarbeit, Videotelefonie und das Ende der Telefonie im Callcenter

Vielleicht haben es noch nicht einmal alle meine KollegInnen mitbekommen, aber in den Callcentern der Republik tut sich was. Ob das allerdings immer gut ist?

Zuerst zum Dauerthema Sonntagsarbeit, ich schrieb schon zwei mal darüber. An diesem Wochenende endet eine Befragung der Unternehmen durch den Call Center Verband Deutschland e.V.* (CCV) zu diesem Thema. Ich habe mir am letzten Sonntag den Spaß gemacht (Sorry Chef!) meine KundInnen unverbindlich zu fragen wie sie es finden, dass wir Sonntags erreichbar sind. Großes Erstaunen, die Empathie für uns hielt sich in Grenzen – sie fanden es alle gut.

Wer hat nicht gern am Wochenende frei? Ich natürlich auch, aber „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust“ ich möchte am Sonntag auch Service, besonders bei Ausfällen von Technik, in Anspruch nehmen. Genau so gern habe ich in der Woche, wenn Behörden, Ärzte und Geschäfte geöffnet haben, einen oder zwei Tage arbeitsfrei. Das ging mir auch schon so, als mein Kind noch klein und in Kindergarten oder Schule war. Wir haben uns als Familie damit arrangiert – hat geklappt.

Ob nun alle Callcenter in allen Geschäftsbereichen geöffnet haben müssen und mit welchem Personalbesatz, das ist eine Frage die sich nicht mit einem Verbot der Sonntagsarbeit klären lassen kann.

Meinen Freunden von Ver.di, die in Hessen am Verbotsantrag beteiligt waren, schreibe ich ins Stammbuch: Durch das Verbot der Sonntagsarbeit gehen Arbeitsplätze verloren! Erstes Semester BWL, Erarbeitung eines Personalschlüssels für eine Firma mit 6 der 7 Arbeitstagen. Einfach mal drüber nachdenken wäre hilfreich.

Die Einführung der Videotelefonie im Callcenter wird von einigen Protagonisten der Hard- und Softwarefirmen angestrebt. Ich gebe zu, das wäre ein riesiges Geschäft für diese, ist dies aber auch wirklich erstrebenswert?

Fragen wir wieder mal die KundInnen, viele wollen das nicht. Wenn diese sich vor dem Anruf beim Callcenter ordentlich anziehen, evt. Schminken und zumindest den mit aufgenommenen Hintergrund aufräumen müssen (man will ja einen guten Eindruck machen) dann werden die meisten streiken.

cca3xDie AgentInnen haben ein anderes Problem, sie müssten die Arbeit mit der Stimme in eine quasi schauspielerische Tätigkeit wandeln. Gestik, Mimik und diese natürlich 8 Stunden lang perfekt beherrschen, diese Leistung bringen selbst Berufsschauspieler nur in Ausnahmefällen. Die Gefahr von Eskalationen steigt, wenn die KundInnen die AgentInnen sehen. Heute ein falscher Tonfall – morgen ein Zwinkern an der falschen Stelle, das sehe ich kritisch. Für die Unternehmen würden auch große Investitionen erforderlich werden. Umgestaltung der Call-Floors – die KundInnen wollen ja ein schönes Bild sehen – und Arbeitskleidung für die Mitarbeiter schlagen hier schnell mit erheblichen Summen zu Buche. Dazu kommen natürlich die Ausgaben für Hard- und Software.

Mein Fazit: Nicht alles was technisch möglich ist muss eingeführt werden.

Letzter Punkt ist der Umstieg von der Telefonie auf online-Medien. Diese Diskussion läuft ja schon seit Jahren und sie hört einfach nicht auf.

Hier muss ich kurz auf meine Arbeit eingehen, ich mache technischen Support für ein großes Telekommunikationsunternehmen. Daraus resultiert das erste Problem: Was machen KundInnen wenn das Internet ausfällt? Da sind die online Hilfen nur über den Bildschirm des Smartphones erreichbar, vorausgesetzt das Datenvolumen reicht noch. Das ist aber nur ein Problem.

Warum rufen bei mir eigentlich auch Nerds an wenn Fehler auftreten? Vorausgesetzt der Internetzugang funktioniert noch, haben sie schon alles versucht und sie verstehen etwas von der Materie. Sie rufen an, weil sie Probleme damit haben den Fehler zu beschreiben. Das ließe sich natürlich mit einer intelligenten Abfrage steuern, der Zeitaufwand für KundInnen wäre aber erheblich. Wie das, werden sich einige fragen. Die erfahrenen AgentInnen haben dafür ein Mittel welches Software noch nicht richtig simulieren kann – die Intuition, die aus der Erfahrung resultiert.

Wenn also selbst KundInnen die Erfahrung mit PC und Internet haben an der Fehlerbeschreibung scheitern, was wollen wir dann von „Oma Erna“ oder „Opa Fritz“ erwarten?

Ein großer Teil unserer Arbeit besteht ja darin die KundInnen zu beruhigen, damit sie überhaupt in der Lage sind Fehler zu schildern. Das kann eine Software eher nicht.

Eines sehe ich an EDV gestützten Systemen zusätzlich als problematisch – die Eskalationsgefahr. Wer sich in den sozialen Netzwerken bewegt weiß wie schnell eine online Diskussion „aus dem Ruder läuft“. Das geschieht weil der Gegenüber nicht sichtbar und hörbar ist, wenn also der Support über Twitter, Facebook & Co. Läuft, dann wird die Eskalationsschwelle niedriger.

Ich gestehe der online Kommunikation ein großes Potential zu, aber ersetzen wird sie die Callcenter-AgentInnen in nächster Zeit eher nicht.

Mein Fazit:

Das Geld, welches für Videotelefonie und/oder online-Lösungen aufgewendet werden müsste, sollte besser zu großen Teilen in die Aus- und Weiterbildung der AgentInnen investiert werden. Das wäre in unserem Sinne und im Sinne der Kunden.

* Der Link ist nicht falsch, ich habe bewusst auf den Artikel von Walter Benedikt zur Sonntagsarbeit verlinkt. Wer den Call Center Verband sucht, der wird hier fündig.