Wenn die Diktatur wiederkommt, dann wird sie sagen: "Danke Demokratie, dass Du für mich die optimalen Voraussetzungen geschaffen hast." [Thomas Köhler]
Das ist der Name meines neuen Blogs. In diesem werde ich über die Arbeit im Stadtrat Leipzig und in der Freibeuter Fraktion berichten. Hier geht es mit den allgemeinen Themen weiter, allerdings wird es größere Abstände zwischen den Artikeln geben. Zwei Blogs bespielen ist nicht einfach. Viel Spaß und Danke für die Treue meiner Leser. Den Bericht über sie erste (halbe) Woche findet ihr hier.
Die Linke in Berlin fordert einen Mietendeckel, Sahra Wagenknecht fordert diesen für ganz Deutschland – manche jubeln, andere bekommen Schnappatmung.
Was ist ein Mietendeckel?
Er ist nicht zu
verwechseln mit der Mietpreisbremse, diese legt fest, ob und in
welcher Höhe Mieten steigen dürfen. Der Mietendeckel der Berliner
Prägung legt Mietpreise (Kaltmiete) für Wohnraum nach Baujahr der
Wohnimmobilie fest. Zitat
Wer zum Beispiel in einem Gründerzeit-Haus wohnt, das vor 1918 gebaut wurde, dürfte demnach höchstens 6,03 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter zahlen. Wohnungen, die zwischen 1991 und 2013 gebaut wurden, sollen auf höchstens 7,97 Euro pro Quadratmeter gedeckelt werden. Nach dem Willen von Bausenatorin Lompscher sollen die Berliner Bezirksämter die Einhaltung dieser Mietobergrenzen überwachen.
Im Entwurf steht
auch, dass Wohnimmobilien, die nach 2014 gebaut wurden, vom
Mietendeckel ausgenommen sind.
Rechnen wir mal
Ach was, es geht
auch einfach mit einer Betrachtung. Ein Vermieter (nein, mein
Mitleid mit diesen hält sich in Grenzen), der ein
Gründerzeithaus aus den 1870er Jahren teuer erworben und nach
Gesichtspunkten des Denkmalschutzes energetisch saniert hat,
unterliegt einer Obergrenze von 6,03 €/m2 und der
Besitzer eines Billigbaus von 2015 kann die Mieten nach Gusto,
natürlich im Rahmen des Mietspiegels, gestalten. Dazu kommt, dass in
vielen Stadtgebieten, in denen diese Gründerzeithäuser stehen, die
Gentrifizierung so weit fortgeschritten ist, dass Besserverdienende
vom Mietendeckel profitieren würden. Besonderen Charme hat das, wenn
ich mir in Leipzig das Waldstraßenviertel anschaue und die Dichte an
Rechtsanwälten sehe. Diese werden dann ihr Recht gegenüber dem
Vermieter schon geltend machen. Sollen die Mieter in unsanierten
Gründerzeithäusern diesen nun gleichgestellt werden?
Ausnahmen
Wenn ich die
Berliner Bausenatorin Katrin
Lompscher fragen würde, wäre die Antwort wahrscheinlich „Da
müssen wir eine Regelung finden“. Schließlich ist nach ihrer
Aussage der oben beschriebene Mietendeckel nur eine erste Vorlage und
soll präzisiert werden.
Es wird also
Ausnahmeregelungen geben. An Hand von drei Beispielen möchte ich das
skizzieren:
Ein aufwändig saniertes Gründerzeithaus bekommt einen anderen Status – wird also aus dem Mietpreisdeckel herausgenommen. Fazit: Es befördert die Gentrifizierung und hilft den dortigen Mietern, die jetzt einen sehr hohen Anteil des Familieneinkommens für die Miete aufwenden müssen, nicht. Weiterer Effekt ist, dass bisher unsanierte Immobilien so aufwändig saniert werden, dass sie ebenfalls unter diese Regelung fallen. Die Eigentümer müssen das sogar tun (sofern die Immobilie im Privatbesitz ist), da Banken ihnen nur Kredite gewähren, wenn die wirtschaftliche Prognose positiv ausfällt.
Wie in Szenario 1. Die Mieter in nicht unter den Mietendeckel fallenden Immobilien haben Anspruch auf einen Mietzuschuss – das setzt eine Bedürftigkeitsprüfung mit Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse voraus. Abgesehen vom Verwaltungsaufwand steht in diesem Falle, wie im Steuerrecht, die Frage im Raum „Wer kann sich besser arm rechnen?“ Ich tippe auf Anwälte und Steuerberater.
Der Mietendeckel wird strikt, wie oben beschrieben, durchgesetzt. Abgesehen von der jahrelangen gerichtlichen Klärung wird es für die betroffenen unsanierten Immobilien einen Sanierungsstau geben. Dieser wird als worst case eventuell zur Unbewohnbarkeit einiger Immobilien führen.
Panikmache
Auch wenn manche mir jetzt vorwerfen
werden, dass ich in die Panikmache eines Don
Alphonso(Rainer möge mir verzeihen, dass ich
ihn exemplarisch nenne) mit „Rückfall in die DDR“, „SED
comeback“ und Ähnlichem einstimme, das liegt mir fern. Ich sehe im
Prinzip eines Mietendeckels nichts Verwerfliches, sehe aber die
bisher kommunizierte Version als handwerklich falsch konstruiert.
Fazit:
Als Arbeiter und Mieter bin ich
persönlich daran interessiert, dass mein Familieneinkommen nicht
durch ständig steigende Mieten „aufgefressen“ wird.
Als Bürger von Leipzig bin ich daran
interessiert, dass Menschen mit geringerem Einkommen (egal aus
welchen Quellen) nicht immer weiter an die Peripherie vertrieben
werden und dass unsere historische Bausubstanz erhalten und saniert
wird.
Als Pirat, Ingenieur und zukünftiger Stadtrat bin ich an handwerklich ordentlichen Gesetzen interessiert – nicht an populistischen Vorschlägen.
Ergänzung
Kurz vor der Veröffentlichung sah ich noch zwei wichtige Beiträge, die ich den LeserInnen nicht vorenthalten möchte:
1. Florian Schmidt, seines Zeichens Verkehrs- u. Baustadtrat Friedrichshain-Kreuzberg, schrieb in der Zeit über den Mietendeckel:
Der Mietendeckel ist für mich ein Baustein einer viel größeren Operation, die längst läuft. Dazu gehört, dass wir im großen Stil neu bauen und bestehende Immobilien aus dem Markt herausnehmen und gemeinwohlorientierten Organisationen zuführen.
Das bedeutet im Klartext, es geht um die Umverteilung des Immobilieneigentums. Ganz neutral gefragt: „Warum reden wir dann nicht gleich von Enteignung der Immobilienkonzerne?
Reduziert werden sollten nur die Zahlungen von Mietern, die derzeit schon 30 Prozent ihres Nettohaushaltseinkommens für die Miete aufwendeten.
Das ändert natürlich alles (Ironie falls das jemand nicht merkt) – es ändert nichts an der Gentrifizierung, am Bestreben an Besserverdienende zu vermieten und bringt ein weiteres Problem mit sich: Ich muss jetzt also für einen bestehenden Mietvertrag (Frage ist noch wem gegenüber) meine wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen, um den Mietendeckel in Anspruch zu nehmen.
Fazit II
Nach wie vor ist der Mietendeckel handwerklich schlecht gemacht. Von den offenen rechtlichen Fragen ganz abgesehen.
Der
Solidaritätszuschlag (Soli) soll abgeschafft werden, ganz oder nur
für die „unteren Einkommensgruppen“ – ist das möglich, gerecht
oder einfach populistisch?
Solidaritätszuschlag, was ist das?
Der Soli wurde 1991 als „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer“, zweckgebunden zur Finanzierung „verschiedener Mehrbelastungen“ eingeführt und 1995 unbefristet zur „Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit“ im Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolzG 1995) fixiert.
Man kann sich
trefflich streiten, ob die Deutsche Einheit noch Kosten verursacht.
Das ist aber egal, der Soli soll abgeschafft werden. Darüber besteht
ein weitestgehender Konsens.
Wer zahlt Solidaritätszuschlag?
Entgegen weit verbreiteter Meinungen, die teils von verschiedenen Medien verbreitet wurden, unterscheidet das Gesetz nicht zwischen Ost und West. Der Soli wird bundesweit für Steuerpflichtige (gem. Einkommenssteuer-, Außensteuer- und Körperschaftssteuergesetz) nach SolzG §2 erhoben. Es gibt natürlich Einkommens- und Bemessungsgrenzen, somit wird der Soli nicht von allen Steuerpflichtigen in voller Höhe gezahlt. Wer dazu näheres wissen will, dem empfehle ich den Wikipedia-Artikel zum Einstieg. Wichtig ist hier, dass kaum ArbeitnehmerInnen im Mindestlohnbereich den vollen Solidaritätszuschlag, wenn überhaupt, zahlen.
Historisch gesehen haben tatsächlich mehr westdeutsche als ostdeutsche SteuerzahlerInnen höhere Beträge gezahlt. Das erklärt sich aus den Einkommensunterschieden in Ost und West. Abgesehen davon ist natürlich die Anzahl der westdeutschen SteuerzahlerInnen weitaus höher.
Soli abschaffen –
geht das?
Das geht einfach, das Gesetz kann durch
den Bundestag beendet werden. Eine Zustimmung der Länder ist nicht
erforderlich.
Soli nur noch für
„Reiche“?
Das ist, meines Erachtens nach, nicht so einfach. Theoretisch könnte die Bemessungsgrenze nach oben verändert werden, dann stellt sich aber die Frage nach dem Solidarprinzip, wie es zum Beispiel das Sozialversicherungsrecht kennt. Wenn die Solidarität nur noch eine von Besserverdienenden gegenüber den unteren Einkommensschichten sein soll, dann würde der Solidaritätszuschlag zu einem „Reichenzuschlag“ werden.
Ist ein „Reichenzuschlag“ populistisch?
Meiner Meinung nach ist er das. Ehrlicher wäre es, endlich die Ausnahmen für die wirklich reichen Menschen in der Steuergesetzgebung zu schließen. Auch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wäre ehrlicher als „Soli nur für Reiche“. Dieser klingt zwar gut, aber beim Blick auf den Lohn/Gehaltszettel oder die Einkommenssteuererklärung wird vielen NiedriglöhnerInnen auffallen, dass sich für sie mit der Soli-Abschaffung kaum etwas ändert. Da der Solidaritätszuschlagssatz sich auf den Einkommens- bzw. Körperschaftsteuerbetrag berechnet, würde voraussichtlich das Schließen von Steuerschlupflöchern mehr Geld einbringen, als dieser „Reichenzuschlag“.
Das allerdings ist nicht so populär.
Warum eigentlich?