Einzelhaft
Es waren aber die gleichen Methoden, die auch die Häscher des KGB am 7. Juni 1953 anwandten, als sie mich in den Abendstunden in Berlin an der Ecke Tieckstraße – Chausseestrasse niederschlugen, halb bewußtlos in einen Opel Kapitän zerrten, fesselten und dann im Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen in die Zelle Nr. 13 sperrten. Einundvierzig Tage Einzelhaft, bei sich tagtäglich wiederholenden Nachtverhören ohne Gewalteinwirkung, mit der ständig wiederkehrenden stereotypen Frage nach meinen Auftraggebern und meinen Verbrechen, die ich gegen die Sowjetvölker begangen hätte, folgten bange Monate in einem Untersuchungsgefängnis in Karlshorst, von wo ich über das Etappengefängnis in der Magdalenenstraße in Lichtenberg zusammen mit anderen Verurteilten nach Moskau und weiter an den Polarkreis in das Arbeitsbesserungslager Wessljana deportiert wurde.
Ca. 1987 schrieb Josef Köhler diesen Text, eines von mehreren Fragmenten seiner Lebenserinnerungen die er nie beenden sollte.
Ein weiterer Auszug beschäftigt sich mit seinen Gefühlen in der Haft.
Es war der 7. Juni 1951, als ich abends gegen 24.00 Uhr in der Zelle Nr. 13 des Untersuchungsgefängnisses in Hohenschönhausen landete. Mehrere unfreundliche Herren hatten mich in der Chausseestraße überwältigt, in einen alten Opel gezerrt und in dem Gebäude, das Stefan Heim, Walter Janka u.a. näher beschreiben, stereotyp aufgefordert, zu sagen, wer meine Auftraggeber seien und welche Verbrechen ich gegen die Sowjetunion begangen und geplant habe. Nun stand ich in der Zelle. Nr. 13 – eine Unglückszahl. Vier Schritte vor und zurück. Zwei Schritte zur Seite. Vierundzwanzig Stunden lang, Tag für Tag. Von 22.00 bis 06.00 Uhr Nachtruhe – bei gleißendem Licht. Empfunden habe ich alles, was auch die anderen beschreiben. Monatelang. Allein. Einzelhaft
Der Kommentar von mir war:
Wie bereits beschrieben, wurde +Josef A. Köhler am 07.06.1951 verhaftet. Er wurde vom MfS der DDR an die sowjetischen Sicherheitsorgane übergeben und im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Über den Aufenthalt in diesem Gefängnis liegen keine Dokumente vor.
Am 10.07.1951 stellte der stellvertretende Leiter der Abteilung „OS“ (Osoboje sowestschanie – Sonderberatung) der Verwaltung des Bevollmächtigten des Ministeriums für Staatssicherheit der UdSSR in Deutschland, Oberstleutnant Pachomow eine „Verfügung über die Festlegung des Maßes des Freiheitsentzuges“ aus.
In dieser hieß es:
Josef Keller (Köhler – vgl. letzten Beitrag) ist überführt, Verbrechen lt. Paragraph 58-14 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik begangen zu haben, weshalb ich unter Berücksichtigung des Umstands, daß Keller sich auf freiem Fuß befand und sich der Untersuchung und dem Gericht entziehen kann sowie auf Grundlage der Paragraphen 145 und 158 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik folgendes verfügt habe:
Als Maßnahme zur Verhinderung des Untertauchens und der Verhinderung von Untersuchung und Gerichtsverfahren hat Josef Keller unter Arrest zu stehen, wovon der Verhaftete mit Unterschrift dieser Verfügung entsprechend Paragraph 146 des Strafrechts der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik in Kenntnis zu setzen ist.
+Josef A. Köhler wurde also in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Karlshorst verbracht. Dort fanden im Zeitraum vom 22. Juli 1951 bis 31.01.1952 insgesamt 53, durch Dokumente nachweisbare, Verhöre mit einer Gesamtdauer von 173 Stunden statt. Ein großer Teil der Verhöre wurde in den Nächten durchgeführt.
In der Heimat passierte inzwischen folgendes:
+Josef A. Köhler war also am 06.06.1951 nach Berlin gefahren, welche Begründung er seinen Eltern oder seiner Lebensgefährtin gegenüber angab, ist nicht bekannt. Als er nicht zurückkam war wahrscheinlich allen Betroffenen klar was das bedeutete. Was Elsbeth Krüger unternahm ist nicht bekannt, aber seine Eltern, die zum zweiten Mal Ihren Sohn verloren hatten, begannen nach einer Zeit des Wartens mit Nachforschungen.
Bestimmt waren sie auf dem Polizeirevier und bei anderen Dienststellen in Leipzig, ehe sie sich entschlossen an die Regierung der DDR zu schreiben. Leider ist dazu nur ein Teil des Briefwechsels erhalten, aber dieser ist symptomatisch.
Die Präsidialkanzlei der DDR schrieb am 26.03.1952 eine Eingangsbestätigung für ein Schreiben an den Präsidenten der DDR, in der es heißt:
Der Präsident hat auf Ihrer Eingabe für Ihren Sohn Josef Köhler den Minister für Staatssicherheit, Willy Zaisser, ersucht, die Überprüfung des Gesuchs zu veranlassen und Ihnen über das Ergebnis Mitteilung zu machen.
Da es wahrscheinlich bis Herbst 1952 keine Antwort gab, müssen sich die Eltern nochmals an den Präsidenten gewandt haben, denn mit Schreiben vom 22.10.1952 wird nochmals die Weiterleitung an das Ministerium für Staatssicherheit der DDR angekündigt.
Am 20.11.1952 schrieb Anton Köhler an den Minister für Staatssicherheit, Willy Zaisser, direkt eine Anfrage zum Verbleib seines Sohnes und bat um die Mitteilung über den Verbleib.
Ganz abgesehen von dem Kummer und der Unsicherheit, die mich und vor allem meine Frau als seine Mutter nicht mehr losläßt und immer mehr zermürbt. Ich bitte herzlich, uns aus der Unsicherheit zu erlösen. Schon der Bescheid, daß er lebt, wäre für uns eine Erleichterung.
Auch auf dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Unerklärlich ist, dass die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Jahre 1958 behaupteten, dass sie von der Verhaftung keine Kenntnis hatten. Die Verhaftung wurde schließlich von der Abt. VIII durchgeführt.
Das letzte vorhandene Schreiben der Eltern ist vom 16.09.1953. Mit diesem wandten sie sich an Otto Nuschke, den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Ob auf dieses Schreiben eine Reaktion erfolgte ist nicht bekannt.
Zu dem Vorgang wurden von mir Anfragen an das Bundesarchiv und das Staatsarchiv Sachsen gestellt, dort sind aber keine Akten vorhanden. Auch in den Akten der BStU ist nur der der Vermerk über die Unkenntnis des MfS zu finden.
Hier noch zwei weitere Begebenheiten in dieser Zeit, die auf den weiteren Lebensweg von +Josef A. Köhler Auswirkungen haben sollten.
Wie schon erwähnt war Josef A. Köhler Mitglied der SED.
Im Mai 1951 erfolgte innerparteilich eine Überprüfung der Parteidokumente. Dies bedeutete, dass die Dokumente abgegeben wurden und eine Empfangsbescheinigung ausgestellt wurde. Im Falle von+Josef A. Köhler ist diese vom 21.05.1951 datiert. Er hatte diese Bescheinigung bei der Verhaftung dabei. Sie wurde vom sowjetischen Nachrichtendienst zu den Akten genommen und 1988 im Verlaufe des Rehabilitierungsverfahrens vorgelegt. Als +Josef A. Köhler zur Ausgabe des Dokumentes nicht erschien, wurde durch seine Parteiorganisation vermutet, er habe sich nach Westdeutschland abgesetzt und Josef Köhler wurde aus der SED ausgeschlossen.
Nach den Ausführungen des Gen. Jahn wurde mein Ausschluß aus der Sozialistischen Einheitspartei beschlossen, da ich bei der Aushändigung der Parteidokumente nicht anwesend war. Meine Abwesenheit war Anlaß zu der Schlußfolgerung, daß ich republikflüchtig sei, womit auch der Ausschluß begründet wäre. schrieb er 1963 an die SED.
Eine Überprüfung, betreffs der genauen Umstände, von Seiten der Partei scheint nicht stattgefunden zu haben.
Da durch +Josef A. Köhler die Studienveranstaltungen nicht mehr besucht wurden und kein Antrag auf Immatrikulation für das nächste Studienjahr gestellt wurde, endete sein studentischer Status wahrscheinlich automatisch.
An der Karl-Marx-Universität gab es jedoch noch einen Vorfall, der später Auswirkungen hatte. Prof. Dr. Olesch, bei dem +Josef A. Köhler studierte, verließ, vermutlich illegal, die DDR und wurde an der Universität in Köln angestellt