Michael Seemann ist mein Held!

Das ist zwar etwas ironisch, aber es ist schon was dran. Wer außer Michael Seemann, könnte in Kurzform (erstens, zweitens, drittens) präzise und lesbar zusammenfassen worum es bei dem Kampf für den Schutz der Privatsphäre nicht geht. Zumindest mir nicht.

Warum stimme ich ihm nicht zu?

„Für die überwachende Instanz ist es egal, ob sie mich wegen eines öffentlichen Tweets oder einer privaten E-Mail zur Verantwortung zieht. Mir übrigens auch.“ [1]

Mir hingegen ist es nicht egal, ob die Kenntnisse der Strafverfolgungsbehörden aus einem öffentlichen Tweet oder aus einer privaten E-Mail kommen. Schon gar nicht ist mir egal, wenn sie von meiner Festplatte kommen. Dort habe ich meine Gedanken skizziert. Gedanken, die ich nicht oder noch nicht mit der Öffentlichkeit teilen will. Genau so wenig ist es mit egal, wenn die Erkenntnisse aus einem Brief stammen, den ich jemandem geschickt habe. Dem Autor Michael Seemann, ist es gewiss auch nicht egal, wenn sein nächster Artikel vorzeitig bekannt wird.

Ich habe mich bereits zum Schutz der Privatsphäre im Social Media, im Speziellen, und im Net im Allgemeinen geäußert. Dort gibt es keinen Schutz. Was ich dort öffentlich mache, sei es auch anfangs für einen geschlossenen Empfängerkreis, ist öffentlich.

Michael Seemann schreibt:

„Gäbe es eine intakte Privatsphäre, könnte sie uns nur dann vor Unterdrückung bewahren, wenn wir unsere Eigenschaften und Meinungen in ihr verbergen. „ [1]

Und wenn ich das will?

Steht mir das nicht zu? Es geht ja nicht um Hautfarbe, sexuelle Orientierung und andere Eigenschaften, die Michael Seemann im Artikel beschreibt. Es geht um die generelle Frage; „Habe ich das Recht etwas für mich zu behalten?“ oder gibt es Jemanden der alles über mich wissen muss.

Bevor ein falscher Eindruck entsteht, Michael Seemann hat einen mir wichtigen Terminus vergessen. Dieser ist anlasslos. „Für mich behalten“ bedeutet keinen Freibrief für kriminelle Taten. Für die Verfolgung dieser ist aber immer die Verhältnismäßigkeit der Überwachung ausschlaggebend. Ein konkreter „Tatverdacht“ muss vorliegen. Dann gibt es auch kein Brief- oder Telefongeheimnis mehr.

Wenn Michael Seemann also schreibt;

„Statt die Privatsphäre gegen die Beobachtung zu verteidigen, sollten wir vielmehr gegen die Instanzen der Bestrafung kämpfen: Autoritäre Grenzkontrollen, rassistische Polizeianordnungen, homophobe Strukturen in der Gesellschaft, ungerechte Gesundheitssysteme und institutionelle Diskriminierung sind die eigentlichen Problemfelder der Überwachung.“ [1],

dann frage ich mich, ob es eigentlich Zufall ist, dass viele Aktivisten des Schutzes der Privatsphäre gleichzeitig gegen die von Michael Seemann aufgezählten Probleme ankämpfen und sich öffentlich positionieren?

Das ist kein Widerspruch, meine ich.

Zum Abschluss noch folgendes. Im Text wird oft das (verniedlichende) Wort „Beobachtung“ verwendet. So hier;

„Die Macht, mich zu bestrafen, wenn ich mich den Vorstellungen des Überwachers nicht gemäß verhalte, ist der entscheidende Unterschied zwischen Überwachung und einer einfachen Beobachtung.“ [1]

Wir leben alle in einem Staat. In diesem Staat gibt es ein „Machtgefüge“, ein „Regelwerk“ und ein „Bestrafungssystem“ für Regelverstöße.

Wenn der Staat, in der Form seiner Organe, mich also beobachtet – wo ist dann der Unterschied zur Überwachung? Das gilt nicht nur für den Staat. Auch meine Bank, mein Arbeitgeber, mein Vermieter und andere können mich disziplinieren.

Eines ist sicher, wir müssen anders über Überwachung reden. Vielleicht anders als Michael Seemann – wahrscheinlich auch anders als ich. Aber reden wir darüber.

Wir habe übrigens nur über die online Menschen geredet. Was ist mit denen, die offline sind und trotzdem überwacht werden?

P.S. Wer es nicht bemerkt hat, ich habe mich auf „drittens“ konzentriert. „Erstens und zweitens“ sind für mich nur der rhetorische Einstieg.

Richtungsstreit?

Wäre es denkbar, dass die Querschüsse gegen die Piraten nicht über die alten Parteien und die Totholzmedien kommen?

Kann es möglich sein, dass es einige bei uns gibt denen ein Schwanzvergleich oder Weitpisswettbewerb wichtiger ist als eine ernsthafte politische Arbeit?

Ist es vorstellbar, dass einige LautsprecherInnen mit ihrer 140-Zeichen-Kommunikation die Diskreditierung anderer MitgliederInnen als einziges Ziel haben?

Ehrlich gesagt; ich halte es leider für wahrscheinlich, dass es manchmal so ist.

Natürlich greifen die Totholzmedien und ihre digitalen Ableger die Konflikte in der Piratenpartei auf. Wir würden dies ja bei den anderen Parteien genau so machen. Aber sie sind längst nicht mehr das Problem für uns. Von den Altparteien rede ich nicht – die beachten uns schon nicht mehr.

Da wird doch wirklich viel über einen Richtungsstreit geschrieben. Das ist lachhaft! Es geht doch schon längst nicht mehr um eine Richtung – es geht um persönliche Befindlichkeiten.

Wie wäre es sonst erklärlich, dass jemand in einer Partei, die für Menschenrechte, Bürgerrechte und Redefreiheit steht, wegen einer anderen Meinung wahlweise als Faschist oder Stalinist bezeichnet wird?

Wie sich einige wohl denken können, mir geht es unter Anderem um den Partei-Austritt von Udo Vetter, er dient mir aber nur als Beispiel. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich kenne sein Blog. In Einem gebe ich ihm Recht. Die anwaltliche Vertretung vor Gericht, gern und falsch als Verteidigung bezeichnet, ist ein Bürgerrecht und ein Menschenrecht. Ohne Wenn und Aber! Eine Diktatur zeichnet sich dadurch aus, dass sie dieses Recht den Andersdenkenden, Andersfarbigen, Andersgeschlechtlichen und/oder sonstigen Anderen nicht zugesteht. Oder sie gibt ihnen einen systemkonformen Alibi-Anwalt. Der Rechtsanwalt ist per Definition nicht der Anwalt des Angeklagten – er ist der Anwalt des (geltenden) Rechts. Nun mag ich persönlich von diesem geltenden Recht nicht überzeugt sein, dann ist es aber sinnlos auf den Anwalt einzuschlagen – ich muss mich politisch um die Änderung der Gesetzgebung bemühen.

Da hat der/die Eine oder Andere aber ein Problem.

Er/Sie muss sich outen, muss erklären wie das gehen soll ohne die Demokratie zu beschädigen.

Oder geht es dabei nicht mehr um Demokratie?

Wenn ich anfange zu verlangen, dass ein Nazi nur von einem ihm politisch nahe stehenden Anwalt vertreten werden darf, ist das demokratisch? Muss ein Rechtsanwalt sich als Nazi outen, besser gesagt; „muss er Nazi sein“, um dafür zu sorgen, dass einem Angeklagten sein Recht zuteil wird?

Absurd, ein der Vergewaltigung angeklagter Bürger darf dann nur von einem Anwalt rechtlich vertreten werden der selbst vergewaltigt. Die Anwälte eines der Steuerhinterziehung angeklagten Bürgers müssen dann vorher zugeben selbst den Fiskus geschädigt zu haben. Wenn der/die Angeklagte dann niemanden findet – Pech gehabt.

Anwalt des geltenden Rechts hat nur eine Bedeutung. Er/Sie sorgt dafür, dass der/die Angeklagte entsprechend des geltenden Rechts verurteilt wird. Mehr nicht. Es gehört nicht dazu sich gemein zu machen mit verbrecherischen Taten und/oder politischen Anschauungen die dem Angeklagten zur Last gelegt werden.

Wenn ihr das anders wollt, dann wollt ihr eine Diktatur.

Dann kann man vorverurteilen und wegsperren. Dann werden nur noch Alibi-Anwälte benötigt, um die noch demokratisch denkenden und fühlenden Menschen zu beruhigen.

Aber halt, das hatten wir doch schon mehrmals in der Geschichte Deutschlands. Erinnert ihr euch?

Wollt ihr das wirklich, nur um zu zeigen wer den Längeren hat?

Also ich gebe dann lieber zu, dass meiner kürzer ist und bleibe demokratisch.

Wenn ich jetzt bösartig wäre würde ich behaupten: „Es geht um den Richtungsstreit Demokratie vs. Diktatur.“ Nur gut, dass ich nicht so bin.

Der Artikel ist keine Verteidigung von Udo Vetter, er soll nur zeigen worum es bei einem Richtungsstreit nicht gehen soll. Es ufert aus.

P.S. Auch wenn ich es versucht habe, das mit dem länger und kürzer lässt sich nicht gendern. Ich meine es aber geschlechtsneutral. Ist kein alleiniges Männerding hetzutage.

P.P.S. Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass das Anwaltsbild der meisten aus US-amerikanischen Filmen, Serien und Büchern kommt. „Anwaltliche Vertretung“ heißt dort „Ich erzwinge einen Freispruch wider besseres Wissen“. Wer’s glaubt, sollte sich überlegen wem er/sie glaubt.

Diskriminierung geht uns alle an.

Keine Angst, ich mache nicht den Prof. Stefanowitsch. Ich möchte über Sprache und Diskriminierung zwar schreiben, habe aber am Ende eines Artikels immer noch Kommata übrig, die Anatol nutz- und gewinnbringend einsetzen könnte. Das ist jetzt kein Angriff auf A.S., den ich trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten schätze.

Mein Thema ist auch weder die Diskriminierung wegen Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Dazu habe ich bereits geschrieben.

Wer es gelesen hat, der erinnert sich vielleicht an den 2. Teil meiner Gedanken zum „Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“ in Leipzig. Da ging es um den Fußverkehr und ich schrieb:

Die Gehwegsanierung, sollte sie nicht zu einer großräumigen „absoluten Flächenversiegelung“ führen, ist bedingt durch die Pflasterarten nur mit manpower durchführbar. Die in Leipzig überwiegend vorhandenen Pflasterarten auf Gehwegen lassen nur eine Teilmechanisierung der Arbeiten zu.

Ich bekam auch von einem Bekannten ein Feedback zu diesem Satz. Es lautete „Da können sich die Hartzer mal nützlich machen.“

Bevor ich darauf eingehe, eine kleine Anmerkung.

Steinsetzer oder Pflasterer machen heute coole Dinge. Ob nun die Garageneinfahrt für den Benz oder den Gehweg zum Einfamilienhaus, da wird für diese Handwerksarbeit richtig Geld ausgegeben und das Ergebnis wird bewundert. Man unterhält sich sogar mit ihnen – sie werden als „Kreative“ betrachtet.

Wenn nun aber die ersten kniend die ca. 8×8 cm großen Pflastersteine unserer Gehwege entfernen, den Untergrund planen und dann die Steine wieder einsetzen würden, dann würden die meisten Passanten wohl ebenso reagieren wie mein Bekannter. „Unterqualifizierte Arbeit für Doofe“ wäre wohl eine mögliche Bezeichnung. Also genau das Richtige für die „Hartzer“.

Hier fängt Diskriminierung an; durch Sprache und den Sinn, in dem wir sie verwenden.

Der „Handwerker“ arbeitet mit den Händen – im Kopf muss er nicht viel haben. Der „Dienstleister“ ist ein Diener im feudalen Sinne. Ob er überhaupt denkt ist fraglich und wenn, dann interessiert es fast niemanden. Schlussendlich der Hartzer, der entspricht in Kopf und sprachlicher Verwendung dem Niveau einiger Privatsender.

Das sagt etwas über die gebildete(?) und fortschrittliche(?) Gesellschaft aus!

Vielleicht sollten wir mal einen Schritt zurück (oder vorwärts) gehen und die Arbeit die jemand erledigt unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Nutzens sehen. Ehrlich, dann wäre mancher coole Beruf im Ansehen deutlich unter dem Handwerks- oder Dienstleistungsberuf angesiedelt.

Bevor ihr mich schlagt, eine Anmerkung zum „Nutzen“. Ich gehöre zu den wenigen in meinem Umfeld (beruht auf Beobachtung), die, wenn sie am Morgen aus dem Haus kommen, den Straßenkehrer grüßen. Sein „Nutzen“ für mich ist ein persönlicher. Ich würde nämlich in unser aller Dreck ersticken – wenn er seine Arbeit nicht machen würde. Seine Arbeit ist wichtig für mich, da hat er auch Anspruch auf Achtung und Freundlichkeit.

Am Ende natürlich etwas zur Bildung. Es würde ja etwas fehlen, wenn ich nicht darauf kommen würde.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat das Ganze nämlich nichts mehr mit „gebildet“ und „ungebildet“ zu tun. Wir wollen doch keine Bildung, die nur eine Vorbereitung auf das Berufsleben ist, oder?

Was spricht eigentlich gegen einen hochgebildeten Pflasterer?

Unser Bild im Kopf, unsere Verwendung von Sprache und daraus resultierend eine gesellschaftliche Missachtung. Das ist das einzige, was dagegen spricht.

Also Diskriminierung, zumindest sehe ich das so.

P.S. Eine Frage steht noch. Wenn wir Menschen auf Grund ihres ausgeübten Berufs diskriminieren, wie wollen wir dann die anderen Diskriminierungen abschaffen?

P.P.S. Wie wollen wir eigentlich die Versäumnisse der letzten -zig Jahre aufarbeiten, wenn wir die Menschen die wir dazu brauchen diskriminieren?