Menschen auf der Flucht

Menschen, die vor Gewalt, Krieg, Tod und Elend fliehen, als Flüchtlinge zu bezeichnen ist sprachlich korrekt. Es kann aber dazu führen, dass vergessen wird – es handelt sich um Menschen mit individuellen Schicksalen. Diese Menschen mögen sich in ihrem Äußeren und einigen ihrer Gewohnheiten von den Einheimischen unterscheiden, aber nicht in ihrem Menschsein.

Es erschüttert mich besonders wenn sogar mir persönlich bekannte Menschen diesen Menschen auf der Flucht jegliche Hilfe verweigern oder sogar in Hasstiraden verfallen.

Besonders schlimm ist es, dass diesen Menschen kein Argument zu primitiv ist um die Menschen auf der Flucht zu diffamieren und ihnen kein geschichtlicher Vergleich zu abartig erscheint.

Kommen, wie in der Vergangenheit, hauptsächlich männliche Flüchtende zu uns, dann sind diese verantwortungslos – sie lassen Frauen und Kinder im Stich. Kommen wie heute Familien, dann ist das noch verantwortungsloser – sie gefährden ja Frauen und Kinder.

Der Vergleich mit der Nachkriegszeit (hier sind die Jahre nach 1945 gemeint) ist besonders perfide. „Unsere Großeltern und Eltern sind ja auch nicht einfach abgehauen“ tönt es da. Wohin auch, nachdem Europa in Schutt und Asche lag – durch eben jene die nicht abhauten? Und wer hat eigentlich den Deutschen, zumindest einem Teil, beim Wiederaufbau geholfen? Ja, es waren die ehemaligen Feinde.

Dieses „Glück“ haben die Menschen auf der Flucht z. B. aus Syrien nicht. Sie fliehen vor einem Krieg der von ihrer eigenen Regierung und vom IS gegen sie geführt wird. Sie haben keine Chance dem zu entgehen – außer durch Flucht.

Wohin fliehen diese Menschen? Die meisten nicht zu uns – die meisten fliehen in die Nachbarländer.

Seht euch die folgenden Zahlen mal an, auch wenn sie nicht ganz aktuell sind:

Die sieben größten Herkunftsländer von Flüchtlingen:

Syrien – 3,88 Millionen

Afghanistan – 2,59 Millionen

Somalia – 1,11 Millionen

Sudan – 648.900

Südsudan – 616.200

Demokratische Republik Kongo – 516.800

Myanmar – 479.000

Die sechs größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen:

Türkei – 1,59 Millionen

Pakistan – 1,51 Millionen

Libanon – 1,15 Millionen

Iran – 982.400

Äthiopien – 659.500

Jordanien –  654.100

In Deutschland wurden 2015 bis Juli 195.723 Erstanträge auf Asyl gestellt. Die Bundesregierung rechnet mit bis zu 800.000 Menschen auf der Flucht die in diesem Jahr nach Deutschland kommen

Das ist ungefähr 1% der Bevölkerung Deutschlands. Es sind viele Menschen, aber vergleicht mal die Zahlen mit dem Libanon. Dort gab es 2013 etwa 4,5 Millionen Einwohner und es leben jetzt 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht mit im Land. Ich erspare mir den Vergleich der Volkswirtschaften.

Da sind wir auch schon beim nächsten Argument: „Wir wirtschaften gut, sind fleißig und sparsam und jetzt kommen die und wollen daran teilhaben ohne etwas beizutragen.“ Ich habe hier versucht das Argument menschlich auszudrücken.

Unsere Wirtschaft läuft gut weil Deutschland eine exportorientierte Wirtschaft hat. So hat der syrische Diktator Luxusgüter, Waffen und andere Güter in Deutschland gekauft und damit unsere Wirtschaft mit angekurbelt. Eben jener Diktator vor dem die Menschen auf der Flucht sind. Auch der IS kämpft mit Waffen und Gerät deren Verkauf unseren Lebensstandard gesichert hat, auch wenn dieser „Islamische Staat“ diese erbeutet und nicht von uns gekauft hat.

Die Menschen auf der Flucht wollen hier auch nicht von unserem Erarbeiteten schmarotzen, sie wollen am liebsten in eine lebenswerte friedliche Heimat zurück. So lange sie das nicht können wollen die meisten sich ein eigenes Leben aufbauen. Wisst ihr, diese Menschen wollen leben und sie wollen arbeiten für dieses Leben.

Vielleicht haben einige ja genau davor Angst?

Wäre ich auch ein Landesverräter?

LandesverraeterKeine Angst, ich maße mir nicht an, auf einer Stufe mit Markus und Andre zu stehen und mein Blog ist auch nicht mit Netzpolitik vergleichbar.

Trotzdem kommen mir komische Gedanken.

Am 12. Juni 2014 schrieb ich den Artikel Echtzeitüberwachung der sozialen Netzwerke in der Flaschenpost.

Mir lagen keine internen Dokumente des BND oder anderer Geheimdienste vor. Hätten mir diese vorgelegen, ich hätte sie auf jeden Fall veröffentlicht. Wäre der Artikel dann aus rechtlichen Gründen nicht in der Flaschenpost erschienen, dann hätte ich ihn in meinem Blog gepostet.

Ob eine solche Veröffentlichung unter die Pressefreiheit fällt, ist aus mehreren Gründen fraglich.

Im Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ist eindeutig ausgeführt:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

So genannte Geheimdokumente, im Sinne des Staatsgeheimnisses sind selbstverständlich keine allgemein zugänglichen Quellen und der §7 des Strafgesetzbuches gehört zu den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Fallen also solche Veröffentlichungen nicht unter die Meinungs- und Pressefreiheit?

Mit meinen rudimentären juristischen Kenntnissen und etwas Arbeit mit Suchmaschinen dürfte ich also nicht einmal daran denken solche Dokumente zu veröffentlichen. Warum würde ich es trotzdem tun?

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland sagt im Artikel 20:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Wir leben in einer Republik. Wer es vergessen hat: Republik kommt von res publica, also öffentliche Angelegenheit. Ohne Öffentlichkeit ist dieser Staat keine Republik. Den Begriff Demokratie muss ich wohl nicht näher erläutern.

Journalisten, Blogger und alle, die irgendwo publizieren, stehen also vor den Fragen: Wann müssen Geheimnisse öffentlich gemacht werden? Und: Wann lohnt sich das Risiko, dass ich mich strafbar mache?

Hier zeigen sich natürlich die Grenzen des §94 Strafgesetzbuch (Landesverrat), nach dem der Generalbundesanwalt Markus und Andre gern angeklagt hätte.

In dem Paragraphen ist ausdrücklich der Tatbestand beschrieben:

(1) Wer ein Staatsgeheimnis

1. einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder

2. sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen,

und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Für mich stehen zwei Dinge außer Frage:

Die Veröffentlichung der Dokumente bei Netzpolitik benachteiligt nicht die Bundesrepublik Deutschland oder begünstigt eine fremde Macht, es sei denn, die Bürger der Bundesrepublik werden von der Regierung oder zumindest von den Geheimdiensten als fremde Macht betrachtet.

Die „Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit“ ist ebenfalls fraglich. Eher besteht eine Gefahr für die gewählten Volksvertreter und Parteien bei den nächsten Wahlen.

Für mich stellt sich eher die Frage, ob es weiterhin genügen soll, einen Stempel „Vertrauliche Verschlusssache“ oder ähnliches auf ein Dokument zu drücken, um Handlungen gegenüber den BürgerInnen zu verbergen. Oder muss die Klassifizierung von schutzwürdigen Geheimdokumenten in einer Demokratie überdacht werden?

Wenn dieser Zustand beibehalten wird, dann ist die Handlung von Markus und Andre gemäß dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 20 zu betrachten:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Es geht hier weniger um Pressefreiheit – es geht um das Wahrnehmen unserer demokratischen Rechte.

P.S. Der Begriff „Landesverrat“ stört mich übrigens. Er rückt den „Landesverräter“ in die Ecke die früher mit „Volksschädling“ gekennzeichnet war.

Wer hat uns verraten? (2nd Edition)

Einleitend folgende Überlegung:

Sigmar Gabriel sprach vor kurzem der SPD die Regierungsfähigkeit nach 2017 ab.

Sigmar Gabriel drohte dem Parteikonvent* mit seinem Rücktritt, wenn dieser der Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht zustimme.

Der Parteikonvent stimmte der VDS zu, woraus folgender Schluss zulässig ist:

Die SPD will ihren Vorsitzenden behalten und stimmt somit seiner Beurteilung der Regierungsfähigkeit zu. Das Ziel für die Bundestagswahl 2017 wird auf den Eintritt in die nächste Große Koalition (GroKo) unter Führung der merkelschen CDU reduziert.

Daraus ergibt sich ein Legitimitätsproblem für die SPD. Warum soll der Wähler sein Kreuz bei SPD machen, wenn er am Ende Merkel wählt?

Das ist ein harter Schlag für die deutsche Sozialdemokratie und die Situation wurde von der Parteispitze bewusst herbeigeführt.

Geht man allerdings vom Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 21 aus, dann wird die Situation noch unübersichtlicher. Dort heißt es nämlich:

(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.

Der Absatz bedeutet unter Anderem, dass die Zustimmung zur VDS nun Bestandteil der politischen Bildungsarbeit der SPD wird. Im Klartext heißt das:

Die deutsche Sozialdemokratie wird die anlasslose Totalüberwachung in ihren politischen Bildungskanon aufnehmen!

Einen weiteren Kommentar dazu erspare ich mir.

Zwei weitere beunruhigende Tatsachen noch am Rande.

1. Gestern und heute sprach ich das Thema SPD und VDS in meinem derzeitigen Mikrobiotop an. Das Ergebnis war leider das zu erwartende: Es interessierte niemanden! Daraus ergibt sich für mich ein Legitimitätsproblem. Wenn es niemanden interessiert, dann stehen wir wohl außerhalb der Gesellschaft mit unseren Forderungen.

2. Wir haben eine Regierung und ein Parlament, diese werden also der VDS zustimmen. Die einzige Hoffnung, dass die VDS abgelehnt wird liegt bei der zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wird sie von diesem als verfassungswidrig (nicht verfassungsgemäß) abgelehnt, dann müssen wir konstatieren, dass Regierung und Parlament wieder einmal nicht im Sinne des Grundgesetzes gehandelt haben.

Da bleibt mir nur übrig dem geneigten Leser den Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland als Lektüre zu empfehlen. Natürlich mit besonderer Beachtung des Absatzes 4:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

*Wer nicht weiß was ein Parteikonvent der SPD ist, unter diesem Link Seite 36ff §28 findet ihr die Zusammensetzung des Gremiums.