Google muss zerschlagen werden!

Das meint die EU-Kommission und reichte einen Entschließungsantrag ein. Diesen zu lesen ist eine Herausforderung für einen normalen Menschen, wichtig ist aber der Titel des Antrages:

„zur Stärkung der Verbraucherrechte im digitalen Binnenmarkt (2014/2973(RSP))“.

Ich will jetzt nicht den Nico Lumma machen, er hat das von seiner Warte aus schon durchaus satirisch beschrieben. Seinem Text kann man zustimmen, muss man aber nicht.

Mir geht es vielmehr um die Verbraucherrechte mit denen die EU-Kommission ihre Forderung begründet.

Nach ganz vielem ‚gestützt auf‘ und ‚unter Hinweis auf‘ kommt die Kommission dann gleich auf den Punkt:

A. in der Erwägung, dass der digitale Binnenmarkt ein Bereich des Fortschritts ist, in dem zwar Herausforderungen bestehen, jedoch Potenzial für hohe Effizienzgewinne vorhanden ist, die sich auf bis zu 260 Milliarden EUR im Jahr belaufen könnten und somit dazu beitragen, dass Europa die Krise überwindet; [1]

Vor den Verbraucherrechten kommt also erst mal das Geld.

Was lese ich denn nun über Google? Namentlich ist Google nicht genannt, aber hier ist die Forderung:

10. weist darauf hin, dass der Markt der Online-Suche von besonderer Bedeutung für die Wahrung der Wettbewerbsbedingungen im digitalen Binnenmarkt ist, da Suchmaschinen sich zu Gatekeepern entwickeln und über die Möglichkeit verfügen können, die bezogenen Informationen kommerziell weiter zu verwerten; fordert die Kommission daher auf, die Wettbewerbsregeln entschlossen durchzusetzen, die anhand der Beiträge sämtlicher einschlägiger Interessenträger erstellt wurden, und die gesamte Struktur des digitalen Binnenmarkts zu berücksichtigen, damit Lösungen ermittelt werden, die tatsächlich Verbrauchern, Internetnutzern und Online-Unternehmen zugutekommen; fordert die Kommission darüber hinaus auf, Vorschläge in Betracht zu ziehen, die darauf abzielen, Suchmaschinen von anderen kommerziellen Dienstleistungen abzukoppeln, da dies ein langfristiges Mittel sein kann, die vorstehend genannten Ziele zu erreichen; [1]

Also die Suchmaschine soll nichts anderes machen als eben suchen und Suchergebnisse ausgeben. Da hat die Kommission aber die Entwicklung des Internets verschlafen. Google war eine Suchmaschine als die EU-Wirtschaft noch dachte, dass mit dem Internet kein Geld zu verdienen ist. Heute ist Google ein Internetkonzern der eine Suchmaschine, als Gatekeeper für seine anderen Produkte, betreibt. Von diesem Konzern strikte Neutralität der Suchergebnisse zu verlangen ist absurd.

11. betont, dass bei der Nutzung von Suchmaschinen der Suchvorgang und die Suchergebnisse frei von Verzerrungen sein sollten, damit die Internetsuche frei von Diskriminierung bleibt, mehr Wettbewerb und Auswahl für Nutzer und Verbraucher sichergestellt werden sowie die Vielfalt an Informationsquellen erhalten bleibt; stellt daher fest, dass die Auflistung, Bewertung, Darbietung und Reihenfolge von Ergebnissen bei Suchmaschinen frei von Verzerrungen und transparent sein und dass Suchmaschinen bei verknüpften Dienstleistungen umfassende Transparenz gewährleisten müssen; fordert die Kommission auf, jeglichen Missbrauch bei der Vermarktung von verknüpften Dienstleistungen durch Suchmaschinenbetreiber zu unterbinden; [1]

Mehr Wettbewerb und Auswahl für Nutzer und Verbraucher wird sich mit einem Google Algorithmus nicht erreichen lassen. Das ist nicht im Sinne des Konzerns Google.

Die Konsequenz der EU-Kommission besteht nun darin zu fordern, dass Google zerschlagen werden muss. Ist das erforderlich?

Ich meine, dass der einfache Weg der Zerschlagung falsch ist und keinesfalls die Verbraucherrechte stärkt.

Wichtiger wäre mir die Bildung der Verbraucher, z.B. die Aufklärung wie eine kommerzielle Suchmaschine arbeitet und wie die Suchergebnisse zu bewerten sind.

Der Verbraucher muss in der Lage sein sich für eine Suchmaschine zu entscheiden, dafür kann die EU-Kommission viel tun. Zum Beispiel kann auf EU-Ebene die Entwicklung und den Betrieb einer nicht kommerziellen Suchmaschine gefördert werden.

Die Erwägung, dass in einigen Bereichen des digitalen Binnenmarkts aufgrund einer übermäßigen Marktkonzentration und marktbeherrschender Akteure Schwachstellen zu verzeichnen sind;[1] ist korrekt aber nicht das Verschulden von Google. Diese Konzentration ist dem Versagen der europäischen Wirtschaft geschuldet. Durch dieses Versagen konnte Google seine Marktmacht erringen.

Die Forderung nach der Zerschlagung von Google ist eine Kapitulation, nichts anderes.

[1] Entschließungsantrag 24.11.2014 eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung zur Stärkung der Verbraucherrechte im digitalen Binnenmarkt (2014/2973(RSP))

P.S. Ich bin kein Google-Fan. Zwar habe ich einen Account bei G+ und eine gmail-Adresse, diese nutze ich aber wenig. Es würde auch ganz ohne Google gehen, Suchmaschinen gibt es zur Genüge und ich bin ein mündiger Bürger.

 

Eine Polemik zum Callcenter

Mein Freund Matze hat eine kleine polemische Betrachtung zur Arbeit im Callcenter geschrieben. Diese möchte ich den Lesern meines Blogs nicht vorenthalten.

Service – Eine Polemik

Wenn ihr ihn braucht, muss er sofort verfügbar sein, er muss kompetent, umfassend, freundlich, geduldig und zu euren Gunsten erfolgen. Und vor allem: er darf nichts kosten, eigentlich solltet ihr sogar eine Gutschrift erhalten. Auerdem heißt Service natürlich, dass der Knecht euch, den Königen, alles möglich macht, sonst muss halt die nächsthöhere Instanz ran!

Weiter geht es in matze’s Blog

P.S. Kommentare bitte bei Matze.

Sonntags ist das Callcenter zu.

Zumindest soll das laut den Presseberichten zum gestrigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Hessen ab sofort gelten. Die anderen Bundesländer sollen dann wohl nachziehen.

Die evangelischen Verbände und ver.di jubeln über ihren Erfolg und die evangelische Kirche in Hessen und Nassau äußert sich wie folgt:

„Das Urteil ist hilfreich für die weitere Diskussion rund um die Zukunft unserer Sonn- und Feiertage“, sagte Ulrike Scherf, Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten. Wichtig sei das Verbot der Sonntagsarbeit in Call-Centern.

Ich könnte jetzt in die Argumentation des Call Center Verbands einsteigen. Nach dieser leidet ja ausschließlich der Verbraucher unter diesem Verbot. Das stimmt auch, die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland sehe ich allerdings nicht als Gefahr.

Ich würde aber gern die Kläger und die Richter fragen, ob sie überhaupt wissen worum es bei der Klage und dem Urteil geht.

Leider liegt das Urteil noch nicht in Textform vor, somit muss ich mich an die Pressestimmen halten und einfach den Terminus Callcenter verwenden.

Lieber Herr Pfarrer, wenn dieser Terminus so im Urteil steht, dann gibt es am Sonntag keine Telefonseelsorge mehr. Zumindest nicht wenn jemand diese hauptberuflich und ausschließlich macht.

In einem früheren Artikel habe ich das schon mal beschrieben:

Zusammenfassend gesagt, ist ein Callcenter ein „Telefon-Beratungszentrum“. Der Begriff sagt nichts weiter aus, schon gar nicht, ob es sich um eine Einrichtung eines Anbieters oder um einen externen Dienstleister handelt.

Sollte also im Urteil der Begriff Callcenter stehen, dann handelt es sich um alle professionellen Telefon-Dienstleister, egal wo sie angestellt sind. Weder die Telefonseelsorge der Kirchen, die Heilsarmee noch die Schadenannahme der Versicherung dürfen am Sonntag telefonieren. Es sei denn, diese werden als Notdienste deklariert.

Andererseits, nimmt man den Begriff Notdienste als Kriterium, dann bleiben viele externe Callcenter auch Sonntags geöffnet. Störungsannahme, technischer Support, Versicherungen und viele mehr kann man ja mit Recht als solche deklarieren.

Was passiert aber dann, wenn der Hilfesuchende plötzlich noch seinen Vertrag ändern will? Darf der Kundenberater, zu dessen werktäglichen Aufgaben diese Änderung gehört, das dann veranlassen? Oder muss er den Kunden auf den nächsten Werktag vertrösten?

Ich hoffe, dass im Urteil auch die Ausnahmen geregelt sind. Externe Callcenter arbeiten ja nicht für sich selbst, sie arbeiten für Auftraggeber. In vielen Fällen machen sie eben Notdienste für diese.

Die evangelische Kirche in Hessen und Nassau und ver.di freuen sich über das Urteil. Wer fragt die Mitarbeiter in Callcentern? Ver.di ist da nicht gerade stark vertreten und über die Zugehörigkeit der Mitarbeiter zu Kirchen möchte ich nicht spekulieren.

Für mich ist das Urteil, wie es in der Presse beschrieben ist, Unsinn.

Die Kunden werden sich nicht freuen, wenn sie erst am Montag telefonisch bestellen, reklamieren oder was auch sonst können.

Einige Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren, weil für eine 6-Tage-Woche ein anderer Personalschlüssel gilt als für eine 7-Tage-Woche.

Als Dank für den freien Sonntag werden wohl weder ver.di noch die Kirchen Mitgliederzuwächse verzeichnen können.

Es ist eine lose-lose-Situation, für alle.

Besser wäre es, wenn der Gesetzgeber sich mit dem Arbeitszeitgesetz für das 21. Jahrhundert beschäftigen würde.

Aber das ist wohl eher Neuland.

P.S. Eine Anmerkung sei gestattet, die Callcenter dürfen am Sonntag bereits jetzt keine outbound Telefonie betreiben. Alle Mitarbeiter in Callcentern werden am Sonntag von den Kunden angerufen.

P.P.S. Ver.di könnte sich für einen Tarifvertrag für Callcenter stark machen. Das wäre sinnvoller.