Mitte der Gesellschaft, oder „Wie erschafft man Randgruppen?“

Im Gegensatz zu der gefühlten Mehrheit im Twitter-, Facebook- oder sonstigem (a)Sozialen-Medien-Diskurs, betrachte ich die „Mitte der Gesellschaft“ weder als dumm, noch träge oder gar politisch uninteressiert. Die „Mitte der Gesellschaft“ ist nur nicht laut.

Um das mal klar zu stellen, an jedem Arbeitstag begebe ich mich in diese Mitte, das beginnt mit dem Fahrer, oder der Fahrerin meiner Straßenbahn und geht mit meinen Arbeitskollegen und Kolleginnen weiter.

Soll heißen: Die „Mitte der Gesellschaft“ besteht für mich aus den Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten und denen zum großen Teil am Feierabend die Lust, die Zeit oder die Kraft fehlt, lauthals herum zu schreien. Meist fehlt nicht nur eines.

Ergo: Die „Mitte der Gesellschaft“ ist die Mehrheit der Gesellschaft.

Diese Mitte besteht aus den marxschen „produktiven Arbeitern“, gemäß der Definition:

Ein Schauspieler z.B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet (des entrepreneur), dem er mehr Arbeit zurueckgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhaelt.*

Ergo: Die Zahl der Proletarier ist größer als die Zahl der „Industriearbeiter“, die z.B. Martin Schulz als „Kernklientel der SPD“ bezeichnet.

Das ist natürlich nicht die gesamte „Mitte der Gesellschaft“, dieser Teil ist aber der, der dafür sorgt, dass eine Gesellschaft existieren kann. Dieser Teil schafft die materiellen Grundlagen der Gesellschaft und sichert ihr Fortbestehen. Nicht zu vergessen der Teil der unsere Kinder betreut, für unsere Gesundheit sorgt, Hilfsbedürftige pflegt und viele andere wichtige gesellschaftliche Aufgaben erledigt.

Ergänzen wir die „Mitte der Gesellschaft“ noch um die Menschen, die diese Arbeit geleistet haben, also Rentner und Pensionäre, um Menschen die sich in der Ausbildung befinden, um Abhängige dieser Mitte, also Kinder, Kranke und in irgendeiner Art Unselbstständige – also Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht für sich selbst sorgen können – und um Menschen, die unverschuldet oder auch verschuldet in Not gekommen sind, dann umfasst die „Mitte der Gesellschaft“ die gesamte Bevölkerung, mit Ausnahme der „Enterpreneure“.

Nach dieser Auflistung gäbe es keine Randgruppen außer diesen.

So weit so gut und leider falsch – hier ist eben der Fehler der Klassentheorie.

Gäbe es eine Arbeiterklasse und die bösen Kapitalisten, dann wäre eine Revolution angebracht. Die Arbeiterklasse würde die Kapitalisten enteignen –> würde das gesellschaftliche Eigentum an Produktionsmitteln gemeinschaftlich verwalten –> die Früchte der gemeinsamen Arbeit würden allen zu Gute kommen –> Friede, Freude und Champagner für alle. Räte würden diesen Prozess lenken und überwachen, alle würden aus Überzeugung ihr Bestes geben und wer nicht überzeugt ist würde überzeugt werden. Wer sich nicht überzeugen lässt…

Hier höre ich mit der schönen(?) Utopie auf, das geht weiter mit selbsternannten Volks-Beglückern, mit Zwang und Ausstoßung von Andersdenkenden – von der Stammesgesellschaft bis zum „Real Existierenden Sozialismus“.

Ich konstatiere also für mich: Es gibt keine Klassenkämpfe, es gibt nur Verteilungskämpfe.

Aus diesen entstehen die heutigen Randgruppen. Es geht aber nicht um den Anteil, den diese erhalten – es geht um das Gefühl „Mir wird etwas vorenthalten!“ oder „Der/Die bekommt etwas was ihm/ihr nicht zusteht!“

Mit diesem Gefühl lässt sich gut Politik machen. Da unterscheiden sich rechts, links, konservativ oder liberal in keiner Weise, außer in dem Gefühl, welches sie bedienen.

Mit diesen Gefühlen wird dann (in bewährter Manier) der Schuldige, oder auch Feind, gesucht und bekämpft. Das kann der Ausländer (in verschiedenen Erscheinungsformen) sein, der Rentner – der ja vom „schwer Erarbeiteten der Jungen lebt“, die Frau – die sich koste es, was es wolle, emanzipieren will, die kinderreichen oder kinderarmen Paare oder wer auch immer. Obwohl, Ausländer geht immer gut. Besser ist nur noch ein Feind von außen, gegen den wir alle zusammenstehen müssen.

Noch besser ist nur ein richtig großes und schönes Polit-Theater – so mit der Bildung einer GroKo, den Rücktritten, Posten-Mauscheleien, Bekundungen und Widerrufen von Bekundungen. Leider ist das nur besser für die politischen Gegner – gut, dass diese sich auch gerade zerfleischen.

  • Die „Mitte der Gesellschaft“ reagiert dann mit Unverständnis – daraus folgt Zorn auf die Akteure und die Suche nach Protestformen.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ geht meist nicht auf die Straße – sie protestiert an den Wahlurnen, besonders beliebt mit Verweigerung.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ lässt damit zu, dass die Randgruppen bei Wahlen immer mehr Stimmen bekommen und somit über die Gesellschaft bestimmen.
  • Die „Mitte der Gesellschaft“ muss endlich aufwachen und für ihre Interessen kämpfen!

Wenn sie nur wüsste, welche das sind.

Sapere aude!

* Karl Marx, Theorien über den Mehrwert (MEW 26.1), zitiert nach: Marx über produktive und unproduktive Arbeit in der kapitalistischen Produktionsweise
Bildquelle: Geralt auf Pixabay

Vorsichtig pessimistisch

Es ist ja fast nicht legitim, besser fast schon gotteslästerlich, an den Segnungen der Digitalisierung zu zweifeln. Das nehme ich gern in Kauf.

Eine Warnung sei mir gestattet: Der Artikel ufert etwas aus – ich behandle im historischen Teil die Kernkraft und Automatisierung und die damit einhergegangenen Versprechungen. Die Ausführungen zum Dieselskandal und dessen Folgen, zur Umwelt und der automobilen Gesellschaft dienen zur Illustration der am Schluss stehenden Folgerungen. Also bitte ich meine Leser um etwas Zeit und Geduld.

Beginnen wir mit dem kleinen historischen Exkurs aus meinem eigenen Erleben.

Die Kernkraft

1959, ich war gerade zwei Jahre alt, wurde der Atom-Eisbrecher Lenin in Betrieb genommen. Als ich 1963 in die Schule kam, herrschte die allgemeine Ansicht, dass zum Jahr 2000 die Kernkraft alle Probleme gelöst haben wird. Gläubig hörten wir zu, wenn von Autos mit Kleinreaktoren (ein Stück Uran mit der Größe eines Kirschkerns) gesprochen wurde. Die Rauchwolken über den Städten und Industrieanlagen würden sich durch den Einsatz der Kernenergie in Nichts auflösen, die fossilen Energieträger würden nicht mehr gebraucht. Siedlungen auf dem Mond und Mars, sowie dauerhaft besetzte Weltraumstationen wären dann, also im Jahr 2000, normal.

Mit der entsprechenden Ideologie verbrämt hieß das „Weltfrieden und Weltsozialismus“ durch Kernenergie. Das ist jetzt ein wenig übertrieben, aber so konnten wir es als Kinder sehen.

Spätestens die Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima belehrten uns eines Besseren.

Die Automatisierung

Seit Beginn meines Arbeitslebens im Jahre 1973, also dem Anfang meiner Berufsausbildung, begleitet mich das Versprechen – für andere eher eine Androhung – der Automatisierung in der Industrie. Die Definition der Automatisierung ist nach Gablers Wirtschaftslexikon in Kurzform die:

Übertragung von Funktionen des Produktionsprozesses, insbesondere Prozesssteuerungs- und -regelungsaufgaben vom Menschen auf künstliche Systeme.

Schon damals wurde uns versprochen, dass in Zukunft die körperlich schwere und/oder monotone Arbeit von Maschinen (Automaten und Industrieroboter der 1. Generation) übernommen wird und die Menschen im Produktionsprozess nur noch eine überwachende Tätigkeit ausüben werden.

Glaubte man dieser Prognose, dann stünden heute in Deutschland (z.B. in der Textilindustrie) voll-automatisierte Fabriken mit geringem Personalbedarf. Dem ist aber nicht so, es stehen riesige Fabriken, teils mit Manufaktur-Charakter, in Bangladesch und anderen Billiglohn-Ländern mit riesigen Arbeitskräfteressourcen. Der Arbeitsplatzverlust der deutschen Textilarbeiter war zu großen Teilen nicht der Automatisierung, sondern der Standortverlagerung geschuldet. Aber selbst in deutschen Vorzeigeunternehmen, z.B. in der Automobilindustrie, ist der Anteil der menschlichen Arbeiter, die monotone Arbeiten verrichten (also derer am Fließband), nicht wie versprochen gesunken.

Auch wenn zu großen Teilen nicht die Automatisierung, sondern die Verlagerung der Produktion in Billiglohn-Länder der Auslöser war – es wurde eine große Anzahl von Industriearbeitern „freigesetzt“ und, soweit nicht verrentet oder arbeitslos, arbeiten diese zu großen Teilen in dem neu entstandenen personalintensiven Dienstleistungssektor.

Die Kernkraft wurde als böse eingestuft, die Automatisierung brachte nicht alle versprochenen Effekte – mit dem Siegeszug von Computer, Internet, Robotik und der künstlichen Intelligenz als neuen Heilsbringern folgt nun die Digitalisierung.

Die Digitalisierung

Die Welt wird digital – das ist unbestreitbar und unabwendbar. Beginnend mit Kommunikation und Entertainment bis hin zu Industrie 4.0 – Kollege Roboter, RoboDoc und RoboSoldier werden das alte System verändern. Ich bin von Anfang an dabei und finde das durchaus gut und erstrebenswert, von dem letztgenannten der Kollegen Roboter halte ich allerdings nichts.

Die ersten Glaubensinhalte der Digitalisierung (damals sprach man noch einfach vom Internet), nämlich die Demokratisierung des Wissen, den freien und unbehinderten Meinungsaustausch und ähnliches haben wir bereits begraben. Zum einen durch den Einzug des Big Business im Internet und natürlich durch die Überwachungsbestrebungen der Regierungen. Die ersten Feiern der „facebook-Revolutionen“, also des arabischen Frühlings, erwiesen sich zu großen Teilen als verfrüht.

Daraus kann man lernen, oder man sucht sich ein neues Glaubensobjekt. Dieses steckt in der Digitalisierung und heißt „künstliche Intelligenz“, besser artifizielle Intelligenz. Ernstzunehmende Menschen stellen sich bereits die Frage, wann der Computer intelligenter wird als wir.

Ob im Kundenservice, in der Forschung, in der Produktion oder im Gesundheitswesen (die Reihe ließe sich fortsetzen) soll Kollege Maschine, mit artifizieller Intelligenz ausgestattet, den Menschen ersetzen. Ob ich das will oder nicht – es wird so kommen.

Es ist aber auch möglich, irgendwo muss ja das „pessimistisch“ aus der Artikelüberschrift her kommen, dass der Wegfall von menschlicher Arbeit wieder, wie bei der Automatisierung, durch Verlagerung entsteht.

Nehmen wir den online-Kundenservice: Es merkt keiner wo und in welcher Zeitzone der Chat-Partner sitzt. Wenn mit künstlicher Intelligenz erst einmal wirklich funktionierende Übersetzungsprogramme möglich sind, dann wird diese Tätigkeit verlagert werden – raus aus Deutschland – hin zum Billiglohn – und dem hiesigen Arbeitnehmer muss „Digitalisierung“ als Begründung reichen. Das, obwohl der Chatbot in diesem Falle ein minderbezahltes menschliches Wesen ist.

Wenn über diese Verlagerung nicht gerade in der BILD-Zeitung berichtet wird, werden es die meisten auch glauben. Die Globalisierung und die Digitalisierung machen nämlich wirtschaftliche und technische Zusammenhänge unverständlich für Laien und selbst für viele „Experten“.

Uns bleibt dann nur der kindliche (infantile) Glauben an die Segnungen der Technik – schließlich ist die Digitalisierung auch nur eine Form der Technik.

Die Infantilisierung

beginnt dort, wo wir durch den Siegeszug der Technik nur noch glauben oder nicht glauben können, was Spezialisten uns erzählen.

Nehmen wir hier den Dieselgate. Ihr wisst schon, ich meine den Abgasbetrug in der deutschen Automobilindustrie. Lasen und hörten wir dort erst von einer „Schummelsoftware“, so wird uns heute erzählt, dass eine Hardwarelösung benötigt wird.

Im Klartext heißt das: Es ist keine „Schummelsoftware“ im Einsatz – die gesamte technische Lösung war ein Betrug!

Konsequent gedacht: Die erste Variante bedeutet, dass durch eine Software der Fahrzustand, also Fahren oder Prüfstand, erkannt wurde und danach die AdBlue-Einspritzung gesteuert wurde. Das erklärt warum keiner etwas merkte – ein paar Programmzeilen sind schwer zu finden. Ohne diese Aussage zurück zu nehmen, wird heute ein Softwareupdate versprochen, welches den bis zu 100% (einige Quellen sprechen von höheren Werten) überhöhten NOx-Ausstoss um 25 bis 30% senken. Das entspricht in keiner Weise den zugesagten Abgaswerten für die Typzulassung.

Daraus können wir schließen, dass die „Experten“ der Automobilindustrie, des Verkehrsministeriums, von TÜV und DEKRA, die Spezialisten an technischen Hochschulen und andere den Fehler hätten berechnen können. Das Heilsversprechen des „sauberen Diesels“, der in einigen Abgaswerten durchaus besser als der Benziner abschneidet, hätte von vornherein ad absurdum geführt werden können.

Warum das keiner bemerkt, oder wenn doch warum es dann nicht publiziert wurde, ist nicht mein Thema – da kann man schön Verschwörungstheorien basteln. Mein Thema ist die infantile Gläubigkeit an Technik, wenn sie uns von Experten erklärt wird. Das lässt sich am Thema Diesel, aber auch am Thema der Umwelt, aufzeigen.

Die saubere Umwelt

Hier treibt der Glaube an eine technische Lösung zur Zeit skurrile Blüten. Es wird ein sinnloser Kampf gegen den Dieselmotor und besonders die SUVs, inklusive deren Verbannung aus den Inenstädten, geführt. Sinnlos ist er, weil das Verschwinden der dieselbetriebenen SUV aus den Städten die Probleme der Umwelt und des Klimawandels nicht löst. Dieser Kampf lenkt ab von anderen Umweltproblemen.

Ob nun Diesel oder Benziner – des Deutschen Lieblingsspielzeug verpestet und belastet die Umwelt. Selbst bei den Grünen ist inzwischen angekommen, dass ein Kampf gegen die automobile Gesellschaft keine Wählerstimmen bringt. Ich will diesen Kampf auch nicht – es geht einfach um Vernunft und Augenmaß.

Hier sehe ich mit Besorgnis, dass jedes Augenmaß verloren geht, wenn Politiker die Elektromobilität nur als Ersatz für Verbrennungsmotoren betrachten. Ein 1:1 Ersatz der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Elektrofahrzeuge würde einen Verbrauch an Ressourcen bedeuten, der nicht realisierbar ist. Einer Lösung der Verkehrsprobleme würde uns dieser Ersatz in keiner Weise näher bringen.

Auch hier ist es vielleicht hilfreich in die persönliche Geschichte – „Ich und mein Auto“ – zurück zu schauen. Ich hatte 1976, also mit etwas über 18 Lebensjahren, den Führerschein und mein erstes Auto. Das war toll, auch wenn dass Auto nur 4 Jahre jünger war als ich. Mein Auto versprach mir „grenzenlose Freiheit“, wenn auch nur innerhalb der Grenzen, die einem Bürger der DDR gesetzt waren, und puren „Lustgewinn“ – heute sieht das anders aus.

Die grenzenlose Freiheit

wurde uns mit der Massenautomobilisierung versprochen und wir sind zu Sklaven des Autos geworden.

Wir leben, zu großen Teilen, in Städten mit einer, übertrieben gesagt, Infrastruktur für Pferdekutschen und Fußgänger und stehen täglich im Stau oder sind auf der Parkplatzsuche. Zum Ferienbeginn ist der Stau-Bericht im Radio oder Internet für die Urlaubsplanung fast wichtiger als die Kulturangebote am Urlaubsort. Wir sind weit weg vom Arbeitsort gezogen, oder haben uns Arbeit weit weg vom Wohnort gesucht – jetzt sind wir Pendler mit mehr Stau- als Arbeitserfahrung. Nicht zuletzt müssen wir darauf achten, dass unser Auto unseren Status repräsentiert, oder einen solchen vorspiegelt.

Absurderweise ist aber ein massenhafter Verzicht auf das Auto zur Zeit keine Alternative. Zurück zum Arbeitsort können wir nicht ziehen, es gibt dort keine Wohnungen – oder wir können sie nicht bezahlen. Der ÖPNV würde einen Kollaps erleiden, wenn nur 50% der Pendler umsteigen würden.

Ob wir wollen oder nicht, wir sind vom Auto abhängig – wenn keine grundlegende Änderung im System stattfindet. Das lässt sich mit einen Softwareupdate nicht lösen, aber auch nicht mit massenhafter Elektromobilität.

Ein Zurück zur vorautomobilen Gesellschaft ist nicht so einfach möglich, ohne Auto sind viele Ziele des täglichen Lebens, beginnend mit dem Einkauf, für viele Menschen schwer oder nicht erreichbar.

Noch kein Fazit

Wer sich bis hierher gequält hat, fragt sich wahrscheinlich ob ich auf der Strecke den Faden verloren habe. Digitalisierung, Umwelt, Dieselskandal, Elektromobilität – es fehlt eigentlich nur noch das autonome Auto um alle aktuellen Themen, die mich bewegen, zusammenzuführen. Zu diesem möchte ich aber nicht erneut schreiben, das habe ich an anderer Stelle bereits getan.

Was bewegt mich also?

Am Beispiel des Dieselskandals habe ich versucht aufzuzeigen, dass technische Entwicklungen, ab einer bestimmten Komplexitätsstufe, für den Laien und auch für, meist selbsternannte, Experten, die versuchen, den Laien diese zu erklären, kaum verständlich sind. Es ist kaum möglich ein technisches Verständnis für alle Neuerungen zu entwickeln – da hilft nur die logische Betrachtung des Problems. Wie oben ausgeführt der zulässige Schluss:

Das ist keine moderne digitale Betrachtung – sie ist oldschool, bei geringem technischen Vorwissen, von Begriffen wie Software und Update, hätten bereits unsere Großeltern so argumentieren können.

Komplexität und Digitalisierung

Ich habe einleitend über Kernkraft und Automatisierung geschrieben, hier ist aber ein wesentlicher Unterschied zum Thema Digitalisierung.

Kein anderer technischer Fortschritt hat so tief in unsere Lebenswelt eingegriffen und wird künftig noch viel stärker eingreifen, als die Digitalisierung. Die Entwicklung der soziale Medien, beginnend mit dem UseNet über MySpace bis heute ist atemberaubend und für viele ist ein Leben ohne Social Media heute nicht mehr vorstellbar. Ursprünglich als Kommunikationsmittel gedacht, sind die Netzwerke heute essentieller Bestandteil von Marketing und Kundenservice der meisten Firmen. Durch den Einsatz von Chatbots und anderen Formen der künstlichen Intelligenz soll diese Bedeutung weiter zunehmen und menschliche Mitarbeiter verdrängen. In der Propaganda (ich wähle bewusst diesen Ausdruck) ist fast ausschließlich die Rede von Vorteilen für die Kunden. Diese mag es geben, auch wenn man uns den Beweis bisher schuldig geblieben ist, in erster Linie geht es aber um Kostensenkung. Ich zweifle, dass diese Strategie aufgeht, aber es wird jedenfalls versucht werden.

Social Media ist natürlich nur ein Aspekt der Digitalisierung, aber ein taugliches Beispiel für große Herausforderungen, die bei der Digitalisierung auf die Unternehmen, die Gesellschaft und jeden einzelnen zu kommen.

Ich beginne mit den ungeliebten Themen Netzwerksicherheit und Datenschutz, verzichte aber auf ausufernde Darstellungen. Die zunehmende Vernetzung, zum Beispiel zwischen Firmen und Kunden, verbunden mit der Übertragung von kunden- und firmenbezogenen sensiblen Daten, erfordert eine, bisher nicht einmal in Ansätzen vorhandene, Sicherheit der Datenübertragung. Ist diese nicht möglich, dann werden wir Probleme bekommen, gegen die sich die bisherigen Hacker-Angriffe als harmlos ausnehmen.

Einige Apologeten der Digitalisierung möchten schnellstens das Bildungssystem digitalisieren. Wichtiger als grundlegende Fähigkeiten, wie Lesen, Schreiben, Erfassen von komplexen Texten und Zusammenhängen, soll das Programmieren und die Nutzung der digitalen Medien werden. Übertrieben gesagt:

„Tablet und Smartphone ab dem Kindergarten“ und

„Google is your best Friend“

Diese Ansicht ist ebenso kurzsichtig wie die derjenigen, die die digitale Revolution ignorieren. Erwartet aber bitte von mir keine Lösung für das Bildungssystem, da bedarf es mehr Brainpower als ich bieten kann. Die Grundfertigkeiten, wie Lesen, Schreiben, Erfassen von komplexen Texten und vor allem das Diskutieren und Argumentieren, sollten jedenfalls einen hohen Stellenwert erhalten.

Ein vorläufiges Fazit

Die Digitalisierung kommt – und das ist gut so.

Es gibt viele Herausforderungen, die auf uns zu kommen, diese müssen wir erkennen und meistern. Möglich ist auch die Erkenntnis, dass sich der eine oder andere Aspekt der Wirtschaft oder des Lebens nicht, oder nicht so schnell, digitalisieren lässt. Hier ist, meiner Meinung nach, Vernunft und Augenmaß wichtiger als Geschwindigkeit.

Hier gilt es das, durch den Dieselskandal schwer geschädigte, Vertrauen in Politik und Wirtschaft zurück zu gewinnen. Meiner Meinung nach hilft da nur Offenheit und Transparenz, also auch das Kommunizieren von Fehlentscheidungen und Misserfolgen. Diese Offenheit schadet langfristig weniger als neue Skandale.

Ich komme zum Schluss auf das Thema Dieselmotor und Umwelt zurück.

Die Rettung der Umwelt, durch den Wegfall des Dieselmotors und das Endziel der vollständigen Elektromobilität, ist für mich eine Farce. Es ist ein ehrenwertes Ziel, aber vom Zeitverlauf und erforderlichen Aufwand her ist das kaum zu stemmen.

Eine Reduzierung der Fahrkilometer aller Verkehrsteilnehmer und somit letztendlich des Automobilbestandes ist, meiner Meinung nach, machbar und erstrebenswert.

Mit einer konsequenten Digitalisierung eröffnen sich dahin Wege, wie „Digitale Verwaltung“ und „Digitales Arbeiten“.

Im nächsten Artikel werde ich mich mit der „Digitalen Verwaltung“, unter dem Aspekt der Vermeidung von Fahrkilometern, beschäftigen.

SPD: „Wir beschließen Quellen-TKÜ!“

Ach ja, liebe alte Tante SPD – das bedeutet ja „Wir stimmen alle dafür!“ und ist leider wieder mal eine Frage der Fraktionsdisziplin – nicht der freien Entscheidung der Abgeordneten.

Aber lassen wir doch mal diese Ausflüge in die Niederungen der Un-Demokratie und kommen wir zur „Quellen-TKÜ“.

Was ist das eigentlich?

TKÜ bedeutet einfach „Telekommunikations-Überwachung“ und Quellen-TKÜ ist das Abschöpfen an der Quelle, also am Endgerät. Vergleichbar ist der Einbau einer Wanze am Telefonapparat, wie man es aus alten Filmen kennt.

Die neue Wanze ist der „Staatstrojaner“.

Was macht der Staatstrojaner?

Der Staatstrojaner nistet sich auf dem Endgerät des Überwachten ein und gewährt vollen Zugriff auf alle Daten auf dem Gerät und jegliche Kommunikation die mit diesem durchgeführt wird. Endgeräte können PC, Laptop, Smartphone, Server, Smart TV und andere sein.

Was ist daran gefährlich?

Ich sage mal: „Einfach Alles!“

Zum Ersten ist diese Art von „Quellen-TKÜ“ keine Telekommunikationsüberwachung im Sinne der entsprechenden Gesetze sondern sie geht viel weiter. Durch den möglichen Zugriff auf Kameras und Mikrofone der Endgeräte und somit die Möglichkeit der Raumüberwachung entspricht diese „Quellen-TKÜ“ eher dem Großen Lauschangriff.

Zweitens werden die Staatstrojaner wohl nicht über infizierte Webseiten oder Emailanhänge sondern über Hintertüren (Backdoors) eingeschleust. Wie bereits mehrfach geschehen werden diese Backdoors aber auch von kriminellen Hackern genutzt. Das Einrichten von Backdoors ist ein Angriff auf die Sicherheit der Systeme!

Wenn Kriminelle überwacht werden, was ist schlimm daran?

Es werden ja in den seltensten Fällen Kriminelle sondern Verdächtige überwacht, schließlich soll die „Quellen-TKÜ“ der Prävention dienen. Eine solche Überwachung wird, wenn auch vielleicht nicht am Anfang, alle Kommunikationsgeräte umfassen auf die der Verdächtige Zugriff hat.

Ein Beispiel: A wird überwacht und in Zuge der Ermittlung wird B ebenfalls als potentieller Verdächtiger identifiziert. Er kommuniziert per Smartphone mit A und nutzt mehrfach andere Geräte. Er nutzt, außer seinem eigenen, das Smartphone seiner Frau und ein dienstliches Smartphone. Wer glaubt, dass nur das Smartphone von B zukünftig überwacht wird, der hat nicht verstanden was „lückenlos“ bei Überwachung bedeutet. Es werden also künftig auch die Frau B und die Kollegen die, z.B. bei einem Bereitschaftshandy, das dienstliche Smartphone nutzen. Das sind dann Kollateralschäden. Sollte im Falle eines Verdächtigen ein gemeinsam von der Familie genutzter PC existieren, dann wird eben die ganze Familie überwacht – und das lückenlos.

Es werden doch nur die Daten des Verdächtigen ausgewertet?

Wers glaubt wird selig. Telefongespräche können ja eventuell noch per Stimmerkennung dem Verdächtigen zugeordnet werden (wenn man das will), aber Email oder Chats müssen ausgewertet werden da ja der Verdächtige der Urheber sein könnte. Es werden also auch die Daten von Familienangehörigen oder anderen Mitnutzern ausgewertet. Das lässt sich nicht vermeiden – im Dienste der Sicherheit.

Die Daten werden doch gelöscht?

Ja – nein – vielleicht. Die Masse von Daten wird ja nicht in jedem Verdachtsfall ausgewertet. Meist geschieht das erst, wenn sich der Verdacht erhärtet – oder wenn aus dem Verdächtigen nachweislich ein Täter wird. So wie in fast allen Terrorismusfällen der letzten Zeit – die Täter waren bekannt, wurden aber als nicht allzu gefährlich eingestuft. Bei kompletter Datenauswertung hätte das vielleicht anders ausgesehen, diese erfordert aber manpower die kein Ermittlungsorgan leisten kann. Somit steht fest, dass die Daten jedenfalls zwischengespeichert bleiben. Sie stehen für den Fall der Fälle abrufbereit, einschließlich der Daten der Mitnutzer.

Fazit:

Die „Quellen-TKÜ“ ist ein untaugliches Instrument. Wird sie massenhaft angewendet entstehen Datensätze die nicht ausgewertet werden können, die aber einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellen. Massenhaft wird sie angewendet werden, das ist schon daran zu sehen, dass der Begriff „schwere Straftaten“ verwendet wird.

Meiner Meinung nach haben hier Politiker und andere „Sicherheitsexperten“ zu viele amerikanische Crime-Serien gesehen, in denen anhand von facebook-Statusmeldungen Verbrecher zeitnah gefasst wurden. Ein Hinweis für diese: In diesen Serien macht Abby Sciuto auch jede DNA-Analyse in 5 Minuten und knackt nebenbei noch Passwörter.

Was wir meiner Meinung nach brauchen, um die Kriminalität nachhaltig zu bekämpfen, sind mehr gut ausgebildete PolizistInnen die Polizeiarbeit machen. Die Polizei wurde personell abgebaut und ein Neuaufbau dauert lange.

Dazu eine kleine Story:

Napoleon Bonaparte befahl, dass entlang der Landstraßen Bäume gepflanzt werden sollten, damit die marschierenden Truppen Schatten hätten. Auf Den Einwand, die Bäume bräuchten 20 Jahre bis sie groß genug wären soll er geantwortet haben: „Um so wichtiger ist es sofort anzufangen!“

P.S. Ein Hinweis an einige meiner Leser: Justiert mal eure Einstellung zur Polizei. ACAB ist keine Alternative, schon gar kein politisches Statement.

P.P.S. Es gibt ältere Artikel von mir zum Thema – ich erspare mir Verlinkungen. Empfehlenswert sind wie immer die Artikel von netzpolitik.