Tag der Deutschen Einheit – Die letzte Nacht der DDR

Die Erstveröffentlichung war am 03.10.2011 auf Google+. An dieser Stelle nochmals im Blog, anlässlich des bevorstehenden Feiertages. Natürlich ungekürzt, unkommentiert und ohne Korrekturen. Für alle die eigene Erinnerungen an die letzte Nacht der DDR haben.

Eigentlich ein Schwanengesang auf die letzte Nacht der DDR

Während in Berlin 1 Million (ich weiß die genaue Zahl nicht mehr) Menschen auf den Glockenschlag zu Mitternacht warteten, saß an einem Lagerfeuer in Leipzig ein „Häuflein Aufrechter“ und feierte die letzte Feier in der DDR.

Was war das nun für ein Haufen? Es waren keine selbsternannten Dissidenten oder Bürgerrechtler, nach ihrem Selbstverständnis waren sie einfach ein paar Idioten, denen das Denken nicht abhanden gekommen war.

Der Handwerksmeister mit seiner Kinderschar, als Gastgeber, dessen Frau einfach beschlossen hatte zu Hause zu bleiben und sich um die Kinder zu kümmern. Ein Gründungsmitglied der Leipziger SDP, ein Gewerkschaftler, ein ehemaliger Polizeioffizier, der mit seiner Kündigung im September 1989 seine Karriere abrupt beendete und noch einige Gleichgesinnte (ich natürlich auch). Teilweise mit ihren Familien.

Hinter uns lagen bis zu 20 Jahren ewige Diskussionen über die Gesellschaft, Probleme mit den Staatsorganen und eine Menge Spaß miteinander. Der Spaß kam bei allen Problemen nie zu kurz.
Die Einladung war ganz einfach formuliert „Lasst uns nochmal feiern, wir wissen ja nicht was wird.“ Das war keine Trauer um den Untergang der DDR, die meisten hatten ja einen winzigen Anteil daran. Es bestand ja einfach die Möglichkeit, dass es uns in alle Winde zerstreut. Die Welt stand ja offen.

Gestern Abend saß ich nun, 21 Jahre später, zu Hause und dachte an diese Feier. Eigentlich hätte man sie ja wiederholen können schließlich sind die meisten noch da.

Eigentlich, wenn da nicht etwas gewesen wäre. Außer Trennungen und Scheidungen gab es da ja noch die Gauck-Behörde. Die räumte mit unseren Illusionen auf.

Das SDP Gründungsmitglied war bei der Affäre um Herrn Schnur vom Demokratischen Aufbruch dabei – gegauckt.

Der Gewerkschaftfunktionär – gegauckt.

Einige andere auch.

Ein Teil der damaligen Freunde geht uns, dem Rest der sich ab und zu noch trifft, aus dem Weg. Deshalb ist leider keine Einheitsfeier im alten Kreise mehr möglich und im reduzierten Kreis wollen wir uns nicht treffen, wir würden ja nur über die Fehlenden reden.

Aber heute werden wir wohl alle miteinander telefonieren und, trotz alledem, den Tag der Deutschen Einheit feiern.

Einen schönen Feiertag – Euch Allen da draußen.

Wolfgang Höher

In dem nachfolgend verlinkten Artikel habe ich meine Kenntnisse über die, für meine Forschungsarbeit zu Josef A. Köhler, wichtige Person des Wolfgang Höher veröffentlicht.

Wolfgang Höher, bereits mehrfach in der Literatur über die 50er Jahre erwähnt, war eine scheinbar unwichtige Personalie im Kampf der Geheimdienste. Ob dies wirklich so war, das kann ich hier noch nicht einschätzen. Aber unbedeutend ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck für ihn.

P.S. Ich habe den Artikel im Marjorie-Wiki veröffentlicht, da ich mir nicht sicher bin, ob die Relevanzkriterien für wikipedia erfüllt sind. Außerdem war es so stressfrei.

9. November 1989 – 22 Jahre ist es nun her

Wenn ich so an 1989 denke, dann ist der 9. November ein, wenn auch ungewollter, Schlusspunkt der Ereignisse des Herbstes.

In einem Beitrag beschrieb ich schon die Rückschau, die wir zum endgültigen Ende der DDR am 2. Oktober 1990 hielten. Aber der 9. November, mit der Maueröffnung lag da ja schon fast ein Jahr zurück.

Die ZEIT hat mit „Ist das ein Deutscher Held“ schon den ersten Artikel über die Maueröffnung gebracht, hier also meine ganz persönlichen Erinnerungen.

Einen Monat zuvor hatte die DDR-Regierung vor den Demonstranten in Leipzig kapituliert. Die von Krenz angesprochene „chinesische Lösung“ wurde nicht durchgeführt. Lassen wir die Demonstranten mal außen vor dann sehen wir, dass es zumindest in den regionalen Führungsstäben der bewaffneten Organe und auch der SED durchaus Leute gab, die die Zeichen der Zeit erkannten. Ich will diese hier nicht zu Helden stilisieren, aber ihre Resignation hatte an der Verhinderung einer gewaltsamen Lösung durchaus einen großen Anteil. Auch spektakuläre Aktionen, wie der Aufruf der „Leipziger Sechs“ am 9. Oktober spielte ein zwar große, aber nicht die entscheidende Rolle. Die Gewaltlosigkeit war von Anfang an auf der Seite der Demonstranten ein Muß. Ich erinnere mich an die erste Montagsdemo, an der ich teilnahm, dort wurde im Demonstrationszug ständig durchgesagt „Keine Gewalt!“ und jeder sah auf seinen Nebenmann (oder auch Frau), es war sozusagen selbstregulierend.

Es war ja das Ziel der damaligen Demonstranten, eine neue DDR zu schaffen. Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und andere Forderungen sollten in der DDR gewährleistet werden. Die meisten hatten nicht die Wiedervereinigung im Sinn.

Nach dem 9. Oktober kamen aber dann vermehrt Deutschlandfahnen ins Spiel und Parolen wie „Deutschland einig Vaterland“ oder „Kommt die D-Mark nicht zu mir, dann gehe ich zu ihr!“. Einige von den ersten Teilnehmern nahmen nun nicht mehr teil.

Am 4. November fand nun die erste genehmigte Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz statt. Auch als Demonstration der Kulturschaffenden bekannt und als „Meilenstein der friedlichen Revolution“ bezeichnet. Durch diese wurde, wie einige Institutionen ihn inzwischen geadelt haben, der Berliner Alexanderplatz zum „zentralen Ort der friedlichen Revolution“.

Aber die Revolution war ja eigentlich schon vorbei. Die war am 9. Oktober, nicht nur in Leipzig.

Am 9. November 1989 wussten eigentlich schon alle, dass die DDR am Ende angekommen war. Die Frage war nur „Wie lange dauert die Agonie?“

Das löste sich mit der Ankündigung von Schabowski um 18.53 Uhr. Mitgekriegt haben wir es zu dieser Zeit nicht. Erst etwas später sahen wir die Pressekonferenz im Fernsehen und haben uns natürlich gefragt „Und nun?“. Wir beschlossen nicht nach Berlin zu fahren, die Grenzöffnung war vollzogen, die Party konnte auch ohne uns stattfinden.

Ich bin dann erstmalig um den 15. Dezember herum nach Westdeutschland gefahren, Weihnachtseinkäufe machen. Besuche konnte ich nicht machen, da gab es niemanden.

Im Sommer 1990 machte ich dann aber zwei Dinge, die ich immer mal machen wollte. Ich ging zum Brandenburger Tor und zur Glienicker Brücke. Das war wichtig, sozusagen symbolisch.

22 Jahre später, ich bin immer noch ich. 10 Jahre Leben in Bremen und die Rückkehr nach Leipzig haben mich auch nicht groß verändert – nur älter gemacht.