Mythos der Heiligen Nacht

Hirtenfelder bei Bethlehem, Quelle: http://israel.ammkla.de/html/body_orte_jesu_2.html
Hirtenfelder Bethlehem

Es ist ungefähr 2000 Jahre her, als sich eine schwangere Frau und ein Mann der Stadt Bethlehem näherten. Es ist weder bekannt woher sie kamen, noch ob sie ein Paar waren oder nur zufällige Reisegefährten. Waren sie auf der Flucht, hatten sie ein gemeinsames Reiseziel oder wanderten sie nur ein Stück gemeinsam? Wir wissen nicht einmal wer der Vater des ungeborenen Kindes war. Es ist auch unerheblich. Die beiden waren arm und lebten auf der Reise von der Mildtätigkeit ihrer Mitmenschen. Als sie sich der Stadt Bethlehem näherten, rüsteten sich die römischen Besatzer zur Feier der Saturnalien und die jüdischen Einwohner bereiteten die Sabbatfeier vor. Für arme Reisende hatte niemand Zeit, die Familien wollten bei den Feierlichkeiten unter sich bleiben. Im Tempel bekamen sie keine Zuflucht, sie hatten keinen Geleitbrief ihres Heimattempels. Als am Abend in den jüdischen Haushalten der Kiddusch gesprochen wurde waren die beiden bereits wieder außerhalb der Stadtmauer und suchten Zuflucht vor dem kalten Wind in einem Unterstand für das Vieh der in der Umgebung der Stadt lebenden Nomaden. Es war kein Stall, wie in den neueren Märchen behauptet wird, sondern ein Dach aus Holz und Gras welches an eine Felswand angestellt war. Es gab aber etwas Stroh und vor allem eine Quelle mit Wasser in der Nähe. Die letzten Schritte fielen der Frau schon schwer, die Wehen hatten eingesetzt und der Mann war hilflos, da er noch nie bei einer Geburt anwesend gewesen war. Es war also ein Glücksumstand, dass das Kind tatsächlich gesund zur Welt kam. Wir wissen nicht ob es ein Junge oder ein Mädchen war, auch das ist nebensächlich. In dieser Nacht war es bewölkt, aber als sich ein Nomadenstamm mit seinem Vieh der Quelle näherte riss der Himmel auf und ein einsamer Stern leuchtete über dem Dach des Unterstandes. Diese Nomaden eines unbekannten Stammes fragten nicht nach dem Woher und Wohin, nicht nach Geld und Gut noch nach Stand und Zugehörigkeit. Sie sahen die Armut des Paares und des neugeborenen Kindes und gaben ihnen von dem Wenigen was sie selbst hatten, damit Mutter und Kind überlebten. Gemeinsam dankten sie Gott, im Falle der Nomaden eventuell auch den Göttern, und priesen das Neugeborene als die Zukunft der Menschheit.

In einer der längsten Nächte des Jahres waren sie sich dessen gewiss, nach dem Winter kommt der Frühling und mit der Geburt eines jeden Kindes gibt es Hoffnung für die Menschheit.

Am nächsten Morgen zogen sie weiter. Wir wissen nicht wohin.

Diese Geschichte ist in ähnlichen Formen tausende Male geschehen. Ein Mann namens Lukas hörte die Begebenheit von den Nomaden und verewigte sie in seiner frohen Botschaft als die Geburt des Gottessohnes.

Das ist der Mythos der heiligen Nacht.

Amen!

Ein frohes Weihnachtsfest allen Menschen!

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Bildquelle: http://israel.ammkla.de/html/body_orte_jesu_2.html

Fragt sie solange sie leben!

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Josef Köhler als Strafgefangener 1952

Ich habe es nicht getan. Ich habe meinen Vater und meine Mutter nicht über ihre Rolle im 3. Reich und der DDR gefragt. Mein Vater starb 1994, meine Mutter 2006, erst 2008 begann ich damit die Spuren meines Vaters zu suchen.

Diesen Artikel schreibe ich aus zwei Gründen. Zum ersten, es gibt die Diskussion um den Unrechtsstaat DDR und auch um den persönlichen Umgang der Nachgeborenen mit der eventuellen Stasi-Vergangenheit ihrer Eltern. Zweitens möchte ich mit der Arbeit an der Biographie meines Vaters fortfahren. Dazu fehlen mir noch immer Informationen.

Ich gehöre zu der Generation 50+, also zu denen die eine DDR-Karriere und eine bundesrepublikanische Karriere haben. Mein Vater war ebenfalls ein Zwitter, Jahrgang 1923, er war alt genug um im 2. Weltkrieg zu kämpfen, alt genug für die sowjetische Kriegsgefangenschaft und jung genug um von Anfang an in der DDR dabei zu sein. Meine Mutter, Jahrgang 1934, war für das Erste zu jung aber für die DDR genau im richtigen Alter.

Warum habe ich nicht genauer nachgefragt?

Die Erzählungen waren ja so einleuchtend und bestechend einfach, da musste ich nicht fragen.

Mein Vater wurde, als Kind katholischer Handwerker, in einem kleinen erzgebirgischen Dorf geboren, besuchte nach der Grundschule ein Jesuitenseminar und wurde 1942 zur Wehrmacht einberufen. In Stalingrad lief er zur Roten Armee über, kämpfte mit dieser gegen die Nazis und wurde anschließend von den Sowjets bis 1953 in Kriegsgefangenschaft gehalten. Danach kam er nach Leipzig, wo seine inzwischen aus ihrer Heimat vertriebenen Eltern lebten, lernte meine Mutter kennen und machte sich, mit den in der Gefangenschaft erworbenen russischen Sprachkenntnissen, als Übersetzer und Dolmetscher selbständig. Er gründete mit anderen Kollegen einen Betrieb, dieser wurde 1960/61 verstaatlicht. Danach arbeitete er weiter als Freiberufler, schlug sich mit der DDR-Bürokratie und der Staatssicherheit herum, lehrte Russisch an der Volkshochschule und war langjährig in der Vereinigung der Sprachmittler (VdS) der DDR ehrenamtlich tätig. Er war der DDR gegenüber kritisch eingestellt, die Sowjetunion mochte er trotz der Gefangenschaft, er begrüßte die Perestroika und freute sich als die Wende kam.

Wenn sie mit diesen Erzählungen aufgewachsen wären, hätten Sie dann genauer nachgefragt?

Ich habe es nicht getan, nach der Kindheit und Jugend rückten ja Beruf und eigene Familie in den Vordergrund. In den 70ern und 80ern schien das ja alles nicht so wichtig zu sein und nach der Wende begann das Ringen um den Neuanfang in der Bundesrepublik.

2008, einige Operationen standen bevor und eine längere Phase der Rekonvaleszenz war absehbar, fasste ich den Entschluss für meine Kinder aufzuschreiben was sie für einen tollen Großvater hatten. Ich meinte mich auf sicherem Terrain zu bewegen – es war ja die Geschichte eines Widerständlers, wenn nicht Helden.

Zu diesem Zeitpunkt waren meine Eltern verstorben, mit dem einen Teil der Familie gab es Stress, mit dem anderen Teil besteht kaum Kontakt, also suchte ich alles aus dem Nachlass zusammen und begann zu recherchieren.

Warum habe ich nicht gefragt, als sie noch lebten? Das frage ich mich heute, nach tausenden Seiten aus Akten bei der BStU, dem Staatsarchiv, den Archiven der Universität Leipzig und der Polizei Sachsen, nach Kontakten mit dem Jesuitenorden, dem FSB, dem BND und nicht genug Zeitzeugen. Viele der Zeitzeugen sind verstorben, viele nicht auffindbar und andere reden nicht.

Wenn man die Geschichte meines Vaters sieht, wie ich sie bisher herausgefunden habe, wird das auch verständlich.

Die Geschichte ist ganz anders als die Erzählung. In der jetzigen Version gibt es eine HJ-Karriere, eine NSDAP-Mitgliedschaft, Arbeit für den NKWD und die Kriegsgefangenschaft dauerte nur bis 1948. Von 1948 bis 1951 war mein Vater in Leipzig, arbeitete bei der Polizei, studierte an der Universität Leipzig, holte seine Eltern von Thüringen nach Leipzig und war hauptsächlich für das KGB tätig. Dann verschwand er wieder, vom KGB verhaftet, in die Sowjetunion und kehrte 1953, nach einer Lesart als Resident des KGB, zurück.

Auch die nachfolgende Geschichte unterscheidet sich von den Erzählungen, darauf will ich hier nicht eingehen.

Ich möchte den jungen Menschen, die sich für Geschichte interessieren, nur einen Rat geben.

Fragt eure Eltern, solange sie leben!

Fragt sie nicht um ihr Leben zu werten, fragt nach ihren damaligen Motiven um ihre früheren Entscheidungen zu verstehen. Ohne diese Fragen, oder schlimmer noch mit einer Vorverurteilung, werdet ihr weder die Geschichte der DDR, noch die Geschichte der alten Bundesrepublik verstehen.

Vielleicht werden eure Eltern zuerst ausweichen, wenn sie aber merken, dass nicht Verurteilung sondern das Verstehen euer Motiv ist, dann werden sie euch auch Antworten geben.

Ich wünschte, dass ich es noch könnte.

P.S. Sollte sich jemand für die Geschichte des Josef Anton Köhler interessieren, oder weitere Hinweise geben können, ich bin für jeden Hinweis dankbar.

Erstveröffentlichung in Der Freitag 15.10.2014

Nationale Feiertage sollten verboten werden,

zumindest in Deutschland, wo sie stets in Peinlichkeiten ausarten. So war der offizielle Nationalfeiertag der Deutschen, der 3. Oktober, in diesem Jahr bedeutungslos, da es erst der 24. Jahrestag war. Dafür wurde der 25. Jahrestag des Mauerfalls zum Quasi-Feiertag für die Deutsche Nation erklärt.

Es passte ja auch perfekt. Ohne den Kalender ändern zu müssen, hatte die Republik aufgrund des Sonntages frei – also konnte es so richtig krachen.

Bevor ich es krachen lasse, einige kurze Vorbemerkungen zum Verständnis:

Für viele der sich 1989 bereits im Erwachsenenalter befindlichen DDR-Bürger ist der wichtigere Gedenktag der 9. Oktober, der Tag, an dem die SED-Regierung kapitulierte und die Demonstrationen in Leipzig und anderswo trotz lauten Nachdenkens über eine chinesische Lösung nicht zerschlug.

Der 9. November ist eine Farce: Ob nun beabsichtigt oder wegen eines dubiosen Zettels verkündete Schabowski die Reisefreiheit „ab sofort“ und der durch das Stillschweigen der Vorgesetzten in die Resignation getriebene Oberstleutnant Jäger öffnete den ersten Grenzübergang.

Sorry Leute, da war von der „friedlichen Revolution“ keine Rede – das war der (un)organisierte Zusammenbruch des DDR-Grenzregimes, das war die Vorwegnahme einer anstehenden politischen Entscheidung der entmachteten DDR-Führung, um auch die Ostberliner an der „Revolution“ zu beteiligen.

Ein erster organisierter Versuch, die „ernsthaften Dissidenten“ an die Spitze der Revolution zu stellen, war ja schon am 4. November 1989 von der DDR-Bevölkerung nicht genügend gewürdigt worden. Da gab es die Alexanderplatz-Demonstration, die wenigstens ordentlich genehmigt war und auf der endlich mal die richtigen Namen ins Spiel gebracht wurden. In Leipzig war es ja nur eine inhomogene Menschenmasse – das konnte ja kein Dauerzustand bleiben.

Das ZK der SED hatte aber nicht weit genug gedacht, sonst hätte Schabowski die Reisefreiheit einen Tag früher oder später verkündet und somit die Überschneidung mit dem Gedenken an die Reichspogromnacht vermieden. Aber wer ist schon perfekt?

Aber jetzt Vorwärts zum 25. Jahrestag des Mauerfalls und hier bekommt auch Wolf Biermann seinen Auftritt, der ihm am 4. November 89 von den bösen DDR-Behörden verwehrt worden war. Also setzt er auch an jenem Punkt an und erklärt unter dem Beifall demokratisch gewählter Abgeordneter des Deutschen Parlaments die Partei „Die Linke“ zum „elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden ist“. Genau, er ist beim 89er Stand und hat gerade so bemerkt, dass es die SED nicht mehr gibt und ein kleiner Teil ehemaliger SED Angehöriger beschlossen hat, linke Politik in Deutschland zu machen. Zusammen mit Westdeutschen, denen nicht einmal Nähe zur DDR-Staatspartei nachgesagt werden kann und mit vielen durch den Zeitpunkt ihrer Geburt unverdächtigen, jungen Menschen in den östlichen Bundesländern. Er bezeichnet diese Partei als „Drachenbrut“, erhebt sich selbst zum „Drachentöter“ und ist doch nicht einmal der elende Rest einer DDR-Opposition. Er war schließlich nur ein Provokateur mit Sonderstatus, so wie viele DDR-Künstler. Andere Oppositionelle wurden nicht an der Wiedereinreise gehindert – sie wurden einfach eingesperrt.

Sein Auftritt ist auch nur wichtig, weil er etwas über unser Parlament und das Selbstverständnis sogenannter Demokraten zeigt. Dazu sage ich nichts, das hat Hans Christian Ströbele besser ausgedrückt, als ich es könnte.

Gregor Gysi, der nach Biermann dran war, machte das einzige, was kein Fehler sein kann: Er reagierte wie der deutsche Waldbaum, wenn sich das rauhäutige Wildtier an ihm reibt – er blieb unerschütterlich. Danke dafür.

Ich habe oben schon angedeutet, dass es natürlich die Schuld des ZK der SED ist, wenn auf Grund des Datums aus einem „Lichtermeer“ in Erfurt ein „Fackelaufzug“ gemacht wird. Dafür sollte man die Betreffenden heute noch einsperren.

So bleibt also nur eines:

Verbietet den Deutschen nationale Feiertage!

Die können nicht feiern, es wird immer nur peinlich.

Aber wir können ja nicht mal Ostern – so wegen Tanzverbot und „Leben des Brian“. Schade eigentlich.