Der Schüler als Professional

Auf Google+ stieß ich bei der ersten Zigarette des Tages auf einen Beitrag von Birgit Rydlewski „Wie Schüler Professionals werden können…“. Meine Antwort könnt Ihr unten lesen.

Birgit Rydlewski, ich bin ein wenig verwirrt. Du schreibst „Meine Gedanken“ und der Link geht zu einem Artikel von „Bastian“. Aber vielleicht verstehe ich das falsch – egal. 😉

Erst mal, ich mag die Ausführungen von Gunter Dueck (Dieser Artikel ist hier gemeint) . Jetzt kommt das AberProblem/Aufhänger: Für Tätigkeiten, die nicht automatisierbar sind, gibt es „immer höhere Anforderungen“ als Ansatz ist mir etwas unzureichend.
Worin bestehen diese Anforderungen und was ist nicht automatisierbar?
Aber gehen wir mal von der Richtigkeit des Ansatzes aus und begeben uns zur Vernetzung und in die „Tiefe der Wissensgesellschaft“.
Dort finden wir nämlich m.E. nach das Problem. Gespeichertes, sofort verfügbares Wissen und die Möglichkeit der Vernetzung (von Menschen und Wissen), gekoppelt mit mangelnden Grundlagen der Verarbeitung. Technisch gesehen macht der Lehrer der weiterführenden Schule oder der Dozent an der Universität teilweise den Versuch, mit einem PC mit DOS3 und Windows1 ins Internet zu gehen. Es fehlen einfach die Grundlagen.
Da wäre das Lesen und Schreiben, nicht als Tätigkeit als solche, sondern als die Voraussetzung zur Erfassung komplexer Texte. Zu dem Komplex gehört auch die Beschäftigung mit der Literatur. Auch die ungeliebten Klassiker befähigen uns, vorausgesetzt wir sind der vorstehenden Grundfähigkeiten mächtig, eben die Komplexität von Sprache zu erfassen und damit umzugehen.
So weit zur Sprache, gehört natürlich mehr dazu.
Grundfertigkeiten in der Mathematik sind ebenso wichtig. Diese muss ich nämlich beherrschen um das Ergebnis welches mir der Computer auswirft zu verstehen und zu interpretieren.
Ich will die Liste nicht weiter fortführen, aber nun denken wir an die geschilderte Diskussion über das Geld.
Kann es sein, dass die Schüler, schlicht und ergreifend, auf Grund der mangelnden Grundfähigkeiten, nicht in der Lage waren die Komplexität des Themas zu erfassen und sie deshalb auch nicht in der Lage waren eine Präsentation zu erarbeiten?

Sind die Grundlagen da, dann können wir an dem Professional mit allen genannten Fähigkeiten arbeiten.

Wobei, was ist heute ein „Professional“?
Das alte Bild des „Spezialisten“ trifft es ja nicht mehr. Eigentlich wollen wir ja einen „Universalgelehrten“ neuen Typs, mit gewissen Einschränkungen.
Ich verweise hier mal auf die Ausführungen von Andre Gorz zur Austauschbarkeit des Spezialisten. Der Spezialist ist, in Kurzfassung, nicht mehr z.B. Manager in der Lederwarenbranche, er ist Spezialist Management und somit auch befähigt z.B. im Bestattungswesen diese Arbeit auszuüben.
Das Werkzeug Management hat er also „studiert“ und die neue Branche kann er „begreifen“, weil er die grundlegenden Fähigkeiten des Erfassens der Problemstellung hat.

Noch kurz zur Frage: Wie aber kann uns das Internet überhaupt in der Bildung helfen?
Gar nicht, wenn die grundlegenden Fähigkeiten fehlen.
Sind diese vorhanden, dann kann der „werdende Professional“ lernen die ihm dort angebotene Informationsfülle zu bewerten und mit diesen Informationen zu arbeiten.

Stress-Situationen – Teil 4

Veröffentlicht auf Google+ am 28.09.2011

Technische Neuerungen sind ja eine feine Sache. Sollte sich noch jemand erinnern was 1996 ein Handygespräch zum Festnetz oder umgekehrt kostete, dann hat er einen anderen Blick auf diesen Beitrag.
Das Handy brachte aber in erster Linie ein Problem für uns. Blieb früher ein Auto auf der Autobahn liegen, dann lief der Fahrer zur Notrufsäule und informierte dort die Autobahnmeisterei. Diese informierte dann uns. Der Standort war klar, z. B. A9 Richtung Berlin, Säule am Kilometer 116.
Die neue Technik änderte das. 1996 fuhr ich allerdings noch für einen anderen Automobilclub (es gibt noch welche außer dem ADAC) in der Leipziger Gegend.
Telefon klingelt, am anderen Ende eine Frau vom Automobilclub
Frau: Wir haben da ein Problem (ach nee). Eine Fahrerin hat uns über Handy angerufen, sie steht auf der A9 Richtung München, wo genau weiß sie nicht, aber entweder kurz nach dem Schkeuditzer Kreuz oder dem Hermsdorfer Kreuz (kann man ja mal verwechseln, sind nur 75 km). Könnt Ihr mal nachschauen?
Ich: Können schon, aber nur am Schkeuditzer Kreuz. Und wer bezahlt das?
Frau: Wir bezahlen eine Leerfahrt, wenn Ihr sie nicht findet.
Ich: Habt Ihr Euch die Rückrufnummer geben lassen?
Frau: Nein, hat der Kollege vergessen.
Ich setze mich also in mein Auto, fahre in Wiedemar auf die Autobahn. Schkeuditzer Kreuz – nichts, Großkugel – nichts, Leipzig West – auch nichts.
Ich rufe beim Automobilclub an, sage Bescheid, dass sie nicht bei uns steht und fahre zum nächsten Auftrag.
1 Stunde später (ich bin in Delitzsch) – Mein Handy klingelt – Eine Frau
Frau: Guten Tag. Ich habe vorhin bei meinem Automobilclub angerufen weil ich eine Panne habe. Die haben mir gesagt, dass Sie mich nicht finden.
Ich: Wenn Sie die Dame sind, die an einem Autobahnkreuz steht, dann ist das korrekt.
Frau: Also ich stehe ca. 5 km nach dem Schkeuditzer Kreuz, in Fahrtrichtung München. Sie können mich gar nicht verfehlen.
Ich: Wenn Sie aus dem Fenster sehen, sehen Sie dann eventuell etwas Auffälliges, Gebäude oder Ähnliches? Oder sehen Sie ein blaues Schild mit einer Kilometerangabe?
Frau: Nein. (Mist)
Ich lasse mir die Rückrufnummer geben, sage dass ich die Strecke nochmal abfahre und mache mich auf den Weg.
Also in Landsberg auf die A9 und siehe da, da steht sie. 6 km vor dem Autobahnkreuz, rechts neben sich ein Gewerbegebiet mit einer riesigen Werbung für einen großen Deutschen Teppichhändler, 20 m hinter sich ein Kilometerschild und 100 m vor sich die Ausschilderung  Wiedemar / Glesien 500 m.

Als ich sie danach fragte, sagte sie nur „Ach das meinten sie“.

Also Handys sind der Tod für die Orientierungsfähigkeit.

Warum ticken Politiker so, wir anderen auch?

Wenn ich die Beiträge der letzten Tage und Wochen so ansehe, dann frage ich mich das immer wieder. Heute, bei der ersten Zigarette des Tages fiel mir eine Diskussion vom Februar 2010 ein. Damals verfasste ich am Folgetag einen Text und schickte ihn meinem Diskussionspartner. Der Text ist aber eine verkürzte Fassung eines Werkes von Jakob Maurer. Meine Einfügungen sind kursiv geschrieben.

Quelle: Jakob Maurer, Mobilität ohne Grenzen Campus Verlag ISBN 3-59336-040-3

Menschliches Verhalten in komplexen Problemsituationen

 Maurer geht davon aus, dass komplexe Systeme ein nichtlineares Verhalten zeigen,mit der Komplexität des Problems steigen die maximal möglichen Interaktionen zwischen den beteiligten nicht-linear an. Außerdem erhöht sich die zu verarbeitende Informationsmenge über das maximal erfassbare Maß (bezogen auf die Beteiligten) hinaus.

Daraus folgt:

Die Unübersichtlichkeit der Problemsituation führt bei den beteiligten Akteuren zur Verunsicherung – mit allen Konsequenzen nicht-rationalen Verhaltens, unzureichender Problemlösungen und dadurch der Verursachung neuer Schwierigkeiten.

 Ganz allgemein ist beim menschlichen Handeln zwischen Sachzielen und Schutzzielen zu unterscheiden. Während die Sachziele der konkreten Problembewältigung dienen, beziehen sich die Schutzziele ausschließlich auf die  Positionssicherung und das (Wohl-) Befinden der agierenden Person.In unübersichtlichen, komplexen Problemsituationen dominieren rasch Schutzziele, und Sachziele treten in den Hintergrund. Krasser: Wer Schutzziele verfolgt trägt nichts zu einer sachbezogenen Lösung bei.

Er führt das noch weiter aus und bezieht sich in der Folge auf eine Studie von Dietrich Dörner zum Verhalten von Personen in der Konfrontation mit komplexen Problemen.

 Diese interdisziplinären Forschungen haben ergeben, dass folgende Verhaltensweisen Anzeichen für eine Dominanz von Schutzzielen gegenüber Sachzielen sind:

–        Zieldiskussionen ohne die Erarbeitung von konkreten Maßnahmen. In derartigen Diskussionen wird nur darüber geredet, was alles schön, angenehm, gut und erstrebenswert sei, ohne sich der Mühe zu unterwerfen, Wege und Möglichkeiten zu entwickeln, wie diese Ziele auch erreicht werden können.

–        Formalismus und Methodismus, d.h. Die übermäßige Betonung formeller und methodischer Regeln. Gesetze, Verordnungen, Normen, Richtlinien werden ohne ausreichende Detailkenntnis und ohne Problemübersicht erlassen. Mit eingespielten, teilweise „modischen“ Methoden, deren Problemadäquanz nicht näher untersucht wird, gaukelt man sich selbst und anderen Genauigkeit und Zuverlässigkeit der getroffenen Aussagen und Empfehlungen vor. Nicht die Problemsituation und deren Lösung stehen im Vordergrund, sondern etablierte Verfahren, für welche die passenden Probleme gesucht werden. Die solchermaßen erarbeiteten Vorschläge durchlaufen über Jahre hinweg Genehmigungsverfahren, die zwar Zeit in Anspruch nehmen und Kosten verursachen, jedoch oftmals nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen.

–        Dem Formalismus und Methodismus nahe verwandt ist die in den letzten Jahren modisch gewordene Managementphilosophie der Reorganisation: Die Ursache bestehender Probleme wird hauptsächlich in der formellen Organisation gesehen und die Problemlösung in deren Umstrukturierung gesucht.

–        Ein weiteres Anzeichen von Dominanz von Schutzzielen ist die „Projektemacherei“. Davon lässt sich dann sprechen, wenn tendenziell kein Projekt zur Ausführung gebracht wird, sondern als Konzept in der Schwebe bleibt, und wenn mit allen Nachfolgeprojekten in gleicher Weise verfahren wird. Dieses Vorgehen ist hervorragend geeignet, alle beauftragten Experten und Gruppen miteinander zu konfrontieren, ohne selbst Stellung zu beziehen zu müssen. Fehlervermeidung geht vor Problemlösung, gestützt auf die Taktik des  divide et impera.

–        Sehr beliebt ist auch die Taktik des „Schwarzen Peters“. Hierbei trachten die Beteiligten danach, beim Auftreten von Schwierigkeiten sich selbst abzusichern, indem sie anderen Akteuren oder einem (leider unzweckmäßigen, aber unumstößlichen) Verfahren die Schuld anlasten. Je länger und je komplizierter ein Verfahren wird, desto schwieriger wird es herauszufinden, wer eigentlich für was zuständig und damit verantwortlich ist.

–        Ein weiteres Indiz für die Dominanz von Schutzzielen ist die Informationsverweigerung. Wer in verantwortlicher Funktion an der Lösung komplexer Probleme mitwirkt, wird in der Regel gleichsam unter einer Masse von Informationen begraben. Aber mehr Informationen heißt keinesfalls mehr Wissen. Zu einer adäquaten Problemsicht gehört es daher, die verfügbaren Informationen zu analysieren, kritisch zu bewerten, in Beziehung zu setzen etc. Neue Informationen könne jedoch vorgefasste Meinungen, Handlungsroutinen und vermeintliche Sicherheiten in Frage stellen und verunsichern. Informationsverweigerung wurzelt daher in der Angst oder der Bequemlichkeit, zu bewerten, zu lernen und seine (vorgefassten) Meinungen und eingespielten Routinen zu verlassen.

–        Typisch sind auch Fluchtreaktionen. Schwierige Probleme lassen sich nur mit Mühe, persönlichem Einsatz und nicht selten erst nach mehreren Versuchen überhaupt ausreichend definieren.Die Lösung dieser Probleme setzt noch mehr Einsatz und Mühen voraus. Derartige schwierige Probleme gleichen wilden Katzen. Sie beißen, schlagen zurück, entwinden sich den Händen, um dann in der Dunkelheit zu verschwinden. Nicht selten erscheinen sie wenig später wieder am Futternapf.

Er führt hier natürlich zwischen den einzelnen Punkten, teilweise etwas aus zum Vorhergesagten, das würde hier aber den Rahmen sprengen.

Interessant erscheint mir noch das nachfolgende Resümee.

 Schwierige Probleme wirklich anzupacken setzt die beteiligten Verantwortlichen vielfältigen Gefahren aus: darunter die Gefahr zu versagen, die eigene Position aufs Spiel zu setzen, die eigene Macht zu verlieren. Um diesen Gefahren zu entgehen und sich selbst zu schützen, ist es angezeigt, ständig von einer Aufgabe zur nächsten zu wechseln. Ein Problem, das gerade in aller Munde ist, wird skizzenhaft umrissen und solange oberflächlich diskutiert, bis sich, wenn es ernst zu werden droht, die Chance bietet, zum nächsten Problem zu flüchten. Mit der Fluchtreaktion eng verwandt ist der Aktionismus. Wenn es an der Zeit ist zu handeln, wird energisches Vorgehen vorgetäuscht, um Entscheidungen und Verantwortung auszuweichen. Es bleibt bei flüchtiger Vorgehensweise, geringem Kenntnisstand und schemenhaften Lösungsansätzen.

Je größer eine öffentliche oder private Organisation ist, desto bedeutsamer werden für ihre Manager die Schutzziele. Im Extrem kann durchaus mehr als die Hälfte der Kräfte eines mittleren und oberen Kaders für Schutzziele eingesetzt werden.

Abschließend noch :

 Vor mehr als 30 Jahren untersuchten einige amerikanische Wissenschaftler (z.B. Banfield) das tatsächliche Handeln der Führungspersonen großer Organisationen. Hier die etwas überspitzt dargestellten Ergebnisse.

Die Leitungen großer Organisationen neigen ausgesprochen dazu:

–        opportunistisch und kurzfristig zu entscheiden,

–        von Krise zu Krise zu improvisieren,

–        Krisen zu schaffen, wenn gerade keine zur Hand sind,

–        ihre Position zu halten und mehr Macht zu gewinnen,

–        die wichtigsten Entscheidungen dem Zufall und den äußeren Umständen zu überlassen,

–        Planung als taktische Mittel und zur Propaganda einzusetzen, um Scheinsicherheit zu erzeugen,

–        Absichten mehrdeutig zu formulieren, sie nach der jeweilig vorherrschenden Stimmung und nach kurzfristigen Vorteilen zu interpretieren,

–        wirkliche Alternativen kaum in Betracht zu ziehen,

–        davon auszugehen, dass nur geringe Änderungen des Bestehenden möglich seien,

–        sich ständig zu überlasten, um sich überwiegend unmittelbar anstehenden Problemen zu widmen,

–        längerfristige Aufgaben zu verdrängen, um in der ständigen, taktischen Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb der eigenen Organisation zu bestehen,

–        laufend kurzfristig wirkende Belohnungen und Bestrafungen zu erfinden und einzusetzen, um die Organisation in Gang zu halten,

–        Angriffe von außen und innen abzuwehren und selbst anzugreifen,

–        Unterstützung zu suchen, aufzubauen, zu pflegen und zu „bezahlen“.

 Soweit mal zu dem von mir gestern angesprochenen Komplex.