Josef A. Köhler 5

Josef A. Köhler wurde am 23.09.1948 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen.
Da er sich bereits während der Gefangenschaft für den Dienst bei der Deutschen Volkspolizei (DVP) verpflichtet hatte, wurde er nach der Heimkehr sofort in deren Reihen aufgenommen. Ebenso wurde er nach seiner Heimkehr Kandidat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Über seinen Dienst bei der DVP schreibt er in einem Lebenslauf von 1950:

Am 23.9.48 wurde ich aus der sowjetischen Gefangenschaft entlassen und in den Bestand der Volkspolizei versetzt.
Vom 23.9.48 bis 20.10.48 war ich Gruppenführer in der 1. Polizei-Abteilung (Bereitschaft?-d. Übers.)
Vom 20.10.48 bis 20.12.48 war ich Dolmetscher bei der Landesverwaltung der Polizei in Dresden.
Vom20.12.48 bis 1.7.49 war ich bei der Kriminalpolizei (Abt. Fahndung) in Leipzig.
Vom1.7.49 bis 20.12.49 arbeitete ich als stellvertretender Leiter der Abteilung zur Registrierung ehemaliger Offiziere der deutschen Wehrmacht.
Seit dem 20.12.49 arbeite ich als 2. Stellvertreter des Leiters des Sekretariats der Kriminalpolizei in Leipzig.

1988 gab er etwas ausführlicher zu Protokoll:
Am 27. 9. 1948 kam ich mit ca. 40 Mann von Fürstenwalde nach Leipzig. Wie bereits erwähnt, waren wir bereits als Volkspolizisten eingekleidet worden. Wir wurden der 1. Bereitschaft der Deutschen Volkspolizei in Leipzig zugeordnet. Zunächst hatten wir jedoch 14Tage Urlaub. Ich wurde in Leipzig als Oberwachtmeister und Leiter der Fahrradstaffel eingesetzt. Im Oktober 1948 wurde ich nach Dresden zur Abteilung Grenze und Bereitschaft des Landes Sachsen als Dolmetscher und Übersetzer eines sowjetischen Beraters abkommandiert. Dieser hatte mich in Leipzig bei der Besichtigung der Bereitschaft der Volkspolizei kennengelernt und mitgenommen .Ab 20. 12. 1948 wurde ich zum Präsidium der Deutschen Volkspolizei in Leipzig, zur Abteilung Kriminalpolizei, versetzt. Ich erhielt eine Ausbildung als Fahnder und wurde im operativen Dienst eingesetzt. Bemerken möchte ich in diesem Zusammenhang, daß ich in diesem Präsidium die Funktion eines Sekretärs für Kultur hatte, da ich dort einen Chor, ein Orchester sowie eine Laienspielgruppe gründete bzw. gründen ließ. Mit Gründung der Dienststelle VP4 in Leipzig, etwa im Mai / Juni 1949, wurde ich stellvertretender Leiter dieser Dienststelle. Arbeitsgegenstand dieser Dienststelle war, sich um die Wiedereinsetzung ehemaliger Naziwirtschaftsspezialisten zu kümmern. Etwa im Oktober 1949 war diese Tätigkeit beendet und ich kam zurück zum Präsidium der Deutschen Volkspolizei Leipzig als Schulungsverantwortlicher der Abt. Kriminalpolizei. Am 31. 3. 1951 [1950 T.K.] schied ich auf eigenen Wunsch aus der Deutschen Volkspolizei aus.

Am13.03.1950 stellte er den Antrag auf vorzeitige Kündigung des Dienstverhältnisses. Er begründete dies mit seinem Wunsch ein Studium aufzunehmen. Diesem Antrag wurde stattgegeben.
Mit Wirkung vom 01. April 1950 endete seine Dienstzeit bei der DVP.

Mein Kommentar dazu war folgender:

Die Aktenlage für die Dienstzeit von +Josef A. Köhler bei der Deutschen Volkspolizei ist insofern problematisch, da die Personalakten aus dieser Zeit, bereits vor 1988, ersatzverfilmt wurden. Es wurden nicht alle Unterlagen berücksichtigt, sondern nur die Kernakten.
Somit musste ich mich bei der Beschreibung der Dienstzeit meist auf die verschiedenen Lebensläufe stützen.

Für diesen Lebensabschnitt ist aber von Bedeutung, dass er seine Quartier in Leipzig bei der Familie Elli und Arno Hunger nimmt. Diese Familie taucht auch in der Kriegsgefangenenpost auf, konnte allerdings noch nicht identifiziert werden.
Irgendwann im Laufe des Jahres 1949 lernte er Frau Elsbeth Krüger kennen. Diese arbeitete ebenfalls bei der Polizei (Pol.Ass. lt. Einwohnerverzeichnis). Das Verhältnis der beide führte dazu, dass +Josef A. Köhler zeitweilig zu Frau Krüger in die Wiebelstr. 9 in Leipzig Anger-Crottendorf zog.
Frau Krüger gab später zu Protokoll, dass +Josef A. Köhler bei der Abteilung K5 (Vorgänger des MfS) gearbeitet hätte. Diese Aussage konnte aber nicht bestätigt werden.
Die Entlassung aus dem Dienst ist ebenfalls interessant. So gibt er in seinem Antrag an, dass er ein Studium an der Berliner Humboldt Universität aufnehmen würde.
In der Personalabteilung des Polizeipräsidiums fällt niemandem auf, dass +Josef A. Köhler , nach seinen Angaben im Lebenslauf, gar kein Abitur hat. Somit kann er keine Bestätigung für eine Immatrikulation haben.

Josef A. Köhler 4

Ab Januar 1946 ist der Aufenthalt von Josef A. Köhler in den Teillagern des Kriegsgefangenenlagers 7190 – Wladimir dokumentiert.
Die Archivauskunft des FSB (ehem. KGB), Briefe von Kameraden wie H. Pochert  und Hans Mahr  und die Bücher von Mischket Liebermann und Heinrich Gerlach bestätigen dies.
Auch das Büchlein „Erinnerungen“ kann man als Quelle benutzen. Dort sind Eintragungen von Kameraden, Gedichte, Zeichnungen und Berichte über die Kulturarbeit enthalten. Eine Namensliste aus diesem Büchlein habe ich bereits veröffentlicht.
Hier nochmals eine kurze Zusammenfassung der Zeit in den Teillagern, die sich aus seinen eigenen Angaben ergibt.
1. Januar 1946 bis Anfang 1947 – Leiter der Produktionsabteilung der Lagerverwaltung, Lager 7190/I
2. Anfang 1947 bis Mitte 1948 – Lager 7190/III Dolmetscher bei der Untersuchungskommission für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Bataillonsführer
3. Mitte 1948 bis September 1948 – Leiter Sammellager 7190/V
Geht man von den Poststempeln der Karten aus der Kriegsgefangenschaft aus, so lässt sich der Aufenthalt in den Teillagern 7190/I, 7190/III und 7190/XII belegen.
Am10 September 1948 wurde Josef A. Köhler aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen. Er kam über Fürstenwalde/Spree zurück in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). Josef A. Köhler ging nach Leipzig und begann dort seinen Dienst bei der Deutschen Volkspolizei, zu dem er sich bereits während der Kriegsgefangenschaft verpflichtet hatte.

Mein Kommentar dazu:

Die Quellen zur Kriegsgefangenschaft, für die Jahre 1946 bis 1948, von +Josef A. Köhler sind ebenfalls nicht eindeutig.So ist in der Archivauskunft des FSB (ehem. KGB) folgendes zu lesen:
„Am29.01.1943 wurde Köhler bei Stalingrad von sowjetischen Truppen gefangen genommen und befand sich vom Januar 1946 an in einem Kriegsgefangenenlager in der Region Wladimir. Am 21.09.1948 kehrte er in die Heimat zurück, wo er bis zum 31.03.1950 bei der deutschen Volkspolizei Dienst tat.“
Das Lager konnte ich anhand der Poststempel der Kriegsgefangenenpost identifizieren, aber das war es schon.
Wieder waren die verschiedenen Lebensläufe von +Josef A. Köhler der Ausgangspunkt für die weiteren Recherchen. Auf die Rekonstruktion der Geschehnisse werde ich in den nächsten Beiträgen eingehen.

Heute eine Bitte um Hilfe, besonders an die Kontakte die mit Moskau, bzw. Russland zu tun haben.
Im Büchlein „Erinnerungen“, unter der „Ode an die Sommernacht“, steht mit Datum18. bis 19. August 1947 eine Adresse.

Москва130, Ленингр. Шоссе, Село Никольское Дом 1, А. Синовева

[Moskau /30 (oder 130), Leningrader Chaussee, Dorf Nikol’skoye, Haus 1, A. Sinowewa]
Es scheint sich hierbei um das Nikol´skoye, bei Durykino an der Leningradskoye shossee (Richtung Tver) zu handeln.
Am 27. August 1947 schrieb +Josef A. Köhler an seine Eltern:
„Ich hatte vorige Woche die Gelegenheit mir die russische Hauptstadt anzusehen, und war dort einige Tage. Es ist eine wunderbare Stadt, groß und schön, es reicht leider auf dieser Karte der Platz nicht aus um ausführlich darüber zu schreiben.“
Es wäre natürlich aufschlussreich, zu erfahren warum ein Kriegsgefangener einen „Kurzausflug“ nach Moskau machte und was sich hinter dieser Adresse verbirgt.
Ich habe bereits mehrere Institutionen in Moskau und in Peshkovskoe (Rayon Solnechnogorsk) angeschrieben, leider erfolglos.

Noch ein Kommentar:

In zwei Büchern wurde über den Aufenthalt von +Josef A. Köhler im Kriegsgefangenenlager 7190-Wladimir geschrieben.
Eine Beschreibung findet sich bei Mischket Liebermann in „Aus dem Ghetto in die Welt“, wobei sich Frau Liebermann weitestgehend auf die Aspekte der Kulturarbeit beschränkt. Zu diesem Buch habe ich bereits in meinem Blog einiges geschrieben. Unter diesem und den zwei nachfolgenden Artikeln finden sich die Auszüge aus dem Buch, die sich mit +Josef A. Köhler beschäftigen.
Liebermann stellt ihn als zwar auffälligen aber eigentlich normalen Kriegsgefangenen, mit einem Faible für Kulturarbeit, dar. Aus dem ersten Artikel geht allerdings bereits die Beherrschung der russischen Sprache hervor. Obwohl es in dem Buch keine eindeutige Datierung der Ereignisse gibt, ist durch Aussagen von Zeitzeugen bestätigt, dass es sich hier um die Jahre 1946/47 handelt.Anders stellt sich die Sache bei Heinrich Gerlach in seinem Buch „Odyssee in Rot“ dar. Er erwähnt zwar auch einige Aspekte der Kulturarbeit und bestätigt die Anwesenheit von Mischket Liebermann im Jahre 1946, schreibt aber über +Josef A. Köhler (mit dem Pseudonym „Jupp Tröger“) folgendes:“Ein junger Mann in Zivil. Brauner Anzug aus Arbeitsdiensttuch, schwarze Halbschuhe, Schlips und Kragen. Darüber ein gebräuntes Gesicht, ein schwarzes Bärtchen auf der Oberlippe. Ein verblüffendes Double des Otto von Habsburg, des verhinderten Kaisers. Sudetendeutscher.
[…]
Jupp Tröger war, so viel wußte man schon, war als Arbeitseinsatzleiter vielleicht der mächtigste Mann im Lager. Er vergab die Arbeitsplätze. Die guten und die schlechten. Und die ganz schlechten, die viehischen in den Knochenmühlen, so etwas gab es. Er war Herr über Tod und Leben. Er allein überblickte alles, die russische Lagerleitung war ohne ihn hilflos. Mit den Sowjetoffizieren in der Budka sprang er um wie mit Rekruten.“

In der Geschichte, die Gerlach erzählt, taucht auch zum ersten mal die Behauptung einer Tätigkeit von +Josef A. Köhler für den sowjetischen Nachrichtendienst auf.

Josef A. Köhler 3

Josef A. Köhler wurde am 23.6.1942 zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Josef A. Köhler sprach meist davon, dass er einberufen wurde. Eine Freiwilligenmeldung ist aber nicht auszuschließen.
Die infanteristische Ausbildung erfolgte beim 465. Infanterie-Ersatz-Bataillon in Neustadt an der Mettau (CSR.), und endete am 1.7.42. Nach Beendigung der Ausbildung erfolgte eine Abkommandierung zu einem Kriegsoffiziersbewerber (KOB) Lehrgang in Josefstadt (CSR), der bis zum 15.9.1942 dauerte, und nach dessen Abschluss die Ernennung zum Gefreiten erfolgte. Nach meinen Recherchen war für die Teilnahme an einem solchen Lehrgang zwar nicht die Freiwilligenmeldung zum Wehrdienst, aber die freiwillige Verpflichtung als KOB erforderlich.
Vom 15.9.1942 bis 1.10.1942 erhielt er Heimaturlaub, den er bei seinen Eltern in Fleyh verbrachte.
Am 01.10.1942 wurde er von Dresden-Übigau aus an die Front geschickt. Vom 10.11.bis 22.11.1942 was Josef A. Köhler bei der 384. Infanterie Division bei Kissel-Jakow, von dort aus zog sich die Einheit über Dubinski nach Dimitrewka zurück und er wurde wegen Ruhr ins Lazarett eingewiesen. Beim weiteren Rückzug kam er am 29.01.1943 in Stalingrad an. Die 384. Infanterie Division wurde vernichtet, der restliche Bestand der Einheit wurde der 71. Infanterie Division angeschlossen. Am 30.01.1943 geriet Josef Köhler mit bei einem Stoßtruppunternehmen in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

Quellen zur Kriegsgefangenschaft für den Zeitraum Februar 1943 bis Januar 1946 sind eigentlich nicht vorhanden. Eine Bestätigung von Lageraufenthalten, durch russische Archive (Archiv des KGB), gibt es erst für die Zeit ab Januar 1946. Dort wird der Aufenthalt im Lager 7190 / Wladimir bestätigt. Es fehlen also drei Jahre.
Eine,von vielen verschiedenen, Zusammenfassungen liefert Josef A. Köhler in einem Lebenslauf von 1950 (Original in Russisch):
„Vom30.1.43 bis 1.4.43 war ich im Arbeitskommando des Stabes einer sowjetischen Division, wo ich zeitweilig im Verlaufe der Angriffe der Sowjettruppen auf die Stadt Rostow als Radioredner [gemeint ist hier wohl Grabensprecher] eingesetzt wurde. Dabei wurde ich Ende März 43 zweimal verwundet.
Vom1.4.43 bis 17.9.1943 war ich im Lazarett des Lagers 108 (Beketowka) wo ich als Propagandist arbeitete. Vom 17.9.43 bis 7.12.43 arbeitete ich als Bevollmächtigter des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) im Lazarett Leschnowo.
Vom 17.12.43 bis 1.4.44 war ich Lazarettältester im Lazarett für kriegsgefangene Offiziere des Lagers Nr. 160 Susdal.
Vom1.4.44 bis 23.6.44 war ich Bevollmächtigter des NKFD im Offizierslager 160 Susdal.
Vom26.6.44 bis 1.9.44 arbeitete ich war ich Arbeiter [?] beim Aufbau des Traktorenwerkes in Wladimir.
Vom 1.9.44 bis 30.4.47 Leiter der Produktionsabteilung der Lagerverwaltung des Lagers 190 des MDI [MWD T.K.] in Wladimir.“
Einen Nachweis für den Besuch einer Antifaschule oder einer anderen Einrichtung, könnten die „Männer mit Orden“ darstellen, wenn es gelänge, die abgebildeten Personen zu identifizieren.
Für diesen Zeitraum gibt es nur zwei Namen von Mitarbeitern des Nationalkomitees Freies Deutschland in den Unterlagen. Diese sind Knittel, ein Berliner Kommunist und Emigrant, und Leutnant Mlynek.
1988 bestätigte Hans Riess, ein Absolvent der zentralen Antifa-Schule in Krasnogorsk und Frontbeauftragter des NKFD, zwar nicht den hier behandelten Zeitraum, aber seine Bekanntschaft mit Josef A. Köhler.

Dazu kommentierte ich nachträglich:

Im neuen Beitrag von +Josef A. Köhler wird auf die mangelhafte Quellenlage zu den Jahren von 1943 bis Anfang 1946 eingegangen. Erst einmal zur Erläuterung warum diese Jahre so wichtig sind.
In diesen Jahren muss etwas geschehen sein was dazu führte, dass +Josef A. Köhler ab Februar 1946 zur Spitze der Lagerhierarchie gehörte. „Leiter der Produktionsabteilung derLagerverwaltung des Lagers 190 [später Nr. 7190 in Wladimir]“ ist jedenfalls eine Stellung die man nicht so einfach erreichte. Auf die Bedeutung dieser Stellung werde ich bei der Betrachtung der späteren Jahre eingehen. Ausserdem geht aus einigen Veröffentlichungen und Dokumenten hervor, dass er später perfekt Russisch sprach und schrieb. Also eine Sprache, die er bei seiner Einberufung zur Wehrmacht nicht beherrschte.
Es ist zu vermuten, dass er in dem behandelten Zeitraum an Schulungen des NKFD und an Antifa-Lehrgängen teilnahm.
Ein Besuch der zentralen Antifa-Schule in Krasnogorsk ist nicht auszuschließen, kann aber nicht nachgewiesen werden.
Im zentralen russischen Militärarchiv (RGWA) gibt es keine Unterlagen, die einzige Archivauskunft aus Russland ist die bereits erwähnte des FSB (ehem. KGB).
Zweifelhaft erscheint eine Eintragung im Arbeitsbuch von 1954, ausgestellt vom Rat des Stadtbezirks XI der Stadt Leipzig. Dort ist für 1944 – 1946 ein Studium an der Universität Ulan Bator M.V.R. (Mongolische Volksrepublik) eingetragen. Auch in einem Fragebogen von 1954 steht: Haben Sie an Lehrgängen teilgenommen? 1944-46 Ulbat , was diese Behauptung (wenn man Ulbat als Abkürzung für Ulan Bator nimmt) stützt. Dafür gibt es aber auch keinen Nachweis.
Als Bildanlage das zweite Bild „Männer mit Orden“, auf dem auch +Josef A. Köhler zu sehen ist.