Allianz (1904)

Alte Bücher und Zeitschriften haben uns manchmal viel zu sagen. Vor allem darüber, womit sich die Menschen früher beschäftigten. Manchmal ist der Unterschied zu heute nicht allzu groß.

Allianz

von Karl Ewald

Es waren einmal drei rechtschaffene Männer, von denen jeder seine Ansicht von den höchsten Dingen hatte. Jeder von Ihnen wusste, dass die seine die richtige war, und jeder von ihnen kannte der anderen Rechtschaffenheit. Darum beschlossen sie, in die Welt hinaus zu gehen und ein jeder seinen Glauben zu verkünden und um der Menschen Seelen zu kämpfen.

Da, als sie auseinandergehen wollten, nahm der eine die beiden anderen beim Arme und sagte:

„Seht … dort flammen Scheiterhaufen auf, die Menschen verbrennen einander um ihres Glaubens willen … wir wollen unseren Kampf aufschieben, bis wir sie von ihrem furchtbaren Irrthum befreit haben.“

Das schien den anderen wohlgesprochen, und sie thaten es. Aber als sie mit der Arbeit fertig waren und es wieder ans Scheiden ging, wies der zweite vor sich hin und sagte:

Noch ist unsere Zeit nicht gekommen, um die höchsten Dinge zu streiten … seht … dort ermorden die Menschen einander wie wilde Thiere, auf ihrer Fürsten Befehl.“

Wiederum gaben die Drei sich ihr Wort und zogen vereint in den Kampf gegen die Rohheit der Menschen. Kaum aber hatten sie gethan, was in ihren Kräften stand, und dachten von Neuem an das, was sie am Tiefsten bewegte, als der Dritte sich vor die Stirn schlug und rief:

„Brüder … Freunde … wir müssen noch eine Weile zusammenhalten. Seht … dort hungern die Reichen die Armen aus … und dort füllen die Wissenden die Unwissenden mit Lügen … und dort prügeln die Gesunden die Kranken.“

So ging es jedesmal.

Die drei Männer starben und andere kamen an ihrer statt und wieder andere an ihrer, und die Jahrhunderte rollten hin. Aber unerschütterlich bestand die Allianz.

Hans Dumm flüsterte dem einen zu: Deines Freundes Gesellschaft besudelt Dich … er glaubt nicht an Deinen Gott. Hans Schofel raunte dem zweiten zu: Du kannst Dich mit Deinem Kameraden nicht sehen lassen … er ist mit seiner Frau nicht getraut. Hans Roh wisperte zum dritten: Du machst Dich vor allen Leuten lächerlich, wenn Du’s mit den beiden närrischen Idealisten hältst.

Die drei Männer aber blieben zusammen, und sie sind beisammen noch heutigentags.

Ihre Rechtschaffenheit bindet sie. Und der Menschen Dummheit und Schofeligkeit und Rohheit.

(Autorisierte Übersetzung aus dem Dänischen von H.Kiy)

Aus JUGEND 1904 Nr. 9

JUGEND – Münchner illustrirte Wochenschrift für Kunst und Leben, 1904 Bd.1.

Wir haben eine Schlange an unserem Busen genährt.

Das wäre nun noch ein Ausspruch, der in der Diskussion um die Volksabstimmung in Griechenland fehlt. Aber der klassische Bildungsstand unserer Politiker lässt ja auch zu wünschen übrig. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint mir aber, was meine Großmutter dazu gelernt hat. Also habe ich mal in ihr Lesebuch von 1909 geschaut. Siehe da, eine „gar treffliche“ Beschreibung von Wohltaten und Dankbarkeit – die Schlange ist auch dabei. Sieht man nun die Ausführungen des Vaters, am Ende der Fabel, dann ist Lessing doch eigentlich ziemlich aktuell.

Der Knabe und die Schlange

Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. „Mein liebes Tierchen“ sagte der Knabe, „ich würde mich mit Dir so gemein nicht machen, wenn Dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe. Ich habe es wohl gelesen, wie es einem armen Landmann ging, der eine vielleicht von Deinen Ureltern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erwärmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohltäter biß, und der gute, freundliche Mann musste sterben.“

„Ich erstaune,“ sagte die Schlange “wie parteiisch Eure Geschichtsschreiber sein müssen. Die unsrigen erzählen die Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, um ihr zu Hause die schöne Haut abzustreifen. War das recht?“

„Ach, schweig nur,“ erwiderte der Knabe. „Welcher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt!“

„Recht, mein Sohn!“ fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. „Aber gleichwohl, wenn Du einmal von einem außerordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche ja alle Umstände genau, bevor Du einen Menschen mit einem so abscheulichen Schandflecke brandmarken lässest. Wahre Wohltäter haben selten Undankbare verpflichtet; ja ich will zur Ehre der Menschheit hoffen – niemals. Aber die Wohltäter mit kleinen eigennützigen Absichten, die sind es wert, mein Sohn, daß sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern.“

Gotthold Ephraim Lessing, sämtliche Schriften, herausg. v. Lachmann. 3.Aufl. Stuttgart 1886, 1.Bd. S. 207

Spielschulden sind Ehrenschulden? – oder Griechenland und die Volksabstimmung

Die wenigen Leute, die mein Blog lesen, können sich vielleicht noch an meine Überlegungen zum Thema „Wo ist das Geld“ erinnern. Hintergrund der ganzen Geschichte war ja die Euro-Krise die, mit der Verlautbarung der griechischen Regierung über eine geplante Volksabstimmung, eine neue Qualität erreicht hat.

Also der Abschluß meiner damaligen Überlegungen war, dass es gar kein Geld gibt, wir würden nur daran glauben. Also Geld = Vertrauen, oder auch nicht.

Betrachte ich nun die Krise in Griechenland, den Rettungsschirm und die Absicht eine Volksabstimmung über die Annahme der Hilfe durchzuführen, dann muss ich sagen „Hut ab!“.

Zurückgehend auf meine damaligen Überlegungen also erst mal die Frage „Was verlieren oder gewinnen die Banken beim Schuldenschnitt?“

Sie verlieren Geld. Das ist falsch, denn sie haben nie welches gehabt. Eine Eigenkapitalquote von 9% wird angestrebt. Sie hatten also weniger. Viel weniger. Der Rest war geliehen – bei anderen Banken – die genauso nichts hatten.

Sie verlieren Vertrauen. Das ist richtig, allerdings nicht das Vertrauen der Sparer, sondern das Vertrauen in das System. Wenn jeder weiß, dass kein Geld im System ist, dann funktioniert es eben nicht mehr.

Was gewinnen die Banken im Falle des Schuldenschnitts? Eine griechische Staatsanleihe über 1 Mio € ist zur Zeit eigentlich nichts wert. Wird ihnen diese also mit 50% garantiert, dann gewinnen sie 500 000 €.

Was ist nun aber mit der Volksabstimmung? Das griechische Volk muss darüber abstimmen, ob es für die Garantiezahlungen an das Finanzsystem auf seine fiskalische und staatliche Souveränität verzichtet und harte Jahre vor sich hat.

Oder ob sie ihre Souveränität behalten und harte Jahre vor sich haben.

Es ist zwar alles nicht ganz so einfach wie ich es hier schreibe. Aber irgendwie läuft es darauf hinaus.

Wer nun aber beweisen kann um welches Geld es nun wirklich geht, ich meine hier nicht einen virtuellen Vertrauensvorschuss, der hat nach meiner Meinung den nächsten Nobelpreis für Wirtschaft verdient.

Der Begriff Spielschulden in der Überschrift bezieht sich auf den mehrfach erwähnten älteren Artikel.