30. Januar – update

IMG_20150130_194838Wie zur Bestätigung meines gestrigen Artikels waren es gestern nur 1.500 Legida-Teilnehmer. Die Mitläufer waren wohl ausgeblieben. Lag das am Fußball im Fernsehen, am schlechten Wetter oder woran sonst?

War es vielleicht die Erkenntnis den falschen Leuten hinterherzulaufen? Die LVZ schrieb jedenfalls im Live-Ticker folgende Meldungen:

++ 18.05 Uhr ++ Aus Richtung Dresden und Meißen sind etwa 50 Personen, anscheinend aus der Neonazi-Szene, am Hauptbahnhof eingetroffen.

++ 19.53 Uhr ++ Unter den Legida-Anhängern sind auffällig viele Neonazis. So unter anderem die regionalen Szene-Größen Thomas Gerlach und Tommy Naumann sowie Dieter Riefling, Vertreter nationaler Kräfte aus Nordrhein-Westfalen. Auch viele Menschen aus dem Spektrum der sogenannten Freien Kräfte sind vor Ort.

Das bestätigt die falsche Richtung die die Proteste nehmen. Scheinbar haben die Mitläufer es gemerkt.

Wichtiger als das wogegen Du zu einer Demo gehst ist es, wem Du hinterherläufst.

30. Januar – demokratisch zur Diktatur?

Ich will mich hier bewusst nicht in die Reihen der ‚Alles Nazi‘-Rufer einreihen, aber trotz alledem möchte ich daran erinnern, dass der 30. Januar der Jahrestag der Machtergreifung durch die NSDAP ist.

Warum erscheint mir das im Zusammenhang mit der heutigen Legida-Demonstration wichtig zu sein?

Auf dem Podest der Legida stehen wieder „charismatische (An)Führer“, die des Volkes Meinung beschwören und eine Massenbewegung organisieren wollen. Diese Massenbewegung richtet sich wahlweise gegen „politically correctness“, Gender Mainstreaming, Gutmenschen, Altersarmut, System- oder Lügenpresse, gegen die Parteien und Politiker, die das Recht einseitig auslegen usw, erst ganz am Ende gegen die Islamisierung Deutschlands. Jeder kann etwas Zutreffendes für sich finden.

Viele der Sympathisanten mögen sich aus dem einen oder anderen nachvollziehbaren Grund der Demonstration anschließen, aber wollen die alle wirklich das Gesamtpaket und wie stehen sie zu den Menschen auf der Tribüne?

Wenn ich oben von „charismatischen (An)Führern“ sprach, so meine ich diejenigen, die die für fast alle Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums annehmbaren Punkte aus dem Programm der Legida rhetorisch gut vortragen.

Aber was würde geschehen, wenn diese Charismatiker an die Macht kämen?

Redner die sich gern als „Einer aus dem Volk“ darstellen, sollte man nach den vorher gemachten Aussagen und nach ihren Taten bewerten. Bei einigen der Legida-Redner kann man dabei auf Sympathie für diktatorische Systeme, erzkonservative Aussagen zur Familienpolitik, ein überholtes Bild der Geschlechterrollen, Homophobie, Nationalismus, Rassismus und ähnliches stoßen. Bei anderen bestand die Deutsche Leitkultur bis zum Legida-Start aus ihrem fanatisch vertretenen Fußballverein. Was ist also von ihnen zu erwarten, wenn sie an die Macht kommen?

Hier ziehe ich den Vergleich zum 30. Januar 1933.

Im Vorfeld der Machtergreifung wurde die NSDAP demokratisch gewählt. Die vorherigen Aussagen und Schriften ihrer Anführer hätten darauf hinweisen können, dass sie keine demokratische Gesellschaft wollten.

Damals war der Zugriff auf die älteren Meinungsäußerungen der (An)Führer technisch schwer möglich. Diese Ausrede gibt es heute nicht, wer sich informieren will kann es auch tun. Wer es nicht tut, der demonstriert sehenden Auges gegen die Demokratie.

Wenn solch charismatische (An)Führer an die Macht kommen, dann endet die freie Meinungsäußerung des Volkes – obwohl sie diese vorher propagieren.

Die Parallele bietet sich geradezu an.

Erst eine Massenbewegung gegen wirkliche und/oder konstruierte Missstände und ihre wahren und/oder konstruierten Ursachen in Gang bringen, dann mittels demokratischer Wahlen die Regierung übernehmen.Bevor sich die Enttäuschung des Volkes über die gebrochenen Versprechen demokratisch äußern kann, wird dieses Volk per „Ermächtigung“ zum Schweigen gebracht.

Unsere jetzige parlamentarische Demokratie mag nicht perfekt sein – sie ist aber besser als eine demokratisch errungene Diktatur.

Deshalb:

Wichtiger als das wogegen Du zu einer Demo gehst ist es, wem Du hinterherläufst.

P.S. Es könnten viele Beispiele genannt werden. Ich betone an dieser Stelle, dass der Text auf charismatische (An)Führer aller Ideologien anwendbar sind. Bezüge zu den Montagsdemonstrationen von 1989 verbieten sich geradezu, es gab keine vergleichbaren Anführer – nur eine allgemeine Ablehnung des Systems.

Die Griechische Anmaßung

Wenn man die heutige Ausgabe der BILD* (ich wage es nicht „Zeitung“ zu schreiben) sieht, dann muss man einfach die griechische Linke für ihre Anmaßung verfluchen. Die armen Deutschen sollen ja schließlich jetzt alle Geschenke der griechischen Linken an ihr Volk bezahlen. Dabei hatte doch die BILD bereits 2010 die Lösung mit „Verkauft doch eure Inseln – Ihr Pleite-Griechen“ präsentiert. Die Griechen haben das nicht gemacht, hätten sie doch auf die BILD gehört.

Zugegeben, ich bin auch irritiert über die Koalitionsbildung von Syriza und ANEL. Ich denke aber, dass Alexis Tsiparas sich etwas dabei gedacht hat. Weitere Ausführungen zu der Koalition will ich nicht machen, die Parteienlandschaft in Griechenland ist für mich terra incognita, es wäre also anmaßend zu urteilen.

Zurück zur BILD und den Kosten für ein griechisches Experiment, welches darin bestünde den aufgezwungenen Sparkurs aufzukündigen und in Griechenland Politik für die Menschen zu machen.

Was wollen Alexis Tsiparas und die Syriza eigentlich? Sie wollen den alten Filz aus Vetternwirtschaft und Korruption beseitigen und das griechische Sozialsystem und die Wirtschaft retten.

Griechenland ist am Boden, finanziell und wirtschaftlich, und das schon seit Jahren. Ich schrieb bereits 2011 mehrfach zu diesem Thema. Eine Aufzählung der Gründe für den damaligen Zustand ist unnötig weil Korruption, Verschwendung und ähnliches allgemein bekannt sind.

Schlimm ist, was danach passierte. Es wurden Milliarden nach Griechenland gepumpt und ein Sanierungsplan durch die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF durchgesetzt. Das klingt erst einmal gut, aber es ist alles Andere.

Das Geld wurde zur Sanierung der Staatsfinanzen verwendet was bedeutet, die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates nach außen wurde damit gewährleistet. Das Geld ging letztendlich an Finanzinstitute.

Der Sanierungsplan ist ein Sparplan mit dem Kontext „Sparen, koste es was es wolle“ und es hat viel gekostet. Richtig ist, die aus dem Ruder gelaufene Bürokratie wurde gestutzt, was auch nötig war. Aber es wurden Ausgaben für Soziales auf ein Minimum zurückgefahren. Ob Gesundheitswesen, Bildungswesen, soziale Absicherung im Alter – alles liegt am Boden. Der Kreislauf ist logisch: Massenhafte Entlassungen mit minimalem Arbeitslosengeld in den genannten Bereichen senken die Kaufkraft, was sich wieder auf die Beschäftigung in anderen volkswirtschaftlichen Bereichen auswirkt. Das führt zu weiteren Entlassungen und so weiter…

Dazu kamen Verschärfungen in der Steuergesetzgebung, diese waren notwendig weil die alten Regierungen mit ihrer Klientelpolitik die Steuereinnahmen permanent reduziert hatten. Aber eine Immobiliensteuer in einem Land mit hohem Anteil an Wohneigentum einführen, das ist ein Risiko wenn die Immobilienbesitzer kein Einkommen mehr haben. Das Resultat aus dieser Steuer ist eine weitere Verelendung der Bevölkerung.

Besonders absurd ist hier die Rolle von Jean-Claude Juncker, dem Präsident der Europäischen Kommission, der bereits vor der Wahl einer neuen griechischen Regierung sagte:

„Ich denke, die Griechen wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Euro-Zone bedeuten würde“

Auch nach der Wahl der Syriza als Regierungspartei und den damit anstehenden Neuverhandlungen mit der EU bleibt Juncker hart und besteht auf der Erfüllung der Troika-Forderungen. Wenn ich absurd schrieb, dann meinte ich zum Ersten, dass Juncker in seiner EU-Funktion dem Volk eines EU-Staates droht und versucht ein Wahlergebnis zu beeinflussen. Zweitens ist Herr Juncker, als ehemaliger Premierminister von Luxemburg, in erheblichem Maße dafür verantwortlich, dass die Steuereinnahmen der EU-Staaten zurückgehen. Er war an der Schaffung des Steuerparadieses Luxemburg maßgeblich beteiligt.

Genug der Schuldzuweisungen für die verfahrene Situation in Griechenland. Wie soll es nun weitergehen?

Auch wenn ich das Spardiktat der Troika, im Politik-Sprech Sanierungsplan, nicht wie Gregor Gysi mit dem Versailler Vertrag gleich setzen will, seine Forderung nach einem Marshallplan für Griechenland erscheint mir vernünftig.

Fazit:

Die Konsolidierung Griechenlands kostet Geld, da führt kein Weg dran vorbei. Bleiben die EU und ihre Kommission bei dem derzeitigen Konzept, dann wird es noch teurer. Wenn die EU Griechenland erpresst, zu Boden spart und dann fallen lässt, dann hat sie den Namen Union nicht verdient.

* Die Titelseite der Print-Ausgabe ist online leider nicht verfügbar, der Screenshot ist von Kai Diekmann auf Twitter gepostet worden. Somit sollte es keine Urheberrechtsprobleme geben.