Warteschleife

Jede/r kennt diese elenden Warteschleifen beim Anruf des Kundendienstes oder technischen Supports. Nervige Musik, das ständige Versprechen der nächste Mitarbeiter sei für eine/n da und das gewürzt mit Werbung für (fast) neue Produkte und Hinweisen wo die Kundennummer zu finden sei.

Am anderen Ende der Warteschleife sitzen wir, die Callcenter AgentInnen und hoffen, dass der nächste Kunde oder die nächste Kundin nicht allzu lange genervt wurde.

warteschleifeDa der Mensch von Natur aus egoistisch ist, müssen wir uns sonst bei jedem Gespräch erst einmal anhören wie lange die Wartezeit war und wie schlecht die Musik, auch wenn das die Wartezeit für die nächsten KundInnen verlängert.

Wir können das nicht beeinflussen, die Auftraggeber schon. Wie wäre es mit einem freundlichen Hinweis an die KundInnen?

Etwa in der Form:

Liebe Kundin, lieber Kunde,

wir bitten um Ihr Verständnis, dass Sie warten müssen. Bitte denken Sie daran, am anderen Ende der Leitung erwartet Sie ein Mensch der bemüht ist Ihre Probleme zu lösen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Wartezeit nicht beeinflussen, behandeln sie diese also bitte als Menschen.

Danke für Ihr Verständnis.

Vielleicht würde der eine Kunde oder die andere Kundin sich diesen Hinweis zu Herzen nehmen. Das allein könnte die Krankenquote und den Einsatz von „bunten Pillen“ in Callcentern nachhaltig senken.

Besser wäre natürlich die Verbesserung der Produktqualität, die Einhaltung von Terminen oder Rückrufversprechen oder die Aufstockung des Personalbestandes. Aber man kann ja nicht alles haben.

Hinweis: Der Artikel kann Spuren von Ironie und Frustration enthalten.

Bildquelle: http://www.flensburger-stadtanzeiger.de/news-bilder/warteschleife.jpg

Sonntagsarbeit, Videotelefonie und das Ende der Telefonie im Callcenter

Vielleicht haben es noch nicht einmal alle meine KollegInnen mitbekommen, aber in den Callcentern der Republik tut sich was. Ob das allerdings immer gut ist?

Zuerst zum Dauerthema Sonntagsarbeit, ich schrieb schon zwei mal darüber. An diesem Wochenende endet eine Befragung der Unternehmen durch den Call Center Verband Deutschland e.V.* (CCV) zu diesem Thema. Ich habe mir am letzten Sonntag den Spaß gemacht (Sorry Chef!) meine KundInnen unverbindlich zu fragen wie sie es finden, dass wir Sonntags erreichbar sind. Großes Erstaunen, die Empathie für uns hielt sich in Grenzen – sie fanden es alle gut.

Wer hat nicht gern am Wochenende frei? Ich natürlich auch, aber „Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust“ ich möchte am Sonntag auch Service, besonders bei Ausfällen von Technik, in Anspruch nehmen. Genau so gern habe ich in der Woche, wenn Behörden, Ärzte und Geschäfte geöffnet haben, einen oder zwei Tage arbeitsfrei. Das ging mir auch schon so, als mein Kind noch klein und in Kindergarten oder Schule war. Wir haben uns als Familie damit arrangiert – hat geklappt.

Ob nun alle Callcenter in allen Geschäftsbereichen geöffnet haben müssen und mit welchem Personalbesatz, das ist eine Frage die sich nicht mit einem Verbot der Sonntagsarbeit klären lassen kann.

Meinen Freunden von Ver.di, die in Hessen am Verbotsantrag beteiligt waren, schreibe ich ins Stammbuch: Durch das Verbot der Sonntagsarbeit gehen Arbeitsplätze verloren! Erstes Semester BWL, Erarbeitung eines Personalschlüssels für eine Firma mit 6 der 7 Arbeitstagen. Einfach mal drüber nachdenken wäre hilfreich.

Die Einführung der Videotelefonie im Callcenter wird von einigen Protagonisten der Hard- und Softwarefirmen angestrebt. Ich gebe zu, das wäre ein riesiges Geschäft für diese, ist dies aber auch wirklich erstrebenswert?

Fragen wir wieder mal die KundInnen, viele wollen das nicht. Wenn diese sich vor dem Anruf beim Callcenter ordentlich anziehen, evt. Schminken und zumindest den mit aufgenommenen Hintergrund aufräumen müssen (man will ja einen guten Eindruck machen) dann werden die meisten streiken.

cca3xDie AgentInnen haben ein anderes Problem, sie müssten die Arbeit mit der Stimme in eine quasi schauspielerische Tätigkeit wandeln. Gestik, Mimik und diese natürlich 8 Stunden lang perfekt beherrschen, diese Leistung bringen selbst Berufsschauspieler nur in Ausnahmefällen. Die Gefahr von Eskalationen steigt, wenn die KundInnen die AgentInnen sehen. Heute ein falscher Tonfall – morgen ein Zwinkern an der falschen Stelle, das sehe ich kritisch. Für die Unternehmen würden auch große Investitionen erforderlich werden. Umgestaltung der Call-Floors – die KundInnen wollen ja ein schönes Bild sehen – und Arbeitskleidung für die Mitarbeiter schlagen hier schnell mit erheblichen Summen zu Buche. Dazu kommen natürlich die Ausgaben für Hard- und Software.

Mein Fazit: Nicht alles was technisch möglich ist muss eingeführt werden.

Letzter Punkt ist der Umstieg von der Telefonie auf online-Medien. Diese Diskussion läuft ja schon seit Jahren und sie hört einfach nicht auf.

Hier muss ich kurz auf meine Arbeit eingehen, ich mache technischen Support für ein großes Telekommunikationsunternehmen. Daraus resultiert das erste Problem: Was machen KundInnen wenn das Internet ausfällt? Da sind die online Hilfen nur über den Bildschirm des Smartphones erreichbar, vorausgesetzt das Datenvolumen reicht noch. Das ist aber nur ein Problem.

Warum rufen bei mir eigentlich auch Nerds an wenn Fehler auftreten? Vorausgesetzt der Internetzugang funktioniert noch, haben sie schon alles versucht und sie verstehen etwas von der Materie. Sie rufen an, weil sie Probleme damit haben den Fehler zu beschreiben. Das ließe sich natürlich mit einer intelligenten Abfrage steuern, der Zeitaufwand für KundInnen wäre aber erheblich. Wie das, werden sich einige fragen. Die erfahrenen AgentInnen haben dafür ein Mittel welches Software noch nicht richtig simulieren kann – die Intuition, die aus der Erfahrung resultiert.

Wenn also selbst KundInnen die Erfahrung mit PC und Internet haben an der Fehlerbeschreibung scheitern, was wollen wir dann von „Oma Erna“ oder „Opa Fritz“ erwarten?

Ein großer Teil unserer Arbeit besteht ja darin die KundInnen zu beruhigen, damit sie überhaupt in der Lage sind Fehler zu schildern. Das kann eine Software eher nicht.

Eines sehe ich an EDV gestützten Systemen zusätzlich als problematisch – die Eskalationsgefahr. Wer sich in den sozialen Netzwerken bewegt weiß wie schnell eine online Diskussion „aus dem Ruder läuft“. Das geschieht weil der Gegenüber nicht sichtbar und hörbar ist, wenn also der Support über Twitter, Facebook & Co. Läuft, dann wird die Eskalationsschwelle niedriger.

Ich gestehe der online Kommunikation ein großes Potential zu, aber ersetzen wird sie die Callcenter-AgentInnen in nächster Zeit eher nicht.

Mein Fazit:

Das Geld, welches für Videotelefonie und/oder online-Lösungen aufgewendet werden müsste, sollte besser zu großen Teilen in die Aus- und Weiterbildung der AgentInnen investiert werden. Das wäre in unserem Sinne und im Sinne der Kunden.

* Der Link ist nicht falsch, ich habe bewusst auf den Artikel von Walter Benedikt zur Sonntagsarbeit verlinkt. Wer den Call Center Verband sucht, der wird hier fündig.

In Sachen Überwachung und Sicherheit

Alle reden von Überwachung, wenn es um Vorratsdatenspeicherung (VDS), Fluggastdatenspeicherung, Big Data, Überwachung von sozialen Netzwerken und weitere staatliche Maßnahmen geht.

Sind solche Maßnahmen eigentlich sinnvoll und nützlich für die Sicherheit?

Oder sind sie repressiv und gefährlich?

Den Wettlauf zwischen Panzer und Geschoss gewinnt am Ende immer das Geschoss.“

Das ist einer der Sprüche, die Militärs gern und oft gebrauchen. Diese Behauptung lässt sich auch auf den Sicherheitsfanatismus der Politiker anwenden.

Nehmen wir die Vorratsdatenspeicherung, das Lieblingsinstrument verschiedener Sicherheitsexperten, dann ist das deutlich zu sehen.

Es werden im Falle der Einführung der VDS die Verbindungsdaten von Festnetztelefonie, Mobilfunk und Internetverbindungen für eine festgelegte Frist gespeichert.

Zwei Ziele werden damit verfolgt:

Das erste Ziel ist die Aufklärung von Straftaten und terroristischen Aktivitäten. Im Nachhinein werden Daten von verdächtigen Personen und Organisationen ausgewertet und Verbindungen mit der Tat und zwischen den Verdächtigen rekonstruiert. Das ist normale konventionelle polizeiliche Tätigkeit mit neuen Mitteln. Allerdings werden meist die „dummen“ Verbrecher mit diesen Methoden gefasst. Dazu später mehr.

Den Protagonisten der Überwachung geht es aber um die Prävention.

Ich vereinfache hier sehr stark, wenn ich diese Prävention mit dem allseits bekannten Amazon-Prinzip („Menschen die diesen Artikel kauften, kauften auch…“) vergleiche, aber im Grunde genommen läuft es darauf hinaus.

Wenn Täter X aus dem historischen Datenbestand die Websites XYZ besuchte, mit den Personen oder Organisationen ABC kommunizierte und die Schlagworte KLM gebrauchte, dann ist jeder, der diesem Schema entspricht, verdächtig. Wie gesagt, ich vereinfache hier bewusst. Dieses Beispiel soll nur der Illustration dienen.

Die für die Prävention benutzten Algorithmen sind weitaus komplexer und die Software ist (pseudo) intelligent.

Diese Sicherheitsarchitektur ist der Panzer. Wie sieht es aber mit dem Geschoss aus?

Ich schrieb oben von „dummen“ Verbrechern. Mit „dumm“ ist die Kategorie gemeint, die diese Sicherheitsarchitektur nicht kennt oder ignoriert – sozusagen diejenigen, die mit einer Keule auf einen Leopard 2 losgehen.

Wer die Sicherheitsmaßnahmen kennt, kann sie umgehen mit ganz analogen Kommunikationsmitteln aus dem 20. Jahrhundert wie persönlichen Treffen an nicht überwachten Orten, toten Briefkästen, öffentlichen Telefonen und ähnlichem.

Diese „analoge“ Kommunikation ist zwar den Ermittlungsbehörden bekannt, aber mit dem bereits seit Jahren anhaltenden Personalabbau und der Konzentration auf die digitale Ermittlungsarbeit werden dafür keine Ressourcen zur Verfügung stehen.

Wie bereits bei der Digitalisierung werden die Ermittlungsbehörden also wieder den Tätern hinterherhecheln und sie nicht einholen.

Hier habe ich den Teil beschrieben, der meiner Meinung nach den Unsinn der von Politikern angestrebten Sicherheitsarchitektur zeigt. Diese Politiker lassen sich von US-Serien wie Navy CIS, Numbers und weiteren blenden. In denen lernen die Verbrecher nicht, in der Realität schon.

Ich sehe aber Gefahren in diesen angestrebten Maßnahmen, weil diese auf riesigen Datenbeständen und deren Auswertung beruhen.

Wir sollten aus der Geschichte einiges über Missbrauch von Daten gelernt haben.

Die Hollerith-Maschine diente zur Erfassung von Einwohnerdaten für Volkszählungen, Wahlregister, Steuererhebungen und anderen administrativen Aufgaben des Staates.

Diese Daten ließen sich aber verwenden – und sie wurden von den Nazis dafür verwendet – um Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Homosexuelle und andere aufzufinden und zu ermorden.

Wenn die Daten aus den angestrebten Überwachungsmaßnahmen in die falschen Hände kommen – das werden sie, wie uns Edward Snowden gezeigt hat – dann wird die Auswertung der Hollerith-Lochkarten als unbedeutend erscheinen.

Vielleicht bin ich paranoid, aber auch wenn manchem die Gefahr der Datensammlungen in einer Demokratie als unbedeutend erscheint, sehe ich mehr Gefahren als Nutzen in diesen Maßnahmen.

Ich weise nochmals darauf hin, wo die Gefahren liegen:

vds