Pfingsten, der (heilige) Geist und die Aufklärung

 

pfingsten1Eine der zentralen Geschichten des Christentums ist die Pfingstgeschichte. In dieser lässt Gott den heiligen Geist über die Apostel kommen und schickt sie auf die Mission.

Was geht das eigentlich Atheisten und Agnostiker (wie mich) an?

Nehmen wir den heiligen Geist einmal nicht im Wortsinne der Trinität (Dreifaltigkeit), sondern sehen in ihm die, für Christen gottgegebene, Fähigkeit des Menschen zum selbständigen und freien Denken. Dann geht es uns sehr wohl etwas an.

Ebenso wie die Bibelstelle aus Matthäus 12.31:

„Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung wider den Geist wird den Menschen nicht vergeben.“

Johannes Tralow lässt dazu in „Der Eunuch“ den Eunuchen Beschir sagen, er verstehe diesen Auspruch so, dass die Sünde des Nicht-Denkens die einzige Sünde sei, die Gott nicht verzeihe.

Da sind wir ja nun ganz atheistisch und modern.

„Sapere aude“ – wage es zu denken!

Das war der Leitspruch der Aufklärung, oder wie Immanuel Kant schrieb:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

Vielleicht sollten wir, die Nicht-Gott-Gläubigen, Pfingsten zum Fest des Denkens oder des Verstandes im Sinne der Aufklärung machen.

Das wäre doch des Nach-Denkens wert?

Ein schönes Pfingstfest euch allen.

Bildquelle: http://www.hansgruener.de/pictures/glaube/bb_326_02.jpg

STREIK!

Die Lokführer der GDL streiken und es stellt sich die Frage nach der Legitimität und der Sinnhaftigkeit des Streiks – wenn man (Alt/Leit)Medien und Politikern glauben mag.

Falsch, die Frage stellt sich nicht. Der Streik ist nach deutschem Gesetz legitim und der Sinn des Streiks ist eindeutig. Die in der GDL organisierten Lokführer (nicht nur die) wollen für ihre Arbeit mehr Geld, sie wollen mehr Freizeit und weniger Überstunden.

Ich lasse das so im Raum stehen, weder bin ich Lokführer noch habe ich mich mit Löhnen und Arbeitsbedingungen derselben näher beschäftigt.

Warum also das Geschrei der (Alt/Leit)Medien und der Aktionismus der Politiker, der letztendlich in einem Gesetz gegen Streiks enden wird?

Ich unterstelle hier diesen Medien nicht eine Handlangerschaft für die Politik. Nein, das Thema ist eben einfach zu verlockend. Erregte Fahrgäste die nicht an ihren Zielort kommen, Unternehmen die Umsatzeinbußen prognostizieren und Solidarität mit dem Unternehmen Deutsche Bahn, welches ja schließlich auch ein gewinnorientiertes Unternehmen mit allem Drum und Dran ist. Streiks könnten ja auch das eigene Unternehmen treffen.

Die Motivationen unserer Politiker sind andere.

Als Erstes müssen wir uns wohl von der lieb gewordenen Vorstellung lösen, dass Politiker einer Partei auch Grundwerte dieser vertreten wenn sie in einem Amt sind.

spd1920Am Beispiel des Sigmar Gabriel (SPD) wird das besonders deutlich. Ich behaupte nicht, dass er die Wurzeln der Sozialdemokratie völlig vergessen hat. Mit der Übernahme der Ämter als Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Energie der Bundesrepublik Deutschland fungiert er aber in erster Linie wie ein Unternehmenschef, besonders im Fall der Bahn.

Schließlich wurde die Bahn unter Mitwirkung der SPD privatisiert und gewinnorientiert ausgerichtet. Ein Streik bei der Bahn ist also auch ein Statement gegen die verfehlte Politik der Bundesregierung und der SPD. Dieser Streik ist auch ein politischer Streik.

Da muss der zuständige Minister doch ganz anders reagieren als z. B. Bei einem Streik gegen Amazon. Dort kann er die Streikenden verstehen und verbal unterstützen, bei der Bahn geht das nicht.

Wenn Sigmar Gabriel den Bahnstreik mit den Worten „Er wird die gesamte deutsche Wirtschaft schwer treffen“ kritisiert, dann spricht der Wirtschaftsminister und der SPD-Vorsitzende hat die Klappe zu halten. Dieser wüsste nämlich, dass genau diese Aussage den Sinn des Streiks erklärt.

Ein Streik soll weh tun!

Ein Streik soll die Wirtschaft treffen!

Ein Streik soll Aufmerksamkeit erzeugen!

Sonst ist er kein Streik.

Es erübrigt sich über Kampfbegriffe wie „Geiselhaft“ für Bahnkunden zu sprechen. Ja, die Bahnkunden leiden unter dem Streik, aber hat sich jemand Gedanken gemacht über den Amazon-Kunden der etwas bestellt hatte was er wirklich braucht und nur dort bekommt? Das Beispiel hinkt, das ist mir bewusst, aber rechtfertigt ein Streik der Millionen von Menschen trifft ein Gesetz gegen Streiks?

Wenn das Streikrecht einmal eingeschränkt wird, dann ist das erst der Anfang. Weitere Einschränkungen werden folgen. Erst wird es fast unmöglich werden in den wichtigsten Bereichen der Volkswirtschaft zu streiken – später wird jeder Streik unmöglich.

Natürlich wird dies nur zum Wohl der Bevölkerung sein. Das hatten wir (knapp ein Fünftel der Bevölkerung) schon mal: „Streiks sind in der DDR nicht notwendig, da die Produktionsmittel bereits den Werktätigen gehören.“ So lernten wir das im Staatsbürgerkunde-Unterricht. Auch das war zum „Wohle des Volkes“.

Wer die Forderungen der Lokführer für maßlos hält der bedenke bitte, dass das fahrende Personal und die anderen Beschäftigten der Bahn unsere Mobilität garantieren. Im Gegensatz zu den Vorständen die zwar die Unternehmensziele formulieren aber diese ständig „verfehlen“.

Erstere müssen streiken um angemessene Entlohnung zu erhalten.

Letztere genehmigen sich ständig steigende „Erfolgsprämien“.

Schade, früher hätte eine Arbeiterpartei den Streik unterstützt.

Wenn beim nächsten Parteitag der SPD die Internationale angestimmt wird, bekommen dann Sigmar Gabriel und andere einen roten Kopf?

P.S. Das „Gesetz zur Tarifeinheit“ stärkt die großen Gewerkschaften. Das sind eben jene, die mit der Regierung und der Wirtschaft konform gehen. Warum gehen Mitarbeiter in Spartengewerkschaften? Vielleicht weil sie sich von den „Großen“ nicht vertreten fühlen.

Bildquelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Archiv der sozialen Demokratie, Zur Reichstagswahl 1920

Tag der Arbeit, wirklich?

Seit 1886, nunmehr also 129 Jahren, gilt der 1. Mai als der Tag der Arbeiterbewegung, als der Internationale Kampf- und Feiertag der Werktätigen, als Tag der Arbeit oder auch als Maifeiertag. Wahrscheinlich gibt es noch einige Bezeichnungen die ich hier vergessen habe.

faust1Er ist weltweit der wichtigste Kampf- und Feiertag der Linken*, die ja historisch aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen ist.

Stopp, ist das so?

Ich ordne mich ungern in eine politische Kategorie ein, wenn aber doch dann aber in das linke Spektrum. Was muss ich dort erleben?

Den ArbeiterInnen schlägt aus Teilen der linken Bewegung geradezu Verachtung entgegen. Natürlich wird diese nicht offen kommuniziert, aber für viele jüngere Linke sind wir, die ArbeiterInnen, eine aussterbende Art – eine Art Fossilien.

Die Gründe sind, meiner Meinung nach, der übliche Generationenkonflikt: „Die Alten stehen jeden Morgen auf, gehen zur Arbeit und kommen müde nach Hause. Das ist doch kein Leben.“ Zum anderen ist es der von „Experten“ verbreitete Irrtum, dass uns in Zukunft die Arbeit ausgeht, ergo die ArbeiterInnen aussterben.

Ich für meinen Teil bezeichne mich gern, wenn auch nur scherzhaft, als linken Traditionalisten.

Wenn ich Arbeit sage, meine ich nicht die kapitalistische Lohnarbeit oder die reine Erwerbstätigkeit. Arbeit ist für mich gesellschaftlich relevante Tätigkeit.

Diese wird immer da sein und es wird immer Menschen geben müssen die diese ausführen. Der überwiegende Teil der von Menschen geleisteten Arbeit der abnimmt ist klassische Industriearbeit, das ist aber nicht weiter schlimm. Gerade dieser Teil entspricht der oben angeführten Beschreibung.

Es bleibt aber genug gesellschaftlich wichtige Arbeit, es wird sogar mehr. Gesundheits- und Pflegetätigkeiten werden wichtiger, wenn die Menschen älter werden und der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft steigt. Personen- und Gütertransporte verzeichnen immer weiter Zuwächse, durch den Wunsch nach Mobilität und den Wunsch jederzeit alle Waren verfügbar haben zu wollen. Unsere Städte und die Infrastruktur brauchen dringend eine Generalsanierung, da fällt Arbeit an die so schnell kein Roboter erledigen wird. Von Kinderbetreuung und Bildung will ich gar nicht erst anfangen, da werde ich nie fertig.

Die Arbeit geht uns also noch lange nicht aus, der Anteil der verschiedenen Branchen verändert sich nur.

Der Anteil der menschlichen Arbeitskraft an der wertschöpfenden Arbeit (Industriearbeit) sinkt, der Anteil an der werterhaltenden Arbeit und der „Arbeit mit und an den Menschen“ (meine erfundene Kategorie) steigt.

Hier kommt das Problem des aktuellen kapitalistischen Systems zum Tragen. Nach wie vor wird die wertschöpfende Arbeit, die profitbringende Arbeit, als wichtiger bewertet und somit besser bezahlt.

Somit kommt es zur absurden Situation, dass der Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, als aussterbende Spezies, höher bezahlt wird als die Kindergärtnerin die die gesellschaftlich wichtigere Arbeit leistet. Zumal Ersterer wirklich in Kürze durch den „Kollegen Roboter“ ersetzt wird.

Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel in der Bewertung von menschlicher Arbeit. Diese Bewertung muss nach gesellschaftlicher Relevanz, nicht allein nach Profit vorgenommen werden.

Was wir aber in erster Linie brauchen, das ist eine Veränderung in der Einstellung zur Arbeit und zu den arbeitenden Menschen.

Die arbeitenden Menschen schaffen und erhalten die Lebensgrundlagen der Gesellschaft.

Es muss das Ziel sein, dass alle Menschen an diesem Prozess beteiligt sind.

Wenn alle Menschen an diesem Prozess teilnehmen, dann wird die Arbeitszeit für die einzelnen geringer und die Lebensqualität steigt für alle.

Hier stoßen wir an die Grenzen des profitorientierten Systems.

Ergo, wir brauchen ein neues, ein menschliches System. Das geht aber nur mit den arbeitenden Menschen – nicht mit Robotern.

Es lohnt jedenfalls zu kämpfen – auch wenn wir weiter arbeiten müssen.

* hier ist nicht die Partei gleichen Namens gemeint