Verkehrspolitik – Abschluss und Fragen

Hier beende ich meine Betrachtungen zum Verkehrskonzept. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich ausdrücklich nicht.

Ich habe den Fahrradverkehr aus mehreren Gründen ausgelassen. Er stellt eine durchaus attraktive Alternative zu den hier betrachteten Verkehrsarten dar, aber ich überbewerte ihn nicht. Natürlich sind Radwege auszubauen, die Verkehrssicherheit für Radfahrer zu verbessern und Stellplätze zu schaffen. Aber der Fahrradverkehr ist zu einem großen Teil wetterabhängig. Er ist nicht für jeden eine Alternative, sei es aus gesundheitlichen Gründen, wegen mangelnder Umkleidemöglichkeiten an der Arbeitsstelle, bzw. mangelnder Möglichkeit der Aufbewahrung von Wechselkleidung. Von den Wegestrecken nicht zu sprechen. Gleiches gilt für den von der CDU ins Spiel gebrachten Mopedverkehr. Beide Verkehrsarten helfen also kaum bei der Lösung des Verkehrsproblems. Unter extremen Wetterbedingungen werden eben auch Rad- und Mopedfahrer zu Fußgängern, Nutzern des ÖPNV oder Autofahrern. Einzurechnen ist auch die Gruppe der „hippen“ Radfahrer, die noch ein Erst- und Zweitauto besitzen. Fahrrad fahren als politisches Statement sollte man nicht überbewerten.

Die Elektromobilität und andere alternative Antriebsarten für den Individualverkehr habe ich ebenso vernachlässigt, da sie nur unter Umweltschutzaspekten hilfreich sind. Bezahlbare Elektromobilität behebt aber nicht das „rollende und stehende Blech“.

Den Punkt Umwelt habe ich auch bewusst ausgelassen. Wenn ich dazu noch einige Worte zu sagen habe, dann diese. Die Umweltbelastung, die sichtbare und fühlbare, ist seit der Wende dramatisch besser geworden. Trotz steigender Anzahl von Kraftfahrzeugen. Das ist kein Grund den Umweltaspekt zu vernachlässigen, aber der Normalbürger hat die Weltuntergangsszenarien einfach satt. Ich bin der Meinung, dass in diesem Bereich viel erreicht wurde und trotzdem noch viel zu tun ist. Aber der propagandistischen Verwendung der Umwelt gegen den Autofahrer schließe ich mich nicht an.

Einen weiteren wichtigen Punkt habe ich ebenfalls ausgelassen, da er zwar die Verkehrspolitik betrifft aber in anderen Bereichen anzusiedeln ist. Das Thema Vermeidung von erforderlichen Wegen. Ausdrücklich ist hier nicht eine Einschränkung des Bürgers bei der Verkehrsteilnahme gemeint. Es geht um den Zwang bestimmte Wege zurückzulegen, nämlich Behördenwege. Eine Stärkung der Bürgerbüros wäre z.B. dafür ein Ansatz. Ob nun Aufgaben der Agentur für Arbeit, der Kfz-Zulassung, der Rentenversicherung, des Finanzamtes und ähnliche, diese können wohnortnah erledigt werden. Im Zeitalter der Informationstechnologie ist es nicht einsehbar, dass die heutige Zentralisierung erforderlich ist.

Schlussbemerkung

Bevor mir jetzt jemand „Blauäugigkeit“ vorwirft sage ich es lieber selbst.

Abgesehen von organisatorischen und technischen Fragen hat ein neues Verkehrskonzept enorme politische und wirtschaftliche Aspekte.

Im Eingangsartikel habe ich die Frage gestellt:

Wie ernst ist die Forderung nach einer neuen Verkehrspolitik von Seiten der Politik gemeint?“

Die Antwort ist m.E. nach, dass es leere Worthülsen sind die dort abgegeben werden. Erinnern wir uns, die „Grünen“ waren ja schon Regierungspartei. Warum ist da nichts passiert. Wenn ich sage „Nichts“ meine ich ernsthafte Ansätze.

Es geht um Geld und Arbeitsplätze. Ich bin mir dessen bewusst, dass eine radikale Änderung der Verkehrspolitik, auch wenn ich sie wirklich im Sinne der Bürger gestaltet haben möchte, extreme wirtschaftliche Veränderungen hervorruft.

Hier versagt die Statistik, zumindest meine Kenntnisse. Betroffen wäre die Automobilindustrie und sämtliche mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche. Diese sind im produzierenden, Handels-, Dienstleistungs- und Finanzierungs-Bereich der Volkswirtschaft angesiedelt. Auch in den Bereichen des öffentlichen Dienstes werden sich Veränderungen ergeben. Wie viele Arbeitsplätze es betreffen würde kann ich nicht berechnen.

Weshalb sonst würden, trotz besseren Wissens um Rohstoffknappheit, Umweltprobleme und Ähnlichem, von Seiten der Politik keine – oder nur halbherzige Schritte unternommen werden.

Ich weigere mich eine Gegenrechnung aufzustellen, da sie allenfalls eine „Milchmädchen-Rechnung“ wäre. Trotz Steigerung des Arbeitskräftebedarfs in einigen Bereichen der Volkswirtschaft würde eine große Anzahl von Arbeitsplätzen ersatzlos verlorengehen.

Hier steht nun die politische Frage. Die Frage nach der Vollbeschäftigung, dem 8-Stunden-Arbeitstag und letztendlich dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Das ist nicht mehr eine Frage der Verkehrspolitik – das ist eine echte gesellschaftspolitische Frage. Die Frage nach der Gesellschaft in der wir leben wollen.

Und das ist die eigentliche Frage.

Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen!

Das war der Spruch meines Großvaters wenn er über faule Leute sprach. Später in der Schule lernte ich dann, dass die Arbeit ein Lebensbedürfnis des Menschen ist.

Inzwischen habe ich eine Petition unterschrieben die, nach Meinung einiger Leute die ich kenne, die Faulen geradezu unterstützt.

In diesem Zusammenhang und durch ein Gespräch mit meinem Sohn entstand der Gedanke zu diesem Artikel. Ein weiterer Auslöser war natürlich die „spätrömische Dekadenz“, die gemeinsam mit dem „geistigen Sozialismus“, von Guido Westerwelle beschworen wurde.

Ich beginne mit dem obigen Spruch. Er stellt den nichtarbeitenden Menschen als Schmarotzer und als Nutznießer der Arbeitsleistung der arbeitenden Menschen, dar. Wer war damals damit gemeint? Es waren gesellschaftliche Gruppen gemeint die die Früchte der Arbeit anderer ernteten. Von der ehemaligen Gesellschaftsordnung aus gesehen waren dies die Adligen, der Klerus und andere die der herrschenden Schicht angehörten. Die anderen arbeiteten ja.

So entstand im Laufe der Zeit ein Arbeitsethos welches zum Grundbestandteil der Sozialdemokratie, des Bürgertums und auch des Kommunismus wurde. Ohne Arbeit erlosch sozusagen die gesellschaftliche Daseinsberechtigung.

Wie sieht das nun heute aus?

Meiner Meinung nach war der letzte längere Zeitraum in dem eine Vollbeschäftigung erforderlich und somit legitim war die Nachkriegszeit. Sozusagen die Jahre des Aufbaus, die heute als „Wirtschaftswunder“ verklärt werden.

Spätestens ab den 60ern war schon Schluss damit. Bevor jemand den Einspruch bringt, dass damals die „Gastarbeiter“ geholt wurden weil ja Arbeitskräfte fehlten, eine Erklärung. Ich möchte darauf hinweisen, dass zuvor die Frauen zurück an den Herd geschickt wurden. Zumindest in Westdeutschland.

Es gab zu dieser Zeit auch schon Arbeitslosigkeit. Allerdings war der Arbeitslose meist noch ein Arbeiter in der Warteschleife auf eine neue Anstellung. Das hat sich grundlegend geändert.

Heute sprechen wir von „Langzeitarbeitslosen“ und meinen damit Menschen die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wieder ins Berufsleben zurückkehren. Weil sie keine Anstellung finden.Die Gründe dafür sind vielfältig, ja es gibt auch den Grund Faulheit und Trägheit aber entgegen anderslautenden Meinungen denke ich das sind die wenigsten.

Diese Situation bewegt mich nun zu der Frage „Ist das alte Arbeitsethos noch zeitgemäß?“

Eine kurze Bemerkung zur oben angesprochenen Petition. Diese richtet sich ausdrücklich gegen die Verhängung von Sanktionen gegen Bezieher von Hartz IV. Ich habe sie unterschrieben, aber nicht weil ich sie für sinnvoll halte. Ich halte das System Hartz IV für generell bedenklich. Es zementiert eben die alte Ansicht, dass eine Vollbeschäftigung erforderlich und Ziel der Gesellschaft ist. So lange wir die Arbeit als „Erwerbstätigkeit“ betrachten wird dies aber nie wieder der Fall sein.

Ein „Schmankerl“ ist natürlich, dass Hartz IV wirklich Arbeitsplätze schafft. Für diejenigen die in den Jobcentern arbeiten. Ob nun die „Einsparungen“ durch Sanktionen diese Arbeitsplätze finanzieren können, das wage ich zu bezweifeln.

Es wären meiner Meinung nach zwei Veränderungen in diesem System (Hartz IV) dringend erforderlich. Erstens eine „Beweislastumkehr“, d.h. nicht der Anspruchsteller muss nachweisen, dass ein Jobangebot unzumutbar ist – sondern der Bearbeiter muss beweisen, dass es zumutbar ist. Zum zweiten muss der Sockelbetrag ohne wenn und aber ausgezahlt werden. Ebenso die Mietzuschüsse und ähnliche Ansprüche.

Nicht nur,dass damit der behördliche Wasserkopf gestutzt würde. Es hätte wohl noch einen Nebeneffekt den man nicht unterschätzen sollte.

Hartz IV ist wohl einer der großen Verursacher von Lohndumping und Auslagerungen in den Billiglohnsektor. Weil die Menschen gezwungen werden eine (irgendeine) egal wie hoch oder eher niedrig bezahlte Arbeit anzunehmen. Wenn dieser Zwang entfällt, dann schrumpft auch dieser Sektor. Mangels Angebot an billigen (un)willigen Arbeitskräften.

Die große Abwanderung von Firmen wird wohl auch nicht kommen. Die konnten und wollten sind schon weg. Außerdem ist Deutschland nicht nur eine Produktionsstätte sondern auch ein Binnenmarkt. Die Unternehmen wollen und müssen auf diesem Markt verkaufen.

Unter diesem Gesichtspunkt sollte man auch den Koalitionsvertrag* unserer neuen Regierung sehen. Darin ist von „intelligentes Zusammenspiel von Markt und Staat“ die Rede.

Schaun wir mal.

.

Sieht man ab vom alten Arbeitsethos, dann könnte man vielleicht etwas neues schaffen. In der Form statt „Erwerbsarbeit“ die „gesellschaftliche Teilhabe“ in der Bedeutung von „etwas für die Gesellschaft tun„.

.

Vielleicht wäre das ein Ansatz.

.

Dies ist der Moment, in dem mit allgemeiner Zustimmung wir innehalten, um unseres nationalen Lebens bewusst zu werden und uns daran zu erfreuen, um zu erinnern, was unser Land unsere Gesellschaft für einen jeden von uns getan hat, und um uns selbst zu fragen, was wir für unser Land unsere Gesellschaft tun können, zum Dank dafür.

Nach Oliver Wendell Holmes, Jr.

.

* Im Entwurf stand dies auf Zeile 93, ich habe es in der Endfassung nicht gesucht.