Verkehr – Eine Vision

Die Seite Verkehrspolitik in meinem Blog stammte von 2014. Zeit sie zu überarbeiten, fand ich. In neuem Gewande, mit dem Namen Verkehr – Eine Vison, stelle ich meine Ideen zu einer Stadt für Menschen statt einer für Autos vor.

Kommentare, Anmerkungen usw. nehme ich gern hier oder auf den üblichen Social-Media-Kanälen entgegen.

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Tempolimit – eine Nicht-Diskussion

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht in deutschen Medien. Die gute ist, die „Mutter aller Probleme“ ist in den Hintergrund des Medienhypes getreten. Die schlechte Nachricht: Über ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird genau so bescheuert berichtet.

Tempolimit und ich

Meinen alten Bekannten wird es absurd erscheinen, dass ich ein Tempolimit auf Autobahnen befürworte. Die kennen mich, nicht als Raser, aber als einen der gern schnell von A nach B fuhr und dabei, das in der DDR geltende, Tempolimit gern und oft weit überschritt. Was hat sich geändert?
Ja, ich bin alt geworden, das ist aber nicht der Grund. Schnell fahren wurde mir einfach zu anstrengend. Nicht wegen der Geschwindigkeit sondern wegen der Verkehrsverhältnisse.

Ein Beispiel:
Ich fahre mit 160 km/h auf einer dreispurigen Autobahn und bin permanent am Beschleunigen und Bremsen. Bin ich auf der dritten Spur, kommt von hinten einer der 180 oder schneller fährt und ich muss zusehen, dass ich auf die Mittelspur komme wo der Verkehr mit 130 läuft. Bin ich dort angelangt, muss ich wieder raus weil ein LKW mit 91 km/h auf die Mittelspur zieht, um einen anderen der nur 89 fährt zu überholen. Es strengt nicht nur an, es ist auch gefährlich. Bei einem Tempolimit von 130 km/h wäre es ein entspannteres Fahren. Das ist aber mein subjektives Empfinden und nicht Inhalt der Diskussion.

Tempolimit und Umwelt

Hier beginnt die sinnlose Diskussion. Wenn ein Auto bei 180 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit den auf die Fahrstrecke bezogenen günstigsten Schadstoffausstoß hat – was dann? Also in Gramm NOx oder Gramm Feinstaub auf 100 km als Richtwert gerechnet. Ich habe Kraftfahrzeugtechnik studiert und muss sagen, der ungünstigste Verbrauchswert und Abgaswert entsteht beim Beschleunigen. Also genau beim obigen Beispiel. Umweltschädlich ist dieses Verkehrsverhalten – nicht die pure Höchstgeschwindigkeit die gefahren werden darf. Also befürworte ich ein Tempolimit weil es den Verkehrsfluss verbessern würde,

Tempolimit und Raser

Michail Hengstenberg schreibt bei SPON unter der Überschrift „Mein Name ist Raser, ich kann sonst nix“ einen für diese Diskussion typischen Beitrag, in dem es unter anderem heißt:

„Die Sehnsucht, sich bei Geschwindigkeiten jenseits von 200 km/h als phänomenaler Autofahrer zu profilieren.“

Das ist bei den meisten, mir bekannten, Gegnern des Tempolimits nicht der Grund für (zu) schnelles Fahren. Abgesehen von Urlaubs- und Ausflugsfahrten, die vielleicht durch andere Mobilitätsarten reduziert werden konnten, sitzen die meisten Autofahrer gezwungenermaßen in ihren Autos und stehen unter Druck. Ob es nun der Druck ist den Arbeitsplatz rechtzeitig zu erreichen oder zu einer familienfreundlichen Tageszeit wieder zu Hause zu sein oder der Druck den nächsten Termin pünktlich wahrzunehmen – all das verleitet dazu das Gaspedal, wenn es der Verkehr zulässt, bis zum Anschlag durch zutreten.
Diesen Druck nimmt ein Tempolimit nicht weg – durch den Druck werden diese Menschen verleitet es zu überschreiten. Das erfordert dann flächendeckende Tempokontrollen und Bußgelder – am Besten eine flächendeckende Verkehrsüberwachung mit anlassloser Erfassung aller Verkehrsteilnehmer. Der „feuchte Traum“ der Überwachungsfanatiker.
Die Verminderung des auf den Verkehrsteilnehmern lastenden Zeitdrucks ist eine Aufgabe die mit einem Tempolimit nicht gelöst werden kann. Das Tempolimit kann aber durch die Verbesserung des Verkehrsflusses den Stress beim Autofahren vermindern.
Die Menschen, die unter Druck stehend schnell und riskant fahren als „Raser“ zu diffamieren ist leicht, aber kontraproduktiv für eine, momentan nicht stattfindende, Diskussion über ein Tempolimit.

Das Tempolimit und seine Gegner

Als Gegner eines Tempolimits können die Automobilindustrie, die Kraftstoffproduzenten und alle mit ihnen verbundenen Gewerke und Interessengruppen bezeichnet werden. Wer würde schon ein Auto kaufen welches über 200 km/h bei, hohem Kraftstoffverbrauch und hohem Instandhaltungsaufwand, fahren kann, wenn er/sie nur 130 km/h fahren darf. Welche Bedeutung hätte ein Crashtest bei 180 km/h für die Sicherheit der Insassen bei einem Tempolimit? Aber auch viele Arbeitgeber, nicht nur im Transportgewerbe, sind gegen ein Tempolimit. Sie zwingen heute viele Arbeitnehmer durch Bereitstellung schneller Dienstfahrzeuge und Forderung nach immer kürzeren Reisezeiten zum schnellen und riskanten Fahren. Wenn eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 135 km/h für eine Dienstfahrt (als Reisezeit) angesetzt wird, dann ist der Arbeitnehmer gezwungen schnell und riskant zu fahren.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sie den Arbeitnehmern – oder im erst genannten Fall den Kunden – ein Tempolimit als Verbot und Angriff auf die automobile Freiheit kommunizieren.

Tempolimit, Medien und Politik

Werden im oben erwähnten Artikel die Autofahrer, die ein Tempolimit ablehnen, als Raser tituliert und ihnen Motive die auf Potenzprobleme hindeuten angedichtet, so bezeichnen andere Medien und auch Politiker ein Tempolimit wahlweise als „Lösung der Umweltprobleme“ oder als „Ende der Freiheit in Deutschland“ bzw. als „Anschlag auf den Industriestandort“ oder wie Andreas Scheuer als: „gegen den gesunden Menschenverstand“ – was allerdings weniger über Menschen als über seine Auffassung von Verstand aussagt.
Auch in den (a)sozialen Medien äußern sich sowohl Politiker als auch Journalisten zum Tempolimit mit zweifelhaften Thesen.
So schreibt der Journalist der WELT:


Wobei der Journalist wissen sollte, dass „rasen“ eben unverantwortlich ist und er damit genau das Klischee des Rasers erfüllt.
Aber auch die Gegenseite bringt über Umfragen, deren Wert seit Brexit, Trump u.a. strittig ist, Klischees ins Spiel und verhärtet die Fronten.

Wie in der Diskussion über Migration und ihre Folgen wird aus Argumentation, die wichtig wäre, reine Propaganda.

Fazit

Es findet momentan keine wirkliche Diskussion über ein Tempolimit statt. Der mediale Dauerbeschuss nicht etwa mit pro und contra sondern mit „Vernunft und Verbot“ mit „Freiheit gegen Umwelt“ und ähnlichen Auswüchsen steht einer Diskussion und dem Finden einer Lösung im Wege.
Wie oben beschrieben bin ich für ein Tempolimit und kann es für mich begründen – wenn alle Befürworter und Gegner das auch machen würden, dann kämen wir einer Lösung näher.

Anmerkung: Der Autor hat selbstverständlich nur einen begrenzten Einblick in das Thema – so wie jeder. Er ist Ingenieur für Kraftfahrzeugtechnik und hat als Fahrer im Abschlepp- und Bergungsdienst 15 Jahre lang unter anderem die Fahrzeuge von Rasern von den Autobahnen seiner Einsatzgebiete entfernt. Vielleicht gibt es Leser die sich an ihn erinnern.

Bildnachweis: Header under CCO by Schwoaze

Diskriminierung geht uns alle an.

Keine Angst, ich mache nicht den Prof. Stefanowitsch. Ich möchte über Sprache und Diskriminierung zwar schreiben, habe aber am Ende eines Artikels immer noch Kommata übrig, die Anatol nutz- und gewinnbringend einsetzen könnte. Das ist jetzt kein Angriff auf A.S., den ich trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten schätze.

Mein Thema ist auch weder die Diskriminierung wegen Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Dazu habe ich bereits geschrieben.

Wer es gelesen hat, der erinnert sich vielleicht an den 2. Teil meiner Gedanken zum „Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“ in Leipzig. Da ging es um den Fußverkehr und ich schrieb:

Die Gehwegsanierung, sollte sie nicht zu einer großräumigen „absoluten Flächenversiegelung“ führen, ist bedingt durch die Pflasterarten nur mit manpower durchführbar. Die in Leipzig überwiegend vorhandenen Pflasterarten auf Gehwegen lassen nur eine Teilmechanisierung der Arbeiten zu.

Ich bekam auch von einem Bekannten ein Feedback zu diesem Satz. Es lautete „Da können sich die Hartzer mal nützlich machen.“

Bevor ich darauf eingehe, eine kleine Anmerkung.

Steinsetzer oder Pflasterer machen heute coole Dinge. Ob nun die Garageneinfahrt für den Benz oder den Gehweg zum Einfamilienhaus, da wird für diese Handwerksarbeit richtig Geld ausgegeben und das Ergebnis wird bewundert. Man unterhält sich sogar mit ihnen – sie werden als „Kreative“ betrachtet.

Wenn nun aber die ersten kniend die ca. 8×8 cm großen Pflastersteine unserer Gehwege entfernen, den Untergrund planen und dann die Steine wieder einsetzen würden, dann würden die meisten Passanten wohl ebenso reagieren wie mein Bekannter. „Unterqualifizierte Arbeit für Doofe“ wäre wohl eine mögliche Bezeichnung. Also genau das Richtige für die „Hartzer“.

Hier fängt Diskriminierung an; durch Sprache und den Sinn, in dem wir sie verwenden.

Der „Handwerker“ arbeitet mit den Händen – im Kopf muss er nicht viel haben. Der „Dienstleister“ ist ein Diener im feudalen Sinne. Ob er überhaupt denkt ist fraglich und wenn, dann interessiert es fast niemanden. Schlussendlich der Hartzer, der entspricht in Kopf und sprachlicher Verwendung dem Niveau einiger Privatsender.

Das sagt etwas über die gebildete(?) und fortschrittliche(?) Gesellschaft aus!

Vielleicht sollten wir mal einen Schritt zurück (oder vorwärts) gehen und die Arbeit die jemand erledigt unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Nutzens sehen. Ehrlich, dann wäre mancher coole Beruf im Ansehen deutlich unter dem Handwerks- oder Dienstleistungsberuf angesiedelt.

Bevor ihr mich schlagt, eine Anmerkung zum „Nutzen“. Ich gehöre zu den wenigen in meinem Umfeld (beruht auf Beobachtung), die, wenn sie am Morgen aus dem Haus kommen, den Straßenkehrer grüßen. Sein „Nutzen“ für mich ist ein persönlicher. Ich würde nämlich in unser aller Dreck ersticken – wenn er seine Arbeit nicht machen würde. Seine Arbeit ist wichtig für mich, da hat er auch Anspruch auf Achtung und Freundlichkeit.

Am Ende natürlich etwas zur Bildung. Es würde ja etwas fehlen, wenn ich nicht darauf kommen würde.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat das Ganze nämlich nichts mehr mit „gebildet“ und „ungebildet“ zu tun. Wir wollen doch keine Bildung, die nur eine Vorbereitung auf das Berufsleben ist, oder?

Was spricht eigentlich gegen einen hochgebildeten Pflasterer?

Unser Bild im Kopf, unsere Verwendung von Sprache und daraus resultierend eine gesellschaftliche Missachtung. Das ist das einzige, was dagegen spricht.

Also Diskriminierung, zumindest sehe ich das so.

P.S. Eine Frage steht noch. Wenn wir Menschen auf Grund ihres ausgeübten Berufs diskriminieren, wie wollen wir dann die anderen Diskriminierungen abschaffen?

P.P.S. Wie wollen wir eigentlich die Versäumnisse der letzten -zig Jahre aufarbeiten, wenn wir die Menschen die wir dazu brauchen diskriminieren?