Politische Bildung – Stadtrat Leipzig

Am 07. Oktober 2020, witzigerweise am alten „Tag der Republik“ in der DDR, wurde der neue Sitzungssaal im Neuen Rathaus der Stadt Leipzig eingeweiht. Es fand auch eine bildungspolitische Stunde statt, diesmal unter dem Thema „Politische Bildung“. Als Vertreter der kleinsten Fraktion im Stadtrat wusste ich, dass ich als letzter spreche. Die Danksagungen an und Aufzählungen von Akteuren, mit denen man eine solche Rede gewöhnlich füllt, konnte ich mir also sparen. So beschloss ich über die Prinzipien der Aufklärung und Humanismus zu sprechen – ganz auf meine Art. Nachfolgend der Text, der natürlich beim Vortrag evt etwas modifiziert wurde. Im Grunde blieb er aber unverändert. Eingangs betonte ich meine eigene Kindheit und Jugend, die in zwei indoktrinären Systemen stattfand – dem Katholizismus und dem DDR-Bildungssystem.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte ReferentInnen, werte Damen und Herren Beigeordnete, Kolleginnen und Kollegen Stadträte, Liebe Zuschauer im Saal und am Livestream, Werte Pressevertreter

Das Zeitalter der Aufklärung liegt schon über 300 Jahre in der Vergangenheit, doch seine Themen sind – meiner Auffassung nach – immer noch so aktuell wie eh und je. Immanuel Kant, selbst einer der großen Aufklärer, definierte die Aufklärung hierbei wie folgt:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Was hat das nun mit der politischen Bildung zu tun? Hierzu die Definition von Wikipedia:

Das Ziel der politischen Bildung ist, Zusammenhänge im politischen Geschehen zu erkennen, Toleranz und Kritikfähigkeit zu vermitteln und zu stärken, damit zur Herausbildung und Weiterentwicklung von aktiver Bürgerschaft, gesellschaftlicher Partizipation und politischer Beteiligung beizutragen.

Es ist das Ziel der politischen Bildung, Menschen zu befähigen, dem Kernprinzip der Aufklärung zu folgen – sich also selbst eine eigene Meinung zu bilden.

Politische Bildung ist nicht zu verwechseln mit politischer Erziehung, welche schnell in Indoktrination umschlagen kann. Manche unter uns kennen ein solches System wir zum Beispiel aus der ehemaligen DDR, mit Staatsbürgerkundeunterricht und ähnlichem. Hier wurde die „Leitung des Verstandes“, wie Kant es ausdrückt, durch die Aussagen von politischen, im Besonderen auch religiösen Führern ersetzt. Das Ziel ist, egal wie positiv ausgedrückt oder mit welch fortschrittlichen Ideen initiiert, eine Überlagerung der individuellen Meinungen und stellt somit einen Herrschaftsanspruch dar.

Ich möchte hier auch explizit auf den Artikel 21 des GG hinweisen: „(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Sie „wirken mit“, das bedeutet also im Sinne der politischen Bildung, dass keine Partei einen Anspruch auf eine direkte Einflussnahme der Inhalte jener besitzt.

Beschränken wir also die politische Bildung auf die Vermittlung der Kenntnisse über das demokratische System unseres Landes und die Fähigkeit zur Nutzung der Instrumente der Demokratie durch die mündigen BürgerInnen – wie können wir dann extremistische Meinungen verhindern?

Für mich steht hier das humanistische Menschenbild in seiner einfachen Form im Vordergrund: „Ein Mensch ist ein Mensch.“ So wie es in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 heißt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So wie es das Grundgesetz in Artikel 3 ausdrückt: „Alle Menschen sind (vor dem Gesetz) gleich.“,wobei ich hier das „vor dem Gesetz“ auslassen würde.

Auch religiöse Definitionen kann man hier gelten lassen. Wie zum Beispiel das „Liebe Deinen Nächsten so wie Dich selbst“ aus dem Neuen Testament. Ich weiß, der Herr Jung, als studierter Religionslehrer, verzieht jetzt das Gesicht, wie immer wenn ich von Religion rede.Der Begriff „Nächster“ ist hier zwar nicht definiert, er schließt aber auch niemanden explizit aus. Problematisch an diesem Satz ist nur, dass man sich selbst – allerdings nicht im narzisstischen Sinne – lieben muss um andere zu lieben. Das ist leider nicht selbstverständlich in Zeiten der allgemeinen Unzufriedenheit. Ich erinnere hier an das bekannte Internet-Meme in dem Jesus predigt „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ und ein Zuhörer fragt „Und wenn er schwul ist, oder schwarz?“ Jesus antwortet dort „Hast Du was an den Ohren?“

Auch die Achtung der Natur, ergo der Umwelt, sowie der anderen Lebewesen lässt sich ohne Indoktrination vermitteln. Allein die Vermittlung der Lebensnotwendigkeit einer intakten Umwelt für die Menschen sollte dort für den Anfang ausreichend sein. Wenn,hier komme ich wieder auf den religiösen Aspekt zurück, jemand lieber von der „Bewahrung der Schöpfung“ reden möchte, dann ist das auch akzeptabel. Solange jede Schöpfung gemeint ist – also Rotkäppchen, die Großmutter, der Jäger, der Wald, der Wolf und die frische Luft.

Warum also dieser Exkurs in die Bildungsphilosophie?

Friedrich Nietzsche ließ seinen „tollen Menschen“ durch die Straßen laufen und rufen „Gott ist tot“ – ich möchte nicht postulieren müssen „Die Aufklärung ist tot“.

Wir erleben heute wieder die Versuche der Indoktrination, egal von welcher politischen Seite. Das ist gefährlich, weil es die Freiheit des Denkens einschränkt und letztendlich das Denken behindert. Der indoktrinierte Mensch folgt den „Lehren“ – er hinterfragt nicht, er lässt keine Meinung außer der angeblich eigenen, die nicht wirklich seine ist, zu und verteidigt diese mit allen Mitteln.

Der indoktrinierte Mensch ist kein Freier Mensch, er unterliegt der Herrschaft des Meinungsführers. Passend dazu ein Zitat aus „Der Eunuch“ von Johannes Tralow, er lässt seine Protagonistin Julienne sagen:

„Sie sagten, die Sklaverei sei die tiefste Erniedrigung und vollständigste Ausbeutung, zu der Menschen jemals gezwungen wurden oder … sich hergaben. Für mich ist der letzte Zusatz ‚oder sich hergaben‘, das Schrecklichste.“

Der Verzicht auf die Nutzung des eigenen Verstandes – im Sinne der Aufklärung – ist für mich das „sich hergeben in die geistige Sklaverei“.

Demokratie braucht aber den, im Sinne der Aufklärung, freien Menschen – der „ohne die Anleitung eines Anderen“ seinen Verstand nutzen kann.

Die Aufklärung braucht keine Aufklärer der nicht zum Denken anregt sondern sagt was man zu denken hat, dieser wäre eine Absurdität.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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6. KW 2020 – Alles Thüringen, oder was?

Das Polit-Chaos in Thüringen nimmt auch am Sonntag nach der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten nicht ab und es erreicht die Bundespolitik. War das schon alles in dieser Woche?

Thüringen

Also gut, ich fange mit dem Hauptthema der Woche an, ich hatte ja bereits etwas dazu geschrieben und möchte mich nicht wiederholen. Allerdings ein paar Anmerkungen:

1. Es wurde Deutschlandweit besonders gegen die FDP demonstriert. Soweit, so schlecht – für mich gehört die CDU in den Fokus der Aufmerksamkeit. Wie ich schon schrieb, Mike Mohring hätte sich ja selbst zur Wahl stellen können. Hat er nicht getan, meiner Meinung nach weil er genau das befürchtete (oder ahnte) was Thomas Kemmerich passierte. Also die FDP als Bauernopfer für die CDU, oder so ähnlich. Wer mich kennt, weiß natürlich, dass ich die Angriffe auf FDP-Einrichtungen oder Personen, besser Gewalt als politisches Mittel in einer Demokratie, strikt verurteile. Solche Angriffe sind keine politischen Statements – Das ist apolitische Randale. Ich muss mich davon nicht distanzieren, andere sollten darüber nachdenken.

2. Nach dem Rücktritt von Kemmerich soll nun der Ministerpräsident neu gewählt werden und schon schießen „tolle“ Thesen in den Thüringer, besser Bundesdeutschen, Himmel. Ganz klar: Wenn die AfD für Bodo Ramelow stimmt, kann er die Wahl trotzdem annehmen! Im Gegensatz zu Kemmerich wäre er nämlich, spätestens im dritten Wahlgang, auch ohne diese Stimme gewählt worden. Die Forderung, dass die CDU-Abgeordneten Ramelow wählen müssten ist absurd, das würde den Anschein einer parlamentarischen Mehrheit erwecken. Ganz klar: r2g kann nur eine Minderheitsregierung bilden.

3. Bei allem Aktionismus der Parteien auf Bundesebene müssen wir wohl vieles den Thüringern überlassen. Wenn nämlich die Bundesspitzen jetzt über alle Personalien, auch auf Landesebene, entscheiden werden sich bald WählerInnen fragen, warum sie überhaupt noch in der Region wählen sollen. Hier gehe ich jetzt weg von Thüringen und in die Ebene der Stadtpolitik.

Leipzig – OBM-Wahl

Runde 2 der Wahl des Leipziger Oberbürgermeisters steht an und es sind noch drei KandidatInnen übrig. Die Kandidatinnen der Linken, der Grünen und der Partei „Die Partei“ haben zurückgezogen und eine Wahlempfehlung für Burkhard Jung abgegeben. Der AfD-Kandidat ist ebenso zurückgetreten, allerdings ohne Empfehlung – es versteht sich, dass dessen Anhänger eher Sebastian Gemkow wählen (was man ihm nicht anlasten kann), eine Empfehlung hätte ihn allerdings beschädigt. Die dritte Kandidatin, Ute Elisabeth Gabelmann, wird ihre Gründe haben im Rennen zu bleiben.

Auch hier schießen schon wieder Verschwörungstheorien ins Kraut wie:

„Dürfen Jung oder Gemkow die Wahl annehmen, wenn der Verdacht besteht dass AfD-Wähler ihn gewählt haben?“

„Hat Jung RB, also die Bebauung des Stadionvorplatzes, verkauft um sich die Stimmen der Grünen zu sichern?“

Es werden noch mehr Thesen bis zur Wahl werden.

Zum Ersten kann ich nur sagen: „Ja, sie dürfen!“ – sie wurden nämlich nicht, wie in Thüringen, von Abgeordneten gewählt. Sie wurden direkt von der Bevölkerung gewählt – da ist eine Stimmenzuordnung nicht möglich – und das ist gut so.

Das Zweite ist geradezu lächerlich. Der Oberbürgermeister ist an Beschlüsse des Stadtrats gebunden. Wenn der Stadtrat beschließt was mit dem Stadionvorplatz passiert, dann hat der OBM genau eine Stimme. Das heißt, beim derzeitigen Stadtrat ist es möglich, dass auch unter Gemkow der Stadionvorplatz nicht an RB verkauft wird.

Eine Sache noch, die völlig untergegangen ist im Trubel:

Die Sächsische Landesregierung hat geäußert, dass es 2020 keine Förderung für Straßenbau in den Kommunen gibt. Wir müssen also wohl alle Projekte neu angehen. Das haben viele nicht bemerkt.

Thüringen-Wappen Bild von skeeze auf Pixabay , Leipzig-Wappen Bild von Kaufdex auf Pixabay

Zeit für Piraten

Dass es Zeit für Piraten ist, ergibt sich aus folgender Ausgangslage:

Zwei Arten von Menschen mit Laptops möchte ich hier gegenüber stellen. Die ökonomisch orientierte ist in klassische Anzüge oder Kostüme gekleidet, hastet jung und dynamisch durch Firmenkorridore und sucht nach Einspar- und Optimierungspotentialen. Die andere Art sind die Piraten. Sie arbeiten zu Hause und in ihrer Freizeit, sie treffen sich in Kneipen und beschäftigen sich mit der Lebens- und Arbeitswelt von morgen. Die erste Art genießt hohes gesellschaftliches Ansehen und wird gut bezahlt.

Zeit für Piraten, warum?

Die erste Art, die fleißigen Arbeiter im McKinsey-Imperium (wobei McKinsey als Synonym für sämtliche Consultingfirmen steht) hat zwei Aufgaben. Zum Ersten die Bewahrung des Status quo und zum Zweiten die Sicherung hoher Renditen für Shareholder. Das wird gern euphemistisch als „freies Spiel der Kräfte“ oder „Freiheit der Märkte“ umschrieben – ist aber schlicht und ergreifend die Freiheit von gesellschaftlicher Verantwortung für Großunternehmen. Ich schrieb schon ausführlich dazu.

Die zweite, die piratige Art hat Visionen. Sie ist innerhalb der Firmenhierarchien meist in mittleren oder unteren Ebenen zu finden, steht finanziell näher an den unteren Schichten, ist meist gut gebildet und ideologisch zwar dem eher linken Lager zuzuordnen, aber ohne die dort üblichen ideologischen Scheuklappen. Letzteres wird ihnen oft von Ideologen vorgehalten. Persönlich bezeichne ich mich, gemäß meiner Identität, gern als „konservativ links“ – was manchmal zu Irritationen führt. Ich passe also nur zu den Piraten.

Zeit für Piraten – also für Streit?

Damit sind die Piraten die einzige Partei, die den politischen Entscheidungsprozess öffentlich macht. Das liegt in der Natur einer Republik – res publica bedeutet ja „öffentliche Angelegenheit“. Dies gibt Interessierten die Möglichkeit sowohl passiv, durch Mitlesen, aber auch aktiv teilzunehmen. Piratenpolitik findet öffentlich statt. Ich meine, das ist gut.

Zeit für Piraten – also für Nerds?

Piraten werden, soweit sie bekannt sind, oft mit Nerds und Hackern in Verbindung gebracht. Es gibt auch von denen welche unter den Piraten, es gibt aber ebenso Menschen hier die das Internet und Computer einfach als Arbeitsmittel nutzen. Manche brauchen sogar Hilfe beim Anlegen eines Email-Accounts. Normale Menschen eben, die sich mit den Piraten-Themen identifizieren. Weder der Chaos-Computer-Club noch Anonymus sind Piraten-Veranstaltungen – viele Piraten stehen diesen aber nahe.

Zeit für Piraten – was wollen die?

Den Piraten geht es um die Freiheit – nicht nur im Internet. Es geht ihnen um die Würde eines jedes Menschen und um die gleichberechtigte Teilhabe dieser Menschen am gesellschaftlichen Leben und den politischen Prozessen.

Damit eng verbunden ist der Kampf für die Wahrung der Privatsphäre, also gegen anlasslose Totalüberwachung. Der Schutz der Meinungsfreiheit, so wie sie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, ist auch der Kampf gegen die Einführung von Uploadfiltern und anderen technischen Mitteln im Internet – die dazu geeignet sind die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Würde und Teilhabe sind die Eckpunkte für die piratige Sozialpolitik. Wenn die Würde aller Menschen und die gleichberechtigte Teilhabe – „farbenblind“ und geschlechtsunabhängig – das Prinzip sind, dann sollte jede/r damit leben können.

Die neue Arbeitswelt und digitale Bildung, verbunden mit den vorstehenden Prinzipien, sind ein piratiges Thema. Sie sind schon da angekommen, wo andere noch vom Neuland reden. In einem Artikel schrieb ich:

Wie ihre Namensgeber auf den Weltmeeren, so sind die Piraten im Internet unterwegs. Sie organisieren sich dort – tauschen sich aus – teilen Ideen – entwickeln Lösungen – diskutieren diese – verbessern oder verwerfen sie und machen sie öffentlich. Crowdworking, Cloudworking, Crowdfunding und ähnliches sind für Piraten normal. Sie machen, zum großen Teil in ihrer Freizeit das was die Arbeitswelt der Zukunft ausmachen wird.

Zeit für Piraten – auch kommunal?

Die vorstehenden Themen sind oft in der Europa-, Bundes- oder Landespolitik durchsetzbar – was ist mit der Kommunalpolitik? Auch dort werden die Piraten gebraucht. Sie leben und arbeiten in den Kommunen, sie sind dort oft gesellschaftlich engagiert – sie sind „welche von uns“ – mit allen normalen Alltagsproblemen. So entstehen in kontroversen Diskussionen Konzepte für Verkehr, Kultur, Umwelt, Tourismus und andere kommunal drängende Themen. Auch diese Konzepte werden ohne Beeinflussung durch Lobbyisten oder ideologische Restriktionen öffentlich erarbeitet. Sie werden von Menschen für eine menschliche Gesellschaft erarbeitet.

Zeit für Piraten – und nun?

Die Piraten sind eine Mitmach-Partei, es kann sich also jede/r beteiligen, auch ohne gleich Mitglied zu werden. Auf den Webseiten der Kreis-und Ortsverbände sind die öffentlichen Kontakte und Treffen schnell zu finden.

Für die, denen die Zeit bis zur nächsten Wahl dafür zu kurz erscheint, oder die sich nicht aktiv beteiligen wollen bleibt beim Gang zur Wahlurne die Möglichkeit das Kreuz bei den Piraten zu setzen.

Am 26. Mai 2019 Piraten wählen!

Bei der Europawahl und kommunal.

In Leipzig die Liste 7 – PIRATEN

Und bitte denkt daran: „Nichtwählen ist keine Lösung.“

Vorveröffentlichung am 05. Mai 2019 bei Piratenpartei Leipzig