Mietendeckel

Symbolbild Deckel 🙂

Die Linke in Berlin fordert einen Mietendeckel, Sahra Wagenknecht fordert diesen für ganz Deutschland – manche jubeln, andere bekommen Schnappatmung.

Was ist ein Mietendeckel?

Er ist nicht zu verwechseln mit der Mietpreisbremse, diese legt fest, ob und in welcher Höhe Mieten steigen dürfen. Der Mietendeckel der Berliner Prägung legt Mietpreise (Kaltmiete) für Wohnraum nach Baujahr der Wohnimmobilie fest. Zitat

Wer zum Beispiel in einem Gründerzeit-Haus wohnt, das vor 1918 gebaut wurde, dürfte demnach höchstens  6,03 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter zahlen. Wohnungen, die zwischen 1991 und 2013 gebaut wurden, sollen auf höchstens 7,97 Euro pro Quadratmeter gedeckelt werden. Nach dem Willen von Bausenatorin Lompscher sollen die Berliner Bezirksämter die Einhaltung dieser Mietobergrenzen überwachen.

Im Entwurf steht auch, dass Wohnimmobilien, die nach 2014 gebaut wurden, vom Mietendeckel ausgenommen sind.

Rechnen wir mal

Ach was, es geht auch einfach mit einer Betrachtung. Ein Vermieter (nein, mein Mitleid mit diesen hält sich in Grenzen), der ein Gründerzeithaus aus den 1870er Jahren teuer erworben und nach Gesichtspunkten des Denkmalschutzes energetisch saniert hat, unterliegt einer Obergrenze von 6,03 €/m2 und der Besitzer eines Billigbaus von 2015 kann die Mieten nach Gusto, natürlich im Rahmen des Mietspiegels, gestalten. Dazu kommt, dass in vielen Stadtgebieten, in denen diese Gründerzeithäuser stehen, die Gentrifizierung so weit fortgeschritten ist, dass Besserverdienende vom Mietendeckel profitieren würden. Besonderen Charme hat das, wenn ich mir in Leipzig das Waldstraßenviertel anschaue und die Dichte an Rechtsanwälten sehe. Diese werden dann ihr Recht gegenüber dem Vermieter schon geltend machen. Sollen die Mieter in unsanierten Gründerzeithäusern diesen nun gleichgestellt werden?

Ausnahmen

Wenn ich die Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher fragen würde, wäre die Antwort wahrscheinlich „Da müssen wir eine Regelung finden“. Schließlich ist nach ihrer Aussage der oben beschriebene Mietendeckel nur eine erste Vorlage und soll präzisiert werden.

Es wird also Ausnahmeregelungen geben. An Hand von drei Beispielen möchte ich das skizzieren:

  1. Ein aufwändig saniertes Gründerzeithaus bekommt einen anderen Status – wird also aus dem Mietpreisdeckel herausgenommen. Fazit: Es befördert die Gentrifizierung und hilft den dortigen Mietern, die jetzt einen sehr hohen Anteil des Familieneinkommens für die Miete aufwenden müssen, nicht. Weiterer Effekt ist, dass bisher unsanierte Immobilien so aufwändig saniert werden, dass sie ebenfalls unter diese Regelung fallen. Die Eigentümer müssen das sogar tun (sofern die Immobilie im Privatbesitz ist), da Banken ihnen nur Kredite gewähren, wenn die wirtschaftliche Prognose positiv ausfällt.
  2. Wie in Szenario 1. Die Mieter in nicht unter den Mietendeckel fallenden Immobilien haben Anspruch auf einen Mietzuschuss – das setzt eine Bedürftigkeitsprüfung mit Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse voraus. Abgesehen vom Verwaltungsaufwand steht in diesem Falle, wie im Steuerrecht, die Frage im Raum „Wer kann sich besser arm rechnen?“ Ich tippe auf Anwälte und Steuerberater.
  3. Der Mietendeckel wird strikt, wie oben beschrieben, durchgesetzt. Abgesehen von der jahrelangen gerichtlichen Klärung wird es für die betroffenen unsanierten Immobilien einen Sanierungsstau geben. Dieser wird als worst case eventuell zur Unbewohnbarkeit einiger Immobilien führen.

Panikmache

Auch wenn manche mir jetzt vorwerfen werden, dass ich in die Panikmache eines Don Alphonso (Rainer möge mir verzeihen, dass ich ihn exemplarisch nenne) mit „Rückfall in die DDR“, „SED comeback“ und Ähnlichem einstimme, das liegt mir fern. Ich sehe im Prinzip eines Mietendeckels nichts Verwerfliches, sehe aber die bisher kommunizierte Version als handwerklich falsch konstruiert.

Fazit:

Als Arbeiter und Mieter bin ich persönlich daran interessiert, dass mein Familieneinkommen nicht durch ständig steigende Mieten „aufgefressen“ wird.

Als Bürger von Leipzig bin ich daran interessiert, dass Menschen mit geringerem Einkommen (egal aus welchen Quellen) nicht immer weiter an die Peripherie vertrieben werden und dass unsere historische Bausubstanz erhalten und saniert wird.

Als Pirat, Ingenieur und zukünftiger Stadtrat bin ich an handwerklich ordentlichen Gesetzen interessiert – nicht an populistischen Vorschlägen.

Ergänzung

Kurz vor der Veröffentlichung sah ich noch zwei wichtige Beiträge, die ich den LeserInnen nicht vorenthalten möchte:

1. Florian Schmidt, seines Zeichens Verkehrs- u. Baustadtrat Friedrichshain-Kreuzberg, schrieb in der Zeit über den Mietendeckel:

Der Mietendeckel ist für mich ein Baustein einer viel größeren Operation, die längst läuft. Dazu gehört, dass wir im großen Stil neu bauen und bestehende Immobilien aus dem Markt herausnehmen und gemeinwohlorientierten Organisationen zuführen.

Das bedeutet im Klartext, es geht um die Umverteilung des Immobilieneigentums. Ganz neutral gefragt: „Warum reden wir dann nicht gleich von Enteignung der Immobilienkonzerne?

2. Katrin Lompscher rudert zurück. Im Text der Meldung steht:

Reduziert werden sollten nur die Zahlungen von Mietern, die derzeit schon 30 Prozent ihres Nettohaushaltseinkommens für die Miete aufwendeten.

Das ändert natürlich alles (Ironie falls das jemand nicht merkt) – es ändert nichts an der Gentrifizierung, am Bestreben an Besserverdienende zu vermieten und bringt ein weiteres Problem mit sich: Ich muss jetzt also für einen bestehenden Mietvertrag (Frage ist noch wem gegenüber) meine wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen, um den Mietendeckel in Anspruch zu nehmen.

Fazit II

Nach wie vor ist der Mietendeckel handwerklich schlecht gemacht. Von den offenen rechtlichen Fragen ganz abgesehen.

Bild von emmagrau auf Pixabay